Inklusive Prozesse umsetzen
Inklusion heiĂt VerĂ€nderung
VerÀnderung planen und gestalten
EinfĂŒhrung zum methodischen Arbeiten im inklusiven Kontext
Die Moderation von Gruppenprozessen
Methoden zur Arbeit mit den Index-Fragen
Weitere Methoden fĂŒr partizipative Prozesse
Externe Prozessbegleitung
Inklusion heiĂt VerĂ€nderung
âInklusive VerĂ€nderungsprozesse können besonders kreativ und musterbildend sein, wenn sie tatsĂ€chlich partizipativ gestaltet
werden.â5
Inklusion heiĂt: VerĂ€nderung in einem kontinuierlichen Prozess mit dem Ziel, Teilhabe und Vielfalt zu ermöglichen. Bestehende Umgangs- und Verhaltensweisen werden hinterfragt, neue Wege des Miteinanders gesucht und gefunden. Je mehr Menschen sich inklusiv engagieren, desto vielfĂ€ltiger sind die VerĂ€nderungsprozesse, die eine Gemeinschaft bewirken und gestalten kann.
Das âAndereâ und das âNeueâ
VerĂ€nderung bedeutet, dass etwas âandersâ wird â anders, als es gerade ist und anders, als wir es gewohnt sind. Ein solcher Prozess vollzieht sich in kleinen Schritten. Denn die VerĂ€nderung von bestehenden und gewohnten Verhaltensmustern braucht Zeit. Der Ăbergang vom Alten zum Neuen hat viele Zwischenphasen, in denen sich das Alte, Gewohnte und das Neue, Ungewohnte ĂŒberlagern.
Dabei ist es hilfreich, das Andere und Neue als Chance wahrzunehmen: Es ist interessant und anregend, etwas Neues kennenzulernen. Das Unerwartete ist ein Teil des Prozesses, VerĂ€nderung lĂ€sst sich immer nur begrenzt vorausplanen: Bedingungen, Ziele und die Beteiligten selbst entwickeln sich im Prozess stĂ€ndig weiter. Es entstehen immer wieder neue Situationen, die den Prozess selbst verĂ€ndern und dadurch vorantreiben. Dazu gehören ĂŒberraschende Entwicklungen, neue Ziele, Wege und Umwege, WiderstĂ€nde und Zweifel, Irritation und Scheitern. Sie sorgen fĂŒr Dynamik im Prozess und ermöglichen erst das Entstehen von VerĂ€nderung.
Das Neue liegt in der kreativen Verbindung von Perspektiven, die zunĂ€chst mit unserer gewohnten Denkweise nichts zu tun haben. Indem wir es wagen, UnzusammenhĂ€ngendes, Unterschiedliches zu kombinieren, entstehen neue Sichtweisen, die wiederum zu neuen Ideen und Zielsetzungen fĂŒhren. Inklusive VerĂ€nderungsprozesse bleiben so fortwĂ€hrend lebendig.
Jeder Mensch ist anders
Die Begegnung mit dem Anderen bildet nicht nur den Kern von VerĂ€nderung, sondern auch von Inklusion selbst: Wenn wir uns auf die Verschiedenheit und Vielfalt von Menschen einlassen, begegnen wir unendlich vielen Formen von âAndersseinâ. Durch individuelle Erfahrungen, Wahrnehmungen und die eigene Lebensgeschichte ist jeder Mensch anders â und damit einzigartig. Jede/r hat einen persönlichen Blick auf die Welt, sieht sich und andere mit eigenen Augen, erlebt eine ganz eigene Wirklichkeit. Auch das âAndersseinâ von Menschen empfindet jede/r auf ihre/seine Art und Weise unterschiedlich â was manche/r als ânormalâ empfindet, wirkt auf andere ungewohnt oder irritierend.
Umso unpassender ist es, Menschen nach Einzelaspekten als âandersâ zu kategorisieren: z. B. âMigrantenâ, âBehinderteâ, âHomosexuelleâ, âsozial Schwacheâ etc. Dabei handelt es sich um Einteilungen einer Gesellschaft, die der Vielfalt dieser Personen nicht gerecht wird.
Wenn wir es vermeiden, Menschen solche vermeintlichen Eigenschaften zuzuschreiben, können wir mehr von ihnen entdecken und verstehen. Einzelne IdentitĂ€tsaspekte stehen nicht fĂŒr die IdentitĂ€t als ganze. So viele Eigenschaften und Besonderheiten jeden Menschen von einem anderen Menschen trennen, so viele verbindende Aspekte gibt es zwischen jeder und jedem Einzelnen.
Inklusion als Prozess
Die natĂŒrliche Vielfalt der Verschiedenheit und Gleichheit von Menschen zu verstehen ist ein wichtiger Schritt im Prozess der Inklusion. Er erfordert VerstĂ€ndigung, Austausch, Dialog, Zuhören und die Bereitschaft, sich selbst und andere Menschen mit ihren jeweiligen Sichtweisen von Welt verstehen zu lernen und zu akzeptieren.
Ein weiterer wichtiger Schritt besteht darin, Differenzen als Chance zu begreifen: Wer sich anderen öffnet, erschlieĂt sich selbst neue Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten bleiben allen verborgen, die nicht bereit sind, die eigene und andere IdentitĂ€ten wahrzunehmen. Es ist bereichernd, auf andere zuzugehen und sich zu fragen: Was verbindet mein GegenĂŒber mit mir? Und mich mit ihr/ihm? Was haben wir gemeinsam? Wo eröffnet mir ihre/seine Gedankenwelt neue Perspektiven?
Der Prozess der Inklusion lebt von solchen Fragen, die dazu anregen, die bestehenden Bedingungen des Zusammenlebens zu ĂŒberdenken. In diesem Handbuch finden sich viele Fragen, die ein Weiterdenken ĂŒber die Ausrichtung unserer kommunalen Gemeinschaft anregen.
Auf welcher Ebene auch immer inklusive VerĂ€nderungsprozesse ansetzen â vom âIch mit mirâ bis zum âAlle gemeinsamâ: Wichtig ist das gemeinsame Ziel der Inklusion. Je mehr Menschen auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Kontexten sich fĂŒr dieses Ziel engagieren, desto vielseitiger und kreativer werden auch die Prozesse selbst.
Der Kommunale Index fĂŒr Inklusion hilft dabei, diese Prozesse anzuregen und weiterzuentwickeln. Er ermöglicht Menschen, ihre vielfĂ€ltigen Muster im Denken und Handeln zu reflektieren, sich auszutauschen und auseinanderzusetzen, um in ihrer Kommune gemeinsam neue Muster entstehen zu lassen.
VerÀnderung planen und gestalten
VerĂ€nderung ist immer geprĂ€gt von den Menschen, die sie initiieren. Deshalb ist jeder VerĂ€nderungsprozess anders â genau wie die Menschen, die diesen Prozess tragen. Jede Organisation, Einrichtung, Institution etc. kann und wird also ihren eigenen Prozess gestalten. Diese Gestaltung ist ein gemeinsamer Lernprozess: Alle Teilhabenden werden neue Erfahrungen machen, werden an Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit gewinnen. Das braucht Zeit â gerade, wenn viele Menschen sich beteiligen sollen und wollen.
Das gemeinsame Entwickeln und Lernen ist dabei selbst schon ein inklusiver Prozess: Es gilt, Barrieren fĂŒr eine gute Zusammenarbeit zu erkennen, sie zu beseitigen und gemeinsam einen Weg zu finden. Auch dabei können die Index-Fragen in jedem Prozessschritt genutzt werden. Der Start ist ganz einfach: Jede/r kann jederzeit mit Inklusion beginnen.
12 Schritte
Im Folgenden werden 12 Schritte beschrieben, die helfen, einen VerĂ€nderungsprozess zu organisieren. Dabei gilt: Jeder VerĂ€nderungsprozess ist variabel â die Punkte mĂŒssen nicht nacheinander âabgearbeitetâ werden. Die folgenden Schritte können helfen, nichts Wichtiges zu vergessen, Stolpersteine frĂŒhzeitig zu entdecken und gemeinsam inklusive Werte zum Leben zu erwecken. Die Index-Fragen können in jedem dieser Schritte genutzt werden. Die Schritte:
1. Orientieren: Was ist unsere inklusive Leitidee?
2. Kommunizieren: Wie finden wir eine gemeinsame Sprache?
3. Sich einlassen: Was wollen wir ĂŒberhaupt?
4. Organisieren: Wie werden wir handlungsfÀhig?
5. Bestand aufnehmen: Wie sieht es zurzeit bei uns aus?
6. Ziele beschreiben: Was wollen wir erreichen?
7. Zwischenbilanz ziehen: Sind wir auf Kurs?
8. Ideen finden: Wie können Lösungen aussehen?
9. PlÀne schmieden: Wie gehen wir vor?
10. Umsetzen: Ărmel hochkrempeln⊠und los!
11. Nachbereiten: Was haben wir geschafft?
12. In die Zukunft denken: Das Ende des Alten⊠ist der Beginn des Neuen!
1. Orientieren: Was ist unsere inklusive Leitidee?
Bevor wir ĂŒber Methoden nachdenken, ist die KlĂ€rung der Leitidee wichtig. Das heiĂt, wir verstĂ€ndigen uns ĂŒber die Grundlage unseres Handelns. Man könnte auch sagen: wir benennen einen âNordsternâ, an dem wir uns im Prozess orientieren.6 Das sind die inklusiven Werte, die uns besonders wichtig sind und an denen wir alle weiteren Schritte messen.
In dieser Phase ist es wichtig, sich ĂŒber die Begriffe der Leitidee zu verstĂ€ndigen: Meinen wir alle dasselbe, wenn wir von âInklusionâ, âTeilhabeâ, oder âBarrieren ĂŒberwindenâ sprechen? Und wenn wir nicht dasselbe meinen: Was bedeutet das fĂŒr den Prozess? Wie können uns gerade unsere unterschiedlichen Auffassungen wieder weiterbringen?
2. Kommunizier...