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eBook - ePub
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Wolfgang Schmidbauer weist auf die Nebenwirkung des fehlenden heiĂen Krieges hin: die Bereitschaft zur Ăberreaktion, die Gefahren nicht verkleinert, sondern multipliziert. Diese Reaktion wird vor allem verursacht durch die Massenmedien, die durch ihre sensationelle Berichterstattung bei AnschlĂ€gen nicht nur Ăngste fördern, sondern auch mögliche Nachahmer anregen. In seinem Beitrag beschreibt Schmidbauer die Entwicklung der Terroristen und AmoklĂ€ufer von den kalten Gedanken bis hin zur heiĂen Tat.
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Information
Wolfgang Schmidbauer
Der entgrenzte Suizid
Narzisstische KrÀnkung im kalten Frieden
Der entgrenzte Suizid
Narzisstische KrÀnkung im kalten Frieden
Die meisten gewissenhaften Selbstbeobachter werden zugeben, dass ihnen Mordimpulse nicht gÀnzlich fremd sind. Kaum einer hat das in einer so schönen Mischung von Idylle und Schauder vorgetragen wie Heinrich Heine:
»Ich habe die friedlichste Gesinnung. Meine WĂŒnsche sind: eine bescheidene HĂŒtte, ein Strohdach, aber ein gutes Bett, gutes Essen, Milch und Butter, sehr frisch, vor dem Fenster Blumen, vor der TĂŒr einige schöne BĂ€ume, und wenn der liebe Gott mich ganz glĂŒcklich machen will, lĂ€Ăt er mich die Freude erleben, daĂ an diesen BĂ€umen etwa sechs bis sieben meiner Feinde aufgehĂ€ngt werden. Mit gerĂŒhrtem Herzen werde ich ihnen vor ihrem Tode alle Unbill verzeihen, die sie mir im Leben zugefĂŒgt â ja man muĂ seinen Feinden verzeihen, aber nicht frĂŒher, als bis sie gehenkt werden.« (Heinrich Heine, Gedanken und EinfĂ€lle)
Der Dichter bekennt sich zu seiner Mordlust gegen jene, die ihn gekrĂ€nkt haben. Aber er nimmt die Tat nicht selbst in die Hand, er wĂŒnscht sich, es möge ihm jemand die Henkersarbeit abnehmen. In der bĂŒrgerlichen Schicht hatte man damals noch Personal.
In Heines Notiz fĂ€llt der Zusammenhang zwischen Vereinfachung und Todeswunsch auf. Dem Dichter ist das stĂ€dtische Leben mit seinen verletzenden RivalitĂ€ten und seiner UnĂŒbersichtlichkeit zu kompliziert, er will es einfach haben. Und in der Tat ist der Tod der gröĂte Vereinfacher und KrĂ€nkungslinderer von allen â einmal abgesehen davon, dass die Endlichkeit des Lebens selbst eine tiefe KrĂ€nkung darstellt. Die einem buddhistischen Weisen zugeschriebene Variante des Heine-Themas ist der Rat: »Meditiere am Ufer des Flusses, bis die Leiche deines Feindes vorbeitreibt.«
Noch viel stĂ€rker verbreitet ist die Fantasie vom Selbstmord als Erlöser, glĂ€nzend dramatisiert in Hamlets Monolog. Mit einem ausgefĂŒhrten Suizid hat sie wenig gemein. Ich erinnere mich, wie im Alter von vier Jahren eine Ărztin schalt, weil ich angesichts einer drohenden Injektion schrie: »I mog nimma lem!« (hochdeutsch: Ich mag nicht mehr leben). Vielleicht erriet die strenge Frau Doktor, dass meine Absicht, sich dem Diphtherieserum durch solchen Todesmut zu entziehen, ihrer Ă€rztlichen Kunst ins Gesicht spuckte.
In Fantasien wird der Selbstmord mehrfach genutzt: einmal, wie schon in der kindlichen Szene, als Wunschbild, um sich Angst und Schmerz zu entziehen; oft auch als symbolische Rache an jenen, die mich zu diesem Akt genötigt, die mich aus dem Leben vertrieben haben. Eine Fantasie, wie die Eltern am Grab des Kindes, das sie lebend missachtet haben, weinen, wird oft berichtet. Selbstmord ist bei jungen, körperlich gesunden Menschen nur ganz selten eine sozusagen unsoziale, nicht auf die Lebenden, sondern allein auf das eigene Ende gerichtete Tat.
Seit dem 11. September 2001 ist der Mann, der sein Leben opfert, um möglichst viele zu töten und ein Zeichen zu setzen, Symbol einer neuen Gefahr. Er verbindet die Todessehnsucht des GekrĂ€nkten mit dessen Mordlust zu einem archaischen Geltungswahn, der die triviale Mythologie der DrehbĂŒcher von Mortal Kombat umsetzt: In einer Schattenwelt mĂŒssen die Opfer ihren Mörder bedienen und seine Macht steigern. Politisch weniger bedeutungsvoll, aber wegen des wahllosen Mordens dem Terroristen zum Verwechseln Ă€hnlich: Der AmoktĂ€ter, der seine MitschĂŒler, seine Lehrer oder einfach die jugendlichen GĂ€ste in einem Lokal niederschieĂt.
Wie angespannt die gesellschaftliche Stimmung ist, wie wenig es den durch BĂŒrokratie gegĂ€ngelten und durch Sicherheit verwöhnten MitteleuropĂ€ern gelingt, krasse Ereignisse einzugrenzen und möglichst viel NormalitĂ€t um sie herum zu bewahren, hat sich nach einem SchĂŒler-Amoklauf in einem MĂŒnchner Einkaufszentrum gezeigt. Kurz vorher hatte es in Bayern einen ersten Fall von islamistischem Terror gegeben â einen 17-JĂ€hrigen, der mit Axt und Messer in einem Vorortszug auf Reisende losging.
Der bayerische Löwe fÀngt den eigenen Schwanz
Vom Abend bis nach Mitternacht stand MĂŒnchen an einem Tag im Juli 2016 unter Schock. Das gesamte Netz der öffentlichen Verkehrsmittel und der Hauptbahnhof wurden auf polizeiliche Anordnung gesperrt und stillgelegt, Hubschrauber kreisten ĂŒber der S...
Table of contents
- Wolfgang Schmidbauer: Der entgrenzte Suizid. Narzisstische KrÀnkung im kalten Frieden
- Anhang