Gewalt als Normalfall
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Gewalt als Normalfall

Warum der Frieden kalt bleiben muss

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Gewalt als Normalfall

Warum der Frieden kalt bleiben muss

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Armin Nassehi weist in seinem Beitrag darauf hin, dass Gesellschaften nur pazifiziert werden müssen, weil sie es nicht per se sind. Eine Ordnung wird hergestellt, indem die Menschen dazu gebracht werden, auf die mögliche Durchsetzung von Stärke zu verzichten. Das Medium Macht funktioniert dabei aber nur, wenn beide Seiten die Vermeidungsalternative kennen und beide sie vermeiden wollen. Seine These spielt Nassehi im Beitrag an drei Beispielen durch: an der erstaunlichen ästhetischen Attraktivität der Gewalt, am Beispiel des Krieges als modernem Ordnungsstifter und an der kommunikativen Funktion der Gewalt, die sich nicht nur an das unmittelbare Opfer richtet, sondern vor allem an Dritte.

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Armin Nassehi
Gewalt als Normalfall
Warum der Frieden kalt bleiben muss
Wir leben in pazifizierten Räumen. Man muss den Begriffsgebrauch genau beachten: Wir leben nicht in pazifischen Räumen – damit meine ich nicht, dass wir nicht in Kalifornien oder auf Tonga leben, sondern dass diese Räume nicht immer schon friedlich waren, sondern befriedet wurden beziehungsweise werden mussten. Befriedet werden muss nur das, was nicht per se und sui generis bereits pazifisch ist. Und die Pazifizierung geschieht nicht ein für alle Mal, sondern muss permanent bestätigt werden – am Ende wird dabei herauskommen, dass das ein Tun durch Unterlassen sein muss.
Äußerer Frieden, innerer Krieg?
Die politische Philosophie der Neuzeit beginnt mit dem Naturzustand, besser: Sie beginnt mit der Einsicht, dass die Abwesenheit einer die Gewalt kontrollierenden Zentralinstanz die Menschen übereinander herfallen lassen würde. Thomas Hobbes schrieb im Leviathan von 1651: »Der alleinige Weg zur Errichtung einer […] allgemeinen Gewalt, die in der Lage ist, die Menschen vor dem Angriff Fremder und vor gegenseitigen Übergriffen zu schützen und ihnen dadurch Sicherheit zu verschaffen, daß sie sich durch eigenen Fleiß und von den Früchten der Erde ernähren und zufrieden leben können, liegt in der Übertragung ihrer gesamten Macht und Stärke auf einen Menschen oder eine Versammlung von Menschen, die ihre Einzelwillen durch Stimmenmehrheit auf einen Willen reduzieren können.«1 Der Angriff Fremder und gegenseitige Übergriffe waren gewissermaßen der Ausgangspunkt dieses Denkens – ob man das nun für eine anthropologische Aussage halten soll oder nur für den Ausdruck einer historischen Erfahrung, sei dahingestellt – ganz abgesehen davon, dass Anthropologien stets die jeweiligen historischen Erfahrungen auf den Begriff bringen. Jedenfalls beginnt die Reflexion über moderne Ordnungsvorstellungen ganz explizit mit dem grundlegenden Bezugsproblem, die Gewalt einzudämmen, die Menschen dazu zu bringen, nicht übereinander herzufallen, sondern die Konfliktregulierung an Recht, Gesetz, Staat und eine Zentralmacht abzutreten und in dem dann verbleibenden Koordinationsraum auf andere Medien als Gewalt, insbesondere als unmittelbare körperliche Gewalt, zu setzen: ökonomische Regulierungen von Knappheit, vernünftige Argumente, Zusammengehörigkeitsgefühle und Solidaritäten, Eigeninteressen usw. Die Gesellschaft auf Anerkennungsverhältnisse zu bauen, setzt voraus, dass die Menschen aus freien Stücken auf gewaltsame Möglichkeiten verzichten.
Jean-Jacques Rousseau, auch an der Abgrenzung von einem gewaltnahen Naturzustand orientiert, setzt auf Einfältigkeit. Der Erste, schreibt er, der ein Stück Land eingezäunt habe und Leute fände, die einfältig genug seien, das eingezäunte Areal als fremden Besitz anzuerkennen, sei der wahre Begründer der bürgerlichen Gesellschaft.2 Hobbes’ Lösung besteht darin, das Gewaltmonopol des Staates stark zu machen, Rousseau setzt etwas romantischer an der Kollektivierung und Generalisierung des Willens zu einem großen Wir an, beide bauen aber letztlich auf Einsicht aus Eigeninteresse oder Wir-Willen. Einsicht ist deshalb wichtig, weil eben jener Gewaltmechanismus, der den Naturzustand ausmachen soll, andere Formen der Handlungskoordination kennt als Einsicht. Soziale Ordnung wandert also von Außenleitung zu Innenleitung. Die Menschen mussten beginnen, statt des äußeren Naturzustandes, der durch Staatlichkeit und soziale Kontrolle befriedet werden konnte, den inneren Naturzustand zu überwinden. Das nannte man dann Zivilisation.
Norbert Elias, derzeit kaum gelesener Soziologe, hat in seiner Zivilisationstheorie darauf hingewiesen, wie sich Soziogenese und Psychogenese zueinander verhalten: Er hat beschrieben, wie komplexer werdende Gesellschaften darauf angewiesen sind, einerseits die äußere Gewalt zu monopolisieren und dafür die innere zu individualisieren. Es lohnt sich, ihn direkt zu Wort kommen zu lassen: »Von den fr...

Table of contents

  1. Armin Nassehi: Gewalt als Normalfall. Warum der Frieden kalt bleiben muss
  2. Anhang