Kursbuch 192
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Kursbuch 192

Frauen II

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Kursbuch 192

Frauen II

About this book

"Power Frauen" oder "Emanzipation macht Angst": Im Jahr 1977 erschien das Kursbuch 47, das – ganz schlicht – Frauen hieß und neben diesen 11 weitere Artikel verschiedenster Autorinnen versammelte. 40 Jahre und etliche Nummern später schließt nun das aktuelle Kursbuch 192 mit dem ebenso schlichten Titel Frauen II an. In ihm schreiben wieder ausschließlich Frauen, wieder über die vielfältigen Konstellationen im Gefüge Frau-Gesellschaft – und doch sind sie ganz anders als 1977. Dass die sogenannte "Frauenfrage" von einst sich selbst überholt hat – so viel ist klar. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich erledigt hat. Sie muss in Zeiten von Genderdebatten, Feminismus und #MeToo nur ganz neu gedacht werden. Mit Beiträgen von Margarete Stokowski, Sonja Zekri und Jasmin Siri.

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Information

Christina von Braun
Anti-Genderismus
Über das Feindbild Geschlechterforschung
Die zweifellos größte Veränderung der letzten 40 Jahre auf dem Gebiet von Geschlecht ist das Nachlassen sexueller Eindeutigkeiten. Das hatte einerseits zur Folge, dass auch das männliche Geschlecht in den Fokus der Betrachtung rückte; andererseits verwandelte sich die Frauenforschung zunehmend in Geschlechterforschung – oder Gender Studies. Die Aufhebung der Geschlechterpolarität stößt auf beträchtlichen Wider­stand und führt manchmal zu einer gewissen Blindheit der politischen Analyse. So wurden nach der letzten Bundestagswahl die unterschiedlichen Wahlerfolge der AfD in Ost- und Westdeutschland ausführlich thematisiert, doch der breite Graben, der sich zwischen der männlichen und der weiblichen Wählerschaft der AfD auftat, fand wenig Beachtung. Das gilt auch für den durchaus weiterführenden Aufsatz von Ines Geipel, die in der Welt am Sonntag zwar den männlichen Ossi thematisierte (also Geschlechterbilder in die Betrachtung der Wahlergebnisse einbezog), aber letztlich war auch bei ihr die Mauer zwischen Ost und West das prädominante Erklärungsmuster.1
Dabei verlangt die Tatsache, dass die AfD auch in Bayern und Baden-Württemberg beträchtliche Wahlgewinne einfuhr und populistische Bewegungen in Ländern ohne Teilungsgeschichte wie Frankreich, Niederlande, USA erfolgreich sind, nach anderen Erklärungsmustern. Meiner Ansicht nach liegt das Bemerkenswerte an der Bundestagswahl von September 2017 woanders: Die Programme der AfD sind einerseits ein Plädoyer für »traditionelle Werte«, darunter eine größere Geschlech­terpolarität. Andererseits gingen solche Forderungen historisch immer mit dem Versuch einer Homogenisierung der Gemeinschaft einher. Der Zusammenhang von völkischer Einheit und Geschlechterhierarchie ist geradezu paradigmatisch im Nationalismus des 19. Jahrhunderts zu stu­dieren. Im deutschen Herbst 2017 ergab sich jedoch die Situation, dass die Forderung nach geschlechtlicher Eindeutigkeit das Auseinanderfal­len der nationalen Einheit begleitete. Das war neu und verlangt nach neuen analytischen Kategorien.
Dieser Sonderfall wird noch dadurch verschärft, dass die Kritik an der Kategorie Gender (die gern als Ursache für die Auflösung der Geschlech­tergrenzen gilt) aus sehr unterschiedlichen Richtungen kommt. Bei den Gegnern der Frauenbewegung und -forschung vor 40 Jahren war es ein­facher. Ob sie dem rechten oder dem linken Spektrum angehörten, in einem waren sie sich einig: Dass Frauen fürs Kaffeekochen zuständig sind, galt als normal, ja biologisch verankert. Bei der Frage von Gender ist das anders: Hier bläst der Gegenwind aus so unterschiedlichen Rich­tungen, dass ein gemeinsamer Nenner kaum auszumachen ist.
Wer sind die Gender-Gegner?
  • Da wäre zunächst die katholische Kirche zu nennen. Als 2011 in den französischen Schulbüchern die sexuelle Identität nicht nur biologisch, sondern auch soziokulturell erklärt werden sollte, protestierten 100 Politiker der konservativen, katholisch geprägten UMP lautstark. Es handle sich um eine »unwissenschaftliche These«, schrieben sie,2 und sie erhielten Rückendeckung vom französischen Berater des Va­tikans für Familienfragen, der Gender als eine »totalitäre Ideologie« beschrieb, »die repressiver und schädlicher als der Marxismus ist«.3 Später stimmte auch Papst Franziskus in den Kanon ein, als er der Gen­der-Theorie vorwarf, einen »Weltkrieg zur Zerstörung der Ehe« zu führen.4 In Deutschland unterstellt die katholische Publizistin Gabriele Kuby den Gender Studies, nicht nur die »überlieferten Wert­systeme aller Kulturen und Religionen zu zerschlagen«, sondern sogar die Weltherrschaft anzutreten. »Was einst der ›dialektische Ma­terialismus‹ an den Hochschulen der DDR war, das ist heute die Gen­der-Ideologie an den Ausbildungsstätten des akademischen Nachwuchses, welche sich darauf vorbereiten, die Führungspositionen in dieser Gesellschaft zu übernehmen.« 5 Ihr Buch Die globale sexuelle Revolution. Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit wird von der katholischen Kirche vertrieben und wurde zu Hunderten von Exem­plaren an Politiker versandt. Für Kuby ist Gender ein »neuer Totalitarismus«, der »insbesondere gegen Christen gerichtet« sei.6
  • Auf der evangelischen Seite ist das Urteil eher gespalten. Während der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, in der Homo-Ehe (die eng mit der Flexibilisierung der Geschlechterkategorien zu­sammenhängt) eine Werbung für die Einrichtung Ehe überhaupt sieht, gehörte Angela Merkel bei der Parlamentsabstimmung im Juli 2017 über die Ehe für alle zu denen, die gegen die ­Gesetzesänderung stimmten. Allerdings hatte sie selbst die Parlamentsabstimmung zu dieser Frage eingeleitet. Die Evangelikalen (die vor allem in den USA eine wichtige Rolle spielen) sprechen sich strikt dagegen aus.
  • In der Politik wird der Anti-Genderismus inzwischen in die Parteiprogramme fast aller populistischen Parteien Europas und rechter Be­wegungen in den USA geschrieben.7 Aber es gibt auch Ausnahmen. So hat Geert Wilders’ rechtspopulistische Partei für die Freiheit keine Einwände gegen die liberale Gesetzgebung der Niederlande zu Geschlechterfragen, wohl aber instrumentalisiert er diese Liberalität, um gegen den Islam zu polemisieren.8
  • Konservative Intellektuelle wie der Franzose Dominique Venner wer­fen wiederum die Aufhebung der alten Geschlechterordnung in einen Topf mit der Unterwanderung der französischen Gesellschaft durch den Islam. Am 21. Mai 2013 erschoss er sich vor dem Hochaltar der Kathedrale Notre-Dame de Paris. Zuvor hatte er einige Briefe auf den Altar gelegt und auf seinem Blog verkündet, dass nun endlich »Taten den Worten folgen« müssen. Venner hinterließ eine Art testamentarisches Radiogespräch, in dem er sagte: »Ich liebe das Leben und erwarte nichts darüber hinaus, wohl aber hoffe ich auf die Perpetuierung meiner Rasse und meines Geistes.« Zu Venners Feindbildern gehörten Angst vor Überfremdung wie auch das gerade von der fran­zösischen Nationalversammlung erlassene Gesetz zur Legitimierung der Homosexuellen-Ehe. »Ich erhebe mich gegen die Vergiftung der Seele und das wuchernde Begehren von Einzelnen, das unsere Identitätsverankerung und vor allem die Familie zerstört.« 9
  • Die deutsche Schriftstellerin und Literaturkritikerin Sibylle Lewi­tscha­­roff wiederum sieht das Abendland aus einer anderen Ecke bedroht. Am 2. März 2014 hielt sie einen Vortrag im Staatsschauspiel Dresden, in dem sie polemisch gegen lesbische Paare, die »sich ein Kind besor­gen«, indem ein anonymer oder befreundeter Mann »herangezo­gen wird, um sein Sperma abzuliefern«, wettert. Sie erhebt sich ge­gen die »Selbstermächtigung der Frauen«, für die es zweifellos »am schönsten« wäre, »man könnte den Samen selbst auch noch künstlich erzeu­gen und mit einem im Voraus definierbaren Bündel an er­wünsch­ten Merkmalen ausstatten«. (Die Elternschaft männlicher homosexueller Paare thematisiert sie seltsamerweise gar nicht.) Sie attackiert ganz all­gemein die Praxis der Reproduktionsmedizin: Diese sei »vom Teu­fel ersonnen«; die Kinder, die auf »solch abartigen Wegen« entstehen, werden von ihr als »Halbwesen« und »nicht ganz echt« bezeichnet: »zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb Weißnichtwas«.10 (Le­wi­tscharoff, die sich, wie Venner, auf die Werte der christlichen Ge­sellschaft beruft, übersieht freilich, dass ein Gutteil der modernen Re­produktionsmedizin wie die säkulare Umsetzung christlicher Dogmen daherkommt. Besonders deutlich zu erkennen an der Jungfrauengeburt, bei der dank In-vitro-Fertilisation aus einer christlichen Lehre praktizierte Medizin geworden ist – eine Erbschaft, die sich einige Teil­nehmer der großen Pariser Demo von 2013 für die Zulassung der Homo-Ehe nicht entgehen ließen: Sie trugen ein Transparent mit der Aufschrift: »Jésus avait deux pères et une mère porteuse« – Jesus hatte zwei Väter und eine Leihmutter.)
  • Der Anti-Gender-Diskurs der Konservativen hindert einige Linksliberale und Aufgeklärte nicht, die Gender Studies wiederum für den Aufstieg der Populisten verantwortlich zu machen. So etwa Hans Monath, der im Dezember 2016 im Tagesspiegel schrieb: »Wer als Scheinselbstständiger zwölf Stunden am Tag Amazon-Pakete ausfährt, wer das Geld für die Klassenfahrten seiner Kinder nicht aufbringen kann, auch wer ein gutes Einkommen hat, aber von Abstiegsängsten geplagt wird, empfindet die Emanzipationsideale der gut ausgebildeten, linksliberalen Eliten schnell als Kriegserklärung von oben.«11 D...

Table of contents

  1. Armin Nassehi | Editorial
  2. Sonja Zekri | Brief einer Leserin (20)
  3. Margarete Stokowski | Stadt, Land, Fluss beim Sex. Mein Leben als feministische Kolumnistin
  4. Christina von Braun | Anti-Genderismus. Über das Feindbild Geschlechterforschung
  5. Tatjana Schönwälder-Kuntze | Antigones Verletzungen. Anmerkungen zum Gender Trouble bei Judith Butler
  6. Barbara Thiessen | »Entlastet von häuslichen Pflichten«. Ein trügerisches Emanzipationsideal
  7. Moshtari Hilal | Das Mädchen mit dem Damenbart
  8. Paula-Irene Villa | »Frauen«. Warum es sie gar nicht gibt und man trotzdem über sie redet
  9. Gertrud Lehnert | Der kleine Unterschied. Weibliche Modelust und männlicher Modefrust
  10. Shila Meyer-Behjat | Eine Qual hinter dem Vorhang. Das starke Leben der persischen Feministin Tahiri
  11. Karin Reschke | Power Frauen! Zum Wiederabdruck meines Essays aus dem Kursbuch 47. Frauen, 1977
  12. Jasmin Siri | Rechte Frauen. Ein Blick hinter unsichtbare Fassaden
  13. Widad Nabi | Eine Frau am Spreeufer. Geschichte und Gedichte
  14. Die Autorinnen
  15. Impressum