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About this book
Die AnwĂ€ltin Angela Wierig beschreibt ihr Miterleben des MĂŒnchner NSU-Prozesses als Vertreterin der Nebenklage. Sie schreibt sehr eindringlich von der Vorverurteilung der TĂ€ter durch die Medien, die in diesem Prozess fehlende, aber in einem Rechtsstaat so notwendige Unschuldsvermutung und fragt: "Ich bin sehr froh, in einem Land AnwĂ€ltin zu sein, in dem ich fĂŒr meine Mandanten Gerechtigkeit - oder zumindest eine AnnĂ€herung an Gerechtigkeit - erwarten kann. Muss das Verbrechen nur monströs genug sein, um diese mĂŒhselig errungene rechtsstaatliche Menschlichkeit wieder aufzugeben? Und ist das nicht erschreckenderweise genau das Gedankengut, ĂŒber das wir hier zu Gericht sitzen?"
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Information
Angela Wierig
Nazis in Sicht
Nazis in Sicht
Persönliche Betrachtungen einer Prozessbeteiligten
Durch einen dummen Zufall bin ich in das NSU-Verfahren gerutscht. TĂŒrkische Freunde hatten um Hilfe gebeten, weil ihr Bruder vom »Nationalsozialistischen Untergrund«, bestehend aus Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und wohl auch Beate ZschĂ€pe, im Sommer 2001 erschossen wurde. Von Haus aus Strafverteidigerin bin ich kein groĂer Fan der sogenannten »Nebenklage«. Ein weites Feld, das zu vertiefen hier den Rahmen sprengen wĂŒrde. Und fand mich auf einmal wieder in einem der sogenannten Jahrhundertprozesse â wobei das Jahrhundert gerade mal angefangen hat, und wenn ich die menschliche Natur nur halbwegs kenne, erwarte ich von der islamistischen Hardcore-Fraktion noch GroĂes fĂŒr die Zukunft. Optimistisch wie ich bin, gehe ich davon aus, dass hinterher noch ein Gericht vorhanden ist, das die dann begangenen Taten aburteilen kann.
Wir versuchen dort in MĂŒnchen mit knapp 60 NebenklĂ€gervertretern, inzwischen zwölf Verteidigern, fĂŒnf Angeklagten, drei BundesanwĂ€lten und unter der VerhandlungsfĂŒhrung durch den Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts die Taten des sogenannten NSU aufzuklĂ€ren. Allen Angeklagten wird die UnterstĂŒtzung eben jenes NSU zur Last gelegt. NatĂŒrlich spielt dabei ihre politische Einstellung eine Rolle. Die sehr weit rechts auĂen ist. Da geht es um die Reinhaltung der Rasse. Das Hochhalten des Deutschtums. Erstaunlicherweise gar nicht so sehr um den Hass auf AuslĂ€nder. Man hat nichts gegen AuslĂ€nder. Solange der AuslĂ€nder im Ausland bleibt. Erst wenn der AuslĂ€nder seine Gene auf deutschem Boden verteilt oder gar mit deutschen Genen mischen will â dann versteht man keinen SpaĂ mehr. Was viel niedertrĂ€chtiger ist als offene Ablehnung. FĂŒr Leute mit dieser Haltung gibt es einen Begriff: Das sind Nazis. Als Deutsche habe ich ein besonderes VerhĂ€ltnis zu Nazis. Sie sind ein Fluch, mit dem ich geboren wurde, eine BĂŒrde und ein VermĂ€chtnis, ein böser Traum, aus dem ich nicht erwachen kann. Was wahrscheinlich unter anderem daran liegt, dass ich auf Auslandsreisen dann, wenn ich erwĂ€hnte, Deutsche zu sein, so oft gefragt wurde: »Are you a Nazi?« Und das durchaus auch von Menschen, denen ein gewisser Bildungsgrad nicht abzusprechen war. Die lebten nur sehr, sehr weit weg von Deutschland. Wahrscheinlich ist es dieser besondere Umstand, der diesen Prozess fĂŒr mich so schwierig macht. Ich sitze da auch zu Gericht ĂŒber meine eigene Vergangenheit; ĂŒber die Dinge, an denen ich keine Schuld trage, die mich aber bis heute beschĂ€men, und so muss die Scham ohne Schuld getragen werden. Bemakelt von Geburt an fĂŒr eine Geschichte, die sich fortschreibt. Denn darum sitzen wir da. Weil Nazis in Deutschland getötet haben. Nicht 1943, sondern 2000. Und dann immer wieder.
Eine alte Rechnung
Es wĂ€re so viel einfacher, wenn sich das Thema mit den Nazis erledigt hĂ€tte. Man könnte mit Fug und Recht sagen, dass Nazis in die Mitte des letzten Jahrhunderts gehören; dass inzwischen mehrere Generationen zwischen den Mördern in Braun und den heutigen Deutschen liegen und dass die ewigen VorwĂŒrfe gegen die Nazi-Deutschen doch mal bitte aufhören könnten. Ich fĂŒhle mich als Deutsche unter Generalverdacht, rechtem Gedankengut nahezustehen. Wobei das Deutschsein allein fĂŒr diesen Generalverdacht schon ausreicht. Dem Deutschen an sich ist nicht zu trauen. Wenn man ihn nicht immer scharf im Auge behĂ€lt, dann bricht bei der ersten Gelegenheit der Nazi in ihm durch und schwingt sich wieder auf, Herrenrasse sein zu wollen. So mein Eindruck. Denn im Zusammenhang mit diesem Verfahren werden ĂuĂerungen innerer Einstellungen öffentlich gemacht, fĂŒr die mir jedes VerstĂ€ndnis abgeht. Ich werde spĂ€ter noch ausfĂŒhrlich darĂŒber berichten.
Zu meinem gröĂten Bedauern gibt es sie tatsĂ€chlich noch. Die »Rechten«. Als Synonym fĂŒr Nazis. Was natĂŒrlich allen jenen, die die Deutschen ohnehin misstrauisch beĂ€ugen, neue Nahrung gibt. Und so bin ich nicht ganz glĂŒcklich, Deutsche zu sein. Was sich aber nicht Ă€ndern lĂ€sst. Der Preis ist zu zahlen. Die alte Rechnung aus der Mitte des letzten Jahrhunderts ist noch lange nicht beglichen und kein Deutscher, der auf sich hĂ€lt, darf stolz sein, Deutscher zu sein. Was Ă€rgerlich ist, denn der Nationalstolz gibt einem ja auch eine gewisse Sicherheit. Zu wissen, wo man herkommt und wo man hingehört. Diese Geschichte mit den Wurzeln. Ich...
Table of contents
- Angela Wierig â Nazis in Sicht
- Anhang