Superhirne
Friedrich Nietzsche, Otto von Guericke, August Hermann Francke – die Reihe ließe sich ewig fortsetzen. Schließlich wimmelt es in Sachsen-Anhalt nur so vor berühmten Geistesgrößen.
| Drei Nobelpreisträger arbeiteten an den Unis des Landes. |
Von 1925 bis 1927 stand Gustav Hertz (1887 — 1975) als Professor für Physik in Diensten der Universität Halle. Gleich in seinem ersten Jahr in der Saalestadt erhielt er die begehrte Auszeichnung. Hertz war übrigens später der einzige Nobelpreisträger, der in der DDR lebte. Seine letzte Ruhestätte fand er allerdings in Hamburg – in der Familiengrabstätte, in der auch sein berühmter Onkel Heinrich Hertz bestattet ist. Zwei weitere Nobelpreisträger legten an der Universi tät Halle den Grundstein für ihre Karrie ren: der Chemiker Karl Ziegler (1893 — 1973) und der Mediziner Emil von Behring (1854 — 1917). Beide hatten die Stadt jedoch bereits wieder verlassen, als ihnen die internationale Wissenschaftstrophäe zuerkannt wurde. Vom Ruhm zerrt die Uni trotzdem bis heute.
| Ein schlauer Philosoph wurde aus Halle vertrieben, kam aber zurück. |
Er gilt als einer der wichtigsten und zugleich letzten Universalgelehrten der Wissenschaftsgeschichte: Christian Wolff (1679 — 1754). Den klugen Kopf interessierten Natur– und Gesellschaftswissenschaften gleichermaßen. Ab 1706 lehrte er an der Universität Halle als Professor für Mathematik und Philosophie. Als einer der ersten Europäer beschäftigte sich Wolff mit chinesischen Denkern, wie beispielsweise Konfuzius. Fasziniert von den praktischen ethischen Konsequenzen der asiatischen Philosophie hielt er 1723 einen begeisterten Vortrag. Der stieß nicht bei allen Zuhörern auf ungeteilte Zustimmung. Im Gegenteil: Protestantische Eiferer beschwerten sich beim preußischen König Friedrich Wilhelm I. (1688 — 1740), dass Wolff sich erdreistet habe, über eine nicht–christliche Philosophie lobend zu berichten. Der Soldatenkönig, intellektuellen Herausforderungen sowieso ablehnend gegenüberstehend, machte kurzen Prozess mit dem Freidenker. Er feuerte Wolff von seinem Lehrstuhl und verfügte, dass der Verstoßene innerhalb von 48 Stunden Halle verlassen solle. Eine späte Wiedergutmachung erfuhr der angebliche Atheist 1740. Monarch Friedrich II. (1712 — 1786), der den Idealen der Aufklärung nahe stand, rehabilitierte Wolff und gab ihm seine alte Stellung in Halle zurück. Der in ganz Europa hochangesehene Wissenschaftler nahm dankend an und kehrte in die Stadt zurück, wo er bis zu seinem Lebensende blieb.
| Genie und Wahnsinn lagen bei einem Mathematiker dicht beieinander. |
Der Hallenser Georg Cantor (1845 — 1918) ist einer der wichtigsten Mathematiker aller Zeiten. Auf seiner Idee und grundlegenden Definition beruht die Mengenlehre, die zum Fundament fast aller Teilgebiete der Mathematik wurde. Indirekt prägt sie heute auch das allgemeine logische Verständnis der Menschen. Cantors beruflicher Erfolg-er wurde bereits im Alter von 32 Jahren Mathe-Professor an der Universität Halle — wird durch sein persönlich tragisches Schicksal überschattet. Bereits als junger Mann litt er unter Depressionen und Wahnvorstellungen. Zeitgenossen sahen in seiner als Hobby betriebenen Suche nach der wahren Identität Shakespeares eine Art Geisteskrankheit. Ihrem großen Mitbürger zur Erinnerung spendierte sich die Stadt Halle zu ihrem 1.200-jährigen Stadtjubiläum 2006 eine Oper über Cantors Leben.
| Ein Schustersohn aus Stendal veränderte das Bild über die Antike. |
Johann Joachim Winckelmann (1717 — 1768) aus Stendal ist der Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und der Kunstgeschichte. Bis heute prägen seine bedeutenden Arbeiten unser Bild über das alte Griechenland und das Römische Reich. Allerdings gehört zu seinem Erbe auch der allgemein verbreitete Irrglaube, griechische Plastiken seien alle strahlend weiß gewesen. In Wahrheit waren sie quietschebunt. Winckelmann war außerdem Chef der römischen Altertümer und Leiter der Vatikanbibliothek. Unter äußerst mysteriösen Umständen endete das Leben des Stendalers in einem Hotel in Triest. Dort fand man ihn durch sieben Messerstiche ermordet.
| Intelligente Frauen haben es an der Uni Halle leicher. |
Gertrud Schubart-Fikentscher (1896 — 1985) wurde 1948 zur ersten Jura-Professorin im deutschsprachigen Raum berufen. An der Universität Halle übernahm sie den Lehrstuhl für „Bürgerliches Recht und Deutsche Rechtsgeschichte“. Für die damals konservative Juristen-Welt eine echte Revolution. Mit der Anerkennung von Frauen im akademischen Betrieb kennt sich die Uni Halle lange aus. Sie war es auch, die als Erstes einer Frau den Doktortitel in Medizin verlieh. 1755 promovierte Dorothea Christiane Erxleben (1715 — 1762) mit Sondergenehmigung. 144 Jahre bevor das im Deutschen Reich allgemein möglich wurde.
| Deutschlands ältester Superhirn-Club residiert in Sachsen-Anhalt. |
Die Leopoldina, die in Halle ihren Sitz hat, ist die älteste naturwissenschaftliche Gesellschaft Deutschlands und die älteste durchgehend existierende Naturforscher-Akademie der Welt. Seit 2008 trägt sie voller Stolz den Titel „Nationale Akademie der Wissenschaften“. Gegründet wurde die Institution, in der regelmäßig die klügsten Köpfe aller Wissenschaftsbereiche zusammenkommen, 1652 im bayrischen Schweinfurt. 1878 verlegte sie ihren Sitz in die Saalestadt. Dort verblieb er auch zu DDR-Zeiten. Gerade während der Ost-West-Teilung ermöglichte die Leopoldina einen zwanglosen Gedankenaustauch zwischen Wissenschaftlern der sich politisch konträr gegenüberstehenden Machtblöcke. Zu den bisher rund 7.000 Mitgliedern zählten solche Kor...