Wie Brünhild zu Worms empfangen wurde
Anderthalp des Rînessach man mit manigen scharn
den künic mit sînen gestenzuo dem stade varn.
ouch sâh man dâ bî zoumeleiten manige meit.
die si enpfâhen solden,die wâren állé bereit.
Der Festzug, der König Gunther und seiner Braut Brünhild zum Rheinufer entgegenströmte, war unabschätzbar an Prunk und Zahl, und an seiner Spitze ritten in Samt und Smaragd die Frauen. Siegfried wurde die Ehre zuteil, Kriemhilds Zelter am Zügel von der Burg bis zum Ufer zu führen, nachdem Markgraf Gero der Heidenbezwinger diesen hohen Dienst über den Hof bis zum Burgtor hin versehen hatte. Ortwin von Metz geleitete Königin Ute, und sechsundachtzig Frauen in meerblauen Hauben und vierundfünfzig Mädchen mit leuchtenden Bändern im freien blonden Haar umringten die Königinnen. Die Rheinauen wimmelten von blumenbunt gekleideten fröhlichen Menschen, denn von weit her waren Ritter und Reisige zusammengeströmt, die Königin aus dem fernen Island zu bewundern und König Gunther zu lobpreisen, der ihre Stärke mit kühner Hand überwunden und die Stolze hierher nach Worms gebracht. Jeder wollte die Wunderbare ganz aus der Nähe schauen, und das Gedränge war so groß, daß Schildbuckel brachen und Lanzenschäfte splitterten.
Die Schiffe mit den schneeweißen Segeln hatten am Gestade gegenüber der Zeltstadt angelegt, und eine purpurgeschmückte Fähre setzte die Damen und Herren über. König Gunther führte Brünhild an der Hand. Der Glanz ihres Seidengewandes und der Glanz ihres Geschmeides stritten widereinander. Ihr Haar war schwer von Gold. Kriemhild trat ihrer Schwägerin voll Anmut entgegen, wie es die Sitte und wie es ihr Herz gebot, und die Frauen umarmten und küßten einander aufs innigste. Auch dies geschah nach der Sitte, und jedermann freute sich darob.
»Ihr sollt willkommen sein in Worms, vieledle Fürstin«, sprach Kriemhild, »willkommen im Lande der Burgunder, willkommen mir, willkommen meiner Mutter und all meinen Freunden und meinem ganzen Geschlecht!« Da umarmten sich die Herrinnen wieder, und auch die Königin Ute umarmte Brünhild, und die Königin Kriemhild küßte die Königin Brünhild auf ihren süßen Mund, und auch die Königin Ute tat dies. Da empfingen auch die Mädchen Kriemhilds die Mädchen Brünhilds mit Küssen, und nach ihnen küßten die Herren des Königs Gunther die Mädchen der Königin Brünhild, und die Ritter Burgunds und die Ritter Islands umarmten einander und führten freundschaftliche Gespräche und verglichen als Frauenkenner immer wieder ihre Gebieterinnen, die nun ganz von nah zu betrachten waren. Jedermann konnte sich überzeugen, daß keine von ihnen es nötig hatte, sich mit erborgter Schönheit zu schmücken, und wenn die Recken Islands immer wieder die herrliche Gestalt Brünhilds priesen, so rühmten die Helden Burgunds den Liebreiz der jungen Fürstin und ihre mädchenhafte Holdseligkeit.
Die Stunde quoll so über von Festesfreude, daß die Burg allein sie nicht zu fassen vermochte. Auf den Rheinwiesen waren seidene Zelte aufgeschlagen und Tribünen errichtet und Kampfplätze abgesteckt, und die Ritter und die Damen zeigten sich so begierig auf Spiele und Kämpfe, daß sie keinen Augenblick länger warten wollten. Posaunen dröhnten; Herolde sprengten heran; Gepanzerte rannten im Wettstreit widereinander; Staub wirbelte, als rauche eine Feuersbrunst übers ganze Land, und aus Stahl und Stahl stoben prasselnde Funken, und so berauschend war der Festestrubel, daß auch außerhalb der Arenen die Ritter zu fechten begannen und die Schwerter von allein aus den Scheiden fuhren, wo immer sie einander begegneten. Es war ein Rausch aus Metall und Kühnheit, und von allen tat sich Siegfried mit seinen Nibelungen am meisten hervor. Seine Ritter überwanden jeden Gegner. Schließlich war das Getümmel so unabsehbar, daß Hagen es zu schlichten begann. »Haltet ein, ihr vieledlen Herren!« gebot er, »nehmt Rücksicht auf die Gewänder der Damen, sie kommen ja zuschanden durch den vielen Staub!« Und Gernot riet: »Laßt doch die Pferde jetzt ruhen, tapferste Ritter, sie sind ja erschöpft! Gönnt ihnen eine Rast und ruhet und rastet auch ihr und schmauset und zecht derweilen, es ist ja alles in den Zelten gerichtet, und wenn es dann Abend wird, geleiten wir die Herrinnen mit Fackeln zur Burg hinauf!« So verging die Zeit bis zum Abend im Flug über Braten und Wein und Balladen und Reigen und den Gaukelkünsten des fahrenden Volkes. Dann zog der Jubel in die Burg, und dort stand schon die Tafel für das Festmahl bereit, denn was in den Zelten geboten wurde, hatte nur als ein Imbiß zu gelten. Die Damen eilten in ihre Gemächer, sich umzukleiden, und auch die Herren hatten Gelegenheit, ihre verschwitzten und zerspeerten Gewänder zu wechseln. Gunther aber trat in die Kemenate Brünhilds und setzte ihr die Krone einer Königin von Burgund aufs Haupt.
Das Festmahl war an Pracht nicht zu überbieten. Die breitausladenden Tische waren mit goldgebortetem Linnen belegt und mit Blumen geschmückt, und Blumenkränze hingen über den Plätzen aller Gäste. Bevor man tafelte, wurden in goldenen Becken Wasser und dazu Handtücher gebracht, daß jeder sich die Finger spüle. Der Hausherr vom Rhein hatte ein strenges Auge, ob die Tafel auch Brünhild genügen könne, doch was er sah, stimmte ihn zufrieden. Mit Brünhild an der Hand schritt er durchs Spalier der Gäste zur Tafel. Das sah Siegfried. Da bat er König Gunther zur Seite.
»Gedenket Eures Eides, König Gunther«, redete Siegfried, »Ihr habt mir die Hand Eurer Schwester versprochen, wenn Brünhild nach Worms kommt, und nun ist sie in Worms. Worauf wartet Ihr noch? Wollt Ihr eidbrüchig werden?« Da sagte König Gunther: »Ihr mahnt mich mit Recht. Was ich für Euch tun kann, das will ich tun!« Er schickte einen Kämmerer aus, Kriemhild zu sich zu bitten, und die Schöne kam mit großem Geleit. Sie dachte wohl, sie werde gebeten, Brünhild zur Tafel zu führen. Da eilte ihr der junge König Giselher entgegen und sagte: »Wollet Eure Damen und Mädchen entlassen, vielliebe Schwester, die Sache, um die der König Euch bitten ließ, geht einzig Euch an!« – »Einzig mich?« fragte da Kriemhild erstaunt, doch sie gehorchte und entließ ihr Gefolge.
Das sah Brünhild. Da ging sie allein zur Tafel und setzte sich. Sie trug die Krone Burgunds. König Gunther aber stand mitten im Saal, und bei ihm standen Ritter aus vieler Fürsten Länder.
Kriemhild trat vor den König. »Vielliebe Schwester«, sprach der König, »wisse, ich habe einen Eid um dich und deine Hand geleistet, und nun mahnt man mich, daß ich ihn einlöse, wie es sich ziemt. Ich bitte dich also um deiner Treue willen, daß du zum Gatten wählest, wen ich dir bestimmt habe!« – »Da braucht Ihr mich nicht zu bitten, viellieber Bruder«, sprach Kriemhild, wie es die Sitte verlangte, »an Euch ist es zu gebieten, und an mir zu gehorchen. Wen immer Ihr mir zum Gatten gewählt, dem will ich mich nicht verweigern.«
Dieweil sie aber dies sprach, suchten ihre Augen nur Siegfried. Der trat aus der Schar der Ritter, die den König umringten, und verneigte sich tief vor Kriemhild. Da wurde Kriemhild gefragt, ob sie Siegfried zum Mann nehmen wolle, und da sagte sie ja, wenn auch Befangenheit ihre Stimme zittern machte. Dann gelobte auch der junge König der Niederlande, Kriemhild zum Weibe zu nehmen, und die edelsten Herren und Gäste Burgunds waren des Zeuge. Da schlossen Siegfried und Kriemhild einander in die Arme und küßten einander vor allen Gästen, wie es Hochzeitsbrauch war. Die tausend Nibelungen umringten ihr Herrscherpaar und geleiteten es zur Tafel, und Siegfried und Kriemhild setzten sich auf den Platz gegenüber König Gunther und seiner Frau Brünhild, von deren Stirn die Krone Burgunds strahlte.
Da weinte Brünhild.
Da sprach König Gunther: »Warum weinst du, Herrin? Du solltest doch nur zur Freude Grund haben, da dir nun Burgund mit all seinen Rittern und Burgen untertan ist!«
Da sagte Brünhild: »Wird ein Weib einem unwürdigen Mann angetraut, dann ist das ein Grund zu Tränen.« Da fragte König Gunther: »Von wem sprichst du, Herrin?« Da sagte Brünhild: »Ich spreche von Kriemhild. Sie ist eine Königstochter und wird einem Unfreien vergeben. Siegfried ist doch Euer Dienstmann! Eine solche Verbindung schändet Kriemhild. Darum weine ich.« Da sagte König Gunther: »Weine darum nicht, Herrin. Kriemhilds Vermählung ist höchst ehrenhaft. Ich werde dir das später erklären.« Da sagte Brünhild: »Mich jammert Kriemhilds Schönheit und hoher Anstand. Ich möchte von hier fort, wenn ich nur wüßte, wohin. Ich werde nicht eher bei Euch liegen, als bis ich Siegfrieds Herkunft kenne!« Da sagte König Gunther: »Er ist eines Königs Sohn. Er stammt aus den Niederlanden. Sein Vater besitzt dort Burgen und Lande gleich mir. Er ist ein würdiger Gemahl meiner Schwester!« Da weinte Brünhild noch mehr. Da gab König Gunther das Zeichen, daß das Festmahl beginne.
Das Festmahl währte viele Stunden. Danach wurde getanzt und gespielt. Brünhild sprach kein Wort. König Gunther aber sprach viel zu ihr. Er war toll vor Begierde, bei ihr zu liegen. Sobald, als es nur eben schicklich war, hob er die Tafel auf.
Die neuvermählten Paare begaben sich zum Beilager. Auf der Treppe umarmten und küßten Kriemhild und Brünhild einander noch einmal, wie es die Sitte gebot. Dann folgte, von Knappen und Rittern geleitet, jede der Herrinnen ihrem Gemahl ins Schlafgemach. Da wurden Siegfried und Kriemhild einander so lieb wie das eigene Leben.
König Gunther aber ging es in dieser Nacht schlecht. Als Brünhild sich bis aufs Hemd ausgezogen hatte, blies der König die Kerze aus und versuchte sie zu umarmen, allein sie stieß ihn zurück. Sie sagte: »Ehe Ihr mir nicht Siegfrieds Geheimnis verratet, werdet Ihr nicht bekommen, wonach Euch der Sinn steht!« Da versuchte sie König Gunther zu zwingen. Dabei zerriß er ihr Hemd. Da band Brünhild den König mit dem Gürtel, den sie immer um den Leib trug, und hängte ihn an einem Nagel an der Wand auf, damit er sie nicht mehr belästige. Dann zog sie sich vollends aus und legte sich schlafen. Da begann der König zu bitten. Er bat: »Bindet mich los, Brünhild, und ich werde Euch nie mehr zu zwingen versuchen! Das gelobe ich bei meiner Ritterehre!« Da lachte Brünhild und ließ den König am Nagel hängen. So hing er die ganze Nacht, indes Brünhild schlief, und wenn er je Kräfte hatte, so schwanden sie diese Nacht dahin.
Als Brünhild am Morgen erwachte, sagte der König zu ihr: »Bindet mich los! Ich werde Euch nicht mehr anrühren, das gelobe ich! Wenn mich meine Diener so finden, wird es Euch schlecht ergehen!« Da lachte Brünhild und sagte: »Sie sollen nur kommen!« Da sagte der König: »Auch Ihr, Fürstin, würdet Eure Ehre verlieren, solch einen Mann zu haben.« Da sagte Brünhild: »Da habt Ihr wohl recht.« Da gelobte der König ein drittes Mal, sie nicht anzurühren, wenn sie es nicht wünsche. Da band ihn Brünhild ab, und der König legte sich neben sie ins Bett und rührte sie nicht an, und nicht einmal sein Gewandzipfel streifte sie. Da traten auch schon die Diener in den Raum, das hohe Paar anzukleiden, wie es der Brauch war. Da sahen sie den König neben seiner Gemahlin liegen und sahen, daß der König erschöpft war und kaum noch atmete. Da sagten sie dem Hofe: »In dieser Nacht wurde dem Land ein Königssohn gezeugt!« Da läuteten die Glocken über Burgund. Dann schritten die beiden Paare zum Münster, und die Priester weihten sie in Ornat und Krone. Dann zeigten sich die vier mit freudevollem Gesicht dem Volk.
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An diesem Tag wurde Schwertleite gehalten. Sechshundert Knappen empfingen aus König Gunthers Hand das Schwert und gelobten, immerdar ein würdiges Mitglied der edlen Ritterschaft zu sein. Jedermann pries sie glücklich, das Schwert von einem so auserkorenen Ritter wie dem König von Burgund, dem Besieger der grausamen Fürstin von Island, empfangen zu haben. König Gunther aber wandelte traurig durch die überschäumende Freude. Das gewahrte Siegfried. Da ahnte er den Grund von Gunthers Gram.
»Nun, König Gunther«, so sprach er, »wie ist es Euch in dieser Nacht ergangen? Habt Ihr Euch der Liebe Brünhilds erfreuen dürfen?« Da seufzte König Gunther und gestand Siegfried seine Schande, und er bat ihn bei allem, was ihm heilig wäre, stille darüber zu sein. Da sagte Siegfried: »Was Euch da widerfahren ist, mein König, das kränkt auch meine Ehre, bin ich doch jetzt Euer Anverwandter! Gebt mir freie Hand und vertraut mir, so will ich Euch die stolze Fürstin gefügig machen!« Da war König Gunther von Herzen froh. Da sagte Siegfried: »Ich tue es nur um Kriemhilds willen, seid Ihr doch nun mein lieber Bruder.«
Da fragte der König: »Wie gedenkst du das anzufassen?« Da sprach Siegfried: »Meine Tarnhaut soll mir gute Dienste tun! Heut nacht komme ich heimlich in Euer Schlafgemach und blase den Kämmerern die Kerzen aus. Dann will ich Euer Weib zur Liebe zwingen!« Da sagte König Gunther: »Tu mit meiner lieben Frau, was dir richtig scheint, es darf nur nicht meine Ehre kränken! Du magst sie strafen, du magst sie schlagen, du magst ihr auch das Leben nehmen, denn sie ist ein schreckliches Weib, nur auf ihr liegen darfst du nicht, das ginge wider meine Ehre!« Da sagte Siegfried: »Ihr könnt mir vertrauen! Ich werde Euer Eherecht nicht kränken. Ich tue es um Kriemhilds willen, denn ich liebe sie über alle Frauen!« Da wurde es König Gunther leichter ums Herz, und er kehrte zum Fest zurück.
Der Tag war lang und von Freude durchrauscht. Die Ritter überboten einander im Turnierspiel, und sie gaben sich derart dem Wettstreit hin, daß man sie schließlich gewaltsam trennen mußte.
Es waren auch geistliche Herren gekommen, zwei Bischöfe, die führten die Königinnen zur Tafel. Das Mahl war überaus prächtig und voller Kurzweil, allein König Gunther dünkte es dreißig Jahre lang, so sehr stand ihm der Sinn nach der schönen Brünhild.
Endlich wurde die Tafel aufgehoben, und die hohen Paare gingen in ihre Gemächer. Kriemhild setzte sich auf ihr Bett und faßte Siegfrieds Hände und tändelte mit ihnen. Ihr Gesinde war noch im Gemach. Plötzlich war Kriemhilds Hand leer und Siegfried verschwunden.
Da sprach die Schöne verwundert: »Wohin verschwand mein Herr? Wer nahm unsre Hände auseinander?« Wie ein Echo fragte sie leise: »Wer hat das bewirkt?« Dann sprach sie nichts mehr.
Indes schritten Brünhild und Gunther feierlich, wie es die Sitte verlangte, zum zweiten Beilager durch die Burg. Kämmerer und Hofdamen mit brennenden Lichten geleiteten sie. Die Augen aller Ritter und Knappen hingen an Brünhild. Wie viele beneideten da König Gunther! Hundert der edelsten Junker, die an diesem Tag ihre Ritterweihe erhalten hatten, standen auf den Gängen und Treppen Spalier. Als der König mit Brünhild ins Schlafgemach trat, verlöschte plötzlich ein Windstoß die Lichte. Da stutzten alle, denn die Fenster waren der Kühle vom Rhein herauf wegen verhangen. Da hieß Gunther das Gefolge sich entfernen und verriegelte die Tür. Dann verbarg er sich hinter dem Vorhang, der das Bett samt Podest und Stufen umgab. Sein Herz war zerrissen von Liebe und Leid. Es war völlig dunkel. Siegfried legte sich neben Brünhild, die sich auszog.
Brünhild sagte: »Laß das, Gunther! Sonst geht es dir noch schlimmer als die letzte Nacht!« Da umarmte sie Siegfried, und Brünhild wehrte sich. König Gunther aber stand hinter dem Vorhang und sah nichts und lauschte. Er hörte, daß die beiden rangen. Dann krachte ein Leib auf die Stufen, und Siegfried schrie auf. Dann rangen wieder zwei Leiber. Sie rangen erbittert. Dann hörte der König, daß die Königin schrie.
Sie schrie: »Rührt mein Hemd nicht an! Tut Eure Hand da weg! Wagt das ja nicht! Nun sollst du’s bereuen!« Dann hörte der König Keuchen und Kämpfen. Dann hörte er Siegfried aufschrein wie in Todesnot. Dann schrie Brünhild wie ein Tier, und das Bettholz dröhnte und krachte. Es dröhnte und krachte eine Ewigkeit. Dann hörte der König Brünhild bitten: »Laß ab!« Dann flehte sie: »Edler König, laßt ab! Ich wehre Euch fortan nichts mehr! Laßt ab, ich bitt Euch, Ihr tötet mich ja! Ich bin deine Magd! Ich habe gespürt, du kannst Frauen zähmen!« Dann stöhnte Brünhild. Dann schwieg sie. Dann fühlte sich König Gunther an der Schulter gefaßt. Da fühlte er, daß Siegfrieds Hand blutig war.
»Die Teufelin hat mich gequetscht, daß mir das Blut aus den Nägeln gespritzt ist!« flüsterte Siegfried dem König ins Ohr. »Ohne die Tarnhaut mit ihren Zwölfmannskräften hätte ich sie nimmer bezwungen! Doch ich habe nichts wider die Ehre getan. Was ich getan habe, tat ich für Kriemhild. Nun geh und liege bei deinem Weib, König Gunther!« Da schlüpfte der König hinter dem Vorhang hervor und legte sich neben Brünhild. Sie lag und rührte sich nicht. Da wagte er, sie anzurühren, und sie duldete auch dies. Da war mit ihrer Jungfräulichkeit ihre Kraft gebrochen, und sie wurde bleich unter Gunthers Liebe. Fortan war sie nicht anders als andere Frauen.
Siegfried aber lag plötzlich wieder neben Kriemhild. Da fragte sie ihn, wo er gewesen. Die Fragen hatte sie genau überdacht. Doch Siegfried wollte ihr’s lange nicht sagen. In dieser Nacht sagte er nichts, und er sagte es Kriemhild auch nicht, solange sie in Burgund waren. Aber später verriet er ihr’s doch. Er hatte Brünhild auch den Gürtel, mit dem sie ihn wie Gunther hatte binden wollen, vom bloßen Leib genommen und auch einen goldenen Fingerring. Er hatte es aus Übermut getan, doch er zog keinen Nutzen daraus. Er besaß viele Dinge, aus denen er keinen Nutzen zog. Später schenkt...