ACHIM HOFER
(Landau / Pfalz)
âSIE HALTEN DEN NAMEN DES AUTORS WOHL FĂR EINEN SCHĂNHEITSFEHLERâ (STRAUSS)
Die Korrespondenz zwischen Richard Strauss und dem Verlag C. F. Peters betreffend op. 57
Einleitung1
Unter Richard Straussâ Werken nehmen die beiden MĂ€rsche op. 57 (TrV 221) insoweit eine Sonderstellung ein, als sie durch die vom Komponisten vergebene Opus-Nummer eine Aufwertung erfahren haben, die der Musikwissenschaft bisweilen unverstĂ€ndlich erscheint.2 UnabhĂ€ngig davon, welche musikalische QualitĂ€t ihnen tatsĂ€chlich zugrunde liegt, erhellt die hier publizierte Korrespondenz3 manche Facette nicht nur rund um das Werk selbst, sondern beleuchtet auch die Beziehung zwischen Komponist und Verlag sowie die Persönlichkeit des Komponisten.
WĂ€hrend es in der Korrespondenz zwischen Richard Strauss und dem Verlag C. F. Peters bzw. mit dessen EigentĂŒmer Henri Hinrichsen4 bis zum Oktober 1905 vor allem um die Publikation der Berliozâschen Instrumentationslehre5 ging, folgte â soweit im Staatsarchiv Leipzig ĂŒberliefert6 â nach einer einjĂ€hrigen Pause7 ein Briefwechsel im Zusammenhang mit op. 57. Mit Schreiben vom 4. November 1906 geht Strauss sogleich in medias res (âIch habe zwei preuĂische MilitĂ€rmĂ€rsche fĂŒr Orchester geschrieben [...]â). Der Schriftverkehr zu diesen beiden MĂ€rschen endet â zunĂ€chst â ziemlich genau ein Jahr spĂ€ter mit Straussâ Brief vom 25. November 1907. Dazwischen dreht sich die Korrespondenz um Fragen des Honorars, der Drucklegung, der Urheber- und AuffĂŒhrungsrechte, der verschiedenen Fassungen (v.a. um die fĂŒr MilitĂ€rmusik), um Straussâ EinschĂ€tzungen der musikalischen QualitĂ€t, um die Widmung an den Kaiser und ein besonders zu erstellendes âKaiser-Exemplarâ, um verschiedene AuffĂŒhrungen sowie eine avisierte weitere Zusammenarbeit.
Sieben bzw. acht Jahre spĂ€ter, im September 1914 und im November 1915, kommt es zu einem erneuten Briefwechsel in Bezug auf op. 57: Wegen einer geplanten AuffĂŒhrung der MĂ€rsche erbittet Strauss Orchestermaterial âgratis leihweise oder als Geschenkâ (11. September 1914) fĂŒr den MĂŒnchener Konzertverein. Hinrichsen erfĂŒllt Strauss diese Bitte, das Konzert kommt jedoch nicht zustande, âda das Conzertvereinsorchester durch den Krieg so zusammengeschmolzenâ sei (Strauss am 19. September 1914). Ăberhaupt beklagt Hinrichsen nun zunehmend den schlechten Verkauf (s.u.).
Insgesamt handelt es sich um 26 SchriftstĂŒcke mit Bezug auf op. 57:
| Zeitraum | Anzahl | von Strauss | von C. F. Peters |
| November 1906 bis November 1907 | 20 | 11 | 9 |
| September 1914 | 4 | 3 | 1 |
| November 1915 | 2 | 1 | 1 |
DarĂŒber hinaus finden sich in dem genannten Zeitraum im Staatsarchiv Leipzig lediglich sechs SchriftstĂŒcke8 (davon zwei von Strauss), die sich nicht mit op. 57, sondern â zumeist â mit der Instrumentationslehre befassen.9
Die Korrespondenz zwischen Komponist und C. F. Peters verlief nicht konfliktfrei. Zwei Probleme drohten die Publikation von op. 57 sogar zu gefĂ€hrden. Sie haben indirekt zu tun mit der Höhe des geforderten Honorars und entzĂŒndeten sich direkt an Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit den AuffĂŒhrungsrechten und dem Bearbeiter der MilitĂ€rmusikfassung. Lediglich dazu sei hier ein Wort gesagt (die musikalischen Aspekte um op. 57 werden an anderer Stelle thematisiert10).
Eine Publikation der MĂ€rsche beim Verlag FĂŒrstner war nicht zustande gekommen, da letzterer nur 4000 statt der von Strauss geforderten 6000 Mark zahlen wollte und Strauss unumwunden zugibt, dass er âin dem einmal angesetzten Preise nicht gern heruntergeheâ (4. November 1906). Obgleich Peters âdes Herrn FĂŒrstners Ansicht weg. des Honorars nur teilen kannâ (zwischen 4. und 9. November), geht er darauf ein â u.a. weil er mit dem Namen Strauss glaubt punkten zu können und wegen eines vom Komponisten in Aussicht gestellten âernsterenâ Werkes, bei dessen Inverlagnahme er hoffe, der Komponist werde ihm âdas hohe Honorarâ fĂŒr die MĂ€rsche âzu Gute haltenâ. Strauss zeigt sich erfreut ĂŒber diese Zusage, zumal, wie er nun eingesteht, die MĂ€rsche âwohl kaum ein BombengeschĂ€ftâ11 darstellen (20. November).
TatsĂ€chlich ist es nicht zur Inverlagnahme eines gröĂeren Werks gekommen. Am 10. Juli 1914 schreibt Hinrichsen an Strauss, dass er âbis jetzt nicht die Freude hatte, ein grösseres Original-Werk von Ihnen zu publizieren [...].â12 Eine Möglichkeit hĂ€tte â wie aus den hier mitgeteilten Briefen vom 24. und 28. November 1915 hervorgeht â Eine Alpensinfonie sein können: Am 24. November 1915 bedauert Hinrichsen, âdaĂ sie nicht in der Edition Peters erscheinen konnteâ, worauf der Komponist erwidert: âIch hatte es gut mit Ihnen gemeint u. hĂ€tte sie auch gerne in der Edition Peters gesehen! Aber wenn der Verleger halt nicht will! Schade!â (28. November 1915). Die GrĂŒnde fĂŒr das Scheitern liegen allerdings im Dunkeln.13
Auch zu einem eintrĂ€glichen GeschĂ€ft mit op. 57 ist es nicht gekommen. Gut sieben Jahre nach Drucklegung, am 14. September 1914, klagt der Verlag, dass die MĂ€rsche âbedauerlicher Weise weniger gangbar sind, als sie verdienenâ. (Von der Orchester-Partitur [EP 3194] wurden im Juni 1907 200 StĂŒck gedruckt, die zweite und letzte eingetragene Auflage im Mai 1914 umfasste 100 StĂŒck.14) Ein Jahr spĂ€ter, am 24. November 1915, schreibt Hinrichsen, op. 57 sei zwar âvon verschiedenen MilitĂ€rkapellen angeschafftâ worden, die âOrchester mit Streichmusik haben aber von den MĂ€rschen keine Notiz genommen, obwohl der Kriegsmarsch â wie ich glaube â, gerade jetzt fĂŒr viele Programme willkommen wĂ€re.â Und er bittet Strauss darum, âfĂŒr dieses militĂ€rische Geisteskind einzutretenâ. Vier Tage spĂ€ter, in dem letzten Schreiben, das op. 57 ĂŒberhaupt noch thematisiert, verspricht der Komponist, sich selbst dafĂŒr einzusetzen (âich spiele die MĂ€rsche bei jeder passenden Gelegenheitâ) und er empfiehlt Hinrichsen, âden hervorragendsten Conzertdirigenten Nikisch, Abendroth, v. Hausegger Partituren fĂŒr ihre Privatbibliotheken, Kapellen u. philharmonisches Orchester in Berlin, BlĂŒthnerorchester, Konzertverein (MĂŒnchen) das gesamte Material gratis zu geben.â (28. November 1915)
FĂŒr Konflikt sorgten vor Drucklegung zunĂ€chst die Rechte an op. 57. Der Verlag hatte sich in einem zwischen dem 4. und 9. November 1906 zu datierenden Brief zur Publikation und Zahlung der 6000 Mark âmit allen Verlagsrechtenâ bereit erklĂ€rt. Am 8. MĂ€rz 1907 entwirft Strauss die Titelseite zum Druck von op. 57 mit der Angabe âAuffĂŒhrungsrecht vom Componisten vorbehaltenâ. Der Verlag jedoch beruft sich auf die Genossenschaft, die die Fassung âAuffĂŒhrungsrechte vorbehaltenâ vorschreibe (9. MĂ€rz). Der Komponist hingegen besteht weiterhin auf seiner Version und bittet darum, dies zu akzeptieren (11. MĂ€rz). Aber auch Peters bleibt hartnĂ€ckig und erinnert Strauss daran, er selbst stehe jener âGenossenschaft deutscher Tonsetzerâ vor, die die vom Verlag favorisierte Fassung als verbindlich erklĂ€re. Hinrichsen droht dem Komponisten an, auf die Erwerbung der beiden MĂ€rsche zu verzichten, sollte Strauss sein EinverstĂ€ndnis verweigern; zugleich unterstreicht der Verlagsinhaber seine Drohung durch einen zeitlichen Druck: Da er âauf lĂ€ngere Zeit verreiseâ, bittet er den Komponisten unverzĂŒglich âum telegraphische RĂŒckĂ€uĂerungâ (12./13. MĂ€rz). Damit die geplante Publikation nicht scheitert, telegraphiert Strauss am 14. MĂ€rz: âeinverstanden. brief folgtâ â um im angekĂŒndigten Brief vom gleichen Tage nicht nur sein Gesicht zu wahren, sondern gehörig Dampf abzulassen: âSie halten den Namen des Autors wohl fĂŒr einen Schönheitsfehler [...]â. Es ist an Hinrichsen, tags darauf zur Entspannung beizutragen, indem er von einer âgelegentlichen mĂŒndlichen Ausspracheâ schreibt, bei der Strauss sicherlich seinen (Hinrichsens) âprincipiellen Standpunkt nur billigenâ werde. Wie wichtig Strauss die Urheberrechtsfrage um op. 57 ist, zeigt sich daran, dass er noch am 25. September 1914 den Verlag um eine Abschrift des Urhebervertrages bittet, da ihm der âWortlaut nicht mehr gegenwĂ€rtigâ sei.
Dem zweiten Konflikt vor Drucklegung von op. 57 geht möglicherweise ein MissverstĂ€ndnis voraus. Mit Ăbermittlung der Skizzen f...