Einkommensteuerliche Begünstigung des Engagements
In der öffentlichen Wahrnehmung werden die Begriffe „bürgerschaftliches Engagement“ und „Unentgeltlichkeit“ häufig miteinander gleichgesetzt. Tatsächlich erhalten bürgerschaftlich Aktive für ihren Einsatz in vielen Fällen eine Entschädigung. Hier stellt sich die Frage, wie diese Leistungen aus steuerrechtlicher Sicht zu beurteilen sind. Darüber hinaus ist zu untersuchen, in welchem Umfang Aufwendungen (Geld- und Sachaufwendungen), die der Freiwillige im Rahmen seines Engagements tätigt, steuermindernd berücksichtigt werden können.
1. Einkünfte
a) Einkunftserzielungsabsicht
Das Einkommensteuerrecht knüpft die Entstehung der Steuer an die Erzielung von Einkünften an (vgl. § 2 EStG). Einkünfteerzielung setzt eine auf wirtschaftliche Vermögensmehrung gerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen voraus. Die Tätigkeit muss auf die Erwirtschaftung eines Vermögenszuwachses – über die gesamte Dauer der Tätigkeit betrachtet – abzielen (sog. Einkunftserzielungsabsicht). Die Einkunftserzielungsabsicht grenzt die steuerbare Einkünfteerzielung von der steuerlich unbeachtlichen Liebhaberei ab, die ihrerseits keinen steuerlich relevanten Tatbestand erfüllt.
Die Einkunftserzielungsabsicht wird grundsätzlich unterstellt, wenn die Einnahmen in Geld oder Geldwert die abziehbaren Ausgaben übersteigen. Einkunftserzielungsabsicht besteht demgegenüber grundsätzlich nicht, wenn durch die Zahlungen lediglich tatsächlich entstandene Kosten beglichen werden sollen (z.B. der Ersatz der dem Vorstand eines Vereins entstandenen Porto- oder Fahrkosten als konkreter Aufwendungsersatz).
Auch freiwillig Aktive können aus ihrem Engagement steuerbare Einkünfte erzielen. Das gilt insbesondere dann, wenn ihnen über den Ersatz der tatsächlich entstandenen Aufwendungen hinaus Entschädigung für Verdienstausfall oder Zeitverlust geleistet wird. Dabei kommt es auf die Bezeichnung der Leistungen (Spesen, Aufwandsentschädigung, Verdienstausfall, Geschenk) nicht an. Für die Entscheidung, ob eine steuerlich erhebliche Einkunftserzielungsabsicht vorliegt oder nicht, kann es weiterhin keinen Unterschied machen, ob der Beschäftigung primär zum eigenen Vergnügen (z.B. Musik, Sport) oder aber aus altruistischen, karitativen Erwägungen nachgegangen wird. Auch die Angemessenheit der Entschädigung ist nicht entscheidend: Der Elektroinstallateur, der für einen Stundenlohn von weniger als 3 Euro am Aufbau des Vereinshauses mitwirkt, erzielt Einnahmen.
b) Gesellschaftliche Sphäre
Leistungen, die der rein gesellschaftlichen Sphäre zuzuordnen sind und zu keiner ins Gewicht fallenden Bereicherung führen, sind als bloße Aufmerksamkeiten nicht als Einkünfte zu qualifizieren. Dazu zählen insbesondere Sachgeschenke aus persönlichem Anlass mit einem Wert von bis zu 40 Euro (Blumen, Bücher, Pralinen; vgl. R 19.6 LStR 2008).
An dem auf Einkommensmehrung gerichteten Leistungsaustausch fehlt es grundsätzlich, wenn Angehörige im Rahmen des familiären Zusammenlebens untereinander Leistungen erbringen und Zahlungen empfangen. Für den Bereich der häuslichen Pflege hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass sich die Zahlungen, die jemand aus dem Vermögen eines pflegebedürftigen Angehörigen erhält, den er in seinem Haushalt aufgenommen hat, um ihn dort zu pflegen und zu versorgen, im Regelfall im Rahmen der familiären Lebensgemeinschaft vollziehen. Sie erfüllen damit grundsätzlich nicht die Voraussetzungen des Erzielens von Einkünften (BFH v. 14.09.1999, BStBl. II 1999, S. 776). In dem Fall, in dem das Pflegegeld ganz oder teilweise weitergeleitet wird, ist zwar Einkunftserzielungsabsicht anzunehmen. Hier greift jedoch die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 36 EStG, wonach Einnahmen bis zur Höhe des Pflegegeldes steuerfrei sind.
c) Geringfügigkeit
Aus Gründen der Vereinfachung geht die Finanzverwaltung davon aus, dass es an der Einkunftserzielungsabsicht fehlt, wenn die erzielten Einnahmen nur geringfügig höher sind als die im Rahmen der bürgerschaftlichen Tätigkeit entstandenen und als Werbungskosten absetzbaren Aufwendungen. Eine entsprechende Geringfügigkeit ist anzunehmen, wenn die erzielten Einnahmen nach Abzug der entstandenen und steuerlich abzugsfähigen Kosten einen Betrag von jährlich 256,00 Euro nicht übersteigen (vgl. z.B. Nds. FinMin, Januar 2008 S2121-43-35, S. 4).
Dabei dürfen den Einnahmen nur solche tatsächlich entstandenen Aufwendungen des bürgerschaftlich Engagierten gegenübergestellt werden, die bei Vorliegen einer Einkunftsart als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig wären. Im Rahmen der Vereinfachungsregelung wird somit die Frage relevant, welche entstandenen Aufwendungen steuerlich abziehbar sind (vgl. S. 103 ff.).
Bei der Grenze handelt es sich um eine Freigrenze. Demnach ist der gesamte Betrag steuerpflichtig, wenn ein Aufwendungsersatz gewährt wird, der nach Abzug der Betriebsausgaben oder Werbungskosten den Betrag von 256,00 Euro übersteigt.
Durch Einführung der Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26a EStG) und die Anhebung des Übungsleiterfreibetrags (§ 3 Nr. 26 EStG) hat die Vereinfachungsregelung an Bedeutung eingebüßt.
2. Einkunftsarten
Das Einkommensteuerrecht kennt sieben Einkunftsarten (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Einkünfte aus Kapitalvermögen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sonstige Einkünfte, vgl. § 2 Abs. 1 EStG).
Im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements kann im Einzelfall insbesondere die Abgrenzung problematisch sein, ob Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG) oder aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG) erzielt werden. Die Qualifizierung der Tätigkeit hat weitreichende Folgen. Dies betrifft zunächst die Frage der Einkünfteermittlung. Während im Falle der Einkünfte aus selbständiger Arbeit der Gewinn zu ermitteln ist (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG), bemessen sich im Falle der unselbständigen Arbeit die Einkünfte als Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Die Werbungskostenpauschale in Höhe von 920 Euro (§ 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG) kann nur im Falle von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht werden. Die Qualifizierung der Einkünfte ist darüber hinaus für die Frage von Bedeutung, ob ein Lohnsteuerabzug erfolgen muss.
Selbständig ist, wer den Weisungen eines Dritten nicht zu folgen verpflichtet ist und auf eigene Rechnung und Gefahr handelt. Nichtselbständig tätig ist, wer seine Arbeitskraft schuldet, das heißt in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen hat. Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine (nicht)selbständige Tätigkeit vorliegen, hat durch eine Würdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall zu erfolgen. Ein wichtiges Kriterium kann sein, ob lediglich die geleisteten Stunden vergütet werden und ob ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall besteht.
Die Liste der Entscheidungen, in denen sich die Finanzgerichte mit der Beurteilung einer Tätigkeit bürgerschaftlichen Engagements als (nicht) selbständig zu befassen hatten, ist lang:
• Chorleiter von Kirchenchören und Organisten sind regelmäßig selbständig tätig.
• Abhängend vom Umfang und der Art ihrer Tätigkeit können Vorstandsmitglieder von Vereinen sowohl selbständig als auch nichtselbständig tätig sein. Vorstandsmitglieder einer Stiftung sind regelmäßig als nichtselbständig anzusehen.
• Berufsbetreuer, die eine Vielzahl von Betreuungen übernehmen, erzielen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, wohingegen ehrenamtliche Betreuer mit nur einer oder lediglich wenigen Betreuungen „sonstige Einkünfte“ (i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG) erzielen.
• Für die Einordnung der Einkünfte ehrenamtlicher Bürgermeister als selbständig oder nichtselbständig, ist die Ausgestaltung des Amtes durch die Gemeindeordnung des jeweiligen Bundeslandes ausschlaggebend. Je stärker die Bindung des Bürgermeisters an die Vorgaben des Gemeinderates (wie etwa in Bayern), umso eher ist davon auszugehen, dass der Bürgermeister nichtselbständig tätig ist.
• Amateursportler, die eigenständig über den Umfang ihres Einsatzes entscheiden können und für ihre Einsätze Einkünfte erzielen, sind regelmäßig selbständig tätig.
• Ehrenamtliche Richter erzielen kein Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit. Dies wäre mit ihrer Funktion als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht zu vereinbaren.
• Freiwillige Helfer, die Kinder und Jugendliche auf Ferienreisen betreuen, sind regelmäßig unselbständig tätig.
TIPP: Informieren Sie sich bei dem Betriebsstättenfinanzamt, ob und inwieweit im Einzelfall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Das Einkommensteuergesetz sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor (vgl. § 42e EStG). Um Unklarheiten und Beweisschwierigkeiten vorzubeugen, haben Sie einen Anspruch auf schriftliche Auskunft.
VERTIEFEND: OFD Frankfurt/Main v. 13.12.1996, in: DB 1997, S. 301 f. (Vorstandsmitglied); BFH v. 04.08.1994, BStBl. II 1994, S. 944 (945) (Vorstandsmitglied); BFH v. 05.02.1971, BStBl. II 1971, S. 353 (ehrenamtlicher Bürgermeister); BFH v. 28.02.1975, BStBl. II 1976, S. 134 ff. (freiwillige Jugendhelfer).
3. Steuerfreie Einnahmen
a) Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen
Steuerfrei sind Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen (§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG).
In der Praxis fallen unter diese Vorschrift besonders die aus kommunalen Kassen gezahlten Aufwandsentschädigungen an Mitglieder der kommunalen Volksvertretung, der Freiwilligen Feuerwehr und an freiwillig Engagierte in den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften.
aa) Voraussetzungen
Öffentliche Kassen sind inländische Kassen, wenn diese der Dienstaufsicht unterstehen und ihr Finanzgebaren der Prüfung durch die öffentliche Hand unterliegt. Das sind insbesondere Kassen des Bundes, der Länder und Gemeinden, Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts, Ortskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Berufsgenossenschaften, der Industrie- und Handelskammern, Kreishandwerkerschaften, Handwerkskammern, Rechtsanwaltskammern. Nicht zu den öffentlichen Kassen zählen Einrichtungen der kommunalen Spitzenverbände oder der Parteifraktionen. Wohltätigkeitsorganisationen (z. B. Caritas, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband) sind in aller Regel privatrechtlich organisiert, so dass die Zahlungen an freiwillig engagierte Helfer nicht gem. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerbefreit sind. Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften erfüllen öffentlich-rechtliche Aufgaben, unterliegen aber nicht der Staatsaufsicht und der Prüfung ihres Finanzgebarens durch die öffentliche Hand. Die Finanzverwaltung behandelt ihre Kassen dennoch als öffentliche Kassen.
Öffentliche Dienste leistet, wer im Dienst einer Person des öffentlichen Rechts steht und nicht in der fiskalischen Verwaltung beschäftigt ist. Dazu zählen z.B. Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr, ehrenamtliche Richter, ehrenamtlich Tätige in Berufs- und Standesorganisationen, ehrenamtliche Wahlhelfer, Schulweghelfer und Schulbusbegleiter, Kommunalbeamte. Demgegenüber ist...