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eBook - ePub
Frauen der Reformation
About this book
Wie weiblich ist die Reformation? Wer sind die Frauen hinter den Reformatoren? In mitreißend erzählten Porträts ehrt die Autorin zwölf Frauen, die vor Jahrhunderten großen Mut bewiesen. Dazu gehören neben Katharina von Bora auch viele andere: Sie haben die neue Lehre in die Welt getragen, sich engagiert und eingemischt – und auf diese Weise nicht nur die Kirche, sondern auch das Frauenbild nachfolgender Generationen reformiert.Ein Büchlein aus unserer Minibibliothek, die im kleinen Westentaschenformat auf 128 Seiten kurzweilig über verschiedenste Themen informiert.
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Information
Wortgewaltige »Kirchenmutter« und Flüchtlingshelferin:
(1497 – 1562)
»Ja mir selbst, und nicht der Kirche, hab’ ich freilich viel Unruhe gemacht und [ein Verhalten] angefangen, … [das] vorhin bei unseren Weibern nicht gewöhnlich gewesen ist.«

Das sagt Katharina Zell am Ende ihres Lebens über sich selbst. Sie ist eine unerschrockene, undogmatische Frau, die das Rückgrat hat, nicht nur dem Bischof öffentlich zu widersprechen, sondern auch den großen Reformatoren Luther und Calvin. Jenseits sich polarisierender Lager kämpft sie für ein Christentum mit menschlichem Gesicht. Dafür nimmt sie ein hohes persönliches Risiko in Kauf. Zwanzig Jahre führt sie ein offenes Haus, in dem Flüchtlinge aus allen religiösen Richtungen unterkommen. Zeitlebens tritt sie als leidenschaftliche Predigerin, Schriftstellerin, Reformatorin in Erscheinung.
Die Tochter der Schreinermeisterfamilie Schütz wird 1497 in der freien Reichsstadt Straßburg geboren. Schon früh interessiert sie sich für Glaubensfragen: »Seit ich zehn Jahr alt, habe [ich] alle Gelehrten geliebt, und mit ihnen ein Gespräch nicht vom Tanz, Weltfreuden und Fassnacht, sondern vom Reich Gottes gehabt.« Martin Luthers Auslegungen der heiligen Schrift berühren sie zutiefst. Ebenso die Predigten des beliebten Straßburger Reformators Matthäus Zell. Bis zu 3 000 Menschen kommen, um ihn zu hören. Am 3. Dezember 1523 heiratet Katharina den zwanzig Jahre älteren Mann: »Unsere Eheberedung war nit von Silber noch Gold, sondern von Feuer und Wasser um des Bekenntnisses Christi willen.« Aus Wittenberg schickt Martin Luther die herzlichsten Glückwünsche.
Als sie später mit sieben weiteren verheirateten Priesterpaaren exkommuniziert werden, schreibt Katharina dem Bischof: »Entschuldigung Katharina Schützin für … ihren Ehegemahl …« Leidenschaftlich verteidigt sie die Priesterehe, greift die Doppelmoral der katholischen Kirche an: Als Beispiel nennt sie einen Priester, von dem sieben Frauen gleichzeitig schwanger sind.
Sie begründet auch, warum sie als Frau das Wort ergreift: »Paulus sagt: Die Weiber sollen schweigen. Antworte ich: Weißt aber nicht auch, dass er sagt Galater 3: In Christus ist weder Mann noch Weib; und dass Gott im Propheten Joel sagt: Ich werde ausgießen von meinem Geist über alles und eure Söhne und Töchter werden weissagen.« Obwohl bereits ihre erste Schrift ein Schreibverbot nach sich zieht, veröffentlicht und predigt sie weiter. Ein Leben lang.
Selbst im Kreis der Straßburger Reformatoren um Martin Bucer und Wolfgang Capito nehmen Katharina Zell und ihr Mann eine Sonderrolle ein. Den Zells geht es um Vermittlung zwischen Luther, Calvin und Zwingli. Sie setzen auf ein geschwisterliches Miteinander aller Gläubigen in der Praxis. Im Abendmahlstreit scheut sich Katharina Zell nicht, Martin Luther öffentlich zu mehr Liebe im Umgang mit den Anhängern der reformierten Kirche zu ermahnen. Gemeinsam mit ihrem Mann besucht sie 1538 Luther und Melanchthon in Wittenberg.

Katharina Zell (Wandmalerei am Reformationsgarten am Künstlerhaus in Wittenberg)
Das Straßburger Pfarrhaus von Katharina und Matthäus ist nicht nur Treffpunkt der Reformatoren und Reformorientierten weit über die Grenzen Straßburgs hinaus. Mit großer Selbstverständlichkeit steht die Tür allen Verfolgten offen – auch Mitgliedern der Täuferbewegung und anderen Minderheiten. Dabei führt ihre Toleranz zu Kritik aus den eigenen Reihen. Katharina begreift sich als »armer und verjagter Leute Mutter«. Umso mehr, als ihre eigenen beiden Kinder bereits im Säuglingsalter sterben. Diese mutige Frau ist entscheidend dafür, dass die verschiedenen Flüchtlingswellen der Zeit in ihrer Heimatstadt bewältigt werden. Sie nimmt sich der Glaubensvertriebenen aus dem In- und Ausland an.
Als 150 Männer aus dem benachbarten Kenzingen gemeinsam mit ihrem evangelischen Pfarrer aus ihrer Stadt ausgesperrt werden, nimmt Katharina Zell 80 von ihnen auf. Mit ihrem Trostbrief an die »leidenden christgläubigen Weiber der Gemeinde zu Kenzingen« von 1524 gibt sie zugleich ein Beispiel für ihr mitfühlendes und kämpferisches seelsorgerisches Verständnis: »Liebe Schwestern, ob aber schon etwa euer Glaube kleinmütig würde, erschreckt nicht. Der Glaube ist kein Glaube, der nicht angefochten wird.«
1524/25 predigt Katharina Zell gemeinsam mit ihrem Mann und dem Kollegen Capito in den Lagern der aufständischen Bauern für Gewaltfreiheit. Als die verheerenden Bauernkriege nicht verhindert werden können, ist es maßgeblich Katharina zu verdanken, dass Straßburg die 3 000 Flüchtlinge vor den Toren der Stadt aufnimmt und die Kraftanstrengung schafft, die eine solche Zahl Bedürftiger angesichts von 25 000 Einwohnern bedeutet. Sie organisiert nicht nur die Versorgung, sondern sorgt für Integration, vermittelt Privatunterkünfte.

Kanzel des Münsters in Straßburg von 1485
1534 bis 1536 gibt die unerschrockene Predigerin ein Lehr-, Gebet- und Dankbuch in vier Einzelheften heraus, worin Lieder der Böhmischen Brüder aus dem »New Gesengbuchlein« von Michael Weiße enthalten sind.
Der Tod ihres Mannes 1548 trifft Katharina schwer. Auf seiner Beerdigung hält sie entgegen jeder Konvention selbst eine Ansprache. »Ich bitt euch aber zuvor, dass ihr mir nicht für übel aufnehmen, noch euch an mir ärgern wollt, als ob ich mich jetzt in das Amt der Prediger und Apostel stellen möchte, nein gar nicht, sondern allein wie die liebe Maria Magdalena ohne Vorbedacht ihrer Gedanken zu einer Apostelin ward, also ich jetzt auch …« Es geht ihr nicht allein um das persönliche Andenken an ihren Mann, sondern auch um dessen tolerante theologische Position. In den nächsten 14 Jahren hält sie der Gegenreformation stand. Sie macht Gefängnisbesuche, pflegt Schwerkranke in Quarantäne, versteckt die gefährdeten Reformatoren Bucer und Fagius. Bis zuletzt kämpft sie gegen Fanatiker in den eigenen Reihen. Selbst schon stark geschwächt, gibt sie kurz vor ihrem Tod noch ein letztes Mal ein Beispiel für Menschlichkeit und zivilen Ungehorsam: Sie leitet die Beerdigungszeremonie einer Täuferin auf dem Straßburger Friedhof. Bevor sie dafür zur Rechenschaft gezogen werden kann, stirbt sie am 5. September 1562. Die Straßburger erweisen ihr die letzte Ehre und kommen zu tausenden zu ihrem Begräbnis.
Liebende und Geliebte:
(1484 – 1538)
»So gebühren denn
Ehren-Denkmale nicht
ausschließlich Männern.«
Ehren-Denkmale nicht
ausschließlich Männern.«

Zu dieser Erkenntnis gelangt der Zürcher Pfarrer Salom...
Table of contents
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Wie weiblich ist die Reformation?
- Vorkämpferin in Böhmen
- Luthers erste Liebe
- Die Frau, die Luthers Frauenbild reformiert
- Die Visionärin und Liedermacherin der Reformation
- Identifikationsfigur der Reformation
- Die Reformationsfürstin
- Die erste gedruckte protestantische Autorin
- Wortgewaltige »Kirchenmutter« und Flüchtlingshelferin
- Liebende und Geliebte
- Theologin der französischsprachigen Reformation
- Gelehrte und Dichterin
- Die »Bischöfin« von Köln