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Auf der Suche nach Gott:
Blaise Pascal
»Archimedes von Paris« wird der 1623 in Clermont geborene Pascal genannt. Zu Recht, denn wie der berĂŒhmte Techniker der Antike ist auch er ein Universalgenie, nach dem heute sowohl eine Computer-Programmiersprache als auch die MaĂeinheit des Luftdrucks benannt ist. Schon vor seinem 40. Geburtstag stirbt Pascal 1662 in Paris â da ist es von Vorteil, dass er bereits als Kind seine Umwelt mit mathematisch und physikalisch brillanten SchlĂŒssen beeindruckt.
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Als ElfjĂ€hriger schreibt er eine Arbeit ĂŒber die Erzeugung von Schall in schwingenden Körpern. Doch die Liebe gilt der Mathematik. Es ist zunĂ€chst eine heimliche Liebe, denn der Vater, der Blaise selbst unterrichtet, bevorzugt die alten Sprachen. Mathematische LehrbĂŒcher, die es im Haus des Steuerbeamten auch gibt, werden dem aufgeweckten Jungen lange Zeit vorenthalten, weil der Vater fĂŒrchtet, die klare mathematische Logik könne die sprachliche Entwicklung seiner Kinder negativ beeinflussen.
Doch der Vater lĂ€sst sich ĂŒberzeugen, als Blaise mit einem StĂŒck Kohle an einer Mauer den Beweis erbringt, dass die Winkelsumme eines Dreiecks 180 Grad betrĂ€gt. So werden nun auch seine mathematischen FĂ€higkeiten systematisch gefördert, und auf Betreiben des Vaters wird Blaise mit 14 Jahren in die »AcadĂ©mie des Sciences« aufgenommen. Zwei Jahre spĂ€ter wird Pascal schlagartig in der Fachwelt berĂŒhmt â mit dem Kegelschnittsatz, der noch heute zu den Grundlagen der Geometrie zĂ€hlt: »Beschreibt man einem Kegelschnitt ein beliebiges Sechseck ein, so liegen die drei Schnittpunkte der jeweils gegenĂŒberliegenden Seiten auf einer Geraden.«
Dass die Mathematik ebenjene Gerade seitdem als »Pascalsche Gerade« bezeichnet, ist da nur gerecht. Eine Anekdote sagt, dass der Philosoph RenĂ© Descartes eine Wette verliert, weil er glaubt, der Text sei vom Vater Pascal, dem Steuerbeamten, verfasst. Um diesem zu helfen, erfindet Blaise spĂ€ter eine Rechenmaschine, die Steuerberechnungen erleichtert. Als er dann noch in einem Experiment beweist, dass der Luftdruck in steigender Höhe geringer wird, gilt der 25-JĂ€hrige in ganz Europa als einer der gröĂten Forscher seiner Zeit.
Ein Kutschenunfall aber Àndert 1654 alles: Pascal sieht den Unfall als Zeichen Gottes und widmet sich fortan christlicher Philosophie, die spÀter Denker wie Kierkegaard und Dostojewski beeinflussen wird. In seinem SpÀtwerk blitzt noch einmal seine Brillanz auf, als er mit der »Pascalschen Wette« eine Kosten-Nutzen-Analyse an die Stelle philosophischer Gottesbeweise setzt und dennoch den christlichen Glauben gegen Skeptiker verteidigt: »Wenn Gott nicht existiert, verliert man nichts, wenn man an ihn glaubt. Wenn Gott aber existiert, verliert man alles, wenn man nicht an ihn glaubt.«
Newtons Todfeind:
Gottfried Wilhelm Leibniz
Schön, wenn sich (ehemalige) Wunderkinder ĂŒber den Weg laufen und sogar voneinander lernen: 1672 schickt der KurfĂŒrst von Mainz den 26-jĂ€hrigen Gottfried Wilhelm Leibniz nach Frankreich. Als Diplomat soll er den ExpansionsgelĂŒsten des Sonnenkönigs entgegenwirken. Das gelingt zwar nicht, aber Leibniz nutzt die vier Jahre in Paris, um Freundschaft mit dem 23 Jahre Ă€lteren Blaise Pascal zu schlieĂen.
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In beider Lebenslauf gibt es verblĂŒffende Parallelen: Beide entwickeln sowohl in der Philosophie als auch in mathematisch-technischen Disziplinen bahnbrechende Ideen, beide lernen frĂŒhzeitig lesen, beide werden von einem Vater unterrichtet, der den Schwerpunkt auf alte Sprachen legt. Doch Leibniz verbleibt nicht viel Zeit mit seinem Vater â dieser stirbt, als er sechs Jahre alt ist. Fortan stöbert der Junge selbst in der elterlichen Bibliothek und lernt Latein und Griechisch nach eigenem System: »Ich verstand kaum eine Zeile. Weil es aber BĂŒcher mit Holzschnitten waren, las ich die darunter stehenden Worte. Was ich nicht verstand, ĂŒbersprang ich. Als ich dies öfter getan, verstand ich viel mehr davon und fuhr ohne irgendein Wörterbuch fort.«
In der Schule fĂ€llt das Talent auf: Als 14-JĂ€hriger dichtet er an einem Vormittag 300 Hexameter, weil ein anderer SchĂŒler erkrankt ist und Wilhelm freiwillig dessen Vortrag ĂŒbernimmt. Schon ein Jahr spĂ€ter schreibt er sich an der UniversitĂ€t Leipzig ein und legt im Jahr darauf das Baccalaureat in Philosophie ab. Als er mit 22 Jahren sowohl in Philosophie als auch in Jura eine Doktorarbeit vorlegt, lĂ€sst die UniversitĂ€t den Gelehrten nicht zur Doppelpromotion zu. In Altdorf bei NĂŒrnberg ist man weniger engstirnig â man bietet Leibniz nach der erfolgreichen PrĂŒfung sogar eine Professur an. Doch der junge Mann hat andere PlĂ€ne und begibt sich in die Dienste des KurfĂŒrsten von Mainz, der ihn bald nach Paris schickt.
Dort entwickelt Leibniz auf der Basis von Pascals Rechenmaschine einen Nachfolger, der sogar multiplizieren und dividieren kann. Und er entwirft die Regeln fĂŒr eine Differentialrechnung, die ihm einen Todfeind schafft. Denn Isaac Newton, der am gleichen Problem arbeitet, glaubt, dass der Deutsche von ihm abgeschrieben hĂ€tte.
Es wird eine der gröĂten Gelehrtenfeindschaften der Geschichte, die auch dann noch hĂ€lt, als Leibniz Bibliothekar des FĂŒrsten von Hannover wird. Als dieser 1714 englischer König wird, muss sein berĂŒhmter Gelehrter zu Hause bleiben. Leibnizâ Tod zwei Jahre spĂ€ter kommentiert Newton mit den Worten, er empfinde tiefe Befriedigung, das Herz seines Gegners gebrochen zu haben. Das Andenken an das Universalgenie aber kann er nicht auslöschen: Heute ist der wichtigste deutsche Wissenschaftspreis nach Gottfried Wilhelm Leibniz benannt.
Ein tragisches Kinderleben:
Christian Heinrich Heineken
Unter allen Wunderkindern ist dieses zweifellos das tragischste. Nicht einmal viereinhalb Jahre wird der 1721 geborene Christian Heinrich Heineken alt, doch die kurze Zeit reich...