Festmahl am Himmelstisch
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Festmahl am Himmelstisch

Wie Mahl feiern Juden, Christen und Muslime verbindet

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Festmahl am Himmelstisch

Wie Mahl feiern Juden, Christen und Muslime verbindet

About this book

Juden feiern Pessach, Christen Ostern und Muslime bitten Gott, einen Tisch vom Himmel zu senden (Koran, Sure 5), an dem die Gläubigen Platz nehmen. Mahl zu feiern stiftet also eine enge Verbindung zwischen den drei großen Religionen, sagt Karl-Josef Kuschel. Er beschreibt diese bisher nicht gesehene Verbindung zum ersten Mal in einem Buch. Wenn Christen das österliche Mahl feiern, sind auch die anderen Religionen gegenwärtig, so Kuschels These, die er durch historische und systematische Argumentation belegen kann, ohne die anderen Religionen zu vereinnahmen. Eine Erkenntnis von besonderer Tragweite, die das Gespräch zwischen Juden, Christen und Muslimen befruchten dürfte.

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Information

Publisher
Patmos Verlag
Year
2013
Print ISBN
9783843603669
eBook ISBN
9783843603676
Edition
1
Subtopic
Religion

II. WAS FEIERN JUDEN AM PESSACHFEST?

Deutschland im Mittelalter: Judenverfolgungen. Sie beginnen mit den Kreuzzügen und steigern sich beim Ausbruch der Pest. Juden – Sündenböcke für Unglücke aller Art. Legenden verbreiten sich und stacheln die Verfolgungen noch an: Juden stehlen geweihte Hostien, heißt es, die sie mit Messern durchstechen, bis das Blut Christi herausfließt. Juden schlachten am Pessachfest Christenkinder, um deren Blut bei ihrem nächtlichen Gottesdienst zu trinken. Wenn sich das herumspricht, kennt der Pöbel keine Gnade, dann werden Juden gemordet und ihre Häuser geplündert. So geschieht es zu Oberwesel am Rhein. Werner, ein Kind, wird in einem Judenhaus tot aufgefunden. Und an ihn, das angebliche Märtyrerkind, heftet sich kruder Wunderglaube. Die Kirche macht ihn zum Heiligen. Ihm zu Ehren wird zu Oberwesel eine prächtige Abtei gestiftet. Ihm zu Ehren werden »am Rhein noch drei andre große Kirchen errichtet, und unzählige Juden getötet und misshandelt.«12 Man schreibt das Jahr 1287.

1. Ein »uraltes, wunderbares Fest«: Pessach, wie Heine es beschreibt

200 Jahre ist das her. Seither lebten jüdische Gemeinden am Rhein relativ friedlich. So auch in Bacherach, wo Rabbi Abraham sein Amt versieht, wie es schon sein Vater versehen hatte. Er ist ein gelehrter und gebildeter Mann, ein »Muster gottgefälligen Wandels«.13 Soeben ist man in der Familie dabei, nach vorgeschriebenem Ritus die Pessachfeier abzuhalten, da entdeckt der Rabbi zu seinem Entsetzen unter dem Tisch eine Kinderleiche. Man hat sie in sein Haus geschmuggelt, um einmal mehr Juden des Ritualmords bezichtigen zu können. Rabbi Abraham weiß, was das bedeutet: Der Tod schwebt über den Juden von Bacherach. In aller Stille verlässt er sein Haus und flieht zusammen mit seiner Frau Sara in das Judenghetto zu Frankfurt. Dann bricht die Erzählung ab.
1797 wird er in eine jüdische Familie Düsseldorfs hineingeboren, Heinrich Heine. Seine Mutter Betty (Jahrgang 1771) ist eine geborene van Geldern. Ihr Urgroßvater, Joseph Jacob van Geldern (1653–1727), hatte sich vom damaligen jülisch-bergischen Kurfürsten die Erlaubnis erkauft, auf der Bilker Straße in Düsseldorf-Unterbilk ein Gebäude zu errichten: ein mehrflügeliges Wohnhaus mit Synagoge und Schule. Das ist das eine für uns besonders bemerkenswerte biographische Faktum. Hinzu kommt ein zweites: Joseph Jacobs Sohn Lazarus, Bettys Großvater und somit Heines Urgroßvater mütterlicherseits, besitzt eine kostbare handgeschriebene »Pessach-Haggada« (»Pessach-Erzählung«) auf Pergament, die mit 16 kunstvollen Miniaturen versehen ist. Bei der häuslichen Feier der Familie Heine-van Geldern ist diese Handschrift in Gebrauch. Sie enthält den Ablauf einer Pessachfeier sowie die dabei vorzutragenden Texte. Obwohl religiös nicht orthodox erzogen (in Düsseldorf gibt es weder ein Ghetto noch ein eigenes Judenviertel) und auf katholische Bildungsinstitute geschickt, lernt Heine schon als Kind die Feste, Gebräuche und Überlieferungen des Judentums kennen, aber nicht im Geiste der Halacha, des traditionellen jüdisch-orthodoxen Religionsgesetzes, sondern im Geist der Haskala, der jüdischen Aufklärung. Die Frage nach einer eigenen jüdisch-orthodoxen Identität scheint früh erledigt.
Das ändert sich, als Heine nach ersten Studienaufenthalten in Bonn und Göttingen ab April 1821 sein Jura-Studium in Berlin fortsetzt. Denn hier, in dieser Stadt, tritt er in Kontakt mit dem 1819 gegründeten »Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden«, in dessen Rahmen er eindrucksvolle jüdische Gelehrte wie Eduard Gans und Leopold Zunz kennenlernt. Jetzt ist Heine auf der Suche nach einer ihm angemessenen religiösen Identität.14 Und jetzt vertieft sich erstmals auch sein Interesse für jüdische Kultur und Geschichte. Heine nimmt ein ambitioniertes Prosaprojekt in den Blick, einen historischen Roman mit dem Titel »Der Rabbi von Bacherach«, angeregt durch das soeben erschienene Buch des Briten Walter Scott »Ivanhoe« von 1820. Wir haben den Anfang des »Rabbi« eingangs dieses Kapitels knapp zusammengefasst. Er greift das historische Factum von Judenpogromen am Mittelrhein im 13. Jahrhundert (im Mittelpunkt der Werner-Kult) auf und gestaltet die Geschichte fiktiv weiter aus. Noch in Berlin angeregt, wird die Arbeit von Heine ab Mai 1824 in Göttingen literarisch in Angriff genommen, dann aber im Verlauf des Jahres 1825 abgebrochen und nie vollendet. Welch ein Jammer!
Denn was uns der Dichter als Fragment hinterlassen hat, lässt ahnen, wie kenntnisreich und brillant zugleich er jüdische Überlieferungen hätte beschreiben können. Sein »Rabbi« sollte ja unter anderem auch »ein literarisches Manifest« sein – so die Heine-Biographen Hauschild-Werner, »für die Bewahrung und Wiederherstellung der vom Untergang bedrohten jüdischen Riten und Traditionen«.15 Auch der Spannungsbogen im Text ist bereits gekonnt gemacht. Heine beschreibt zunächst die »jährliche Feier des Pascha« im Hause Rabbi Abrahams zu Bacherach in ruhigem Tempo und mit viel Liebe zum sinnlichen Detail. Er nennt es »ein uraltes, wunderbares Fest« und weiß, dass es die Jahrhunderte überdauert und Juden in aller Welt zusammengehalten hat. »Noch jetzt« würden Juden in der ganzen Welt »am Vorabend des vierzehnten Tages im Monat Nissen« dieses Fest feiern.16 In der Tat beginnt das Pessachfest für Juden bis heute am 14. Nisan abends, und zwar mit einem »Seder« (hebr.: Ordnung), bei demim Rahmen einer Familienfeier ein Ritual mit besonderen Speisen, Schrifttexten, Erzählungen, Gebeten und Gesängen abläuft, alles niedergelegt in der soeben erwähnten Pessach-Haggada.
Alles Erinnern kreist dabei um ein Ereignis aus uralten Zeiten. Aber im Ritual wird es so vergegenwärtigt, als seien die Teilnehmer selbst dabei gewesen: damals bei der Befreiung der alten Israeliten »aus ägyptischer Knechtschaft«! Ruhig und sachlich wird dies bei Heine erzählt, um dann umso ergreifender und zupackender den plötzlichen Abbruch der Feier, den Schock Rabbi Abrahams über die eingeschmuggelte Kinderleiche und die panikartige Flucht des Ehepaars aus Bacherach zu schildern: »Siehst du den Engel des Todes?«, lässt Heine seinen Rabbi zu dessen Frau sagen. »Dort unten schwebt er über Bacherach! Wir aber sind seinem Schwerte entronnen. Gelobt sei der Herr!«17 Ein neuer Exodus bei der Feier des Exodus, eine neue Flucht von Juden bei der Erinnerung an die Flucht aus Ägypten! Heines Pointe ist gezielt gesetzt. Der deutschen Gesellschaft, für die dieser Text geschrieben ist, sollte ein Spiegel vorgehalten werden: Juden haben eine »uralte, wunderbare« Festkultur, das ist das eine. Und das andere: Exodus hat für Juden nie aufgehört, wo immer sie auch leben.
Ruhiges Tempo, Liebe zum sinnlichen Detail, Bewusstsein des Zusammenhalts von Juden in der ganzen Welt, Gefahren für Juden und neue Flucht: Was das für die Pessachfeier bedeutet, wird im »Rabbi« detailliert beschrieben. Hier dürften dann auch Heines Erfahrungen u. a. mit der alten Pessach-Haggada seines Urgroßvaters Lazarus van Geldern eingeflossen sein. Lange Zeit galt sie als verschollen, bis sie 1946 in einem Amsterdamer Antiquariat wieder auftauchte, 1952 den rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben und 1997 in einer prachtvollen Fakisimile-Edition der allgemeinen Öffentlichkeit zugängig gemacht wurde.18 Obwohl wir durch keinen Text belegen können, ob Heine die Haggada seines Urgroßvaters je in der Hand gehabt hat, fallen doch Ähnlichkeiten zwischen der Beschreibung der Sedergesellschaft mitsamt den »bunt und keck bemalten Bildern« der »Agade« des Rabbi Abraham im Roman und den Illustrationen in der van-Geldern-Haggada ins Auge. Im »Rabbi« ist denn auch von »dem hübschen, in Gold und Sammet gebundenen Pergamentbuche« die Rede, einem »alten Erbstück mit verjährten Weinflecken« aus »den Zeiten des Großvaters« von Rabbi Abraham. Von Sara, der Frau des Rabbi, heißt es, »dass sie schon als kleines Mädchen« am Pascha-Abend die vielen Bilder so gern betrachtet habe. Sie hätten »allerley biblische Geschichten« dargestellt, als da seien:
»wie Abraham die steinernen Götzen seines Vaters mit dem Hammer entzweiklopft, wie die Engel zu ihm kommen, wie Moses den Mitzri totschlägt, wie Pharao prächtig auf dem Throne sitzt, wie ihm die Frösche sogar bei Tisch keine Ruhe lassen, wie er Gott sei Dank versäuft, wie die Kinder Israel vorsichtig durch das Rote Meer gehen, wie sie offnen Maules, mit ihren Schafen, Kühen und Ochsen vor dem Berge Sinai stehen, dann auch wie der fromme König David die Harfe spielt, und endlich wie Jerusalem mit den Türmen und Zinnen seines Tempels bestrahlt wird vom Glanze der Sonne.«19
Was den Seder betrifft, so beschreibt ihn Heine wie folgt. Ich zeige die Struktur des Textes, indem ich Absätze einziehe:
»Sobald es Nacht ist, zündet die Hausfrau die Lichter an, spreitet das Tafeltuch über den Tisch, legt in die Mitte desselben drei von den platten ungesäuerten Bröten, verdeckt sie mit einer Serviette und stellt auf diesen erhöhten Platz sechs kleine Schüsseln, worin symbolische Speisen enthalten, nämlich ein Ei, Lattig, Mairettigwurzel, ein Lammknochen, und eine braune Mischung von Rosinen, Zimmet und Nüssen.
An diesen Tisch setzt sich der Hausvater mit allen Verwandten und Genossen und liest ihnen vor aus einem abenteuerlichen Buche, das die Agade heißt, und dessen Inhalt eine seltsame Mischung ist von Sagen der Vorfahren, Wundergeschichten aus Ägypten, kuriosen Erzählungen, Streitfragen, Gebeten und Festliedern.
Eine große Abendmahlzeit wird in die Mitte dieser Feier eingeschoben, und sogar während des Vorlesens wird zu bestimmten Zeiten etwas von den symbolischen Gerichten gekostet, so wie alsdann auch Stückchen von dem ungesäuerten Brote gegessen und vier Becher roten Weines getrunken werden.
Wehmütig heiter, ernsthaft spielend u...

Table of contents

  1. NAVIGATION
  2. HAUPTTITEL
  3. INHALT
  4. Geleitwort von Rabbiner Walter Homolka
  5. I. DIE GEGENWART DES JE ANDEREN MITDENKEN
  6. II. WAS FEIERN JUDEN AM PESSACHFEST?
  7. III. HAT JESUS PESSACH GEFEIERT?
  8. IV. JESU LETZTES MAHL: KEIN PESSACHMAHL
  9. V. DAS ABENDMAHL ALS PESSACHMAHL
  10. VI. DAS ABENDMAHL JESU IM KORAN? ZU SURE 5,112–115
  11. VII. FÜR EINE WECHSELSEITIGE ERINNERUNGSKULTUR
  12. Ein Wort des Dankes
  13. Anmerkungen
  14. Bibliografie
  15. ÜBER DEN AUTOR
  16. ÜBER DAS BUCH
  17. IMPRESSUM
  18. HINWEISE DES VERLAGS