Geld, Gesellschaft und Gewalt
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Kapital und Christentum (Band 1)

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Kapital und Christentum (Band 1)

About this book

Immer mehr, immer schneller, immer weiter: Die derzeit herrschende Wachstumsdoktrin ist nicht nur schĂ€dlich, sie ist ruinös. Es werden immer mehr Produkte auf den Markt geworfen - zu Lasten der armen Bevölkerung und der Natur. Eugen Drewermann zeigt auf, dass eine nachhaltige und damit nicht lĂ€nger wachstumsbestimmte Wirtschaftsform die einzig realistische und tragfĂ€hige ist. Leicht verstĂ€ndlich erlĂ€utert er wirtschaftswissenschaftliche ZusammenhĂ€nge und deutet die derzeitige Weltlage tiefenpsychologisch fundiert. Ein unverzichtbares Werk fĂŒr alle, die die Problematik der aktuellen ökonomischen und damit ökologischen Entwicklungen erkennen und etwas Ă€ndern wollen. Klimaneutral gedruckt.

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Information

C) Fairer Handel

Faire Preise, in denen die ökologischen Kosten, die »Externa« der Produktion, eingerechnet (statt herausgerechnet) werden; faire Löhne, in denen die sozialen Kosten von Rationalisierungs- und Einsparungsmaßnahmen mitverrechnet werden und die Arbeiter selbst an den Unternehmergewinnen teilhaben (statt nur das Nötigste zum Überleben zu erhalten), – beides gewinnt seine konkrete Gestalt im Handel. Erst wenn die Ware ihren KĂ€ufer findet, »realisiert« sich das vorgeschossene Kapital des Unternehmers auf dem Markt, schließt sich der Kreislauf von Geld, Ware und Geld, erweist sich, ob und in welchem Umfang die Gewinnkalkulation des Produzenten zutraf.
Am kostengĂŒnstigsten wĂ€re es gewiß fĂŒr jeden Hersteller, seine Produkte selber an den Mann zu bringen, also den Handel in der ­eigenen Hand zu halten, doch das dĂŒrfte nur dann kein Problem darstellen, wenn sich der Produktionsstandort in der NĂ€he des Wohnorts der Abnehmer befindet358: Bauern zum Beispiel können in einer »grĂŒnen« Landwirtschaft noch heute einen Teil ihrer Erzeugnisse regional auf dem Wochenmarkt der nĂ€chsten Stadt (oder gleich im eigenen Dorf) absetzen; sie haben keine langen Transportwege, und vor allem: sie sind nicht auf ein System von ZwischenhĂ€ndlern angewiesen, das die Herstellungskosten der Erzeuger möglichst niedrig hĂ€lt, um am Ende beim Verkauf der Produkte (Milch, Fleisch, Getreide und GemĂŒse) selber hohe Gewinne einzufahren.
Gleichwohl ist die Tendenz bereits vorhersehbar, daß der HĂ€ndler den Produzenten in gleicher Weise wird in »Dienst« zu nehmen suchen wie der Produzent den Arbeitnehmer: – es ist im kapitalistischen Wirtschaftskreislauf nicht anders denkbar, als daß die Kette der Ausbeutung auf der Stufe des Handels sich um ein Glied erweitern und sich nun zu einem Ring zusammenschließen wird: HĂ€ndler werden bereits gebraucht, um die Rohstoffe zur Produktion herbeizubringen, HĂ€ndler sind gleichermaßen vonnöten, um die produzierten Waren zu vertreiben, und je lĂ€nger und gefĂ€hrlicher die Handelswege sich gestalten, werden allein schon die MĂŒhen und die Risiken des Transports auf ihre Weise in Form von VergĂŒtungsforderungen zu Buche schlagen. Und wieder werden wir dem gleichen Problem begegnen wie auf der Ebene der Produktion: Die im Transportwesen BeschĂ€ftigten (von den Sklaven auf den RuderbĂ€nken phönizischer Frachtschiffe bis hin zu den »Dienstleistern« und »Beamten« der Deutschen Bahn AG) werden mit Löhnen abgespeist werden, die gerade hoch genug sind, um davon leben zu können, und die allemal niedrig genug sind, daß die Handelsunternehmer einen maximalen Profit einstreichen. Allein darum geht es im Kapitalismus, und es ist dieses Prinzip selbst, das alle Wirtschaftsteilnehmer auf allen Ebenen zu Ausbeutern und Ausgebeuteten versklavt. Darin liegt seine Effizienz, doch eben weil derart erfolgreich, auch sein Ruin. Immer mehr Waren, immer mehr Menschen, immer mehr Absatz; immer mehr Fabriken, immer mehr WarenhĂ€user, immer mehr StĂ€dte, immer mehr Straßen, – so kann es nicht weitergehen: Die Natur ist endlich und ihre Zerstörung mit technischen Mitteln nicht zu kompensieren; die Menschen sind mehr als Sklaven und Sklavenhalter; immer grĂ¶ĂŸerer Reichtum in den HĂ€nden von immer weniger Leuten zu Lasten von immer mehr AbhĂ€ngigen, – das ist eine Entwicklung, die den sozialen Zusammenhalt zunehmend zersprengt und mit politischen und militĂ€rischen Zwangsmaßnahmen sich nur eine Zeitlang unter Kontrolle halten lĂ€ĂŸt. Ein Handel, bei dem die Reichen den Reibach machen auf Kosten der Armen, fördert nicht, wie verheißen, ein Leben aller in Wohlstand und Frieden, er treibt eine wachsende Mehrzahl von Menschen ins Elend mit all den selbstzerstörerischen sozialen Folgen. Um diese Spirale des Schreckens zu stoppen, mĂŒssen die Standards, die ökologisch fĂŒr die Bildung der Preise und sozial fĂŒr die Bildung der Löhne in Geltung stehen, in eine Form des fairen Handels integriert werden. Zum VerstĂ€ndnis der Rolle des Handels speziell im kapitalistischen Wirtschaftssystem ist dabei erneut der Wechsel von Gesellschaften mit MĂ€rkten hin zu Marktgesellschaften zu betrachten, jener Wandel, der an die Stelle von GebrauchsgĂŒtern Tauschwaren setzt.

1) Eine kleine Geschichte von Handel und Wandel

Historisch betrachtet, steht der Handel wohl am Anfang aller »Wirtschaft«. Um an GĂŒter zu gelangen, deren Tausch fĂŒr beide Partner von Vorteil ist, bedarf es keiner kĂŒnstlichen Herstellung der Waren; man teilt, was die Natur zur Nahrung bietet, und verteilt, was sich als brauchbar darstellt, je nach Bedarf. Zu einem eigentlichen Handel indessen kommt es unvermeidbar mit der Seßhaftwerdung am Beginn des Neolithikums vor etwa 10 000 Jahren, als mit dem Ende der letzten Eiszeit die Lebensweise der JĂ€ger und Sammler an ihre Grenzen gerĂ€t. Das Großwild der Kaltzeit stirbt aus, und um den Fleischbedarf zu decken, wird es nötig, Ziegen und Schafe, Schweine und Rinder zu zĂŒchten359. Aus dem Abstreifen von wildwachsendem Emmer ergibt sich wie von selbst die Auswahl einer ersten anbaufĂ€higen Getreideart. Um sich an festen Wohnstellen im Umkreis von Stallungen und Feldern einzurichten, braucht es die NĂ€he von Wasser, am besten aus FlĂŒssen, notfalls aus Brunnen, vor allem aber genĂŒgend Lehm, aus dem sich luftgetrocknete Ziegel als Baustoffe herstellen lassen. Die handwerklichen Arbeiten werden zunehmend differenzierter und spezialisierter, und damit wĂ€chst der Bedarf nach Stoffen, die am Ort nicht verfĂŒgbar sind, – sie mĂŒssen herbei­geschafft und gegen einheimische Waren ausgetauscht werden. Der Handel wird zur Existenzbedingung aufstrebender stĂ€dtischer Kulturen.
Ein solcher Rohstoff zum Beispiel ist Obsidian, ein vulkanisches Glas, aus dem sich Messer, Sicheln, Pfeilspitzen und schwerterĂ€hnliche Schlagwaffen fertigen lassen. Überall, wo es vorkommt, ob im Mittleren Osten, in Neuguinea oder in Mittelamerika360, ist dieser Rohstoff als Gebrauchsgut und deshalb als Handelsware hochbegehrt. Oder Bauholz! – Ägypten ist ein Ă€ußerst fruchtbares Schwemmland; Ackerbau, HĂ€user aus Adobe, PalĂ€ste und Pyramiden aus Granit, gebrochen aus den Gebirgen im Osten des heutigen Kairo oder bei Luxor und Assuan, Warentransport unter Segel nil­aufwĂ€rts und mit der Strömung nilabwĂ€rts – all diese Segnungen hĂ€lt diese gewaltige Flußoase bereit; aber: es gibt keine WĂ€lder. Um an das nötige Bauholz zu kommen, bedarf es des Fernhandels ĂŒber das Mittelmeer bis hinauf zum Libanon; selbst der Osiris-Mythos könnte eine Erinnerung daran enthalten361.
Ein Gleiches zeigt sich im antiken Sumer: FĂŒr das Gilgamesch-Epos bedeutete es (noch) einen unverzeihlichen Frevel, die Zedern des Libanon als Bauholz fĂŒr den Tempel des Himmelsgottes Scha­masch zu nutzen, – der Waldgott Chumbaba mußte dafĂŒr getötet werden; das forderte den Tod Enkidus, des Freundes des Gilgamesch, des mythischen StadtgrĂŒnders von Uruk362. Was sich hinter diesen Geschich...

Table of contents

  1. NAVIGATION
  2. HAUPTTITEL
  3. INHALT
  4. BUCH LESEN
  5. Vorwort oder: Vom Wahn des Wachstums
  6. A) Faire Preise
  7. B) Faire Löhne
  8. C) Fairer Handel
  9. ÜBER DEN AUTOR
  10. ÜBER DAS BUCH
  11. IMPRESSUM
  12. HINWEISE DES VERLAGS