Faire Fachkräftezuwanderung nach Deutschland
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Faire Fachkräftezuwanderung nach Deutschland

Grundlagen und Handlungsbedarf im Kontext eines Einwanderungsgesetzes

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Faire Fachkräftezuwanderung nach Deutschland

Grundlagen und Handlungsbedarf im Kontext eines Einwanderungsgesetzes

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Gut gesteuerte Zuwanderung wirkt sich positiv auf Deutschland aus: Sie verjüngt die Bevölkerung, federt regionale und berufsbezogene Fachkräfteengpässe ab und fördert den kulturellen Austausch. Aber gilt das auch in Zeiten hoher Flüchtlingszuwanderung? Wie ist es um die Offenheit der Gesellschaft bestellt und wie wirkt sich der wachsende Rechtspopulismus aus? Welche Rolle spielt die Fachkräftesicherung über Zuwanderer, wenn die einheimische Bevölkerung besser in Arbeit gebracht werden soll? Ist Deutschland attraktiv genug für ausländische Fachkräfte oder brauchen wir gar ein neues Einwanderungsgesetz?Der Sammelband beleuchtet diese und viele weitere Fragen aus verschiedenen Perspektiven und stellt faire, zielorientierte Lösungen vor. Mit seinen Impulsen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft möchte der Band die Debatten zur Fachkräftezuwanderung und zu einem Einwanderungsgesetz bereichern.

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Teil 1 Die Grundlagen der Fachkräftesicherung im Kontext der offenen Gesellschaft

1.1 Herausforderungen und Chancen der Fachkräftezuwanderung nach Deutschland

Thomas K. Bauer
Seit 2010 steigt die Nettozuwanderung in Deutschland stetig an und erreichte im Jahr 2015 mit 1,14 Millionen Personen einen neuen Höchststand. Diese Entwicklung ist insbesondere zurückzuführen auf eine steigende Zuwanderung von Personen aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU), den von der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise besonders stark betroffenen EU-Staaten Griechenland, Spanien und Italien sowie – besonders seit 2015 – auf den außergewöhnlich hohen Anstieg von Schutzsuchenden aus Drittstaaten (Statistisches Bundesamt 2017a). Angesichts der steigenden Zuwanderung in Kombination mit zuletzt steigenden Geburtenraten äußert selbst die Bundesregierung in ihrer neuesten demographiepolitischen Bilanz die Hoffnung, dass sich die Bevölkerungszahl Deutschlands auf dem heutigen Niveau stabilisieren könnte (BMI 2017).
Ist die Demographiekrise damit abgewendet? Keineswegs! Zum einen hat die aktuelle Zuwanderung keinen wesentlichen Einfluss auf die Alterung der Bevölkerung. Zwar wird nach der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung in einem Szenario dauerhaft hoher Wanderungsgewinne von 300.000 Personen pro Jahr die Bevölkerung bis 2040 relativ zum Jahr 2013 voraussichtlich konstant bleiben. Die Zahl der 20- bis 66-Jährigen würde jedoch von knapp 51,2 Millionen im Jahr 2014 um elf Prozent auf 45,6 Millionen im Jahr 2040 abnehmen und die Zahl der ab 67-Jährigen würde von 15,2 auf 21,6 Millionen um 42 Prozent steigen (Statistisches Bundesamt 2016). Der Altenquotient, also das Verhältnis der ab 67-Jährigen zu den 20- bis 66-Jährigen, steigt in diesem Zeitraum von knapp 30 über 66-Jährigen je 100 Personen im erwerbsfähigen Alter auf mehr als 47 an. Betrachtet man den Gesamtabhängigkeitsquotienten, also das Verhältnis der Personen im nicht erwerbsfähigen Alter zu denen im erwerbsfähigen Alter, zeigt sich, dass im Jahr 2040 100 Personen im erwerbsfähigen Alter für knapp 78 Personen im nicht erwerbsfähigen Alter aufkommen müssen – im Jahr 2014 waren es noch etwas mehr als 58 Personen.
Zum anderen zeigt die Erfahrung aus der Vergangenheit, dass der Wanderungssaldo erheblichen Schwankungen unterliegt – Zeiten hoher Zuwanderung folgten stets Zeiten hoher Abwanderungen (Abbildung 1.1-1). Demnach ist in den kommenden Jahren zumindest wieder von einer geringeren Nettozuwanderung auszugehen, sofern sich nicht aufgrund anderer Faktoren – wie etwa nicht abnehmender Fluchtursachen oder eines weiteren Anstiegs der Arbeitsmigration – Schwankungen des Wanderungssaldos auf einem höheren Niveau einspielen. Die Prognose künftiger Wanderungsgewinne unterliegt daher einer hohen Unsicherheit. Zudem ist die Abnahme der absoluten Zahl an Personen im erwerbsfähigen Alter mit einem Rückgang des Angebots qualifizierter Arbeitskräfte verbunden. Letzteres trifft dabei auf eine nicht zuletzt aufgrund des technischen Fortschritts in der Informations- und Kommunikationstechnologie und der damit verbundenen Zunahme komplexer dienstleistungs- und wissensbasierter Tätigkeiten (z. B. Acemoglu und Autor 2011; Dauth 2014; Goos, Mannig und Salomons 2014; Spitz-Oener 2006) stark steigende Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften.
Auch wenn sich der daraus ergebende zukünftige Fachkräftemangel nur schwer und mit erheblichen Unsicherheiten prognostizieren lässt, muss davon ausgegangen werden, dass in naher Zukunft einige Berufe und Regionen einen erheblichen Fachkräftemangel zu bewältigen haben (BMAS 2013).
Abbildung 1.1-1: Wanderungssaldo für Deutschland, 1950–2015
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Quelle: Statistisches Bundesamt 2017b; eigene Darstellung.
Grundsätzlich steht der Politik eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung, um den Folgen des demographischen Wandels für den Arbeitsmarkt und die Sozialversicherungssysteme zu begegnen. Hierzu gehören verstärkte Bildungsinvestitionen, eine Verlängerung der individuellen Lebensarbeitszeit, Maßnahmen zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit oder die Aktivierung von Erwerbslosen und der Stillen Reserve. Im Umfeld des Fachkräftemangels wird insbesondere auch die Rekrutierung von qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland diskutiert. Inwieweit eine Strategie der Ausweitung der Zuwanderung von Fachkräften geeignet ist, die Folgen des demographischen Wandels abzuschwächen, ist ebenso wie die mit einer derartigen Strategie verbundenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen Gegenstand dieses Beitrags.

Chancen der Fachkräftezuwanderung

Die Notwendigkeit einer auf qualifizierte Arbeitskräfte ausgerichteten Zuwanderungspolitik wird überwiegend mit dem infolge des demographischen Wandels erwarteten Fachkräftemangel begründet (z. B. BMI 2017: 16; BMAS 2011). Hierbei stellt sich in einem ersten Schritt die grundlegende Frage, ob ein Mangel an Fachkräften in bestimmten Berufen oder Regionen überhaupt eine selektive Zuwanderungspolitik legitimieren kann und welche wirtschaftlichen Folgen mit einem Fachkräftemangel verbunden sind.
In einem perfekten Arbeitsmarkt mit vollkommener Mobilität der Arbeitskräfte und vollkommenen Informationen aller Marktteilnehmer würde eine Ungleichgewichtssituation, in der zum herrschenden Lohn die Nachfrage nach Arbeitskräften das entsprechende Angebot übersteigt, zu Reallohnsteigerungen führen und damit über den Marktmechanismus eliminiert werden. Es existiert daher aus ordnungspolitischer Sicht keine unmittelbare Notwendigkeit, einen Fachkräftemangel über eine selektive Zuwanderungspolitik auszugleichen, sofern kein Marktversagen in Form etwa einer eingeschränkten Mobilität der Arbeitskräfte, rigider Löhne oder mangelnder Informationen seitens der Marktteilnehmer vorliegt.
Doch selbst im Falle eines Marktversagens ist für die Beurteilung der Sinnhaftigkeit einer selektiven Zuwanderungspolitik zur Bekämpfung eines Fachkräftemangels die Kenntnis der Ursachen dieses Mangels von zentraler Bedeutung (Zimmermann et al. 2002: 26 ff.). Kann ein Fachkräftemangel beispielsweise überwiegend auf einen andauernden technischen Fortschritt zurückgeführt werden, ist eine selektive Zuwanderung in diese Arbeitsmarktsegmente positiv zu beurteilen, da damit die Entwicklung innovativer Wirtschaftsbereiche begünstigt werden kann. Ist er hingegen auf Informationsdefizite oder eine mangelnde regionale oder berufliche Mobilität der Arbeitskräfte zurückzuführen, ist aus ökonomischer Sicht eine selektive Zuwanderung keine sinnvolle Option, da damit eine Verfestigung struktureller und friktioneller Arbeitslosigkeit einhergehen kann.
In einer alternden Bevölkerung ergeben sich zusätzliche Argumente, die einen Zuwanderungsbedarf begründen können. Dabei wird insbesondere die Frage diskutiert, ob eine vermehrte Zuwanderung zur langfristigen Tragfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme beitragen kann. Hier stehen das umlagefinanzierte soziale Alterssicherungssystem sowie die erwarteten Kostensteigerungen für Gesundheits- und Pflegedienstleistungen im Zentrum der Diskussion. Inwieweit Zuwanderung die mit dem demographischen Wandel verbundenen fiskalischen Belastungen der inländischen Bevölkerung abmildern oder zumindest abschwächen kann, ist dabei in erster Linie eine empirische Frage. Die Quantifizierung des fiskalischen Beitrags von Zuwanderung ist jedoch mit erheblichen konzeptionellen und methodischen Problemen verbunden. Daher müssen die durchaus sehr unterschiedlichen Ergebnisse derartiger Berechnungen (z. B. Bonin 2014; Sinn 2015) mit der gebotenen Vorsicht interpretiert werden.
Eine gemeinsame Erkenntnis dieser Studien ist jedoch, dass insbesondere eine humankapital- und arbeitsmarktorientierte Zuwanderungspolitik einen erheblichen Beitrag zur fiskalischen Entlastung der Bevölkerung leisten kann, sofern eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft gelingt und somit die Kosten der Integration der Zuwanderer gering gehalten werden können. So kommt Bonin (2014) zu dem Ergebnis, dass eine jährliche Zuwanderung von 200.000 Personen die einheimische Bevölkerung um etwas mehr als 400 Euro pro Kopf und Jahr entlasten würde, wenn 30 Prozent der Zuwanderer hoch qualifiziert wären, 50 Prozent eine mittlere Qualifikation und nur 20 Prozent eine niedrige Qualifikation vorweisen könnten.
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des demographischen Wandels gehen jedoch weit über die Finanzierungsprobleme der umlagefinanzierten sozialen Sicherungssysteme hinaus (Börsch-Supan 2003; Fertig und Schmidt 2003; Bauer und Schmidt 2008). So führt der demographische Wandel zu einer Verschiebung relativer Knappheiten, insbesondere zu einer Veränderung des Verhältnisses zwischen »erfahrenen« und »jungen« Arbeitskräften mit potenziell erheblichen Auswirkungen auf die individuelle und gesamtwirtschaftliche Produktivität sowie die Lohn-, Einkommens- und Beschäftigungsstruktur. Darüber hinaus kommt es zu altersstrukturbedingten Veränderungen des Konsum- und Sparverhaltens. Diese haben wiederum verhaltensbedingte Anpassungsreaktionen zur Folge, die die Folgen des demographischen Wandels verstärken, aber auch dämpfen können.
So können die auf den demographischen Wandel zurückzuführenden Lohn- und Beschäftigungseffekte die Entscheidungen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Arbeitsangebots sowie ihrer Bildungs- und Wanderungsentscheidungen beeinflussen. Beispielsweise haben junge Arbeitskräfte einerseits aufgrund steigender Humankapitalerträge einen höheren Anreiz, in Bildung zu investieren; andererseits sinken ihre Ausbildungsanreize aufgrund eines mit dem demographischen Wandel verbundenen verringerten Wettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt. Ob mit dem demographischen Wandel das durchschnittliche Qualifikationsniveau zu- oder abnehmen wird, ist daher offen (Zimmermann et al. 2002: 37).
Zudem wird der demographische Wandel Unternehmensgründungen voraussichtlich entscheidend beeinflussen. Dabei wird nicht nur die Zahl der möglichen Unternehmensgründer zurückgehen, sondern es verändern sich auch die Alternativen talentierter und leistungsbereiter Personen zur Selbstständigkeit. Schließlich können bestehende Institutionen die Folgen des demographischen Wandels verstärken. So ist mit der Alterung der Bevölkerung tendenziell ein Anstieg der Steuerlast verbunden, die wiederum insbesondere von der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter getragen werden muss. Von der sich daraus ergebenden höheren Steuerbelastung können dann negative Effekte auf das Arbeitsangebot in der Form ausgehen, dass vermehrt Personen ins Ausland abwandern oder – insbesondere verheiratete Frauen – von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitbeschäftigung wechseln oder ganz aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden (Keane 2011).
Eine in der Diskussion weitgehend vernachlässigte Dimension des demographischen Wandels ist seine regionale Heterogenität. Abbildung 1.1-2 zeigt für die Bundesrepublik die Entwicklung des Anteils der über 65-Jährigen zwischen 2015 und 2035 auf Kreisebene (Kaeding, Breidenbach und Schaffner 2017). Die Abbildung verdeutlicht zum einen die fortschreitende Alterung in allen Regionen Deutschlands. Sie zeigt aber insbesondere die Gefahr einer regionalen demographischen Polarisierung mit einer dynamisch fortschreitenden Alterung der Bevölkerung beispielsweise in Teilen Ostdeutschlands, des Saarlands, des südlichen Rheinland-Pfalz sowie des Ruhrgebiets und einer vergleichsweise jungen Bevölkerung in den Metropolregionen, wie etwa Berlin, München, Stuttgart oder Hamburg.
Abbildung 1.1-2: Regionales Wachstum des Anteils der über 65-Jährigen, 2015–2035
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Quelle: Kaeding, Breidenbach und Schaffner 2017; eigene Darstellung.
Entsprechend werden die oben diskutierten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des demographischen Wandels regional sehr unterschiedlich ausfallen. Diese regionale Heterogenität könnte durch die Zuwanderung von Fachkräften noch verstärkt werden, wenn sich diese vor allem in »jungen« Regionen ansiedeln sollten. Zur Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik könnte man für Zuwanderer aus Drittstaaten jedoch Anreize vorsehen, sich überwiegend in den stark alternden Regionen anzusiedeln, um damit die regionale Heterogenität der Alterung zumindest teilweise zu stoppen.
Ohne Veränderungen der Institutionen und des wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Rahmens haben diese mit dem demographischen Wandel verbundenen Anpassungen auf den Arbeitsmärkten und den Mä...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Teil 1 Die Grundlagen der Fachkräftesicherung im Kontext der offenen Gesellschaft
  7. Teil 2 Wie steht es um die gegenwärtige Fachkräftezuwanderung nach Deutschland?
  8. Teil 3 Reform der bisherigen Migrationssteuerung – welchen Beitrag kann ein Einwanderungsgesetz leisten?
  9. Schlussfolgerungen: Reformimpulse für ein Einwanderungsgesetz aus einem Guss
  10. Die Autorinnen und Autoren
  11. Abstract