Erfolgreiche Strategien für eine nachhaltige Zukunft
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Erfolgreiche Strategien für eine nachhaltige Zukunft

Reinhard Mohn Preis 2013

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  1. 220 pages
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Erfolgreiche Strategien für eine nachhaltige Zukunft

Reinhard Mohn Preis 2013

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About this book

Seit dem ersten Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 sind zahlreiche Staaten auf der Suche nach einem neuen Verständnis von wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Fortschritt. Die Umweltkrisen der letzten Jahre sowie die globale Wirtschafts- und Finanzkrise erfordern ein noch stärkeres Umdenken - hin zu einer nachhaltigen, generationengerechten Politik. Doch wie lässt sich dieses Ziel erreichen?Um die Diskussion und das Lernen voneinander voranzutreiben, wurde eine weltweite Recherche durchgeführt. Das Ziel dabei war, Best Practices zu identifizieren, die die deutsche und globale Debatte zur Gestaltung erfolgreicher Nachhaltigkeitspolitik anregen können.Die Publikation stellt wegweisende Ansätze aus verschiedenen Kontinenten vor. Die Beispiele Bhutan, Costa Rica, Finnland, Ghana und Tasmanien belegen: Nachhaltigkeit ist machbar. Auf dieser Grundlage ergeben sich auch für Deutschland neue Perspektiven.

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Fallstudien

Bhutan: Ein Leitbild der Nachhaltigkeitspolitik

Ingeborg Niestroy, Armando García Schmidt, Andreas Esche
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Einleitung

Strategische Nachhaltigkeitspolitik braucht ein übergeordnetes Leitbild

Eigenständig und langfristig ausgerichtet, intelligent, effektiv und strikt an Gemeinwohl und Generationengerechtigkeit orientiert: Das sind die Kennzeichen von Bhutans Modell für nachhaltige Politik. Bhutan verwirklicht sein Konzept des »Bruttosozialglücks« (BSG, engl.: »Gross National Happiness«). Dazu gehören eine nachhaltige und gerechte sozioökonomische Entwicklung, der Erhalt der natürlichen Umwelt, die Bewahrung und Förderung der Kultur und das Streben nach guter Regierungsführung (»good governance«). Bei allen Entscheidungsprozessen in Bhutan dient dieses Konzept als Richtschnur.
Nirgendwo sonst auf der Welt prägt eine Nachhaltigkeitsstrategie so sehr den politischen Alltag wie in Bhutan. Viele Staaten, besonders die hoch entwickelten Industrienationen, haben umfassende Nachhaltigkeitsstrategien erarbeitet. Doch der Einfluss dieser Strategien auf den Gesetzgebungsprozess und die konkreten politischen Ziele bleibt äußerst begrenzt. Bhutans Konsequenz hingegen ist einzigartig. Die Nachhaltigkeitsstrategie prägt die politischen Zielvorstellungen des Landes. Sie wird nicht missbraucht, um im Nachhinein einmal gefasste politische Entscheidungen zu rechtfertigen. Vielmehr werden politische Entwürfe systematisch daraufhin überprüft, wie sie sich auf die Nachhaltigkeit des Lebens und Wirtschaftens im Land und auf das Wohlergehen der Menschen auswirken. Die Politik sorgt in Bhutan auf diese Weise dafür, dass das Wohlergehen der Bürger – heute und morgen – Vorrang vor Interessen einzelner Gruppen und anderen kurzfristigeren Belangen hat.
Seit den 1960er-Jahren hat sich Bhutan Schritt für Schritt geöffnet und modernisiert. Ein besonders wichtiger Schritt ist der Übergang zur Demokratie, der gezielt geplant und systematisch umgesetzt wurde. Diese beeindruckende Zielgerichtetheit ist ein Markenzeichen Bhutans und zeigt sich bei vielen Entwicklungen im Land. Das Besondere des Wandels in Bhutan ist, dass sich alle maßgeblichen Akteure schon früh auf die grundlegenden Prinzipien eines eigenen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Entwicklungsmodells geeinigt haben. Flankiert durch einen effizienten politischen Ordnungsrahmen, ist eine erfolgreiche und im umfassenden Wortsinn nachhaltige Wirtschafts- und Sozialordnung entstanden. Bhutans Umsetzung der Idee vom Bruttosozialglück hat zu beachtlichen Erfolgen geführt. Hierzu zählen u. a. anhaltend hohe Wachstumsraten, Verbesserungen bei allen Werten des Human Development Index (HDI), ein bedeutender Rückgang der Armut sowie ein konsequenter Schutz und eine nachhaltige Nutzung der verschiedenen natürlichen Lebensräume und Ressourcen des Landes.
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Bhutan zeigt, dass die Prinzipien nachhaltiger Entwicklung zu einem Bezugsrahmen für langfristig ausgerichtete, wirksame Politik werden können. Nicht nur Entwicklungs- und Schwellenländer, sondern auch Industrienationen können von diesem Beispiel lernen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Länder auf der ganzen Welt an Bhutan orientieren. Auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen erkennt Bhutans Bemühungen um Nachhaltigkeit ausdrücklich an. Die Generalversammlung lud das Land 2011 ein, die Vereinten Nationen über seinen Nachhaltigkeitsansatz zu informieren und zum internationalen Dialog über die Neuauflage der Millennium-Entwicklungsziele nach 2015 aktiv beizutragen. Bhutan tat dies, indem es 2012 ein hochrangiges Treffen bei den Vereinten Nationen in New York zum Thema »Happyness and Well-Being: Defining a New Economic Paradigm« (»Lebenszufriedenheit und Wohlgehen: Definition eines neuen Wirtschaftsparadigmas«) abhielt. Dies war zugleich der Startschuss für die Arbeit einer internationalen Expertengruppe, die das Ziel verfolgt, ein neues globales Wirtschaftsparadigma zu definieren. Die Arbeitsgruppe soll Wissen bündeln und zukunftsträchtige Ideen zur nachhaltigen Gestaltung des Weltwirtschaftssystems erarbeiten. Die Arbeitsgruppe stellt ihre Ergebnisse der Generalversammlung der Vereinten Nationen voraussichtlich im September 2013 vor.

Ein Königreich im Himalaja auf dem Weg in die Moderne

Bhutan ist ein Binnenland im östlichen Himalaja. Es liegt zwischen China im Norden und Indien im Süden, Osten und Westen. Mit ca. 38.000 Quadratkilometern ist das Land etwa so groß wie die Schweiz. Das Staatsgebiet gliedert sich in drei naturräumliche Regionen: den südlichen Landgürtel, der aus den Hügelketten des Vorhimalaja und einer sich daran anschließenden schmalen Tiefebene entlang der Grenze zu Indien besteht, den mittleren Himalaja mit seinen Flusstälern und steilen Bergen und den Hochhimalaja, geprägt von alpinen Hochebenen und schneebedeckten Berggipfeln.
Seit den 1960er-Jahren durchlebt Bhutan einen grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel. In den frühen 1960er-Jahren beendete Bhutans dritter König aus der Wangchuck-Dynastie, Jigme Dorji Wangchuck, die selbst gewählte Isolation des Landes und leitete einen Modernisierungsprozess ein, zu dem u. a. die Aufnahme engerer Beziehungen zu Indien und umfangreiche Investitionen in das Gesundheits- und Bildungssystem des Landes gehörten.
1972 folgte ihm sein Sohn Jigme Singye Wangchuck auf dem Thron nach. Bhutans vierter König wurde zur treibenden Kraft eines sorgfältig geplanten und umgesetzten Prozesses wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, dessen grundlegendes Prinzip Nachhaltigkeit war. Unter Jigme Singye Wangchucks Regentschaft wandelte sich das Land von einer absoluten zu einer konstitutionellen Monarchie. Dieser friedliche Übergang wurde durch umfassende Verwaltungsreformen sowie Dezentralisierungs- und Demokratisierungsbestrebungen beschleunigt, wobei die Bevölkerung zunächst auf lokaler Ebene mehr Einfluss- und Mitspracherechte erhielt.
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»Die Krise der neoklassischen Ökonomie ist eine großartige Chance für Nachhaltigkeit: Grundlegende Annahmen über die Motivation von Menschen, die Qualität ihrer Beziehungen und den Stellenwert von Natur erfahren ein Update und als Folge werden ganz andere Fortschrittskonzepte rational. Einstein wäre glücklich: Wir verabschieden uns davon, die Probleme mit den gleichen Denkstrukturen lösen zu wollen, mit denen wir sie geschaffen haben.«
Maja Göpel
Leiterin des Berliner Büros des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie
Im Juni 1998 gab der König seine absolute Macht ab, Minister wurden ernannt und bildeten ein Kabinett. 2001 verkündete Jigme Singye Wangchuck, dass eine Verfassung entworfen werden solle. Der Verfassungsentwurf wurde im März 2005 veröffentlicht. Der König und die Regierung stellten den Entwurf in einer Reihe von Veranstaltungen der Öffentlichkeit vor und trafen sich mit Bürgern, um darüber zu diskutieren. Jigme Singye Wangchuck dankte bewusst im Jahr 2006 zugunsten des Kronprinzen und künftigen fünften Königs Jigme Khesar Namgyel Wangchuck ab, um den Übergang zu einem demokratischen Regierungssystem zu markieren. Viele ausländische Beobachter, so zum Beispiel auch Freedom House, deuteten dies als Zeichen dafür, dass der Übergang zur Demokratie nicht mehr rückgängig zu machen sei und noch tiefer gehende Veränderungen zu erwarten seien (Freedom House 2013).
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Tatsächlich wachte der fünfte König über die ersten freien und allgemeinen Wahlen (März 2008) und unterzeichnete Bhutans erste geschriebene Verfassung (Juli 2008). Bei den Wahlen im März 2008 traten zwei Parteien an: die Bhutanische Partei für Frieden und Wohlstand (Druk Phuensum Tshogpa, DPT) und die Demokratische Volkspartei (People’s Democracy Party, PDP).
Mit seiner Kultur des kontinuierlichen politischen Wandels ist Bhutan auf einem guten Weg. Der Demokratisierungsprozess findet offenbar breite gesellschaftliche Zustimmung. Wichtige Akteure, darunter die beiden einflussreichen politischen Parteien des Landes, bekennen sich zu rechtsstaatlichen Regeln und zu den demokratischen Institutionen. Aus dem Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (2014) geht hervor, dass die Demokratie in Bhutan seit 2008 beständig Fortschritte macht und die Gestaltung von Transformationsprozessen durch die Regierung immer besser gelingt. Von 2008 bis 2014 hat Bhutan seine Position im Management Index, einem Teilindex des Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung, von Rang 56 auf Rang 25, also um 31 Positionen verbessert. Mit den zweiten allgemeinen Wahlen im Sommer 2013 hat Bhutan einen weiteren Schritt in Richtung einer konsolidierten Demokratie getan. Auch diese Wahlen fanden friedlich statt, es siegte die bisherige Oppositionspartei PDP. Bei der derzeit stattfindenden Machtübergabe deuten sich keine Konflikte an, die das junge institutionelle Gefüge in ein Ungleichgewicht bringen könnten.
Der Buddhismus ist die wichtigste Religion im Land. Die große Mönchsgemeinschaft spielte traditionell im spirituellen Leben und bis zum Inkrafttreten der Verfassung auch in der politischen Ordnung des Landes eine zentrale Rolle. Durch die Unterzeichnung der Verfassung im Jahr 2008 sind Religion und Staat nun jedoch klar getrennt, seit Bhutan im 17. Jahrhundert von dem tibetischen Abt Ngawang Namgyel als Staat gegründet wurde. Der Klerus ist in den politischen Institutionen des Landes nicht mehr vertreten.
In Bhutan leben drei große ethnische Gruppen, die unterschiedliche Sprachen sprechen: Die Ngalong sind vor allem im Westen und im Zentrum des Landes zu Hause, die Sharchop stellen die Mehrheit im Osten und die Nepali sprechende Bevölkerungsgruppe, Lhotshampa genannt, bewohnt traditionell die fruchtbaren Ebenen, die im Süden des Landes an Indien grenzen. Neben Dzonghka (das dem Tibetischen ähnelt und von den meisten Ngalong gesprochen wird), Nepali und Englisch (das immer mehr an Bedeutung gewinnt und Verkehrssprache in Schulen und Regierungseinrichtungen ist) sind noch fast zwei Dutzend weitere Sprachen bekannt, die in verschiedenen Gegenden Bhutans gesprochen werden. Mit Ausnahme der Lhotshampa sind alle Gruppen Buddhisten und teilen ähnliche kulturelle Werte und Traditionen. Zusammen bilden sie die Mehrheit der Bevölkerung.
Von den Lhotshampa, die mehrheitlich Hindus sind, wird meist angenommen, sie hätten sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert im Süden Bhutans angesiedelt. In den 1930er- und 1950er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wanderten noch einmal viele Menschen aus dem Osten Nepals in Bhutan ein. Um dem kontinuierlichen Zustrom von – aus der Sicht der Regierung illegalen – Einwanderern vor allem in den Süden des Landes zu begegnen, setzte die Regierung in den 1980er-Jahren neue Gesetze in Kraft. So galt nach dem 1985 verabschiedeten Staatsangehörigkeitsgesetz (Citizenship Act) nur noch als Staatsbürger, wer bereits für die Zeit vor 1958 einen Wohnsitz im Land nachweisen konnte. Durch diese strengen Bedingungen für die Staatsangehörigkeit und eine Volkszählung im Jahr 1988 kam es zu Konflikten zwischen der Regierung und Angehörigen der Nepali sprechenden Volksgruppe. 90.000 Menschen, deren Muttersprache Nepali war, verließen schließlich das Land. Seit 2008 haben die Vereinigten Staaten, Kanada und andere Länder einen Großteil der Flüchtlinge aufgenommen. Heutzutage gibt es zwischen der Regierung und den im Land verbliebenen Lhotshampa keine Auseinandersetzungen. Das Miteinander verschiedener ethnischer Gruppen gehört zum öffentlichen Leben und unter den Regierungsbeamten und Ministern gibt es etliche Lhotshampas.

Ein Modell für Fortschritt quer durch alle Politikfelder

Bhutan schneidet hinsichtlich wichtiger wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Indikatoren deutlich besser ab als andere Staaten in Südasien und vergleichbare Staaten weltweit. Es liegt daher nahe, Bhutans Fortschritte auf die Fähigkeit der Regierung und der politischen und gesellschaftlichen Akteure zurückzuführen, Herausforderungen wahrzunehmen, zu analysieren und den politischen und rechtlichen Ordnungsrahmen entsprechend zu verändern. Eine ganze Reihe vorausschauender Weichenstellungen seit den 1970er-Jahren haben Bhutan zu einem Vorreiter gemacht, wenn es darum geht, wirksame Nachhaltigkeitsstrategien zu formulieren und umzusetzen. Diese Strategien haben dem Land wirtschaftliche, soziale und ökologische Erfolge gebracht.
Im vergangenen Jahrzehnt wuchs das reale BIP in Bhutan schneller als in den meisten asiatischen Schwellenländern. Für 2012 erwartet der Internationale Währungsfonds (IMF) eine Wachstumsrate von fast zehn Prozent und für 2013 sogar 13,5 Prozent. Damit überflügelt Bhutan die Konjunkturlokomotive China.
Bhutans starkes Wirtschaftswachstum geht mit einer außerordentlich niedrigen Arbeitslosenquote einher. Seit 2005 liegt sie unter vier Prozent. In entwickelten Volkswirtschaften wie der Deutschlands wäre eine derart niedrige Rate gleichbedeutend mit Vollbeschäftigung.
Von 1981 bis 20...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Strategie und Aktion für nachhaltige Entwicklung: eine globale Studie zu Best Practices
  7. Globale Trends nachhaltiger Entwicklung: Ergebnisse aus der weltweiten Vorstudie zum Reinhard Mohn Preis 2013
  8. Strategische Nachhaltigkeitspolitik: Herausforderungen und Chancen für Deutschland
  9. Fallstudien
  10. Faktoren einer strategischen und erfolgreichen Nachhaltigkeitspolitik: Was kann Deutschland aus der Länderstudie des RMP 2013 lernen?
  11. Das Kriterienraster
  12. Arbeitskommission
  13. Autoren und Team des Reinhard Mohn Preises