Alter neu denken
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Alter neu denken

Gesellschaftliches Altern als Chance begreifen

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Alter neu denken

Gesellschaftliches Altern als Chance begreifen

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About this book

In diesem Buch geht es um die zentralen Grundlagen einer Politik fĂŒr Ă€ltere Menschen. Die ZusammenhĂ€nge der demographischen Entwicklung und des gesellschaftlichen Alterns werden ebenso thematisiert wie jene zwischen Alter und sozialem Wandel. Im Mittelpunkt stehen die sozialen, psychischen, gesundheitlichen und materiellen Ressourcen des Alters sowie eine altersfreundliche Umwelt in ihrem möglichen Einfluss auf die Entwicklung und Erhaltung der Ressourcen. Die Leitbilder, die den Handlungsempfehlungen zugrunde liegen, zielen auf die VerĂ€nderung der individuellen LebensfĂŒhrung sowie auf verĂ€nderte gesellschaftliche Strukturen und plĂ€dieren fĂŒr eine differenzierte Wahrnehmung des Alters. Der Band bietet zudem einen Überblick ĂŒber die nationale und internationale Altenpolitik und formuliert ethische Perspektiven eines gelingenden Alters.

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1
Aufgabe und SelbstverstÀndnis der Expertenkommission
Andreas Kruse, Rita SĂŒssmuth




Eine Kommission zu »Zielen in der Altenpolitik« muss heutzutage zur Kenntnis nehmen, dass mittlerweile auf internationaler und nationaler, auf Landes- und auf kommunaler Ebene Gutachten angefertigt wurden, die Möglichkeiten einer altersfreundlichen Politik aufzeigen und diskutieren. So ist im Jahr 2002 der »International Plan of Action on Ageing« in seiner zweiten Fassung erschienen, nachdem bereits 1982 eine erste Fassung publiziert worden war. In beiden finden sich zahlreiche Empfehlungen, die auf eine StĂ€rkung der Potenziale des Alters sowohl fĂŒr das Individuum als auch fĂŒr die Gesellschaft zielen und die dabei die HeterogenitĂ€t des Alters berĂŒcksichtigen - ĂŒber verschiedene Gesellschaften und Kulturen hinweg wie auch innerhalb der einzelnen Gesellschaften und Kulturen. Ein weiteres Beispiel sind die zahlreichen AltenplĂ€ne auf Landesebene und kommunaler Ebene, die eine fundierte Antwort auf den demographischen Wandel in unserer Gesellschaft geben.
Die Kommission hat sich intensiv mit vorliegenden Dokumenten zur Politikberatung beschÀftigt; viele Kommissionsmitglieder waren an der Erstellung internationaler, nationaler, landesbezogener und kommunaler Empfehlungen beteiligt.
Trotzdem bestand von Anfang an in der Kommission Einigkeit darĂŒber, dass es sinnvoll sei, die zahlreichen Berichte zu ergĂ€nzen und einzelne Aussagen, die dort getroffen werden, systematisch weiterzufĂŒhren und zu konkretisieren. DarĂŒber hinaus zielte die Kommission von Beginn ihrer Arbeit an auf die Erstellung einer Monographie zu zentralen Grundlagen einer Politik fĂŒr Ă€ltere Menschen. Diese wird hiermit vorgelegt. Die Monographie legt dabei die empirische Basis offen, von der aus politische Empfehlungen abgeleitet werden.
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Nationale Dokumente zur Altenpolitik

FĂŒr die Bundesrepublik Deutschland wurden auf nationaler Ebene bereits mehrere Berichte zur Altenpolitik veröffentlicht, deren Ergebnisse in die Kommissionsarbeit eingegangen sind, wie die fĂŒnf Altenberichte der Bundesregierung, der Bericht der EnquĂȘte-Kommission »Demographischer Wandel« des Deutschen Bundestages sowie der Vierte Familienbericht der Bundesregierung. Die fĂŒnf Altenberichte lassen sich ĂŒbereinstimmend von der Zielsetzung leiten, die HeterogenitĂ€t der Alternsformen und die daraus resultierenden, differenzierten Anforderungen an eine Politik fĂŒr die Ă€ltere Generation darzustellen. Sie akzentuieren die Gleichzeitigkeit von Gewinnen und Verlusten im Alternsprozess, der zwei grundlegende Richtungen politischen Handelns entsprechen: Zum einen die Schaffung von OpportunitĂ€tsstrukturen, durch die es gelingt, die Kompetenzen - im Zweiten Altenbericht wird ausdrĂŒcklich zwischen Daseinsund Fachkompetenzen unterschieden - Ă€lterer Menschen gesellschaftlich zu nutzen; hier steht also der potenzielle Beitrag der Älteren zum Humanvermögen unserer Gesellschaft im Vordergrund. Zum anderen geht es um die Schaffung differenzierter Strukturen zur Aktivierung und UnterstĂŒtzung, durch die ein Beitrag zur Erhaltung von SelbststĂ€ndigkeit und Kompetenz geleistet wird.
Die Altenberichte rĂŒcken weiterhin die Lebenslaufperspektive in das Zentrum ihrer Argumentation und betonen, dass das Individuum durch seine AktivitĂ€ten in frĂŒheren Abschnitten des Lebenslaufs, die Gesellschaft durch institutionelle Angebote der Bildung, der Gesundheitsförderung und PrĂ€vention, die Unternehmen und Betriebe durch kreativitĂ€ts- und innovationsfördernde Personalentwicklung dazu beitragen, dass sich FĂ€higkeiten und Fertigkeiten ausbilden und erhalten, denen fĂŒr das selbst- und mitverantwortliche Leben im Alter große Bedeutung beizumessen ist. Die Altenberichte wenden sich mit ihren Analysen und Empfehlungen nicht allein an politische EntscheidungstrĂ€ger, sondern an alle wichtigen ReprĂ€sentanten der Gesellschaft, zu denen Unternehmen und Betriebe ebenso zu rechnen sind wie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen.
Im Ersten Altenbericht (erschienen 1992) stand die differenzierte Beschreibung der Lebenssituation Ă€lterer Menschen - differenziert nach alten und neuen BundeslĂ€ndern - im Vordergrund. Es wurde die große Bedeutung einer Politik betont, die die soziale Ungleichheit innerhalb der Ă€lteren Generation verringern hilft, die Therapieund Rehabilitationsangebote fĂŒr Ă€ltere Menschen systematisch ausbaut, die vermehrt Gewicht auf die Schaffung einer Pflegeinfrastruktur legt - die Forderung nach einem tragfĂ€higen sozialen Pflegeversicherungssystem gehörte zu den zentralen Anliegen der Kommission. DarĂŒber hinaus warnte die Kommission - zu Recht, wie sich heute im RĂŒckblick zeigt - vor den möglichen langfristigen Konsequenzen einer Vorruhestandsregelung, zu denen sie vor allem eine Verschlechterung des in Unternehmen und Betrieben bestehenden Altersbildes sowie bleibend niedrige BeschĂ€ftigungschancen der Ă€lteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zĂ€hlte.
Der Zweite Altenbericht ging der Frage nach, welche Anforderungen an eine altersfreundliche Gestaltung von Wohnumwelten zu richten sind; dabei wurde hervorgehoben, dass Ă€ltere Menschen erhöhte SensibilitĂ€t fĂŒr mögliche Barrieren in der gebauten Wohnumwelt besitzen, von der jĂŒngere Menschen ebenfalls profitieren. Auch aus diesem Grund wurde betont, dass der Begriff der altersfreundlichen Umwelt im Kern eine Perspektiveneinengung bedeute und von einer menschenfreundlichen Umwelt gesprochen werden solle. Die Empfehlungen konzentrierten sich vor allem auf die Schaffung barrierefreier Wohnumwelten, auf den Ausbau von Dienstleistungsangeboten und BegegnungsstĂ€tten im Wohnquartier wie auch auf die Schaffung einer mobilitĂ€tsfördernden Verkehrsinfrastruktur. Staatlich gefördertes Wohneigentum zu schaffen, wurde als eine zentrale Strategie zur Erhaltung von SelbststĂ€ndigkeit und Selbstverantwortung betont.
Der Dritte Altenbericht stellte die Ressourcen Ă€lterer Menschen fĂŒr die Gesellschaft in den Vordergrund und wies zunĂ€chst auf die Notwendigkeit hin, zu verĂ€nderten Altersbildern zu gelangen, in denen sich eine differenzierte Sicht des Alters widerspiegelt. In diesem Bericht wurde von einem mehrdimensionalen Analyseansatz ausgegangen, der den Alternsprozess in den verschiedenen Dimensionen der Person thematisierte. Besonderes Gewicht wurde auch in diesem Bericht auf ein medizinisches und pflegerisches Versorgungsmodell gelegt, in dessen Zentrum die PrĂ€vention und die Rehabilitation stehen. Zudem wurde die Forderung erhoben, medizinische und pflegerische Maßnahmen stĂ€rker aufeinander abzustimmen und rehabilitative Elemente in die Pflege zu integrieren. Dabei wurde auch in diesem Bericht die Bedeutung einer anregenden, die SelbststĂ€ndigkeit und Selbstverantwortung fördernden Umwelt fĂŒr die Kompetenz und LebensqualitĂ€t Ă€lterer Menschen hervorgehoben.
Durch die differenzierte Darstellung der Leistungen, die Ă€ltere Menschen in der Familie wie auch in der Kommune erbringen, wurde dem Stereotyp widersprochen, diese seien primĂ€r Hilfeempfangende und nur sekundĂ€r Hilfegebende. Gleichwohl wurde betont, dass gerade im Hinblick auf eine kontinuierlich steigende durchschnittliche Lebenserwartung vermehrt die Frage nach den Ressourcen der Gesellschaft fĂŒr das Alter gestellt werden mĂŒsse - wobei die differenzierte Analyse der Einkommens- und VermögensverhĂ€ltnisse in den verschiedenen Generationen zeigte, dass Ă€ltere Menschen keinesfalls mehr allein und auch nicht mehr vorrangig unter dem Aspekt prekĂ€rer LebensverhĂ€ltnisse betrachtet werden dĂŒrfen, sondern dass vielmehr auch im Hinblick auf materielle Lebensbedingungen eine differenzierte Sichtweise notwendig ist, die die hohe HeterogenitĂ€t der Ă€lteren Generation in das Zentrum der Argumentation rĂŒckt.
Der Vierte Altenbericht beschĂ€ftigte sich mit der Frage besonderer Anforderungen, die das sehr hohe Alter und hier vor allem die Versorgung demenzkranker Menschen an die Gesellschaft stellt. Neben einer Epidemiologie sowohl der körperlichen als auch der psychischen Erkrankungen im sehr hohen Alter stand hier die Ableitung differenzierter therapeutischer, rehabilitativer und pflegerischer Strategien bei der medizinisch-pflegerischen Versorgung demenzkranker Menschen im Vordergrund. Dabei wurde aufgezeigt, dass die derzeit bestehenden infrastrukturellen Rahmenbedingungen die Umsetzung differenzierter, individuum- und familienorientierter Therapie-, Rehabilitations- und Pflegekonzepte eher erschweren denn fördern. Vor allem auf dem Gebiet der Pflege wurden unzureichende infrastrukturelle Bedingungen identifiziert; als eine zentrale Aufgabe fĂŒr die Novellierung der Pflegeversicherung wurde eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen von Pflege beschrieben.
Der FĂŒnfte Altenbericht verfolgte schließlich das Ziel, die Potenziale des Alters fĂŒr Wirtschaft und Gesellschaft aufzuzeigen. Dabei wurde der Akzent ausdrĂŒcklich auch auf Fragen gelegt, die die Seniorenwirtschaft und dies heißt vor allem die gezielte Ansprache Ă€lterer Menschen als Kunden betreffen. Der Bericht zeigt auf, dass sich in der Bundesrepublik Deutschland - verglichen mit anderen LĂ€ndern, wie Japan oder den USA - eine Seniorenwirtschaft noch nicht wirklich etabliert hat, was zum Teil mit den hierzulande dominierenden negativen Altersbildern erklĂ€rt wird. Weiterhin legt dieser Bericht dar, dass die meisten Unternehmen und Betriebe fĂŒr die Förderung von KreativitĂ€t und InnovationsfĂ€higkeit ihrer Belegschaften zu wenig tun; dies zeigt sich vor allem an den vergleichsweise geringen Beteiligungsquoten im Bereich der betrieblichen und ĂŒberbetrieblichen Fortbildung, woraus langfristig eine Dequalifizierung Ă€lterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwachse.
Den verbesserten Bildungschancen sowohl im Kindes- und Jugendalter als auch im Erwachsenenalter wird eine zentrale Rolle fĂŒr die Förderung und Erhaltung von Potenzialen bis in das hohe Alter zugeordnet. Dabei werden BildungsaktivitĂ€ten als Ausdruck der Selbstverantwortung der Person sowie als Ausdruck der Mitverantwortung unserer Gesellschaft fĂŒr die Entwicklung der Person in den verschiedenen Abschnitten des Lebenslaufs interpretiert.
Der FĂŒnfte Altenbericht spricht ausdrĂŒcklich von Potenzialen des Alters - fĂŒr die eigene Entwicklung ebenso wie fĂŒr die des Humanvermögens -, um deutlich zu machen, dass es sich vielfach um noch nicht umgesetzte Chancen des Alters handelt. Deren Umsetzung, so wird argumentiert, ist an gesellschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen geknĂŒpft, die zur Selbstverantwortung und Mitverantwortung in den verschiedenen Abschnitten des Lebenslaufs anregen und zugleich Möglichkeiten zur KreativitĂ€t und Innovation eröffnen. Der Bericht nennt fĂŒnf Leitbilder der Kommission, die diese als zentral fĂŒr die Verwirklichung der Potenziale des Alters ansieht:
‱ PrĂ€vention in dem Sinne, dass sich Menschen in allen Lebensaltern um Entwicklung und Erhaltung von Kompetenz und Gesundheit bemĂŒhen
‱ Bildung in dem Sinne, dass Menschen in allen Lebensaltern nicht nur das Recht auf Bildung haben, sondern auch eine gewisse Verpflichtung zur Bildung wahrnehmen
‱ Mitverantwortung in dem Sinne, dass Ă€ltere Menschen ihre Verantwortung fĂŒr Generationengerechtigkeit und GenerationensolidaritĂ€t wahrnehmen und umsetzen
‱ Innovation in dem Sinne, dass Ă€ltere Menschen durch ihre Ideen, ihre VorschlĂ€ge, ihre Handlungen zur Innovation in unserer Gesellschaft beitragen können
‱ Wirtschaftskraft in dem Sinne, dass Ă€ltere Menschen durch ihre finanziellen Ressourcen unserer Wirtschaft bedeutende Impulse geben können
Neben den Altenberichten der Bundesregierung ist zunĂ€chst der Bericht der Enquete-Kommission »Demografischer Wandel« des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2002 zu nennen, der sich mit den Herausforderungen einer Ă€lter werdenden Gesellschaft an die Einzelnen und die Politik beschĂ€ftigt. In zehnjĂ€hriger Arbeit hat die Kommission eine umfangreiche Analyse der demographischen Entwicklung, der GenerationenverhĂ€ltnisse (auf gesellschaftlicher wie auf inner- und außerfamilialer Ebene), der Situation in Arbeit und Wirtschaft sowie in gesundheitlicher, pflegerischer und sozialer Versorgung vorgelegt. DarĂŒber hinaus findet sich in dem Bericht eine differenzierte Auseinandersetzung mit Anforderungen, die die Migration an unsere Gesellschaft stellt.
Die Handlungsempfehlungen weisen zum einen auf die Notwendigkeit hin, sich gesellschaftlich sehr viel stĂ€rker fĂŒr die Erhaltung von Kompetenz, LeistungskapazitĂ€t und Gesundheit Ă€lterer Menschen zu engagieren und dabei von der Erkenntnis der hohen Beeinflussbarkeit des Alternsprozesses auszugehen; zum anderen wird hervorgehoben, dass die Verantwortung der Gesellschaft fĂŒr die Versorgung Ă€lterer Menschen mit gesundheitlichen EinschrĂ€nkungen deutlich wachsen wird und sich die Gesellschaft daher in besonderer Weise der ethischen Grundlagen dieser Verantwortung bewusst sein sollte. Die Annahme, dass in Zukunft die familiĂ€ren Leistungen in gleichem Umfang zur VerfĂŒgung stehen wie heute, wird widerlegt. An deren Stelle werden vermehrt professionelle Dienste treten, deren Finanzierung nicht nur auf die Verantwortung der Gesellschaft, sondern auch auf die Verantwortung der Einzelnen verweist.
Als ein weiterer Bericht auf nationaler Ebene, in dem das Alter im Mittelpunkt steht, ist der 1986 veröffentlichte Vierte Familienbericht der Bundesregierung zu nennen, der der Thematik »Die Stellung Ă€lterer Menschen in der Familie« gewidmet ist. Dieser Bericht zeigt auf, dass Ă€ltere Menschen vielfach verantwortliche, unterstĂŒtzende Aufgaben in den innerfamiliĂ€ren Generationenbeziehungen wahrnehmen; darĂŒber hinaus wird deutlich gemacht, dass Ältere in vielen FĂ€llen Pflegeleistungen innerhalb der Familie wahrnehmen. Schon damals wurde vor der Annahme gewarnt, dass die mit dem demographischen Wandel verbundenen Anforderungen an die Pflege auch in Zukunft von der Familie erfĂŒllt werden könnten.

Spezifische Zielsetzungen der Kommission

Vor dem Hintergrund dieser nationalen Berichte, in denen Empfehlungen zu altenpolitisch relevanten Fragen gegeben werden, stellte sich die Kommission »Ziele in der Altenpolitik« zwei grundlegende Aufgaben: Zum einen sollten Politikfelder identifiziert werden, die bislang in den auf nationaler Ebene publizierten Empfehlungen zur Altenpolitik noch nicht umfassend gewĂŒrdigt wurden, zum anderen sollten Empfehlungen nicht nur an die Politik, sondern auch an zahlreiche andere Akteure in dem jeweiligen Handlungsfeld unterbreitet werden. Diesen beiden Aufgaben ĂŒbergeordnet war das BemĂŒhen, auf der Grundlage der Sichtung empirischer Befunde und der Erfahrungen in unserer Gesellschaft zu einem neuen kulturellen VerstĂ€ndnis von Altern und Alter zu gelangen.
Welche Politikfelder wurden als bedeutsam fĂŒr die Kommissionsarbeit identifiziert? Im Wesentlichen waren es vier Bereiche, zu denen die Kommission Empfehlungen geben wollte: Gesundheit, Bildung, Partizipation und Engagement, Altersbilder. Die Kommission war sich zwar der Tatsache bewusst, dass auch zu diesen Bereichen bereits Empfehlungen vorlagen, sah jedoch zugleich die Notwendigkeit, im Hinblick auf diese Bereiche besondere Akzente zu setzen, dies auch, um Anregungen fĂŒr den aktuellen politischen Diskurs zu geben.
In Bezug auf Gesundheit weist die Kommission auf die Notwendigkeit einer StĂ€rkung der PrĂ€vention fĂŒr das Alter und im Alter wie auch auf die Bedeutung geschlechtsspezifischer und schichtspezifischer BedĂŒrfnislagen im Kontext von PrĂ€ventionskonzepten hin. Zudem hebt sie hervor, dass sich das VerstĂ€ndnis von Pflege substanziell verĂ€ndern muss - und zwar in der Hinsicht, dass auch die Rehabilitation in der Pflege eine stĂ€rkere Gewichtung erfĂ€hrt.
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In Bezug auf Bildung wird die Verringerung von Bildungsungleichheiten als vorrangige Aufgabe genannt, wobei hier nicht nur Ungleichheit in den spĂ€teren, sondern auch in den frĂŒhen Lebensphasen besondere Aufmerksamkeit erfĂ€hrt. Zudem wird fĂŒr ein Bildungssystem plĂ€diert, in dem allgemein bildende und gesundheitsförderliche Angebote sehr viel besser mit beruflichen Weiterbildungsangeboten abgestimmt werden. Hier macht sich die Kommission fĂŒr eine deutlich intensivere Kooperation von BildungstrĂ€gern, Betrieben und Unternehmen stark.
Hinsichtlich Partizipation und Engagement wird eine besondere Anforderung darin gesehen, den öffentlichen Raum so zu gestalten, dass Ă€ltere Menschen in der Umsetzung ihrer vielfĂ€ltigen Engagementinteressen unterstĂŒtzt und eben nicht behindert werden. Dabei ist auch die ZugĂ€nglichkeit prestigetrĂ€chtiger EhrenĂ€mter zu problematisieren sowie die völlig unzureichende Nutzung von Potenzialen auslĂ€ndischer MitbĂŒrgerinnen und MitbĂŒrger.
Schließlich sieht die Kommission eine bedeutende Aufgabe darin, die in Gesellschaft, Kultur und Politik dominierenden Altersbilder kritisch zu reflektieren - in der Hinsicht, dass die Gleichsetzung von Alter mit EinschrĂ€nkungen und Verlusten aufgegeben wird, aber auch, dass das Potenzial des Alters nicht nur im Bewahren von Tradition oder in Lebenserfahrung gesehen wird, sondern auch in der Entwicklung kreativer und innovativer HandlungsentwĂŒrfe.

Leitbilder der Kommission: FĂŒr eine altersfreundliche Gesellschaft und Kultur

Die Formulierung von Zielen der Altenpolitik ist auch im Sinne einer normativen Setzung bezĂŒglich der durch gezielte politische Einflussnahme zu verwirklichenden oder anzustrebenden SollzustĂ€nde zu verstehen. Die von der Expertenkommission hier entwickelten Handlungsempfehlungen spiegeln nicht lediglich Ergebnisse empirischer Forschung, sondern auch fĂŒr die Einordnung und Bewertung von Forschungsergebnissen maßgebende Leitbilder wider, die im Folgenden ausgefĂŒhrt werden sollen. Diese Leitbilder sind zum Teil dadurch legitimiert, dass das Ausmaß ihrer Verwirklichung nachgewiesenermaßen zur ErfĂŒllung von globalen Kriterien beitrĂ€gt, die Individuen bei der Bewertung ihres eigenen Alternsprozesses zugrunde legen und die sie in der Gestaltung ihres eigenen Alternsprozesses zu maximieren versuchen. Zu nennen sind hier vor allem Zufriedenheit, Wohlbefinden und Sinnerleben.
Bei der Entwicklung von Zielen der Altenpolitik beschrĂ€nkt sich die Kommission allerdings nicht auf die Reflexion individueller Alternsprozesse. Vielmehr wird berĂŒcksichtigt, dass das Altern der Gesellschaft sowohl als Individual- wie auch als KollektivphĂ€nomen betrachtet werden muss. Daher ist ebenfalls zu fragen, inwieweit eine VerĂ€nderung von Kontextbedingungen individueller Alternsprozesse nicht nur in individuellem, sondern auch in gesellschaftlichem...

Table of contents

  1. Titel
  2. Impressum
  3. Vorwort
  4. 1 - Aufgabe und SelbstverstÀndnis der Expertenkommission
  5. 2 - Grundlagen
  6. 3 - Empfehlungen der Expertenkommission
  7. Das Projekt: Expertenkommission »Ziele in der Altenpolitik«
  8. Die Mitglieder der Expertenkommission - Autorinnen und Autoren