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Larp und ich
Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2012
- 104 pages
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Larp und ich
Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2012
About this book
Warum glauben wir, dass fette Elfen schlechte Spieler sind? Welchen Reiz üben extreme Rollenspielerfahrungen auf die Teilnehmer aus? Und was können Plotschreiber von Joseph Campbells Der Held mit den tausend Gesichtern lernen? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen sich die Autoren dieser Aufsatzsammlung. Ihre Beiträge handeln von unserem Verhältnis zu LARP und anderen LARPern, von uns als Helden und Autoren sowie davon, was wir im LARP lernen und erleben können.
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Information
POSITIVE NEGATIV-ERFAHRUNGEN IM EXTREM-ROLLENSPIEL
Häufig wird behauptet, dass Spiele Spaß machen müssen. Das Merriam-Webster Wörterbuch definiert Spiele beispielsweise als Aktivitäten, an denen man zum Zweck der Zerstreuung oder Unterhaltung teilnimmt. Auch manche Wissenschaftler vertreten ähnliche Ansichten: So behauptet Juul1, dass es schwer sei sich ein Spiel vorzustellen, das auf dem Roman Anna Karenina von Tolstoi basiert, da die Spieler sich mit dem Protagonisten identifizieren wollen und einen positiven Ausgang des Spiels wünschen.
Vor kurzem haben jedoch andererseits Wilson und Sicart2 Game Design-Praktiken kritisiert, die monologisches Spiel produzieren, das den Spieler nicht herausfordert, sondern nur danach strebt, sofortige und kontinuierliche Befriedigung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang listen sie einige Spiele auf, die das Spaß-Paradigma in Frage stellen, wie Dark Room Sex Game, Desert Bus und PainStation.
Allerdings wurden die Spieler von Spielen mit solchen Konzepten bisher nur selten erforscht. Ich gehe davon aus, dass eine Nachfrage nach einem breiteren Spektrum von Ausdrucksmöglichkeiten besteht, wie beispielsweise der Erfolg (sowohl kommerziell, als auch in Hinblick auf die Kritiken) von Heavy Rain nachgewiesen hat.
Dieser Artikel untersucht befriedigende, gleichwohl negative Spielerfahrungen am Beispiel von zwei Freeform-Rollenspielen. Mein Ziel ist es, die Behauptung zu widerlegen, dass Spiele von Natur aus eine auf Spaß abzielende Kulturform sind und sein sollten, in dem ich andere mögliche Anreize untersuche.
Diese Art von Spielen und Erfahrungen wurde bisher nur wenig erforscht. Hopeametsä3 untersuchte positive Negativ-Erfahrungen beim LARP Ground Zero, indem sie schriftliche Rückblicke der Spieler auswertete. Dieses LARP spielte in einer alternativen Geschichtsversion der Kuba-Krise, bei der die Charaktere einen totalen Atomkrieg in einem Luftschutzbunker erlebten: Sie hörten schockierende Nachrichtensendungen über die Zerstörung an der Ostküste, bis irgendwann der Strom ausfiel. Schließlich wurde die Stadt über dem Bunker von einer Bombe getroffen, dargestellt durch dröhnende Sound-Effekte. Die Charaktere blieben anschließend für unzählige Stunden in der Dunkelheit, konfrontiert mit der Tatsache, dass es die Welt, die sie einst kannten, nicht mehr gibt.
Die Rückblicke der Spieler zeigen, dass das Spiel eine intensive, klaustrophobische und bedrückende Erfahrung war, aber gleichzeitig ein Erlebnis, das die Spieler bemerkenswert gut fanden und aus dem sie viele positive Dinge gelernt haben. [...] Die Spieler erlebten sehr reale Emotionen als Reaktion auf fiktive Ereignisse, und sie haben aus diesen fiktiven Erfahrungen auch etwas gelernt.4
Diese Arbeit untersucht solche positiven Negativ-Erfahrungen eingehender anhand von kurzen und wiederholbaren Rollenspielen ohne physische oder audiovisuelle Elemente, welche die Immersion unterstützen könnten. Eine Überprüfung der Erkenntnisse ist außerdem sinnvoll, da Hopeametsä nicht-anonymisierte Spielerrückblicke untersucht hat, die die Teilnehmer für die Veranstalter geschrieben haben.
EXTREM-ROLLENSPIEL UND DAS BLEED-IDEAL
Spieler genießen schon seit langer Zeit Hoffnungslosigkeit, Schrecken und Tragik in Rollenspielen. Beliebte Pen&Paper-Rollenspiele mit solchen Themen sind das klassische Call of Cthulhu (1981) und das sehr erfolgreiche Vampire: The Masquerade (1991). Auch Live-Rollenspiel hat sich bereits mit derartigen Themen befasst, wie zum Beispiel mit dem Nuklearen Holocaust in Ground Zero5 oder der Tragik, in einer LARP-Umsetzung von Hamlet.6 Die Spiele, die ich im Folgenden untersuchen werde, müssen aus ihrem kulturellen Kontext heraus verstanden werden: Es sind Spiele, die von Spielern zum reinen Selbstzweck erstellt wurden. Nordic Freeform wird in der Regel auf und im Umfeld von dänischen und schwedischen Rollenspiel-Conventions gespielt. Die Spiele, die in dieser Arbeit diskutiert werden, wurden auf dem Fastaval in Dänemark vorgestellt, einer Convention für Spiele, die sich nicht scheuen Erwachsenenthemen zu behandeln. Auf dem Fastaval 2010 vergab die Jury beispielsweise den Preis für das beste Spiel an Vasen (Bækgaard, 2010), ein von Joseph Fritzl inspiriertes Szenario über eine Gemeinschaft, die auf Zehenspitzen um das Thema Kindesmissbrauch herumschleicht, während das weiter unten beschriebene Spiel The Journey (Axelzon, 2010) von den Teilnehmern der gleichen Veranstaltung mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde.
Viele Teilnehmer solcher Veranstaltungen sind erfahrene Rollenspieler, die zu diesen Conventions kommen, um neue Erfahrungen zu machen: Als ich noch jünger war, habe ich so viele solcher Spiele gespielt, wie ich in meine Finger bekommen konnte. Jetzt ist es so, dass ich so etwas einmal im Jahr spiele, und mich ansonsten zu Hause mit schlechtem Dungeons & Dragons Rollenspiel begnüge. (TJ, Die Mutter-C)
Nordic Freeform-Rollenspiel ist eine Mischung aus LARP, Tischrollenspiel und Improvisationstheater: Kostüme werden nicht verwendet, das Spiel hat einen Spielleiter, und findet in nur einem Raum statt, und die Mitspieler sind die einzigen Zuschauer der Handlung.7 Während Freeform normalerweise den typischen Regeln des Rollenspiels folgt,8 wird die exakte Form des Spielens an die Bedürfnisse des jeweiligen Spiels angepasst. Freeform-Szenarien sind oft so geschrieben, dass sie wiederholt gespielt werden können.
Das extreme Rollenspiel, das in dieser Arbeit untersucht wird, zielt darauf ab, nicht nur den Charakter, sondern auch den Spieler zu beeinflussen. Die beiden untersuchten Spiele wurden vom Vi Aker Jeep-Designer Kollektiv entworfen, wobei das so genannte Bleed-Ideal im Fokus stand. Dieses wird von ihnen wie folgt beschrieben:
Bleed wird von einer Spielerin dann erlebt, wenn ihre Gedanken und Gefühle durch die ihres Charakters beeinflusst werden oder umgekehrt. Mit zunehmendem Bleed wird die Grenze zwischen Spieler und Charakter immer transparenter. [...] Bleed ist ein wichtiges Instrument für Horror-Rollenspiel: Es ist oft schwieriger Spieler durch den Charakter zu erschrecken als anders herum. [...] Ein klassisches Beispiel für Bleed ist, wenn sich die Zuneigung einer Spielerin zu einem anderen Spieler ins Spiel überträgt oder die Wahrnehmung des anderen Charakters durch ihren Charakter beeinflusst wird.9
Im Grunde ist das Spiel mit Bleed ein Spiel mit Grenzerfahrungen,10 in dem der Magic Circle des Spiels11 als soziales Alibi für nicht-alltägliche Dinge dient. Bleed-Design zielt darauf ab gleichzeitig ein Gefühl von Alibi zu vermitteln und die Schutzrahmen des Spiels12 zu schwächen, um starke Emotionen zu erfahren.
Das Konzept von Bleed wurde bisher nicht psychologisch definiert und wird auch nicht immer konsequent genutzt. In dieser Arbeit wird es als Spieldesign-Fachausdruck verstanden, der auf einer Ebene steht mit Begriffen wie Immersion in den Charakter,13 Flow14 und Engrossment15.
Wird das Spiel als etwas betrachtet, dass von einer Wechselwirkungs-Membran16 umgeben ist, dann ist es das Ziel von Bleed-Spiel, ein Gleichgewicht zwischen sicheren und rohen Erfahrungen zu schaffen. Bleed in tritt auf, wenn das „normale Leben“ eines Spielers das Spiel beeinflusst, während Bleed out auftritt, wenn das Spiel den Spieler trotz des geschützten Rahmens beeinflusst. Diese Arbeit konzentriert sich auf Bleed out, insbesondere das Direct Bleed, wenn Spiele im Spieler Reaktionen hervorrufen, die denen ihres Charakters ähneln. Direct Bleed ähnelt also der Immersion in den Charakter.17
Der Begriff Bleed wird manchmal auch verwendet, um starke Gefühle zu beschreiben, die nicht den diegetischen Gefühlen des Charakters entsprechen: z.B. wenn ein Spieler Schuld fühlt aufgrund der Aktionen eines unbarmherzigen Charakters. Dies kann als Indirektes Bleed bezeichnet werden.
Bleed basiert auf einer doppelten Bewusstseinsebene: Die Natur des Spiels wird von den Spielern gleichzeitig anerkannt und verleugnet, ähnlich wie beim This is not a game-Prinzip (TINAG).18 Allerdings verhält sich Bleed invers zu TINAG: bei Bleed geben die Spieler vor zu glauben, dass es nur ein Spiel sei. Sie halten an dem Alibi fest, während sie gleichzeitig einen Teil des Schutzes aufgeben. Bei der Gestaltung dieser Spiele werden zahlreiche Strategien wie Tabubrüche, Augenkontakt, Schuld und Ekel verwendet, um Bleed zu erzeugen und zu intensivieren.
DIE UNTERSUCHTEN SPIELE
Diese Studie konzentriert sich auf zwei Spiele, Gang Rape (Wrigstad, 2008) und The Journey. Gang Rape wurde gewählt, weil es als ein starkes Spiel gilt, das auf extreme Erfahrungen durch einfache Regeln abzielt. Wie Aronson19 in Bezug auf die Planung sozialpsychologischer Experimente betont, erzeugen intensive Experimente klarere Ergebnisse als weniger intensive. The Journey wurde gewählt, um die Analyse zu ergänzen, da es gemeinhin als ein Spiel wahrgenommen wird, bei dem die Hemmschwelle teilzunehmen niedriger ist. Es nutzt ähnliche Strategien in einer viel weniger stigmatisierten Form, die dennoch stark genug sind um starke Reaktionen hervorzurufen. Auch der Autor spielte The Journey, bevor er es in dieser Studie aufnahm.
GANG RAPE
Gang Rape ist ein absichtli...
Table of contents
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Vorwort: Ich, die Anderen und unsere Geschichten
- Jedem sein LARP – Warum jeder im Live-Rollenspiel seinen Platz finden kann und wieso Toleranz dabei eine so wichtige Rolle spielt ...
- Warum wir glauben, dass fette Elfen schlechte Spieler sind – Die Macht des Diskurses im Live-Rollenspiel: Rollen von Gewicht
- How to become a god – A polemic ... or a toolbox
- Das LARP mit den tausend Gesichtern – Die Verwendung mythischer Strukturen im Live-Rollenspiel
- Live-Rollenspiel und Rollenstellen als Selbsterfahrung verschiedener Persönlichkeitsanteile
- Positive Negativ-Erfahrungen im Extrem-Rollenspiel
- Literatur: Lesenswert
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