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LARP: Nur ein Spiel?
Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2013
- 108 pages
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LARP: Nur ein Spiel?
Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2013
About this book
Christlich geprÀgte Erwachsenenbildung, die deutsch-deutsche Teilung, Genderfragen, soziologische und theaterwissenschaftliche Herangehensweisen an das gemeinsame Spiel - man muss sich im LARP nicht mit derartigen Themen beschÀftigen. Aber man kann! Die Aufsatzsammlung LARP: Nur ein Spiel? lÀdt dazu ein, sich mit neuen Perspektiven, Konzepten und Vorstellungen von LARP als Hobby, aber auch als Medium, auseinanderzusetzen.Zusammengestellt und aufbereitet anlÀsslich der Live-Rollenspiel-Konferenz MittelPunkt 2013.
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Information
THEATER VS. LARP
Ich larpe seit 2001. Vielleicht auch seit 1999. Genau weiĂ ich das nicht mehr.
Meine ersten Rollenspielerfahrungen durfte ich auf Amrum erleben. Mein Bruder hatte das Abenteuer Basis Spiel aus der Reihe Das Schwarze Auge dabei, noch in der ersten Auflage. Die Ausgabe, in welcher es noch nackte Haut und gierig-lĂŒsternde Orks zu sehen gab. Klare Rollendefinitionen also, mit starken, aufrechten Kriegern, schwachen Frauen und bösen Orks. Dementsprechend unreflektiert fiel die Wahl meines Charakters aus: Bentur von Berath. Schon damals hatte mein erster Charakter bestechende Ăhnlichkeit mit He-Man oder Conan. Nicht alleine das WĂŒrfelglĂŒck entschied ĂŒber seine Physionomie, denn nachdem mein Bruder mit die Charakterwerte erklĂ€rt hatte, wusste ich, dass Bentur nicht nur stark, sondern auch irgendwie klug geraten sollte. Auf jeden Fall war er ein waschechter Krieger, brutal, gnadenlos und mit dem Killerinstinkt eines Haifisches. Es gab eigentlich keinen Gegner, der nicht auf das gemeinste aufgeschlitzt wurde.
Damals war ich acht Jahre alt. Als ich dann mit 12 oder 13 Jahren bemerkte, dass aus mir wohl doch nicht der muskelbepackte Titan werden wĂŒrde, schwenkte ich auf Elfen um. Na gut, was soll ich sagen: die waren auch alle nicht weniger gemein und verkommen als Bentur. HĂŒbsch, geschickt und die kritische Treffertabelle Fernkampf kannte ich auswendig. Also so irgendwie gar nicht elfisch, und das, obwohl ich ein absoluter Herr der Ringe-Fan war und hier die Ideale der High-Fantasy immer sehr geschĂ€tzt hatte.
Auf dem Gymnasium war ich auf Gleichgesinnte gestoĂen und wir testeten jedes Rollenspielsystem das wir in die Finger bekamen zumindest einmal an. Aber warum auch immer, irgendwie teilten alle meine Helden, egal aus welcher Klasse, Rasse oder System die gleichen Grundeigenschaften. Auch spĂ€ter geriet mir jeder Held irgendwie gleich und die Abenteuer gerieten immer zu einem die Menschenrechte verachtenden Blutbad.
Jahre spĂ€ter, um das Jahr 2000, kam ich zum LARP. Dort fand ich endlich meinen rollenspielerischen Frieden. Endlich gab es ein Rollenspiel, in dem ich eine Rolle voller Herzblut ausspielen konnte und mein Alter Ego kein muskelbepackter Prolet und nicht Lorienâs Next Topmodel war. Nein, mein erster Charakter Snorri Blakkarson war einfach ein low-fantasy Nordmann, der im GroĂen und Ganzen die gleichen Lebenseinstellungen teilte wie ich. Und das Ausspielen dieser Rolle erfĂŒllte mich in ihrer Freiheit mit einiger Befriedigung (Die körperlich sein konnte, oder auch nicht). Es kam dem, was ich beim Spielen meiner Pen&Paper-Helden so gerne gefĂŒhlt hĂ€tte, sehr nahe. Ich verspĂŒrte MĂŒdigkeit, Toilettendrang, Hunger, Durst, Geselligkeit am Lagerfeuer und sogar die NĂ€he von Frauen.
Damals studierte ich schon Drama, Theater und Medien in GieĂen â der Studiengang nennt sich auch Angewandte Theaterwissenschaften â und an einem von Met geschwĂ€ngerten Tavernenabend auf dem Drachenfest fiel mir plötzlich auf: Snorri war zwar ich, aber in Snorri steckte mindestens genauso viel Bentur und Lorindol wie schon mit 8 oder 12 Jahren in mir selber. Daraufhin stellte sich mir die Frage, ob meine rollenspielerische Genese schon mit 8 Jahren stagniert war oder ich und meine Helden die gleiche Persönlichkeitsentwicklung durchlebt hatten. Also begab ich mich, teils im Selbstversuch, teils im Feldversuch und nicht zu Letzt im universitĂ€ren Umfeld auf Forschungsreise. Auch das ist eine Rolle, die sich bis heute nicht ausgewachsen hat.
Daher stammen meine immer noch unbeantworteten Fragen: Wo ist die Schnittstelle zwischen Theater und LARP? Zwischen Darstellung und Ausspielen? Zwischen Drama und Plot? Warum gab und gibt es immer noch LARPer, die ihre Rollen nach einem selbstgestrickten Ideal konzipieren ohne sich zu fragen, warum niemand im Spiel diese Idealansicht teilt? Und sollten sie sogar diesen Umstand bemerken, warum versteifen sie sich dann so fest auf die vermeintliche Andersartigkeit ihrer momentan im LARP erlebten LebensrealitÀt?
Der folgende Text ist ein Auszug aus einem meiner Versuche diese Schnittstellen und BerĂŒhrungspunkte mit theaterwissenschaftlicher Methode zu beleuchten. Er ist als Anregung zu verstehen, nicht als wissenschaftliche Ausarbeitung.
EXKURS: METHODEN DER DARSTELLUNG
Wie verkörpert der LARPer seinen Charakter und macht ihn fĂŒr Andere nach auĂen hin wahrnehmbar? Im Rahmen meiner Arbeit habe ich ausfĂŒhrliche Interviews mit verschiedenen Live-Rollenspielern gefĂŒhrt. Zwei Beispielinterviews sind dem Text beigefĂŒgt. Die meisten meiner Interviewpartner bestĂ€tigten, dass ihr Charakter eng an ihre reale Person angelehnt ist, wenn auch mit teilweise verĂ€nderten oder ĂŒberzogenen Charaktereigenschaften besetzt. Auch wenn die Figur diverse charakterliche VerĂ€nderungen erfĂ€hrt1, bleibt sie in der Darstellung möglichst natĂŒrlich und orientiert sich eng an der entweder aus dem Phantastischen entlehnten oder realen Vorlage. Die Nachahmenden ahmen handelnde Menschen nach.2 Dieses Postulat Aristotelesâ, beziehungsweise die von ihm benannte Mimesis, kann als kleinster gemeinsamer Nenner der verschiedensten Schauspieltheorien verstanden werden.3 Schauspieler Conrad Ekhof definierte: Die Schauspielkunst ist: durch Kunst die Natur nachahmen, und ihr so nahe kommen, dass Wahrscheinlichkeit fĂŒr Wahrheiten angenommen werden mĂŒssen, oder geschehene Dinge so natĂŒrlich wieder vorstellen, als wenn sie jetzt geschehen.4 Diese Aussage trifft die Absicht des LARPers, eine natĂŒrliche und als RealitĂ€t deutbare Darstellung anzuwenden auf den Punkt, denn, wie im Abschnitt Immersion beschrieben ist, sowohl die Erschaffung einer realistischen und lebendigen Welt, als auch die ihr zugehörigen Interpretationsressourcen, sind der konstituierende Moment im LARP. Nachahmung, selbst wenn sie sich wie bei Improvisationen nicht auf Textvorgaben beziehen, kommt im Theater nicht unmittelbar oder kontextlos zur Anschauung. Jede Darstellung des Menschen ist Konventionen unterworfen.5
Nach Roselt benennen Schauspieltheorien die Ziele der darstellerischen Arbeit, etablieren QualitĂ€tskriterien und formulieren die angestrebte Wirkung auf die Zuschauer. Wenn man davon ausgeht, dass im LARP der Zuschauer der Mitspieler ist und durch die permanente Osmose zwischen Spieler und Charakter jeder Teilnehmer selber zum eigenen Zuschauer wird, dann scheint neben der darstellerischen Arbeit auch die angestrebte Wirkung auf den Zuschauer ein interessanter Untersuchungspunkt zu sein. Qualitative Kriterien in der Darstellung zu benennen, ist dahingehend schwierig, da zum einen die meisten LARPer ihr Spiel nicht im Sinne eines Handwerkes verstehen, welches Kunst oder Ăsthetik produziert.6 Zum anderen dient LARP der Immersion und dem Rollenspiel. Ăsthetische QualitĂ€ten in der Darstellung spielen fĂŒr die Beteiligten eine untergeordnete Rolle und ein fairer Vergleich ihrer schauspielerischen FĂ€higkeiten ist unmöglich, denn der improvisierte und ungesteuerte Ablauf von LARP-Veranstaltungen sieht ohnehin keine Wiederholung der Handlung vor. Ein Vergleich der QualitĂ€ten und der damit verbunden Etablierung von Kriterien in ihrer Darstellung ist in meinen Augen damit hinfĂ€llig.
BezĂŒglich der darstellerischen Arbeit lassen sich allerdings Unterschiede feststellen. Wie weit hier dargestellt wird, liegt zum einen in der jeweiligen persönlichen PrĂ€ferenz des Spielers begrĂŒndet, zum anderen in den Anforderungen des Szenarios. Bei einem Zombie-LARP beispielsweise, bei dem die NSCs die Zombies mimen, sind diese sicherlich mit ihrem performativen Ich weiter von ihrem eigentlichen Selbst entfernt, als die SCs, die Ăberlebende spielen. Inhaltlich kann die Rolle des Ăberlebenden Motive eines Wissenschaftlers, eines Bundeswehrsoldaten oder aber auch eines ganz ânormalenâ Alltagsmenschen beinhalten. Auf den Cons der Reihe Zombie Apocalypse der Lost Ideas-Orga7 gibt es zum Beispiel Spieler, die ganz bewusst sich selbst in einer von Zombies ĂŒberlaufenden RealitĂ€t darstellen wollen. Ihr Charakter reprĂ€sentiert ihre reale Person in einer fiktiven Umwelt. Hier zeigt sich die HeterogenitĂ€t von LARP, vor allem in der Darstellbarkeit und Subjekttheorie der gewĂŒnschten Rollen.
Der Spieler kann sowohl in die Rolle eines anderen schlĂŒpfen, er kann sich aber auch selber spielen. Hier kĂ€me ihm Ribots Affektives GedĂ€chtnis zu Gute, welches Stanislwaski zu einem der KernstĂŒcke seiner SchauspielpĂ€dagogik gemacht hat.8 Die Berufung auf dieses GedĂ€chtnis soll es dem Schauspieler ermöglichen, durch das Abrufen von Empfindungen und Emotionen, welche er selbst einst erlebt hat, die geforderte BĂŒhnengestalt möglichst realitĂ€tsnah zu reproduzieren. Andererseits sollte die Gestaltung aus der Phantasie und KreativitĂ€t des Schauspielers und der prĂ€zisen Kenntnis der Umwelt seiner Rolle vollzogen werden.9 Alle diese Dekorationen, GegenstĂ€nde, Masken, KostĂŒme, das öffentliche Schaffen und anderes sind durch und durch LĂŒge. Ich weiĂ das, und ich kehre mich nicht daran. Mir sind die Dinge nicht wichtig, sondern das, was ich tun, wie ich mich in dieser oder jener Entscheidung verhalten wĂŒrde â wenn alles, was mich auf der BĂŒhne umgibt, Wahrheit wĂ€re. Ich begriff, daĂ die schöpferische Arbeit in dem Augenblick beginnt, wenn in der Seele und Phantasie des Schauspielers das magische schöpferische wenn-wĂ€re auftaucht.10 Diese Theorie des Wenn-WĂ€re behĂ€lt aber fĂŒr Stanislawski nicht nur fĂŒr die Schauspieler ihre GĂŒltigkeit. Er weitet sie auch auf den Zuschauer aus. Der gute Zuschauer möchte vor allem an alles im Theater glauben, möchte, dass die szenische Dichtung ihn ĂŒberzeugt. (âŠ) es erfĂŒllt ihn mit VergnĂŒgen, der BĂŒhnenwahrheit Glauben zu schenken, zu vergessen, dass im Theater nur Spiel und kein echtes Leben gezeigt wird.11
Da es im LARP keine Zuschauer gibt, auĂer den Mitspielern und dem Spieler selber, bezieht sich die darstellerische Arbeit gleichermaĂen auf alle Teilnehmenden. In diesem Moment des Glaubens an die...
Table of contents
- Cover
- Impressum
- Titel
- Inhalt
- Vorwort: Belangloser SpaĂ oder Kulturgut?
- Glossar
- Live-Rollenspiel in der Erwachsenenbildung â HintergrĂŒnde â Konzeption â Chancen und Risiken
- Die Mauer muss weg â Live-Rollenspiele und Alternate Reality Games vor dem Hintergrund der deutsch-deutschen Teilung
- Cross-Gender im LARP â Ein blinder Fleck?
- Aus dem Rahmen gefallen â Warum LARP von Klischees lebt
- Spieler sind auch nur Zuschauer â Was LARP von der Theaterwissenschaft lernen kann
- Theater vs. LARP
- Literatur: Lesenswert