Kapitel 1
Warum interne Kommunikation fĂŒr Mitarbeitende bedeutend ist
Die Bedeutung der internen Kommunikation in Unternehmen ist besser zu verstehen, wenn wir einen Blick auf die Situation in den MĂ€rkten und in den Unternehmen werfen.
1.1 Aktuelle Entwicklungen
Gelungene interne Kommunikation fĂŒr Mitarbeiter und Unternehmen ist heute so wichtig wie noch nie. Hier nur einige aktuelle Entwicklungen:
â Zunehmender Wettbewerb: Der Wettbewerb nimmt auf allen MĂ€rkten zu, auf jenen fĂŒr klassische KonsumgĂŒter wie auch auf jenen fĂŒr Dienstleistungen und InvestitionsgĂŒter. Viele MĂ€rkte sind weitgehend gesĂ€ttigt. Vielen Anbietern stehen weniger Nachfrager gegenĂŒber. Diese können Unternehmen und Produkte auswĂ€hlen, die am besten zu ihnen passen. Die eigene Position kann oft nur verbessern, wer seinen Konkurrenten Marktanteile abringt.
â Austauschbare Produkte und Leistungen: Den Wettbewerb verschĂ€rft, dass die meisten Produkte austauschbar sind: Nicht einmal Kenner schmecken Unterschiede zwischen den vielen Biersorten und Zigarettenmarken. In vielen Autos und ElektrogerĂ€ten befinden sich gleiche Bauteile, weil die Unternehmen beim gleichen Zulieferer einkaufen. QualitĂ€t ist selbstverstĂ€ndlich geworden und macht es schwer, sich im Wettbewerb zu unterscheiden. Die Stiftung Warentest bescheinigt etwa 90 Prozent aller Testprodukte eine gute QualitĂ€t. FĂŒr Mitarbeitende ist umso wichtiger, zu wissen, was die Produkte des eigenen Unternehmens einzigartig macht.
â Firmenfusionen und Akquisitionen: Unternehmen reagieren auf den zunehmenden Wettbewerb, indem sie komplexer, schneller und internationaler werden. Nie hat es so viele FirmenzusammenschlĂŒsse und Kooperationen gegeben wie in den vergangenen Jahren. Ein Beispiel: 1989 verschmelzen SmithKline Beckman und die Beecham-Gruppe zu SmithKline Beecham. 1995 fusionieren Glaxo und Wellcome zu Glaxo Wellcome. 2000 gehen Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham zusammen zu GlaxoSmithKline. Welche Herausforderung fĂŒr die interne Kommunikation, die Mitarbeiter fĂŒr diese VerĂ€nderungen zu gewinnen! Mit jeder Erweiterung, die es in manchen Firmen sogar jĂ€hrlich gibt, wird es fĂŒr die Mitarbeiter schwieriger, das Unternehmen zu ĂŒberblicken und den Unternehmenssinn zu erkennen. Siemens ist mittlerweile auf so vielen Gebieten tĂ€tig, dass die Firmenleitung kaum noch verstĂ€ndlich und anschaulich erklĂ€ren kann, wofĂŒr das Unternehmen steht und was die vielen Konzernbereiche miteinander verbindet.
â Internationalisierung: Eine weitere Entwicklung ist die zunehmende Internationalisierung von Unternehmen, vor allem im Mittelstand: In einer Studie der Technischen UniversitĂ€t MĂŒnchen und der Freien UniversitĂ€t Berlin im Jahr 2004 gab ein Viertel von 255 antwortenden PR-Profis an, fĂŒr die weltweite Kommunikation ihres Unternehmens zustĂ€ndig zu sein. Weitere 20 Prozent waren europaweit zustĂ€ndig, davon 70 Prozent in westeuropĂ€ischen Staaten. Fast die HĂ€lfte der international arbeitenden PR-Profis war fĂŒr Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern tĂ€tig, bei den nur fĂŒr Europa tĂ€tigen waren es sogar mehr als zwei Drittel. Probleme mit den Mitarbeitern im Heimatland entstehen dadurch, dass sich ĂŒber lange Zeit das SelbstverstĂ€ndnis als deutsches Unternehmen gefestigt hatte (âMade in Germanyâ), das nun um die internationale Perspektive erweitert werden muss. Die Internationalisierung verĂ€ngstigt die Mitarbeiter tief, weil sie ein wichtiges Element ihres gemeinsamen SelbstverstĂ€ndnisses (Corporate Identity) verlieren. Sie wollen und brauchen eine klare, lebendige Vorstellung davon, wohin das Unternehmen steuert und was dies fĂŒr sie selbst bedeutet. In einem Unternehmen mit rĂ€umlich ĂŒberschaubaren Zielen ist ihnen dies noch gelungen, aber welche Bedeutung sie in einem internationalen Unternehmen haben, wissen sie meist nicht (siehe ausfĂŒhrlich Kapitel 20).
â Viele interne Programme: Diese Entwicklungen sind verbunden mit vielen, oft gleichzeitig ablaufenden Programmen, Projekten und Prozessen, um das Unternehmen noch besser, schneller, gĂŒnstiger zu machen: Gemeinkosten senken, Fertigung rationalisieren, Investitionen zurĂŒckfahren, Einkaufspreise drosseln und den Personalbestand anpassen. Ăberall werden Unternehmen umgekrempelt, jahrzehntealte Strukturen glatt geschleift und Hierarchien abgebaut. Die vielfach in BĂŒrokratie erstarrten Firmen wollen beweglicher werden, flexibel am Markt operieren, KundenwĂŒnsche schnellstens und einzigartig bedienen und alles abschaffen, was dies verhindert. Kundenorientierung, Lean Management, Cost Cutting, Reengineering, Umstrukturierung, Konzernfusionen, TQM â die Welt der Unternehmen wandelt sich schneller und tiefgreifender denn je. StĂ€ndig Ă€ndert sich etwas, dauernd gibt es etwas Neues â diese Dynamik wird nie mehr nachlassen. Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass sich Unternehmen in Zyklen von nur drei Jahren immer neu bestimmen mĂŒssen. Selbst vor drastischen Einschnitten macht der Reformdruck nicht mehr Halt: Er stellt Privilegien in Frage, spĂŒrt sorgsam geschĂŒtzte Schwachstellen auf und leitet sogar Radikalkuren ein wie den Umbau ganzer Konzerne.
Vieles wird komplizierter: Vernetzte Kommunikation, vernetzte Arbeitsformen und vernetzte Organisationen; mehr Daten, mehr Informationen, mehr Projekte und Prozesse mĂŒssen bewĂ€ltigt werden. Alles wird schneller: Schneller kommen Innovationen auf den Markt; schneller verschwinden Produkte aus den Regalen, schneller finden Aktionen und Transaktionen statt. Anfragen mĂŒssen schleunigst beantwortet werden, Entscheidungen zĂŒgiger fallen. Und der Druck auf die Unternehmen, sich diesen Bedingungen anzupassen, steigt.
Mitarbeitende als Ressource
In dieser Situation richtet sich die Aufmerksamkeit immer stĂ€rker auf die Mitarbeitenden. Sie gelten als gröĂte ProduktivitĂ€tsreserve von Unternehmen â nachdem alle Prozesse gestrafft, Strukturen abgeflacht und andere Potenziale ausgeschöpft sind. Hinweise auf die Bedeutung der Mitarbeitenden fĂŒr den Unternehmenserfolg lieferten zum Beispiel Untersuchungen in den 70er und 80er Jahren, bei denen man herausfand, warum japanische Unternehmen erfolgreicher waren als amerikanische und europĂ€ische, obwohl sie keinen technologischen Vorsprung hatten. Ergebnis: Die Zusammenarbeit im Unternehmen war es, die den Erfolg japanischer Firmen beflĂŒgelte.
Seither gilt es auch hierzulande als notwendig, die Belegschaft zu pflegen, Gruppenarbeit auszuweiten, stĂ€rker auf kooperative FĂŒhrung zu setzen und die Mitarbeiter stĂ€rker einzubeziehen. Die gröĂte ProduktivitĂ€tsreserve steckt nicht in neuen Maschinen, sondern in der Motivation der Menschen.
Solche viel beschworenen Leistungsreserven sind in schwierigen Zeiten fast ein Zauberwort. Der Griff ans Eingemachte soll helfen, die WettbewerbsfĂ€higkeit wieder herzustellen und aus roten Zahlen schwarze zu machen. In diesem Umfeld wird auch die gelungene interne Kommunikation im Unternehmen immer wichtiger. Die Manager richten ihre Augen auf die Abteilung fĂŒr Interne Kommunikation und fordern, den Mitarbeitern die neue Unternehmenswelt mit ihren neuen Techniken und verĂ€nderten Arbeitsstrukturen nahe zu bringen, sie aktiv an den Entwicklungen und VerĂ€nderungen zu beteiligen und zum Mitmachen zu motivieren. Das Handeln der Mitarbeiter an die Unternehmensziele anzugleichen â darum geht es. Das ist weit mehr als Information.
1.2 GrĂŒnde fĂŒr eine interne Kommunikation
Es gibt viele GrĂŒnde, die fĂŒr eine funktionierende interne Kommunikation sprechen:
â Kommunikation gibt Halt und Orientierung: Je dynamischer, komplexer und undurchsichtiger das Umfeld wird und je schneller Entscheidungen fallen, desto stĂ€rker sollten die Mitarbeiter einbezogen werden. Sie mĂŒssen darĂŒber informieren seinn, wie sich das Unternehmen entwickelt und welche Rolle sie selbst dabei spielen. Sie wollen, sollen und mĂŒssen die Unternehmensziele kennen und verstehen, um zu deren Erreichen beitragen zu können. Die Kommunikation der Menschen im Unternehmen wird Grundlage fĂŒr das Zusammenwirken und damit zum Erfolgsfaktor im hĂ€rter werdenden Wettbewerb. Mehr noch: Nur der informierte Mitarbeiter identifiziert sich mit seinem Unternehmen, setzt sich fĂŒr dessen Ziele ein. Interne Kommunikation bedeutet, dass die Mitarbeiter alle fĂŒr sie wichtigen Informationen ĂŒber ihre TĂ€tigkeit, ihren Arbeitsplatz und das Unternehmen kennen, ĂŒber VerĂ€nderungen informiert sind und sie verstehen. Durch Interne Kommunikation nehmen sie teil am formalen und informellen Leben und identifizieren sich im Idealfall sowohl mit ihren Aufgaben als auch mit ihrem Unternehmen.
â TĂ€tigkeiten korrekt ausfĂŒhren: Information ist die Basis fĂŒr eine korrekte Arbeitsweise im Unternehmen. Dies kann sogar eingeklagt werden: Das Betriebsverfassungsgesetz sichert den Mitarbeitern zu, dass sie ĂŒber ihre Aufgaben, deren Erledigung und wichtige betriebliche Belange ausreichend informiert werden mĂŒssen (siehe Kapitel 22). Kommunikation ist die Voraussetzung, dass Prozesse und Strukturen deutlich werden. Die Beteiligten erfahren, was von ihnen erwartet wird und können ihr Verhalten anpassen. Der Mitarbeiter erkennt, dass seine Arbeit fĂŒr das Unternehmen wichtig ist, warum er sie erfĂŒllen soll und wie sie zum Gesamtergebnis beitrĂ€gt. Dies stĂ€rkt die Mitverantwortung und das Engagement im Unternehmen. Je besser jemand informiert ist, desto besser kann er entscheiden â Planungen und Entscheidungen sind nur auf der Basis von Informationen möglich. Der Mitarbeiter, der seine Aufgaben versteht, muss nicht dauernd fragen, sondern kann selbstĂ€ndig arbeiten. Interne Kommunikation zeigt darĂŒber hinaus dem Mitarbeiter, wie er weiter nach oben kommt.
â Koordination fördern: Fast kein Mitarbeiter in einem Unternehmen kann eine Gesamtaufgabe allein bewĂ€ltigen. Immer ist die Zusammenarbeit mit Kollegen nötig. Die Grundlage fĂŒr die Zusammenarbeit ist Kommunikation. Aufgaben und Verantwortlichkeiten mĂŒssen koordiniert werden und auf ein gemeinsames Ziel gerichtet sein. Funktioniert die Kommunikation nicht, entsteht Doppelarbeit. Oder wichtige Aufgaben bleiben unerledigt, weil sich niemand zustĂ€ndig fĂŒhlt. Kennen Mitarbeiter die Probleme dam eigenen Arbeitsplatz und die der anderen, entsteht VerstĂ€ndnis fĂŒreinander und der Zusammenhalt wird gefördert, was wiederum die UnternehmensfĂŒhrung verbessert. Kommunikation ist das Schmieröl im Getriebe eines Unternehmens.
â Soziale UnterstĂŒtzung: Soziale UnterstĂŒtzung beeinflusst die Einstellung zur Arbeit und verringert Stress: Personen, die sich von anderen unterstĂŒtzt fĂŒhlen, fĂŒhlen sich weniger belastet. Schon das Angebot reicht fĂŒr das Puffern von Belastungen aus, ohne dass es genutzt werden mĂŒsste. Einem Kollegen kann also schon dadurch geholfen werden, dass man ihm soziale UnterstĂŒtzung signalisiert (siehe Kapitel 7.1).
â Wohlbefinden steigern: Von der Mitarbeiterkommunikation hĂ€ngt das persönliche Wohlbefinden ab. Wissenschaftler haben herausgefund...