Schwarze Wasser
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Schwarze Wasser

Roman

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Schwarze Wasser

Roman

About this book

»Hör zu, Bruder, ich habe ein mulmiges Gefühl. Wir sind fünf- und kein Spitzel! Hältst du das für möglich? Und wenn dem so ist, welche Überraschung bereiten sie uns vor, die Drecksäcke, mit ihren zigtausend Akten? Schließlich versammeln sie uns nicht ohne Hintergedanken aus Wohlgefallen am Ufer der Schwarzen Wasser. Bestimmt nur, um uns durch einen Trick mit einem Stein um den Hals baden gehen zu lassen.«Victor Serges ergreifender Roman über Revolution, Liebe und Verbannung, geschrieben 1936-38, liegt nun in der Übersetzung von Eva Moldenhauer erstmals auf Deutsch vor.

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Information

Year
2014
eBook ISBN
9783858696380
Edition
1

V

Der Anfang

Kostrow, der gekommen war, um die wöchentliche Formalität der Kontrolle der Deportierten zu erledigen, wurde ins Büro des Chefs gebeten.
»Herein«, sagte Fedossenko schroff, »guten Tag«.
Er schrieb weiter. Kostrow stand eine Weile ratlos in der Mitte des Teppichs und zögerte, sich zu setzen, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Dann setzte er sich in die Ecke des Sofas und schlug die Beine übereinander. Du bringst mich in Verlegenheit, willst du mich beeindrucken? Wir haben schon ganz anderes erlebt, mein Freund. Kostrow fühlte sich gut an diesem Tag, vielleicht wegen des Wetters, frisch und mild zugleich; genau das Richtige für sein Herz. Leichte weiße Wolken zogen an einem durchsichtigen Himmel dahin. Diskret schlug er eine Zeitung auf …
»Ich habe Zeit, Genosse Chef …«
»Wie geht es Ihnen, Michail Iwanowitsch?«
Diesmal war der Ton katzenfreundlich: etwas in der Stimme ließ Kostrow aufhorchen. Fedossenkos angedeutetes Lächeln, sein mehr als aufmerksamer Blick, all das bedeutete … bedeutete …?
»Kommen Sie näher, Kostrow. Setzen Sie sich … Ihre Gesundheit? Ihre Arbeit? Und wie geht es Ihrer Frau? Keine Nachrichten seit vierzehn Tagen, sagen Sie? Kaum zu glauben, wie schlecht die Post funktioniert, wir sollten uns das ansehen.« (Das Doppelkinn des Chefs quoll über den Stehkragen seiner Jacke; das ergab einen grässlichen, puterroten kleinen Fleischwulst …) Während Kostrow antwortete, fühlte er, dass er zu weitschweifig war, zu liebenswürdig, ein wenig erbärmlich. Er hätte wetten können, dass die drei abhanden gekommenen Briefe seiner Ganna gründlich erforscht hier in einer Schublade lagen und dass diese ganze Unterhaltung, nach der Affäre der zwölfhundert Hefte, der in die Arbeitslosigkeit entlassenen Genossen, der Unterbrechung der Post, in irgendeine Falle führte … Also, lass die Katze aus dem Sack, he, Polizist! Würde ihm wie 21 in den Büros der rumänischen Siguranza der Galgen drohen, hätte er sich in Anwesenheit eines Todfeindes wohler gefühlt, dessen Verhalten zu verstehen gegeben hätte: Aber ja, Oberleutnant, wir sind Todfeinde. Ich würde sie mit Vergnügen erschießen; irgendwie muss ich heute versuchen, Sie übers Ohr zu hauen. Das wissen Sie so gut wie ich; Sie lügen und ich lüge, Sie hängen auf, ich erschieße, Fair Play!
Aber Fedossenko sagte:
»Michail Iwanowitsch, ich vertraue Ihnen. Unter uns gesagt, sind die Meinungen über Sie geteilt. Manche halten Sie für einen trotzkistischen Konterrevolutionär, der im Lügen ungemein geschickt ist, für einen jener unbelehrbaren Feinde, den die Diktatur des Proletariats für den Sieg des Sozialismus früher oder später wird vernichten müssen. Ich kenne Ihre Erklärung an das Zentralkomitee, ich halte sie für aufrichtig. Nur aus diesem Grund habe ich in dieser unschönen Affäre der Sabotage und konterrevolutionären Propaganda im Bildungswesen die Ermittlungen eingestellt. Sie wissen, was Sie das kosten könnte: fünf Jahre Internierung in einem Konzentrationslager. Wenn das Verbrechen offenkundig ist, befürworte ich harte Strafen, wegen der psychologischen Wirkung und der Chance auf Besserung. Finden Sie nicht, dass ich recht habe?«
»Vollkommen«, sagte Kostrow mit zugeschnürter Kehle.
»Im Übrigen vollbringen unsere Konzentrationslager Wunder in Sachen Umerziehung. Welch herrliches Wort hat man erfunden, um es auszudrücken: die Umformung des Menschen! Irgendwann einmal werde ich Ihnen die Ergebnisse erzählen, die ich selbst auf den Baustellen von Onega mit Kulaken, Ex-Offizieren, Banditen, Ingenieuren, Priestern, Sektierern, kurz, mit den asozialsten Elementen erzielt habe, und das bei einer relativ geringen Sterblichkeit: 6 bis 7 Prozent. Deshalb hat das Sonderkollegium im Prinzip beschlossen, nur noch sehr wenige Leute in die Strafanstalten zu schicken, die zu Stätten der Konterrevolution geworden sind. Arbeitslager – das ist die Form des Strafvollzugs der Zukunft. Ihnen als Pädagogen ist das doch bewusst?«
Kostrow nickte höflich, mit einem scheinheiligen halben Lächeln. Worauf willst du hinaus, Rindvieh, Gendarm, Jesuit? Ah, wie ist es nur zu erklären, dass die Revolution solche Kreaturen zu Tausenden hat hervorbringen können, ihnen Maschinenpistolen, Orden, Porträts von Marx und Werke Lenins in rotem Einband hat geben und ihnen diese Selbstgefälligkeit, dieses monströse Pharisäertum von Kerkermeistern hat einflößen können?
»Sie sehen, Kostrow, dass ich als Genosse zu Ihnen spreche. Im Grunde sind wir beide Männer der Partei. Ihre Wiedereingliederung ist meiner Meinung nach nur eine Sache der Zeit. Sie haben die Gelegenheit, mir nützlich zu sein und das Vertrauen des ZK wiederzugewinnen. Denn hier kommt eine sehr ernste Affäre zum Ausbruch.«
… Nur nicht blass werden, weder zu interessiert wirken noch übertriebene Ruhe vortäuschen, noch … Jedenfalls sitze ich ganz schön in der Patsche, dachte Kostrow.
»Ich billige voll und ganz, dass Sie die Beziehungen zu den Trotzkisten nicht abgebrochen haben. Nicht, dass ich Ihre Illusionen teile, wenn Sie einige auf den rechten Weg zurückzubringen meinten. Von denen, die wir hier haben, ist nichts zu erhoffen. Subjektiv sind es vielleicht unverbesserliche Revolutionäre. Objektiv sind es aber hartgesottene Konterrevolutionäre. Doch wenn Sie den Kontakt zu ihnen beibehalten haben, dann meinten Sie bestimmt, noch immer der Partei zu dienen. Ich habe die materiellen Beweise, dass sich in der Verbannung ein trotzkistischer Kern organisiert hat, dass er eine überaus umfassende ideologische Aktivität entfaltet, dass er mit anderen Kreisen in Verbindung steht, dass er sogar Direktiven aus dem Ausland erhält … Das ZK misst dieser Sache die größte Bedeutung bei.«
»Wie ist das möglich? Ich …«
Fedossenko gab vor, nichts zu hören. Kostrows verneinende Geste tat er mit einer leichten Kopfbewegung ab; der puterrote Fleischwulst zwischen seinem Kinn und den Jackenkragen schien dicker zu werden.
»Nun, Kostrow, Sie kennen sie. Sagen Sie, wer ist Ihrer Meinung nach der gefährlichste?«
»Sie verhehlen nicht, dass sie Oppositionelle sind, Genosse Fedossenko, aber gefährlich, ich sehe nicht …«
»Im Gegenteil, Sie sehen sehr gut, Michail Iwanowitsch. Keine Gefühlsduselei, ich bitte Sie, kein Intellektuellengehabe. Wer?«
… Er will mich dazu bringen, einen Namen zu nennen, denn ihn nennen heißt verraten, auch wenn es keinerlei Bedeutung hat – keinerlei Bedeutung, da ich ihm nichts Neues sage, also ist es kein Verrat …
»Jolkin …«
»Ja … Und wer noch?«
»… Ryschik …«
»Sie halten also diese beiden für die Rädelsführer, die wahrscheinlichen Anführer des illegalen Komitees der Drei oder Fünf?«
Ein Mann geht über die Ebene, und mit einem Mal gibt der Boden unter seinen Füßen nach, der Sumpf packt ihn, der Schlamm steigt ihm bis zu den Knien, den Hüften, er fühlt sich von seinem eigenen Gewicht hinabgezogen, die zähflüssige Erde klebt an ihm, ein pflanzlicher Geruch verwirrt ihn, er ahnt, dass er ersticken wird. Und jede seiner Bewegungen drückt ihn etwas tiefer hinunter, statt ihn zu befreien …
Kostrow protestierte schwach:
»Aber nein, Genosse Fedossenko, ich habe nichts dergleichen gesagt. Ich kenne diese Männer als ehemalige Mitglieder unserer Partei, die sich über die Bedeutung politischer Fragen getäuscht haben und sich zweifellos immer noch täuschen … Ich weiß wirklich nichts über ihre Komitees der Drei oder Fünf, wenn sie denn welche haben …«
»Dieses Spiel habe ich von Ihrer Seite nicht erwartet, informiert, wie ich bin. Oder Sie machen sich über mich lustig. In diesem Fall: Nehmen Sie sich in Acht. Aus Ihren anklagenden Erklärungen habe ich lediglich die wahrscheinlichste Hypothese hergeleitet. Im Übrigen werde ich unserm Gespräch die schriftliche Form eines Verhörs geben, das Sie unterschreiben werden. Vorerst lassen Ihr Zögern und Ihr Rückzugsversuch Ihr Verhalten in einem seltsamen Licht erscheinen. Gehen Sie.«
Am Ende der Treppe wurde Kostrow von einer Ordonnanz eingeholt.
»Kommen Sie bitte zum Kommandanten, Bürger.«
Der Kommandant hatte seinen Tisch im Wachraum am Eingang des Gebäudes. Gegen eine Absperrung drängende Fischerfrauen brachten Pakete für ihre Gefangenen. Auf einem ramponierten Sessel lagen schmutzige Kleider, denen noch die Wärme eines Körpers anzuhaften schien. Wen hatte man gerade entkleidet? Warum? Durch das Fenster sah man Karren langsam vorbeifahren …
»Leeren Sie Ihre Taschen«, sagte der Kommandant, und Kostrow verstand, dass ihn wieder das Gefängnis erwartete, das Chaos. Etwas in seiner Brust löste sich, fiel langsam und schwer herab … Er leerte seine Taschen. Der Schmächtige öffnete die Hintertür einen Spalt und winkte ihn herbei.
Der Schmächtige hatte einen komischen Kopf – eines Lebenden und eines Toten zugleich –, den Brustkorb eines unter der Uniform leeren weißen Skeletts, und er führte Kostrow durch eine wachsende Dunkelheit, ließ ihn einen Hof überqueren, dessen Himmel stumpf war wie eine riesige Betonkuppel, ließ ihn eine Treppe voll dunstigen elektrischen Lichts hinabsteigen, öffnete eine Tür, stieß ihn mit fast liebenswürdiger Vertraulichkeit in eine Art Keller, der nach Stroh, Schimmel, Gepökeltem, ewig kaltem Stein roch, schob die Riegel vor, ging weg, stieg leicht humpelnd wieder ans Tageslicht hinauf, in sauberer Uniform, den Revolver an der Taille, mit leerem Brustkorb und Löchern anstelle der Augen.
»Er wird die andern holen«, sagte sich Kostrow.
In der Dunkelheit bewegte sich das Stroh. Eine menschliche Form schälte sich heraus, streckte Kostrow sehr lange Hände entgegen, die über ihn hinwegstrichen, ihn von den Schultern bis zu den Hüften abtasteten, so kalt, so leicht, dass es sich wie die flüchtige Berührung großer Fledermäuse anfühlte. Vorgebeugt erkannte Kostrow allmählich ein mit Gestrüpp bedecktes Gesicht, Augäpfel, in denen schwach eine schwarze Seele glomm.
»Hast du was zu essen?«
»Nein«, sagte Kostrow.
»Welcher Tag ist heute? Welches Datum?«
»Der 16. …«
»Oh«, sagte die menschliche Form, »schon. Scheiße!«
Sie zog sich wieder in sich selbst zurück, verschmolz mit dem Stroh, dem Fußboden, den schwarzen Steinen, der Stille. Kostrow fragte sich nur, was es diesmal wäre, der Anfang oder das Ende …
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Statt auf Ryschiks Ausweis den vorschriftsmäßigen Stempel zu setzen, verstaute der Schmächtige dieses Papier in einer Schublade.
»Ja«, sagte er, wie nebenbei, »es ist ärgerlich, aber ich kann nichts daran ändern. Bürger, Sie sind verhaftet.«
Ryschik war nicht allzu überrascht. In seinem Innern rief eine bittere Stimme aus: »Na endlich!«
Sein harter weißer Kopf, mit fast geometrischer Regelmäßigkeit wie in versteinertes Fleisch gemeißelt, nahm, als er sich aufrichtete, etwas Abstand. Mit unverhohlenem Ekel betrachtete er die auf der andern Seite des Tisches sitzende uniformierte Marionette.
»Gut, ich sehe, dass die alte Kanaille Koba sich an mich erinnert hat … Diese Kanaille mit den roten Augen …« (Er sprach mit sich selbst, aber sehr laut.)
»Was? Was haben Sie gesagt? Wer?«
»Koba. Der Chef der führenden Fraktion der Partei. Der Totengräber der Revolution. Die Kanaille, der Sie den Arsch lecken …«
Die sofortige Auslösung einer völlig automatischen Sprungfeder irgendwo zwischen seinem Gesäß und dem Nacken ließ den Schmächtigen, ganz außer sich, aufspringen:
»Ich verbiete Ihnen, Bürger …«
Aber auch Ryschik platzte, völlig weiß, mit schweren Schultern, schwerem Kreuz, überwältigt von einem endgültigen Entschluss. Und vielleicht zum letzten Mal in seinem Leben sagte er, unnötigerweise, lächerlicherweise, das Wenige, was er zu sagen hatte, mit solcher Autorität, dass der Schmächtige sich wieder setzte.
»Nichts, Sie sind ein Nichts, Bürger. Und ich sage Ihnen nichts. Ich diskutiere hier nicht mit der Konterrevolution. Wenn ich ihr eines Tages ins Gesicht spucke, dann nicht unter der Visage des Generalsekretärs. Richten Sie Ihren Chefs aus, dass ich bei keinem Verhör reden werde. Ich hoffe, Sie haben verstanden!«
Heftig beugte er sich zu dem Schmächtigen, und der Schmächtige bekam es mit der Angst. Feige höflich, ein wenig gekrümmt, beide Hände auf dem Rand des Tisches, antwortete der Schmächtige:
»Ich werde Ihre Erklärung genau weitergeben … Ich will versuchen, Ihnen eine saubere Zelle zu geben …«
»Mitglied der Partei seit 1904, begegnete Lenin bei der Konferenz in Prag, Ex-Mitglied des Revolutionsrats der VI., VII., VIII. Armee« – natürlich hatte Ryschik Anrecht auf eine saubere Zelle … Fast hätte er gebrüllt: »Sauber oder nicht, das ist mir scheißegal, alles ist mir egal …«, aber er riss sich zusammen. Sein sinnloser Zorn legte sich. Die Lage war klar und deutlich: unmöglich, ohne einige Konzessionen an die Bauern die Frühjahrssaat auszubringen; folglich Kursänderung nach rechts; der Georgier wird seine Erfüllungsgehilfen von gestern opfern; um das Manöver zu verschleiern, Unterdrückung der Linken (erste Bewegung), dann Kampagne innerhalb der Partei gegen die Rechte (zweite Bewegung). Folglich wird man »Affären inszenieren« und all diejenigen abermals ins Gefängnis stecken, die im vergangenen Jahr herausgekommen sind, immer dieselben. Da ich schon drei Jahre, dann zwei, fünf, mit der Verbannung sieben Jahre hinter mir habe, kann ich mit dem Höchstmaß rechnen … Die bürokratische Konterrevolution wächst mit all der Kraft, die sie dem Proletariat raubt, sie hat soeben gesiegt, es wird viele Jahre dauern, bevor das Proletariat zu denken, sich zu regen beginnt … Und ich bin einundsechzig. Da Ryschik das alles seit Langem wusste, erstaunte ihn diese Minute nicht, ungeachtet ihres unbeschreiblichen Gewichts.
Der Schmächtige kam hinter seinem Schreibtisch hervor, ging mit kleinen Schritten um Ryschik herum und zog sich in den Flur zurück. Hasserfüllt folgte Ryschik mit den Augen seinem ausrasierten, bläulichen Nacken, auf dem sich ein runder kleiner Schädel abzeichnete. Ryschik nahm das bronzene Tintenfass vom Tisch, wog es wie eine Waffe, kniff mit bitterem Mund die Augen zusammen. »Nein, es lohnt wirklich nicht …« (»Es ist nicht der rechte Zeitpunkt … Und wenn der rechte Zeitpunkt kommt, werde ich erledigt sein …«) Er stellte die Bronze an ihren Platz zurück und stand, als er heftig die Tür öffnete, dem Schmächtigen direkt gegenüber.
»Ich habe es satt. Bringen Sie mich, wohin Sie wollen. Ich will keine Sekunde länger warten. Gehen wir.«
Zufall oder Intuition, mit großen herrischen Schritten schlug er die richtige Richtung ein, die der reservierten Zellen im ersten Stock; und der Schmächtige ging humpelnd vor ihm her, gleich einem geschüttelten Hampelmann. Man hörte nur Ryschiks hastige Schritte.
»Hier ist es«, sagte der Schmächtige fast unterwürfig, als sie vor einer Tür stehen blieben. »Verzeihen Sie, Bürger, wenn ich keine besser...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Über dieses Buch
  6. Vorwort
  7. I Das Chaos
  8. II Die Schwarzen Wasser
  9. III Die Botschaften
  10. IV Die Direktiven
  11. V Der Anfang