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Was die Börsenweisheiten von Kostolany, Buffett und Co. heute noch taugen – Teil 2

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Was die Börsenweisheiten von Kostolany, Buffett und Co. heute noch taugen – Teil 2

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An der Börse kursieren viele mehr oder weniger kluge SprĂŒche, viele lassen uns schmunzeln, andere nachdenken. Oft stammen diese Börsenweisheiten von bekannten Investoren, sind jahrzehntealt und werden selten wirklich hinterfragt. Aber stimmen sie ĂŒberhaupt, haben sie das je getan und tun sie es heute noch? Eine Börsenweisheit hat also nur diese Bezeichnung verdient, wenn sie uns auch heute noch weiterhilft im Anlegerdschungel. Jessica Schwarzer stellt in ihrem neuen Buch weitere populĂ€re Börsenweisheiten auf den PrĂŒfstand – die Fortsetzung ihres Erfolgstitels "Sell in May and go away?".

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Information

1 Spekulieren Sie niemals gegen die Notenbanken.

Die Weltwirtschaft hĂ€ngt an der Nadel des billigen Geldes und findet immer wieder einen Vorwand, den Entzug hinauszuzögern. Ober um es anders auszudrĂŒcken: „Dow Jones und Dax unter Drogen.“ „Die MĂ€rkte im Rausch der Geldpolitik.“ „Super Mario beflĂŒgelt die Börse.“ Schlagzeilen wie diese gibt es in den Jahren seit dem Ausbruch der Finanzkrise viele, unendlich viele. Seit die GeldhĂŒter um Ben Bernanke und Janet Yellen, der ehemalige Chef und die heutige PrĂ€sidentin der amerikanischen Federal Reserve (Fed), sowie Mario Draghi, PrĂ€sident der EuropĂ€ischen Zentralbank (EZB), die Weltwirtschaft vor dem Zusammenbruch zu retten versuchen, scheinen an der Börse neue Regeln zu gelten: Die Notenbanken regieren.
Sie fluten die MĂ€rkte mit gigantischen Summen, schaffen die Zinsen ab, kaufen Anleihen, bis ihre Bilanzen fast platzen. So verhindern die WĂ€hrungshĂŒter zwar den großen Crash, können aber die Wirtschaft nur mĂŒhsam ĂŒber Wasser halten. Was sie ankurbeln, sind die FinanzmĂ€rkte. Zwar waren die Schwankungen in den vergangenen Jahren enorm, doch der Trend zeigt ganz klar in eine Richtung: nach oben. Und das ist der Politik der Notenbanken zu verdanken, mag sie auch noch so umstritten sein. Niemand, schon gar kein Investor, kann sich der gigantischen Macht der obersten WĂ€hrungshĂŒter entgegenstellen. Es ist das elfte Gebot: Spekuliere niemals gegen die Notenbank. Ganz gleich, ob EuropĂ€ische Zentralbank, Bank of England, Federal Reserve – oder wie sie heißen mögen: Eine Notenbank hat wohl gottgleichen Charakter, zumindest was ihre Allmacht betrifft. Und wer gegen einen AllmĂ€chtigen wettet, steht ruckzuck auf der Verliererseite. Fragen Sie Odysseus.
Einzige Ausnahme, die mir bekannt ist: George Soros. Ich habe den amerikanischen Investor mit ungarischen Wurzeln einmal bei einem Abendessen in DĂŒsseldorf getroffen. 84 Jahre war er damals und die Sessellehne stĂŒtzte seine aufrechte Gestalt. Die Gedanken waren klar, die Stimme schon ein bisschen brĂŒchig. Aber als das GesprĂ€ch auf seinen Angriff gegen die englische Notenbank kam, leuchteten die Augen. Es war der Deal seines Lebens, damals im September 1992, als er gegen das Britische Pfund antrat. Er knackte die Bank of England und verdiente rund eine Milliarde US-Dollar. Wie er das gemacht hat? „Ich habe stets versucht, die Welt und die Wirklichkeit zu verstehen. Und das ist gar nicht so einfach, denn die Wirklichkeit wird durch das eigene Denken beeinflusst“, sagte Soros damals, und mir wurde klar, dass diese Strategie nur eine Handvoll der ganz Großen wagen können. Die Wirklichkeit prĂ€gt uns, und weniger wir sie.
Seien wir ehrlich: Wir gehören nicht zu den Superinvestoren, wir arbeiten mit der Wirklichkeit, wie sie ist. Als Privatanleger sollten wir gar nicht erst versuchen, gegen die Notenbank zu spekulieren. FĂŒr uns stimmt die alte Börsenweisheit, sich niemals gegen die mĂ€chtigen Zentralbanken zu stellen. Und ich fĂŒge noch hinzu: Sie stimmt in Zeiten von Niedrig- und Nullzinsen, AnleihekĂ€ufen und einer scheinbar grenzenlosen Geldschwemme mehr denn je.
Meine Handelsblatt-Kollegen haben den permanenten Ausnahmezustand, der seit fast einem Jahrzehnt an den FinanzmĂ€rkten herrscht, sehr treffend als „das große Geldbeben“ bezeichnet. Immerhin haben die Chefs der vier großen Zentralbanken in den USA, Japan, Großbritannien und der Eurozone ihre Bilanzsumme zusammengenommen auf mehr als zehn Billionen Euro vervierfacht. Bewegten die Notenbanker vor zehn Jahren maximal 20 Prozent der Wirtschaftsleistung ihres Landes in ihren Bilanzen, sind es inzwischen in der Spitze 80 Prozent. Das als Geldschwemme zu bezeichnen ist fast zu wenig. Geld-Tsunami trifft es wohl eher. Der renommierte Ökonom Thomas Mayer sieht uns gar in „einer Welt der monetĂ€ren Zentralplanung“. Die Zentralbanken dominieren den gesamten Kapitalmarkt, mit Marktwirtschaft habe das nichts mehr zu tun, weil es keine Mechanismen der Marktanpassung mehr gebe. Der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank und heutige Direktor des Flossbach von Storch Research Institute ist sich ziemlich sicher, dass das Agieren der Notenbanken frĂŒher oder spĂ€ter zu einem neuen Finanzcrash fĂŒhren wird, womöglich schlimmer als der Kollaps nach der Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008. Ein ziemlich dĂŒsteres Bild, das der Experte da zeichnet. Er ist nicht der Einzige, der die Politik der großen Zentralbanken offen kritisiert.
Ob ihre Politik in den Krisenjahren alternativlos war oder nicht, ob sie wirkungsvoll ist oder nicht, darĂŒber wird viel diskutiert. FĂŒr Investoren könnte es ungemĂŒtlich werden, wenn die Notenbanken weltweit das Ende der Politik des billigen Geldes einleiten. Muss es aber nicht. Fakt ist: Seit 2008 haben die Zentralbanken weltweit mehr als 700-mal die Zinsen gesenkt. Mit welchem Erfolg? Inzwischen rentieren Staatsanleihen im Wert von mehr als 10.000 Milliarden Euro negativ – ein Drittel der Schulden von IndustrielĂ€ndern. Das Problem: Zinsen von null entziehen jeder Altersvorsorge den wirtschaftlichen Boden. Sparen lohnt sich nicht mehr. Anleger werden auf der Suche nach Rendite in riskante Investments gedrĂ€ngt – mit der Gefahr von Preisblasen. Aber: Vom Crash infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise erholten sich die MĂ€rkte relativ schnell. Zwar verlor der Dax 2008 und auch noch zu Beginn des Jahres 2009 fast die HĂ€lfte seines Wertes – von gut 8.000 Punkten ging es runter auf zeitweise 4.000 Punkte. Es folgte eine relativ rasante Erholung. Ende 2009 notierten die Standardwerte bereits wieder bei 6.000 Punkten. Unter teils großen Schwankungen ging es in den Monaten und Jahren danach weiter aufwĂ€rts. Anfang 2013 notierte der Dax wieder so hoch wie vor der Krise und stieg weiter. Im FrĂŒhjahr 2015 notierte er mit rund 12.400 Punkten auf einem neuen Allzeithoch. Und das, obwohl die Krise lĂ€ngst nicht völlig ausgestanden war. Nach neuerlichen Schwankungen ist der Dax 2017 wieder auf Rekordkurs.

Es gibt keine Blaupause fĂŒr das Ende der Geldflut

Die Rettungsmaßnahmen der Notenbanken funktionieren also zumindest an den KapitalmĂ€rkten relativ gut. Aber eines muss klar sein: Was da lĂ€uft, ist das wohl grĂ¶ĂŸte geldpolitische Experiment der Geschichte. Es gibt keine Blaupause dafĂŒr. Ebensowenig fĂŒr das Ende der Geldflut. Nach der Finanzkrise haben die USA vieles richtig gemacht: Notenbank und Regierung arbeiteten Hand in Hand, koordinierten Niedrigzinspolitik mit schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen, kauften Anleihen und Wertpapiere fĂŒr Billionen Dollar – Stichwort „Quantitative Easing“. WĂ€hrend die Fed mit einem Zinssatz von null bis 0,25 Prozent nĂ€mlich vor allem die kurzfristigen Zinsen beeinflussen konnte, drĂŒckte sie durch die AnleihekĂ€ufe die langfristigen Zinsen, die fĂŒr Investitionen sehr viel wichtiger sind. Vor allem aber sorgte die US-Bankenaufsicht dafĂŒr, dass angeschlagene Banken entweder abgewickelt wurden oder frisches Kapital verabreicht bekamen, notfalls unter Zwang. Mit Erfolg: Das Wachstum kehrte in die USA deutlich zĂŒgiger zurĂŒck als nach Europa.
Deshalb proben die USA auch bereits das Ende des Experiments, wenn auch sehr zögerlich. Im Gegensatz zur EuropĂ€ischen Zentralbank, die die Zinsen auch 2017 weiter bei null hĂ€lt und munter weiter Anleihen kauft, hat in den USA der Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes lĂ€ngst begonnen. Schließlich war immer klar: Irgendwann muss Schluss sein mit der gigantischen LiquiditĂ€tsschwemme, aber wann und wie?
Eingeleitet wurde der Ausstieg bereits im Mai 2013, als der damalige Fed-Chef Ben Bernanke verkĂŒndete, die BondkĂ€ufe auslaufen zu lassen. „Tapering“ nennen Experten dieses Herunterfahren der AnleihekĂ€ufe. An der Börse löste Bernanke damit ein mittleres Beben aus. Von dem erholten sich die MĂ€rkte aber relativ schnell und verkrafteten es, dass ab Januar 2014 nicht mehr 85 sondern „nur noch“ 75 Milliarden Dollar in den Markt flossen. In der Folge schrumpfte das Volumen der BondkĂ€ufe Monat fĂŒr Monat um weitere zehn Milliarden. Das Programm endete im Oktober 2014, zehn Monate nachdem die Fed begonnen hatte, das monatliche Ankaufvolumen zu verringern.
NatĂŒrlich haben die AnleihekĂ€ufe die Bilanz der US-Notenbank mĂ€chtig aufgeblĂ€ht. Und die Fed lĂ€sst keinen Zweifel daran: Ihre in den Nachwehen der Weltfinanzkrise auf die riesige Summe von 4,5 Billionen Dollar angeschwollene Bilanz muss schrumpfen. Vor Ausbruch der weltweiten Finanzkrise in den Jahren 2007/08 war das Portfolio der Fed mit 800 Milliarden Dollar noch vergleichsweise ĂŒberschaubar. Auch wenn es die Fed bislang bei AbsichtserklĂ€rungen belĂ€sst und das Thema tiefer hĂ€ngt, dĂŒrfte es bald angesichts anstehender Zinserhöhungen oben auf die Agenda rĂŒcken. Experten erwarten, dass die Fed 2018 den Startschuss fĂŒr die Bilanzreduzierung gibt – eine Mammutaufgabe. Dies könnte ĂŒbrigens mit dem Abgang von Fed-Chefin Janet Yellen einhergehen. Sie liegt mit US-PrĂ€sident Donald Trump ĂŒberkreuz und kann nicht darauf hoffen, ab 2018 weiter an der Spitze der mĂ€chtigsten Notenbank der Welt stehen zu können.
Laut Fed mĂŒssen Zinserhöhungen jedoch zunĂ€chst „voll im Gang sein“, bevor die Notenbank den Abbau ihres Wertpapier-Portfolios in Angriff nehmen kann. Entsprechend findet sich der Satz zur beabsichtigten geldpolitischen „Normalisierung“ weiterhin im allerletzten Absatz des Begleittextes zum Zinsentscheid. Doch das Thema dĂŒrfte nach oben rĂŒcken: 2016 ist die US-Wirtschaft um 1,6 Prozent gewachsen. Auch wenn das Plus niedriger als in den Vorjahren ausgefallen ist, will das Konjunkturbild nicht mehr so recht zu den billionenschweren StĂŒtzungsmaßnahmen passen. Denn die Fed hĂ€lt die Bilanzsumme seit LĂ€ngerem auf hohem Niveau konstant, da sie Einnahmen aus auslaufenden Anleihen wieder in neue Papiere investiert. Stellt die Notenbank die Praxis der Reinvestitionen eines Tages ein, fĂŒhrt dies automatisch zu einem Abbau der Bilanz in mehreren Schritten. Laut Commerzbank-Berechnungen werden in den nĂ€chsten fĂŒnf Jahren US-Staatsanleihen in Höhe von 1,43 Billionen Dollar fĂ€llig.
Der frĂŒhere Fed-Chef Ben Bernanke, der die Geldpolitik der Notenbank in der Rezession einst auf Krisenmodus schaltete, warnt jedoch vor zu ambitionierten Zielen auf dem RĂŒckweg zur NormalitĂ€t. Die Bilanz mĂŒsse angesichts einer wachsenden Wirtschaft nicht mehr auf das einstige Niveau von 800 Milliarden Dollar abgeschmolzen werden. Auch viele Banken an der Wall Street sehen dies Ă€hnlich: Sie halten es fĂŒr ausreichend, wenn die Gesamtsumme um maximal anderthalb Billionen Dollar schrumpft. Das neue ‚Normalmaß‘ lĂ€ge somit bei drei Billionen Dollar. Bis der Bilanzabbau abgeschlossen ist, wird aber wohl noch einige Zeit, wahrscheinlich sogar Jahre, vergehen.
Auch die Zinsen sind bereits wieder gestiegen. Im Dezember 2015 hob Fed-Chefin Janet Yellen den Leitzins auf eine Spanne zwischen 0,25 und 0,5 Prozent an – und kĂŒndigte weitere Schritte fĂŒr 2016 an. Auf die nĂ€chste Zinserhöhung, wieder um mickrige 25 Basispunkte, mussten Investoren allerdings ein ganzes Jahr warten. Die Fed hatte einen Zinsschritt immer wieder hinausgeschoben. Dabei spielten neben ökonomischen Daten auch politische Risiken wie das Referendum der Briten ĂŒber den Austritt aus der EuropĂ€ischen Union eine Rolle. Und obwohl die Geldpolitiker stets betonen, dass sie nicht auf kurzfristige Bewegungen der KapitalmĂ€rkte reagieren, haben sie auch die Situation dort im Blick. Denn schon ein Sinken der Aktienkurse wird von der Fed als VerschĂ€rfung der Finanzierungsbedingungen fĂŒr Unternehmen gewertet, beeinflusst also die Geldpolitik. Aber nach dem Sieg von US-PrĂ€sident Donald Trump haben die AktienmĂ€rkte auf Optimismus umgeschaltet und lassen sich auch von schlechten Nachrichten wie der Regierungs- und Bankenkrise in Italien kaum beeindrucken. Und so folgte im Dezember 2016 der nĂ€chste Zinsschritt, die zweite Erhöhung nach Ausbruch der Finanzkrise. 2017 geht es schrittweise weiter.
Börsianer bewerten das positiv. Denn ein solcher Zinsschritt zeigt ihnen, dass die WĂ€hrungshĂŒter die Wirtschaft fĂŒr robust genug halten, höhere Finanzierungskosten zu verkraften. GrundsĂ€tzlich sind hohe Zinsen natĂŒrlich nicht gut fĂŒr die Unternehmen und damit die AktienmĂ€rkte, eben weil sie die Firmenbilanzen belasten und weil Geld aus Aktien in Anleihen fließt. Doch bei den noch immer homöopathisch niedrigen Zinsen besteht diese Gefahr nicht. Noch nicht. Aber die Investoren werden genau beobachten, wie die Fed weiter agiert, begrĂŒndet und prognostiziert.
Die Notenbanken sind enorm mĂ€chtig, ihre Entscheidungen sind fĂŒr die MĂ€rkte extrem wichtig. Vergessen Sie deshalb nie die alte amerikanische Börsenweisheit: Spekuliere nie gegen die Notenbank! Diese Börsenweisheit stimmt fast immer. Gerade im heutigen Börsenumfeld sollte jeder Anleger vermeiden, sich gegen den Wind zu lehnen, der dem Markt aus der Chefetage der Zentralbanken entgegenweht. Das heutige Börsenumfeld, die Jahre nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, ist in viel grĂ¶ĂŸerem Maße als die Vorkrisenjahre oder gar die 1990er-Jahre durch die Eingriffe aller großen Notenbanken der Welt geprĂ€gt. Denn die Zentralbankpolitik von heute besteht, ganz platt gesprochen, vor allem im „Drucken“ von immer mehr Geld.

Der Atem der Notenbanken ist lÀnger als der der Anleger

Dieses Geld wurde wie in den USA in Staatsanleihen investiert oder wie in der Eurozone lange Zeit dem Bankensektor zur VerfĂŒgung gestellt, bevor auch die EuropĂ€er Bonds aufkauften. Die so geschaffene zusĂ€tzliche LiquiditĂ€t im Finanzsystem sucht dann nach Anlagemöglichkeiten. In den vergangenen Jahren fĂŒhrte das zu deutlichen Kursbewegungen an den AktienmĂ€rkten. Viele Leitindizes wie etwa Dow Jones, S&P 500 oder auch der Dax notieren nahe ihren Allzeithochs und haben sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Die AktienmĂ€rkte profitierten von der Politik des billigen Geldes der Notenbanken. Auch wenn die Hausse – Börsendeutsch fĂŒr eine sehr gute Börsenphase – deutlich lĂ€nger andauert als im historischen Vergleich, was einige immer wieder das Ende der Rally ausrufen lĂ€sst: Sich gegen diese Politik zu stellen ist deshalb so gefĂ€hrlich, weil die Notenbanken diese theoretisch unbegrenzt betreiben können. Ihr Atem ist lĂ€nger als der der Anleger. Spekulieren Sie nicht gegen die Notenbanken!
Auch wenn in den USA die Zinsen mittlerweile wieder gestiegen sind, ist ein Ende der Niedrigzinspolitik – in der Eurozone ist es sogar eine Nullzinspolitik – nicht in Sicht. Das kann noch Jahre so weitergehen. Denken Sie nur an Japan. Das Land lebt bereits seit 20 Jahren praktisch ohne Zinsen. Ein gutes Vorbild ist das allerdings nicht. Das Land kommt wirtschaftlich nicht auf die Beine und die Geldschwemme der japanischen Notenbank scheint eigentlich nur einem Wirtschaftsbereich gutzutun: der Immobilienindustrie. Obwohl der Bauboom auch seine Kehrseite hat. WĂ€hrend in Deutschland rund ein Prozent des Bestands leer steht, waren es in Japan im Jahr 2013 nach einer amtlichen Statistik 13,5 Prozent oder 8,2 Millionen HĂ€user. Zu viel gebaut? Es scheint so.
Die Immobilienbranche war ĂŒbrigens auch der Ausgangspunkt der Krise in Japan, die zu der jahrelangen Nullzinspolitik gefĂŒhrt hat. Erinnert Sie das auch an die jĂŒngste Krise? Ein RĂŒckblick: Nach drei Jahrzehnten rasanten Wachstums platzte in Japan Anfang der 1990er-Jahre eine gewaltige Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt. Von der darauf folgenden Rezession hat sich das Land nie mehr wirklich erholt. Die Industrieproduktion in Japan, einst Werkhof der Weltwirtschaft, liegt heute auf dem gleichen Niveau wie 1989. Eine alternde Bevölkerung und strenge Einwanderungsgesetze lassen die Zahl der arbeitsfĂ€higen Japaner sinken. Der japanische Staat verhinderte mit immer neuen Konjunkturprogrammen, dass die Wirtschaft in die Dauerrezession abrutscht. Doch die Wachstumsimpulse waren kurzfristig, nachhaltig stieg nur die Staatsverschuldung: Sie wuchs von knapp 50 Prozent der japanischen Wirtschaftsleistung im Jahr 1990 auf fast 250 Prozent im Jahr 2016.
Zum Vergleich: Griechenland konnte 2010 bereits bei einem Schuldenstand von 150 Prozent seine Verbindlichkeiten nicht mehr allein bedienen. Der entscheidende Unterschied zwischen Japan und Griechenland: Japan hat eine eigene WĂ€hrung und eine Zentralbank, die die Politik des „Deficit Spending“ bereitwillig unterstĂŒtzt. Seit 1995 lag der Leitzins der Bank of Japan nie höher als 0,5 Prozent, seit der Weltfinanzkrise ist er bei symbolischen 0,1 Prozent zementiert. Zugleich kauft die japanische Zentralbank in enormem Umfang japanische Staatsanleihen vom Markt. Der Anteil des Staatshaushalts, den der japanische Finanzminister fĂŒr den Schuldendienst zurĂŒckstellen muss, liegt heute bei moderaten 25 Prozent, etwa ebenso hoch wie zur Jahrtausendwende. Die japanische Bevölkerung lĂ€sst sich diese VoodooÖkonomie gefallen, obwohl die jahrzehntelange Nullzinsphase ihr Erspartes auffrisst. Fast scheint es, als hĂ€tten die Japaner eine neue Art von Gesellschaftsvertrag geschlossen: Die BĂŒrger erlauben Regierung und Notenbank, sie schleichend zu enteignen. DafĂŒr erspart die Politik den BĂŒrgern allzu quĂ€lende Reformen – und lĂ€sst sie in Ruhe alt werden. Auch hier gilt: Bloß nicht gegen die Notenbanken spekulieren.
Es gibt aber auch Experten, die diese Börsenweisheit durchaus kritisch sehen. Sie glauben, dass an ihr nur teilweise etwas dran ist. Der bekannte Börsenprofessor und Fondsmanager Max Otte ist einer davon. NatĂŒrlich sagt auch er, dass die Notenbanken – insbesondere die Fed – ĂŒber ihre Geldpolitik einen enormen Einfluss haben. „Allerdings sind die Notenbanken nicht allmĂ€chtig“, fĂŒgt er hinzu. „Seit 1987 kennt die Notenbankpolitik nur eine Richtung: expansiv – sehr expansiv – ultraexpansiv.“ Man dĂŒrfe nicht vergessen, dass die Notenbanken staatliche Akteure seien und dass die planwirtschaftliche Beeinflussung von MĂ€rkten nur bis zu einem gewissen Punkt funktioniere, mahnt er. „Kurzfristig durch einen Politikwechsel der Notenbank kalt erwischt zu werden kann man nicht ausschließen – wenn man kurzfristig spekuliert“, so Otte.
Den einen oder anderen Vorgeschmack bekamen Börsianer bereits. Beispielsweise im Mai 2013. Damals schockierte der scheidende Fed-Chef Ben Bernanke die MĂ€rkte mit der AnkĂŒndigung des Einstiegs in den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes. Die RĂŒckschlĂ€ge waren allerdings schnell wettgemacht und die Rally an den Weltbörsen ging weiter. Doch wie lange noch? Wer weiß das schon genau? Niemand. Die meisten Marktteilnehmer glauben im Sommer 2017, dass die Aussichten fĂŒr die AktienmĂ€rkte trotz des mehr als siebenjĂ€hrigen Börsenaufschwungs weiter gut sind. Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik hin oder her, die Fed und die WĂ€hrungshĂŒter rund um den Globus werden weiterhin alles tun, um die Konjunktur zu stĂ€rken. Zur Not auch mit unkonventionellen Maßnahmen: Ihr Repertoire reicht dabei von Strafzinsen fĂŒr Banken ĂŒber Nullzinsen bis hin zu weiter sprudelnden Geldquellen. Weil ihre bisherigen Maßnahmen die Konjunktur nicht so stark belebt haben, dass sie der Arbeitslosigkeit Herr werden konnten, werden Fed-Chefin Janet Yellen und EZB-Chef Mario Draghi ihrer Politik treu bleiben. Davon profitieren die AktienmĂ€rkte.

Der große Aufschwung blieb bisher aus

Trotz der umfassenden Maßnahmen erholt sich die Weltwirtschaft bisher nur im Kriechgang von den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise. In der Zeit von 1980 bis 2007 lag das durchschnittliche jĂ€hrliche Wirtschaftswachstum der IndustrielĂ€nder basierend auf Daten des Internationalen WĂ€hrungsfonds (IWF) bei 2,84 Prozent. Von 2010 bis 2015, also in der Periode nach der Finanzkrise, fiel das Wachstum in den IndustrielĂ€ndern mit 1,3 Prozent sehr viel schwĂ€cher aus. Doch von dieser SchwĂ€chephase erholt sich das globale Wirtschaftswachstum bereits wieder: Der IWF prognostiziert fĂŒr 2017 immerhin 3,4 Prozent Wachstum und fĂŒr das Jahr 2018 sogar 3,6 Prozent. Im Jahr 2016 ging es um 3,1 Prozent aufwĂ€rts. Das darf aber nicht darĂŒber hinwegtĂ€uschen, dass die Wirtschaft in vielen LĂ€ndern und Regionen noch immer sehr schwach ist. Japan steckt in der Dauerstagnation fest. In E...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort von Max Otte
  6. 1. Spekulieren Sie niemals gegen die Notenbanken.
  7. 2. Meine einfache Börsenformel lautet: Börsentendenz = LiquiditÀt + Psychologie
  8. 3. Börsenkurse sind wie Stöckelschuhe, je höher, desto besser.
  9. 4. Ein SchnĂ€ppchen mit Aktien verhĂ€lt sich zur Geldanlage wie ein StĂŒck Sahnetorte zur gesunden ErnĂ€hrung.
  10. 5. Die Hausse stirbt in der Euphorie.
  11. 6. Man muss der Börsentendenz entgegengehen, nicht nachlaufen.
  12. 7. Das Geheimnis des erfolgreichen BörsengeschĂ€fts liegt darin, zu erkennen, was der DurchschnittsbĂŒrger glaubt, dass der DurchschnittsbĂŒrger tut.
  13. 8. Der Verlust ist die Notbremse der wilden Spekulation.
  14. 9. Der einzige Investor, der nicht diversifizieren sollte, ist derjenige, der immer zu 100 Prozent richtigliegt.
  15. 10. Hin und Her macht Taschen leer.
  16. 11. Die Börse benimmt sich oft wie ein Alkoholiker: Bei guten Nachrichten weint sie, bei schlechten lacht sie.
  17. 12. Die Börse ist wie eine Skatpartie: Man muss mit guten Karten mehr gewinnen, als man mit schlechten Karten verliert.
  18. 13. Risiko entsteht dann, wenn Anleger nicht wissen, was sie tun.
  19. 14. Kurzfristig ist die Börse eine Abstimmungsveranstaltung, langfristig ist sie ein WÀgemechanismus.
  20. 15. Das GefĂ€hrlichste an der Börse ist die Überraschung. Dabei können nur die wenigsten Börsianer ihre Ruhe und ObjektivitĂ€t bewahren.
  21. 16. Mit dem Hintern verdient man mehr als mit dem Hirn.
  22. 17. Die Börse ist keine Einbahnstraße.
  23. 18. Der Anleger ist sein eigener schlimmster Feind.
  24. 19. An der Börse ist zwei mal zwei niemals vier, sondern fĂŒnf minus eins. Mann muss nur die Nerven, die Geduld und das Geld haben, das minus eins durchzuhalten.
  25. 20. FĂŒr den Erfolg an der Börse braucht es die vier Gs: Geld, Gedanken, Geduld und GlĂŒck.
  26. Glossar