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Wer behauptet, nur MĂ€nner seien zu blutrĂŒnstigen Taten fĂ€hig, irrt gewaltig. Die vorliegende Chronik weiblicher Tyrannenherrschaft prĂ€sentiert eine Galerie ungewöhnlicher Frauengestalten: grausame Herrscherinnen, welche die regierenden MĂ€nner ihrer Zeit das FĂŒrchten lehrten und durch ihre BlutrĂŒnstigkeit und Machtbesessenheit Geschichte schrieben.Von den Amazonen ĂŒber die mĂ€chtigsten Frauen Roms - Livia, Messalina und Agrippina - Englands "Bloody Mary" die ungarische BlutgrĂ€fin Bathory bis hin zu Katharina der GroĂen gibt diese Textsammlung verblĂŒffende Einblicke in das Handeln von Frauen, die ihre Ziele nur mit Grausamkeit und Unmenschlichkeit zu erreichen glaubten.
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Information
KAPITEL 1
Am Anfang regierte die Frau â Mythos oder RealitĂ€t?
Politik ist heute unbestritten eine MĂ€nnerdomĂ€ne. Den Frauen ist in vielen Teilen der Welt der Zugang zur Politik verwehrt, und dass Frauen gemÀà ihrem Anteil an der Bevölkerung die Geschicke eines Landes bestimmen, bleibt eher die Ausnahme. Es gibt eine Reihe gewĂ€hlter weiblicher Regierungschefs, allerdings meist in der Dritten Welt, wie Indira Gandhi in Indien, Sirimawo Bandaranaike in Sri Lanka, Golda Meir in Israel, Benazir Bhutto in Pakistan, Corazon Aquino auf den Philippinen und Tansu Ciler in der TĂŒrkei. Diese Tatsache ist umso erstaunlicher, wenn man die wenigen Beispiele aus der Ersten und Zweiten Welt daneben stellt. Die wenigen Frauen aus westeuropĂ€ischen LĂ€ndern, die in ihrem Land eine FĂŒhrungsrolle einnahmen, ĂŒberragt die englische Premierministerin Margaret Thatcher, die als âEiserne Ladyâ eine wichtige Rolle in der Weltpolitik spielte.
Dass die âgroĂe Politikâ reine MĂ€nnersache ist, zeigen auch die ehemaligen sozialistischen LĂ€nder. Trotz der propagierten Ideologie von der Gleichstellung von Mann und Frau haben Frauen nur aus dem Hintergrund heraus stark in die Politik dieser LĂ€nder eingegriffen. Bekannte Beispiele von âstarken Frauenâ in den ehemals sozialistischen Staaten sind die vierte Ehefrau Maos, Tschiang Tsching, und auch Elena CeauĆescu, einst die mĂ€chtigste Frau RumĂ€niens.
Der RĂŒckstand der fortschrittlichen Industrienationen hinter den LĂ€ndern der Dritten Welt erklĂ€rt sich daraus, dass die Gesellschaften der DrittweltlĂ€nder weniger demokratisiert sind und der Einfluss der alten herrschenden Familien ungebrochen ist. Wenn in diesen Familien ein geeigneter mĂ€nnlicher Kandidat fĂŒr das höchste Staatsamt fehlt, mĂŒssen die Töchter die Funktion der Regierungschefin ĂŒbernehmen. Die vergleichsweise hohe Zahl von weiblichen Regierungschefs in der Dritten Welt ist letztlich nur ein Beweis dafĂŒr, dass diese Gesellschaften zwar eine demokratische Verfassung haben, aber nach wie vor von mĂ€chtigen Familien beherrscht werden.
Dieses fĂŒr die Frauen negative Bild verĂ€ndert sich schlagartig, wenn wir einen Blick in die FrĂŒhzeit der Menschheit werfen. In vielen Kulturen war der Einfluss der Frauen so dominant, dass sie nicht nur dem Mann in der Ehe eine untergeordnete Rolle zuwiesen, sondern das gesamte politische Geschehen eines Landes bestimmten. Die Kinder waren nur mit der Mutter verwandt, die ihnen auch den Namen gab. Es war selbstverstĂ€ndlich, dass der Mann nach der Heirat zur Frau ziehen musste. Frauen kĂ€mpften neben ihren MĂ€nnern gegen feindliche Heere oder zogen, wie die berĂŒhmten Amazonen, ohne mĂ€nnliche UnterstĂŒtzung ins Feld. In diesen Kulturen war die hohe Politik eine ausschlieĂliche FrauendomĂ€ne.
Hinweise auf diese einstige Frauenmacht finden sich in den schriftlichen Zeugnissen vieler Kulturen auf allen Kontinenten, insbesondere aber in den Berichten europĂ€ischer Forschungsreisender. Besonders ergiebig sind die Zeugnisse aus der griechisch-römischen Antike. Die griechische Mythologie hat sich dieser Rollenverteilung zwischen Mann und Frau angenommen und in der ErzĂ€hlung von Omphale und Herakles die einstige Vorherrschaft der Frauen so eindrucksvoll beschrieben, dass es die KĂŒnstler vieler Jahrhunderte zu Nachgestaltungen anregte. Nach der Ăberlieferung musste der Held Herakles, nachdem er in einem Anfall von Raserei einen Königssohn von einer Mauer gestoĂen hatte, auf Befehl des delphischen Orakels drei Jahre lang bei Omphale dienen, der Königin von Lydien, einem Gebiet in der heutigen TĂŒrkei. Diese Königin war eine sehr strenge und launische Herrin, die des Ăfteren dem Heros ihre Pantoffeln ins Gesicht schlug. Trotzdem verliebte sich Herakles in diese Königin und ging sogar so weit, dass er einwilligte, seine mĂ€nnliche Kleidung gegen Frauenkleider zu tauschen und weibliche Arbeiten wie Weben zu verrichten. Omphale nahm ihrerseits die Symbole dieses bekannten griechischen Helden, sein BĂ€renfell und seine Keule, an sich und vollbrachte ĂŒberall Heldentaten wie Herakles. Da man den historischen Hintergrund dieser ErzĂ€hlung in der Antike vergessen hatte, wurde diese ErzĂ€hlung in der praktischen Tagespolitik zur Verunglimpfung politischer Gegner benutzt. Die griechische Lebedame Aspasia, die Geliebte des berĂŒhmten Perikles, oder Kleopatra, die LebensgefĂ€hrtin von Antonius, dem Gegner des spĂ€teren Kaisers Augustus, erhielten den Beinamen âneueâ oder âzweite Omphaleâ.
Es vergingen fast zweitausend Jahre, bis ein Gelehrter aus der Schweiz die zahlreichen Zeugnisse von der einstigen dominierenden Rolle der Frau umfassend untersuchte und historisch einzuordnen versuchte. Der Jurist Johann Jakob Bachofen (1815â1887) veröffentlichte 1861 ein Aufsehen erregendes Buch mit dem Titel âDas Mutterrechtâ, der durch den Untertitel âEine Untersuchung ĂŒber die GynĂ€kokratie der alten Welt und ihrer religiösen und rechtlichen Naturâ nĂ€her erlĂ€utert wird. In diesem heute schwer verstĂ€ndlichen Werk versucht Bachofen den Nachweis zu erbringen, dass der heutigen Vorherrschaft des Mannes, dem Patriarchat, eine in allen Kulturen verbreitete Frauenherrschaft, die er als das âMutterrechtâ oder mit dem griechischen Namen GynĂ€kokratie bezeichnet, voranging. In den sich anschlieĂenden Fachdiskussionen wurde fĂŒr eine solche von den Frauen dominierte Gesellschaft die Bezeichnung âMatriarchatâ ĂŒblich. Bei den Fachkollegen Bachofens fand diese Arbeit wenig Beifall, da sie von den ĂŒblichen Methoden der Geschichtswissenschaft abwich. Bachofen nĂ€mlich entwickelt seine Theorie weniger aus den spĂ€rlichen Mitteilungen der griechischen Historiker, sondern zieht die griechischen Mythen heran, denen er den Rang von historischen Quellen einrĂ€umt. FĂŒr ihn steht fest, dass die Mythen eine Erinnerung an reale geschichtliche VorgĂ€nge enthalten. Diese Erinnerung ist ein getreuer Ausdruck der Lebensgesetze der damaligen Zeit. Die zeitgenössische Wissenschaft nahm diese EinschĂ€tzung der Mythen mit KopfschĂŒtteln zur Kenntnis und bezeichnete den Autor des âMutterrechtsâ als einen âromantischen SchwĂ€rmerâ.
Ausgangspunkt der Untersuchungen Bachofens ist eine Textstelle bei dem griechischen Historiker Herodot (480â426 v. Chr.), der nach ausgedehnten Reisen und einer umfangreichen SammeltĂ€tigkeit ein in neun BĂŒcher eingeteiltes Geschichtswerk veröffentlichte. Darin bemerkt Herodot ĂŒber die Sitten der Lykier, einem kleinasiatischen Volksstamm:
âIhre BrĂ€uche sind teils kretischer, teils karischer [Karier: kleinasiatischer Volksstamm] Herkunft. Doch haben sie folgenden Sonderbrauch, in welchem sie mit keinen anderen Menschen ĂŒbereinstimmen. Sie nennen sich nĂ€mlich nach ihren MĂŒttern und nicht nach ihren VĂ€tern. Wenn einer den anderen fragt, wer er sei, wird er das Geschlecht seiner Mutter angeben und deren MĂŒtter aufzĂ€hlen.â
Diese Mitteilung Herodots ergĂ€nzt Bachofen durch andere Quellen. So berichtet ein Historiker namens Herakleides Pontikos hundert Jahre nach Herodot ĂŒber die Lykier:
âDie Lykier leben vom Beute machen. Gesetze haben sie nicht, sondern nur BrĂ€uche, und seit alten Zeiten werden sie von Frauen beherrscht.â
Dieser Herakleides benutzte zuerst das Wort âGynĂ€kokratieâ, das von dem Philosophen Aristoteles mit der Beschreibung âFrauen, die auĂer Kontrolle geratenâ erlĂ€utert wird. Nach Meinung von Aristoteles geschieht dies insbesondere dann, wenn sich eine Demokratie in eine Tyrannis verwandelt. Dann sei es auch möglich, dass Frauen die Herrschaft im Staat ĂŒbernehmen.
Zwei Jahrhunderte spÀter beschreibt Nikolaus von Damaskus die Sitten der Lykier so:
âDie Lykier erweisen den Frauen mehr Ehre als den MĂ€nnern. Sie nennen sich nach der Mutter und vererben ihre Hinterlassenschaft auf die Töchter und nicht auf die Söhne.â
Diese Textstellen bei den antiken Historikern, die Bachofen als Ausgangspunkt fĂŒr seine Theorie von einem ursprĂŒnglichen Mutterrecht heranzieht, beweisen zunĂ€chst nur, dass bei diesem kleinasiatischen Volk die Frauen bei der Namensgebung und dem Erbrecht bestimmend sind. Im Gegensatz zu den fortgeschrittenen indoeuropĂ€ischen Völkern wie den Griechen und den Römern wĂŒrden Völkerschaften wie die Lykier einen Ă€lteren Zustand der Zivilisation reprĂ€sentieren. Diese Abstammung in der weiblichen Linie, die von der Fachwissenschaft als MatrilinearitĂ€t bezeichnet wird, unterscheidet sich aber von der Frauenherrschaft, der GynĂ€kokratie, in der eine Frau die politische Macht besitzt. Fraglich ist, ob die kurze Mitteilung des Herakleides Pontikos ausreicht, bei den Lykiern eine von alters her ĂŒbliche Frauenherrschaft zu vermuten. FĂŒr den Philosophen Aristoteles bedeutet Frauenherrschaft nur einen momentanen Zustand der Regierung wĂ€hrend des Zerfallsprozesses einer Demokratie. Die moderne Völkerkunde kennt neben der Frauenherrschaft und dem weiblichen Namens- und Erbrecht noch andere Formen, die eine Machtposition der Frauen in Staat und Gesellschaft beschreiben. Die griechischen Quellen lassen unerwĂ€hnt, ob die MĂ€nner, wie dies bei einer von Frauen geprĂ€gten Gesellschaft ĂŒblich ist, ihre Heimat bzw. ihr Elternhaus verlassen und zu ihren Ehegattinnen ziehen mĂŒssen. Diese als MatrilokalitĂ€t bezeichnete Sitte und die schon erwĂ€hnte MatrilinearitĂ€t können so weit durch zusĂ€tzliche Vorrechte der Frauen gesteigert werden, dass der Eindruck entsteht, die gesamte Gesellschaft ist auf die Frauen ausgerichtet. Da die Struktur auf die Frauen ausgerichtet ist und sie somit im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen, spricht man auch von einer MatrifokalitĂ€t. In einer solchen Gesellschaft ist es auch durchaus möglich, dass eine Frau als Königin die TrĂ€gerin der politischen Macht ist, sich aber von den Regierungsfunktionen zurĂŒckzieht. Sie hat eine Schar vertrauter MĂ€nner um sich, die an ihrer Stelle regieren.
Neben den genaueren Unterscheidungen der möglichen Formen weiblicher Vormacht in Staat und Gesellschaft versuchte man Bachofens Deutung der Gesellschaft der Lykier durch die Ergebnisse der Altertumswissenschaft zu widerlegen. Anhand der Inschriften, die in Lykien gefunden wurden, konnte der Nachweis erbracht werden, dass in diesem Gebiet das weibliche Namensrecht und die MatrilokalitĂ€t stark ausgeprĂ€gt waren. Diese weibliche Dominanz findet sich nicht nur bei den Lykiern, sondern auch bei ihren unmittelbaren Nachbarn an der kleinasiatischen KĂŒste, den Lydern. Im Gegensatz zu den lykischen Inschriften, die alle in einer hethitischen Sprache abgefasst sind, finden sich bei den Lydern zahlreiche Zeugnisse aus der römischen Zeit. Sie bestĂ€tigen, dass zwar weniger Frauen als MĂ€nner politische Ămter innehatten, aber dennoch eine Reihe von Frauen in auffĂ€lliger Weise eine wichtige Rolle in Staat und Gesellschaft spielten. Diese Rolle der Frauen in Lydien wurde lange Zeit verkannt, weil man irrtĂŒmlich glaubte, sie hĂ€tten nur unwichtige religiöse Ămter bekleidet. TatsĂ€chlich hatten sie in nicht unerheblicher Zahl hohe StaatsĂ€mter inne, die man als die höchsten WĂŒrden in den kleinasiatischen StĂ€dten bezeichnen könnte.
Da Bachofens Gegner diese Erscheinung nicht als Ăberrest der einstigen herausragenden Stellung der Frau in diesen Gebieten deuten wollten, verwiesen sie darauf, dass offenbar die adligen Familien wegen des Mangels an geeigneten mĂ€nnlichen Kandidaten auf ihre Töchter zurĂŒckgreifen mussten. Diese Zwangslage der FĂŒhrungsschicht in Lydien lieĂe sich mit Ă€hnlichen Problemen der alten herrschenden Familien in den LĂ€ndern der Dritten Welt vergleichen, deren Töchter notgedrungen das Regierungsamt ĂŒbernehmen mussten, damit ihre Familie nicht die politische Macht verliert.
Bachofen, dem seine Gegner vorwarfen, er habe durch die Annahme eines ursprĂŒnglichen Mutterrechts oder der GynĂ€kokratie die Geschichte durch eine âromantische Weiberzentrierung erotisiertâ, unterscheidet in diesem Kulturzustand verschiedenen Stufen und Perioden. Nach Bachofen haben sich zunĂ€chst die physisch unterlegenen Frauen im wirtschaftlichen Bereich gegen die MĂ€nner durchgesetzt. Mit ihrem jeweiligen Geschlechtspartner gingen die Frauen keine Ehe ein, sondern mehrere Frauen lebten mit mehreren MĂ€nnern zusammen. FĂŒr diesen Urzustand des Mutterrechts benutzt Bachofen die Bezeichnung HetĂ€rismus. Da wegen des regellosen Zusammenlebens die Abstammung nicht eindeutig zu bestimmen war, erhielten die Kinder den Namen ihrer Mutter. Diese freie Geschlechtergemeinschaft war auch mit gemeinsamem Besitz verbunden. Nach Bachofens Ansicht war diese Gruppenehe eine versteckte Form des Missbrauchs der Frauen durch die MĂ€nner. Dagegen setzten sich die Frauen zur Wehr und fĂŒhrten regelrechte Kriege gegen die MĂ€nner. Diese kriegerischen und wehrhaften Frauen, in deren Reihen die MĂ€nner keinen Platz hatten, sind die berĂŒhmten Amazonen. Wenn diese Amazonen ein Gebiet erobert hatten, lieĂen sie sich nieder und grĂŒndeten StĂ€dte. Dieser dritte und letzte Zustand des Mutterrechts vor dem Wechsel zur Herrschaft der MĂ€nner ist die geordnete GynĂ€kokratie oder das eigentliche Mutterrecht, das in den historischen Quellen beschrieben wird. Kennzeichnend fĂŒr diesen Zustand ist die monogame Ehe, in der eine Frau mit einem Mann zusammenlebt. Aber Bachofen glaubt, dass wie bei den Lykiern in dieser Phase die Frauen herrschten. Diese letzte Form des Mutterrechts wurde allmĂ€hlich durch die Herrschaft der MĂ€nner abgelöst. Ausdruck dieses Sieges des Patriarchats ĂŒber das Mutterrecht war die Machtposition des römischen Mannes, der in der Familie die absolute Gewalt hatte, einschlieĂlich ĂŒber Leben und Tod seiner Familienmitglieder. Beweise fĂŒr dieses dreistufige Mutterrecht glaubt Bachofen auĂer bei den Lykiern in der Kultur der Griechen, Kreter, Ăgypter, Libyer, afrikanischen Völker und Inder zu finden.
Bei den alten Ăgyptern fand Bachofen in einer Mitteilung des schon erwĂ€hnten griechischen Historikers Herodot einen Hinweis auf diese uralte Frauenmacht. In seiner Beschreibung der Sitten der alten Ăgypter hebt Herodot folgenden Brauch hervor:
âBei ihnen sitzen die Frauen auf dem Markt und machen GeschĂ€fte, wĂ€hrend die MĂ€nner zu Hause sind und weben. Die Söhne haben keine Unterhaltsverpflichtungen gegen ihre Eltern, wohl aber die Töchter.â
Der Geschichtsschreiber Diodor (Diodorus Siculus), in des- sen Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts erschienenem Werk viele Notizen ĂŒber die Stellung der Frauen enthalten sind, ergĂ€nzt den Bericht Herodots durch die Mitteilung ĂŒber merkwĂŒrdige Gesetze, nach denen angeordnet wurde, dass die Königin eine gröĂere Macht und Ehre als der König haben sollte. Bei Privatpersonen sollten die Gattinnen AutoritĂ€t ĂŒber ihre EhemĂ€nner ausĂŒben. Von diesen sollte durch einen Vertrag ausdrĂŒcklich gebilligt werden, dass sie den Frauen gehorchen mĂŒssen.
Die Frau hat im alten Ăgypten seit der FrĂŒhzeit eine herausragende Rolle gespielt. Bis in die römische Zeit waren Frauen gegenĂŒber den MĂ€nnern in Eigentums- und Erbschaftsangelegenheiten bevorzugt. Die groĂe Freiheit der Frauen zeigte sich auch beim Abschluss der Ehe. Bis weit in die römische Zeit hinein war es den Ă€gyptischen Frauen erlaubt, sich den Mann selbst zu wĂ€hlen und sich von ihm nach Zahlung einer EntschĂ€digung wieder zu trennen.
Die Untersuchung der Abstammungslinien der königlichen Familien in Ăgypten ergab, dass das Königtum mĂŒtterlicherseits vererbt wurde. Die Erben des Ă€gyptischen Thrones waren nicht die Söhne, sondern die Töchter. Vermutlich war dieser Brauch dafĂŒr verantwortlich, dass in den königlichen Familien die Geschwisterehe ĂŒblich war, weil auf diese Weise der Sohn Anteil an der politischen Macht erhalten konnte. Bachofen versucht diesen Brauch mit Hilfe der Mythologie zu erklĂ€ren. Er sieht nĂ€mlich in der Geschwisterehe den historischen Beleg fĂŒr den Mythos von Isis und Osiris, nach dem sich Isis mit ihrem Bruder Osiris vereinigt. Symbolisch wird dieses Geschehen dargestellt durch die weibliche Erde, die von dem mĂ€nnlichen Nil befruchtet wird.
In Ăgypten, das die Ă€lteste der von Bachofen angefĂŒhrten Kulturen ist, haben sich Ăberreste einer starken Vormachtstellung der Frauen erhalten, die weit ĂŒber die Namensgebung und das Erbrecht der lykischen Frauen hinauszugehen scheinen.
Ăhnliche VerhĂ€ltnisse entdeckte Bachofen in dem mit dem alten Ăgypten und Lykien historisch verbundenen Kreta. Dort lassen sich Ă€gyptische EinflĂŒsse nachweisen, und ein Teil der kretischen Bevölkerung flĂŒchtete nach der Eroberung von Knossos nach Lykien. Neben einigen Hinweisen aus der Mythologie stĂŒtzt sich Bachofen bei dem Nachweis des Mutterrechts im alten Kreta auf eine Information der beiden berĂŒhmten Griechen Plato und Plutarch. Beide berichten, dass die Kreter ihre Insel nicht âVaterlandâ sondern âMutterlandâ nennen. Plutarch hebt noch hervor, dass die kretischen MĂ€dchen und Frauen auch bei den Kampfspielen zuschauen dĂŒrften. Fresken zeigten, wie sie am öffentlichen Leben teilnĂ€hmen und sich sogar am Stierspringen beteiligten. Bei diesem Spiel packte man einen Stier bei den Hörnern und sprang mit einem Salto ĂŒber seinen RĂŒcken hinweg, um dann hinter dem Tier wieder stehend zu landen.
Einen wichtigen Beweis fĂŒr die starke Stellung der Frauen lieferte die kretische Religion. Weibliche Gottheiten waren dort nĂ€mlich erheblich zahlreicher als mĂ€nnliche. Priesterinnen, als Statuen mit entblöĂten BrĂŒsten dargestellt, wachten ĂŒber die religiösen Handlungen. Die Teilnahme der MĂ€nner an den religiösen Riten war offensichtlich erst eine spĂ€tere Erscheinung. Das Ăberwiegen der weiblichen Gottheiten und die herausragende Stellung der Priesterinnen erklĂ€rt sich dadurch, dass das Geschlecht der Gottheiten durch das Geschlecht derer bestimmt worden war, in deren HĂ€nden die Macht war.
Diese drei LÀnder reprÀsentieren einen Kulturzustand, der von Völkern geformt wurde, die zu den alten Mittelmeervölkern gehörten und diesen Raum schon vor den Indogermanen und Semiten bewohnten. In dieser Kulturzone herrschte das weibliche Namensrecht vor, das sich bis zu einer Vormachtstellung der Frauen in der Gesellschaft ausdehnen konnte. Eine politische Frauenherrschaft oder GynÀkokratie ist unter diesen Voraussetzungen denkbar.
Zu dieser alten Kulturzone des Mittelmeerraumes gehörten auch die Libyer. Von diesem Volk schreibt der schon erwÀhnte Diodorus Siculus:
âAlle AutoritĂ€t lag bei der Frau, in deren Hand alle Arten der öffentlichen Verantwortungen lagen. Die MĂ€nner dagegen kĂŒmmerten sich um die hĂ€uslichen Angelegenheiten, wie die Frauen es bei uns tun. Sie mĂŒssen sich nach den Anweisungen der Ehefrauen richten. Ihnen ist es grundsĂ€tzlich verboten...
Table of contents
- Cover
- Titel
- Impressum
- INHALTSVERZEICHNIS
- KAPITEL 1 Am Anfang regierte die Frau â Mythos oder RealitĂ€t?
- KAPITEL 2 Das Weltreich der Amazonen
- KAPITEL 3 Zwei orientalische Despotinnen: Hatschepsut und Semiramis
- KAPITEL 4 Starke Frauen auf dem Drachenthron: die Kaiserinnen Ta-ki Wu und TsĂŒ-hsi
- KAPITEL 5 Blutrausch und CĂ€sarenwahn: Livia, Messalina und Agrippina
- KAPITEL 6 Die blutdĂŒrstige Fredegunde â Eine Despotin aus dem FrĂŒhmittelalter
- KAPITEL 7 Katharina von Medici â Die SchlĂ€chterin der Protestanten
- KAPITEL 8 Bloody Mary â Maria die Blutige
- KAPITEL 9 Die Herzogin von Montespan â Eine Satanistin beherrscht Ludwig XIV
- KAPITEL 10 Die BlutgrĂ€fin Bathory â Der gröĂte Vampir aller Zeiten
- KAPITEL 11 Christine von Schweden â Eine âbarbarische FĂŒrstinâ
- KAPITEL 12 Katharina II. â Zarin der Lust und zynische Despotin
- KAPITEL 13 Die grausame Ranavalona I. â Eine afrikanische Herrscherin
- NACHWORT
- LITERATURVERZEICHNIS
- PERSONENINDEX