Schöpfung und Fall
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Schöpfung und Fall

Theologische Auslegung von Genesis 1 bis 3

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Schöpfung und Fall

Theologische Auslegung von Genesis 1 bis 3

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In den Wochen vor und nach der sog. Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30.1.1933 legt Dietrich Bonhoeffer in einer Vorlesung an der Berliner Universität die ersten drei Kapitel der Bibel als Buch der Kirche aus. Er liest die Schöpfungsgeschichte von Christus her und auf ihn hin, weil Christus die Mitte der Weltgeschichte ist. Nicht der Nationalsozialismus, sondern allein Jesus Christus ist der Anfang, das Neue, und damit auch das Ende des Alten.

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Information

Genesis 1

Der Anfang (1,1-2)

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war wüst und leer; und es war finster auf der Tiefe. Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“
An dem Ort, an dem die leidenschaftlichsten Wellen unseres Denkens branden, in sich selbst zurückgeworfen werden und ihre Kraft verschäumen, setzt die Bibel ein. Kaum ist uns ihr erstes Wort für einen Augenblick sichtbar geworden, da rasen schon wieder die Wogen heran und umhüllen es mit Kronen von Schaum. Dass die Bibel vom Anfang redet, das bringt die Welt, das bringt uns auf. Denn wir können nicht vom Anfang reden, dort wo der Anfang anfängt, hört unser Denken auf, ist es am Ende. Und doch ist es die innerste Leidenschaft unseres Denkens, es ist das, was jeder echten Frage letzten Endes Existenz verleiht, dass wir nach dem Anfang fragen wollen. Wir wissen, dass wir dauernd nach dem Anfang fragen müssen und dass wir doch nie nach ihm fragen können. Warum nicht? Weil wir den Anfang nur als Unendliches, also gerade als das Anfanglose denken können. Weil der Anfang die Freiheit ist und wir die Freiheit immer nur in der Notwendigkeit denken können, also als das eine unter anderem, aber nie als das Eine schlechthin vor allem anderen. Fragen wir, warum dies so sei, dass wir immer vom Anfang her und in Bezug auf ihn hin denken und ihn doch nie denken, ja nicht einmal erfragen können, so ist dieses „Warum?“ wieder nur der Ausdruck für eine Reihe, die ins Endlose zurückgetrieben werden könnte und doch den Anfang nicht erreichte. Das Denken kann sein eigenes letztes „Warum“ nie beantworten, weil auch diese Antwort wieder ein „Warum“ gebären würde. Das „Warum“ ist vielmehr der Ausdruck für das anfanglose Denken κατ᾽ ἐξοχήν [kat’ exochēn 17]. Unser Denken, d. h. das Denken derer, die zu Christus müssen, um von Gott zu wissen, der gefallenen Menschen, ist anfanglos, weil es ein Ring ist. Wir denken im Ring. Wir fühlen und wollen aber auch im Ring. Wir existieren im Ring. Es besteht die Möglichkeit zu sagen, es sei dann eben überall Anfang; dem steht aber ebenso legitim der andere Satz gegenüber, es sei eben darum überhaupt kein Anfang. Das Entscheidende aber ist dies, dass das Denken diesen Ring für das Unendliche, Anfängliche selbst hält und sich doch damit in einen circulus vitiosus18 verwickelt. Denn dort, wo es sich auf sich selbst als das Anfängliche richtet, setzt es sich selbst als Objekt, als Gegenstand seiner selbst, zieht sich also selbst immer wieder hinter diesen Gegenstand zurück, bzw. ist jeweils vor dem Gegenstand, den es setzt. Es ist ihm also unmöglich, diese letzte Aussage über den Anfang zu machen. Am Anfang zerreibt sich das Denken. Weil das Denken auf den Anfang hin will und ihn doch nie wollen kann, darum ist alles Denken ein sich selbst Zerreiben, ein An-sich-selbst-Scheitern, Zerbrechen, Zergehen angesichts des Anfangs, den es will und nicht wollen kann. Darum ist die hegelsche Frage: „Wie gewinnen wir einen Anfang in der Philosophie?“ nur durch einen Gewaltstreich der Inthronisierung der Vernunft an Gottes statt zu beantworten. Darum ist kritische Philosophie die systematische Verzweiflung an ihrem eigenen, an jedem Anfang. Ob sie stolz auf das verzichtet, was sie nicht vermag oder ob ihre Resignation zu ihrer völligen Destruktion führt, es ist im Grund derselbe Hass des Menschen gegen den Anfang, den er nicht kennt. Der Mensch lebt nicht mehr im Anfang, sondern er hat den Anfang verloren – nun findet er sich vor in der Mitte, weder um das Ende noch um den Anfang wissend, und doch dies wissend, dass er in der Mitte ist, dass er also vom Anfang herkommt und aufs Ende hinmuss. Er sieht sein Leben bestimmt durch jenes beides, von dem er nur weiß, dass er es nicht kennt. Das Tier weiß nicht um Anfang und Ende. Darum kennt das Tier keinen Hass und keinen Stolz. Der Mensch, der sich seiner eigenen Bestimmung gänzlich beraubt weiß, weil er vom Anfang her und zum Ende hin ist, ohne zu wissen, was das heißt, hasst den Anfang und ist stolz gegen ihn.
Es kann darum für den Menschen schlechterdings nichts Beunruhigenderes, nichts Aufregenderes geben, als wenn einer vom Anfang redet, als sei es nicht das gänzlich unsagbare, unaussprechliche dunkle Jenseits meiner blinden Existenz; man wird über ihn herfallen, man wird ihn den Erzlügner oder den Heiland selbst nennen, und man wird ihn töten, wenn man hört, was er sagt. Wer kann es sagen? Entweder der, der der Lügner ist, von Anfang an der Böse, für den der Anfang Lüge und die Lüge der Anfang ist, der Böse, dem der Mensch glaubt, weil er ihn belügt. Und weil er lügt, darum wird er sagen: Ich bin der Anfang und du Mensch bist der Anfang. Du warst von Anfang an mit mir. Ich habe dich gemacht zu dem, was du bist, und bei mir ist dein Ende aufgehoben. Ich bin der Anfang und das Ende, das A und das O; bete mich an, ich bin die Wahrheit, aus der die Lüge kommt; denn ich bin die Lüge, die die Wahrheit erst gebiert. Du bist der Anfang und du bist das Ende, denn du bist in mir; glaube mir, dem Lügner von Anfang her, lüge, so bist du im Anfang und ein Herr der Wahrheit. Entdecke deinen Anfang selbst. So spricht der Böse, weil er von Anfang an der Lügner ist. Entweder er spricht, oder aber es spricht der andere, der von Anfang an die Wahrheit ist und der Weg und das Leben, der im Anfang war, Gott selbst, Christus, der Heilige Geist. Niemand kann vom Anfang reden als der im Anfang war. So beginnt die Bibel mit der freien Selbstbestätigung, Selbstbezeugung, Offenbarung Gottes: „Im Anfang schuf Gott …“ Aber kaum wird dieser Fels im Meer einen Augenblick sichtbar, so ist er schon wieder überschüttet von dem durch diesen Anblick des Unerschütterlichen zum Rasen gebrachten Meer. Was heißt es, dass im Anfang Gott ist? Welcher Gott? Dein Gott, den du dir machst aus der eigenen Not, weil du einen Götzen brauchst, weil du nicht leben magst ohne den Anfang, ohne das Ende, weil dir die Mitte Angst macht? Im Anfang ist Gott, das ist eben deine Lüge, die nicht besser, sondern feiger ist als die des Bösen selbst. Woher weißt du, Unbekannter, der du diesen Satz schriebst, vom Anfang, hast du es gesehen, warst du am Anfang dabei? Spricht nicht dein Gott selbst zu dir: „Wo warst du, da ich die Erde gründete? Sage an, bist du so klug!“ (Hiob 38,4.) Also was ist es mit diesen ersten Worten der Schrift? Gaukelei der feigen Fantasie eines Menschen, der nicht in der Mitte stolz oder resigniert zu leben vermag, eines Menschen also, der wir selbst alle auch sind, die wir aus Feigheit unseres anfangs- und endlosen Lebens zu einem Gott schreien, der unser eigenes Ich ist? Wie sollten wir auf diesen Vorwurf entgegnen können? Es ist ja wahr, der vom Anfang redet, redet von seiner Angst im Ringe des Lebens, auch der, der die Bibel schrieb, oder aber nicht er redet, sondern es redet eben Gott selbst, der schlechthin Anfängliche, der schlechthin vor unserem Leben, Denken und seiner Angst Seiende, der allein von sich selbst sagt, dass er am Anfang ist, der sich durch nichts bezeugt als durch dies Wort, das eben als Wort eines Buches, als Wort eines frommen Menschen ganz Wort aus der Mitte und nicht aus dem Anfang ist. „Am Anfang schuf Gott …“ Dies, als menschliches Wort gesagt und gehört, ist die Knechtsgestalt, in der Gott von Anfang an uns begegnet, sich allein finden lässt. Es ist nicht Tiefsinn und nicht Leichtsinn, sondern es ist Gottes Wahrheit, sofern er es sagt. Am Anfang – Gott, das ist wahr, wenn er uns hier in der Mitte mit diesem Wort lebendig ist, nicht als der Ferne, Ruhende, ewig Seiende, sondern als der Schaffende. Vom Anfang im eigentlichen Sinn können wir nur wissen, indem wir in der Mitte zwischen Anfang und Ende vom Anfang hören; sonst wäre es nicht der Anfang schlechthin, der eben auch unser Anfang ist. Von Gott als dem Anfang wissen wir hier in der Mitte des verlorenen Anfangs und des verlorenen Endes allein – als von dem Schöpfer.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Nicht war er erst und dann schuf er, sondern am Anfang schuf Gott. Dieser Anfang ist der Anfang in der ängstenden Mitte und zugleich jenseits der ängstenden Mitte, in der wir sind. Nicht wissen wir von diesem Anfang, indem wir aus der Mitte heraustreten und selbst anfänglich würden. Weil wir das nur in der Lüge vermöchten, wären wir dann gerade nicht im Anfang, sondern nur in der durch Lüge verhüllten Mitte. Das ist für alles Folgende scharf im Auge zu behalten. Allein in der Mitte vernehmen wir den Anfang.
Es entsteht die doppelte Frage: Ist dieser Anfang Gottes Anfang oder ist es der Anfang Gottes mit der Welt? Aber schon das Entstehen dieser Frage beweist, dass wir nicht mehr wissen, was Anfang heißt. Wenn über den Anfang nur geredet werden kann von dem, der in der Mitte sich ängstet um den Anfang und das Ende, von dem, der an seinen eigenen Ketten reißt, von dem – nun einmal etwas Späteres vorwegnehmend –, der nur in seiner Sünde um seine Geschaffenheit von Gott her weiß – dann kann doch nicht mehr gefragt werden, ob dieser Anfang Gottes Anfang oder Gottes Anfang mit der Welt ist, da eben für uns Gott als der Anfang kein anderer ist, als der am Anfang die Welt schuf und uns schuf, und weil wir eben von diesem Gott gar nicht anders wissen können als von dem Schöpfer unserer Welt. Wenn Luther auf die Frage, was Gott vor der Erschaffung der Welt getan habe, antwortete, er habe Ruten geschnitzt für Leute, die solche unnützen Fragen stellen, so schlägt er damit nicht nur dem Frager seine Frage ab, sondern er sagt zugleich, dass Gott eben dort, wo er nicht als der gnädige Schöpfer erkannt wird, nur als der zornige Richter gewusst werden muss, d. h. aber eben auch immer in Bezug auf die Mitte zwischen Anfang und Ende. Es gibt keine mögliche Frage, die hinter diesen am Anfang schaffenden Gott zurückgehen könnte. Es gibt also auch nicht die Frage nach dem Warum der Schöpfung, nach dem Weltplan Gottes, nach der Notwendigkeit der Schöpfung – eben diese Fragen werden endgültig erledigt und als gottlose Fragen aufgedeckt durch den Satz: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Nicht: Am Anfang hatte Gott diesen oder jenen Gedanken über das Ziel der Welt, Gedanken, die wir nun weiter aufzufinden hätten, sondern am Anfang schuf Gott, und hinter den schaffenden Gott kann keine Frage zurück, weil man hinter den Anfang nicht zurück kann.
Daraus ergibt sich, dass der Anfang keine zeitliche Bestimmung ist. Hinter den zeitlichen Anfang kann man immer zurück. Aber es ist das schlechthin Einmalige, das den Anfang qualifiziert; einmalig nun auch nicht im Sinn der Zahl, sondern im qualitativen Sinne, d. h. als das schlechthin Unwiederholbare, als das ganz Freie. Man könnte eine dauernde Wiederholung freier Akte denken, daran wäre nur das grundsätzlich falsch, dass sich Freiheit nicht wiederholen lässt; sonst wäre es eben durch Freiheit bedingte Freiheit, d. h. aber Unfreiheit, nicht mehr Anfang κατ᾽ ἐξοχήν [kat’ exochēn19].
Dies schlechthin unwiederholbare, einmalige, freie Geschehen am Anfang, das nun keinesfalls mit der Zahl 4800 oder einer derartigen Datierung verwechselt werden darf, ist die Schöpfung. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde; d. h. der Schöpfer schafft – aus Freiheit! – das Geschöpf. Der Zusammenhang von beiden ist durch nichts bedingt als durch die Freiheit, d. h. er ist unbedingt. Damit ist jede Anwendung kausaler Kategorien für das Verständnis der Schöpfung ausgeschlossen. Schöpfer und Geschöpf können keinesfalls im Verhältnis von Ursache und Wirkung interpretiert werden; denn zwischen Schöpfer und Geschöpf steht weder ein Denkgesetz noch ein Wirkgesetz noch sonst irgendetwas. Zwischen Schöpfer und Geschöpf ist schlechthin das Nichts. Denn Freiheit vollzieht sich in und aus dem Nichts. Es lassen sich also keinerlei Notwendigkeiten in Gott aufweisen, die zur Schöpfung führen könnten oder gar müssten, es ist schlechthin nichts, das die Schöpfung begründet. Die Schöpfung kommt aus diesem Nichts.
Nun könnte der Mensch freilich abermals versuchen, sich aus der ängstenden Mitte herauszustellen und selbst anfänglich zu werden. Er könnte auch dieses Nichts wieder als das die Schöpfung gebärende Etwas zu denken unternehmen. Aber das Nichts hat dort, wo von Schöpfung geredet wird, d. h. theologisch, einen völlig anderen Sinn als dort, wo es in dem anfanglosen Denken als das endlose Ende auftaucht. Das Nichts taucht in unserem philosophierenden Denken dort auf, wo der Anfang nicht gedacht werden kann. Es ist damit letztlich nie etwas anderes als der Grund für Sein. Das Nichts als der Grund für Sein ist als das schöpferische Nichts verstanden, und man müsste nun wieder hinter dieses Nichts zurückfragen, ohne auf den Anfang zu stoßen. Das Nichts des Menschen in der Mitte, der nicht um den Anfang weiß, ist der letzte Erklärungsversuch, ist der Durchgangspunkt für das Seiende. Wir nennen es das erfüllte, geladene, das selbstherrliche Nichts. Das Nichts, das zwischen der Freiheit Gottes und der Schöpfung liegt, ist weder ein Erklärungsversuch für die Schöpfung des Seienden, ist also nicht die Materie, aus der dann in paradoxer Weise die Welt entstünde, der notwendige Durchgangspunkt für das Seiende, es ist überhaupt nicht ein Etwas, auch nicht ein negatives Etwas, es ist diejenige Bestimmung, die allein das Verhältnis der Freiheit Gottes zu seiner Schöpfung auszusagen vermag. Das Nichts ist also auch nicht eine Urmöglichkeit, ein Grund Gottes selbst, es „ist“ überhaupt „Nichts“, es geschieht vielmehr in der Tat Gottes selbst, und es geschieht immer als das schon verneinte, nicht mehr als das geschehende, sondern als das immer schon geschehene Nichts. Wir nennen es das gehorsame, das gottesgewärtige Nichts, das Nichts, das seinen Ruhm und seinen Bestand nicht in sich selbst, auch nicht in seiner Nichtigkeit hat, sondern allein in der Tat Gottes. Also Gott brauchte kein Zwischenglied zwischen sich und der Schöpfung, auch das Nichts ist kein solches „Zwischen“, sondern er bejaht das Nichts nur, sofern er es schon überwunden hat. Das wollten die Alten sagen mit der etwas ungeschickten Umschreibung des Nichts als des nihil negativum (im Unterschied vom nihil privativum, das als Urseiendes verstanden war20). Das Nichts hat für die erste Schöpfung nichts Ängstendes, es ist vielmehr selbst der ewige Lobpreis des Schöpfers, der aus Nichts die Welt schuf. Die Welt steht im Nichts, das heißt im Anfang, und das heißt nichts anderes als: Die Welt steht ganz in der Freiheit Gottes. Das Geschöpf gehört dem Schöpfer. Es heißt nun aber auch dies: Der Gott der Schöpfung, des schlechthinnigen Anfangs, ist der Gott der Auferstehung. Die Welt steht von Anfang an im Zeichen der Auferstehung Christi von den Toten. Ja, weil wir um die Auferstehung wissen, darum wissen wir um die Schöpfung Gottes am Anfang, um das Schaffen Gottes aus dem Nichts. Der tote Jesus Christus des Karfreitags – und der auferstandene κύριος [kyrios] des Ostersonntags, das ist Schöpfung aus dem Nichts, Schöpfung vom Anfang her. Dass Christus tot war, war nicht die Möglichkeit seines Auferstehens, sondern die Unmöglichkeit, war das Nichts selbst, war das nihil negativum. Es ist schlechterdings kein Übergang, kein Kontinuum zwischen dem toten und dem auferstandenen Christus als die Freiheit Gottes, die am Anfang aus dem Nichts sein Werk schafft. Wenn es möglich wäre, das nihil negativum noch zu verstärken, so müsste hier bei der Auferstehung gesagt werden, es sei mit dem Tode Christi am Kreuz das nihil negativum in Gott selbst hineingenommen – oh große Not, Gott selbst ist tot – aber er, der der Anfang ist, lebt, vernichtet das Nichts und schafft die neue Schöpfung in seiner Auferstehung. Aus seiner Auferstehung wissen wir um die Schöpfung, – denn wäre er nicht auferstanden, so wäre der Schöpfer tot und bezeugte sich nicht; aus seiner Schöpfung aber wissen wir dann wieder um die Kraft seines Auferstehens, weil er der Herr bleibt.
Am Anfang, d. h. aus Freiheit, d. h. aus Nichts schuf Gott Himmel und Erde. Das ist der Trost, mit dem die Bibel uns in der Mitte, uns sich vor dem falschen Nichts, dem anfanglosen Anfang und endlosen Ende Ängstende anredet. Es ist das Evangelium, es ist Christus, der Auferstandene selbst, von dem hier gesagt wird. Dass Gott am Anfang ist und dass er am Ende sein wird, dass er frei ist über die Welt und dass er uns das wissen lässt, das ist Barmherzigkeit, Gnade, Vergebung, Trost.
„Und die Erde war wüst und leer; und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.“
Der Anfang ist gemacht. Aber noch bleibt der Blick gebannt auf jenes Geschehen, auf den freien Gott. Dass es wahr ist, dass es getan ist, dass Himmel und Erde da sind, dass das Wunder geschehen ist, dem gilt das ganze Staunen. Nicht das Werk, nein, der Schöpfer will verherrlicht werden – die Erde ist wüst und leer, aber Er ist der Herr – er, der das ganz Neue tut, das fremde, unbegreifliche Werk seiner Herrschaft und Liebe. „Die Erde war wüst und leer“, aber es war dennoch unsere Erde, die aus Gottes Hand hervorging und nun ihm bereit liegt, ihm unterworfen in frommer Anbetung. Gott wird von der Erde, die wüst und leer war, zuerst gepriesen. Er braucht nicht uns Menschen, um sich Ruhm zu bereiten, er schafft sich Anbetung aus der sprachlosen Welt, die stumm und gestaltlos in seinem Willen ruht, schlummert. „Und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern …“ Was kann über das Werk angesichts der Tat, was kann über das Geschöpf angesichts des Schöpfers anderes gesagt werden, als dass es finster ist und dass es in der Tiefe ist. Dass es sein Werk ist, das ist seine Ehre, und dass es finster vor ihm ist, das ist der Ruhm Seiner Schöpferherrlichkeit. In der Tiefe liegt es unter ihm. Wie wir schwindelnd in einen A...

Table of contents

  1. Cover
  2. Title
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Zu dieser Ausgabe
  6. Vorwort
  7. Genesis 1
  8. Genesis 2
  9. Genesis 3
  10. Genesis 4