Die Festung
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Die Festung

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Die Festung

About this book

Der Roman "Die Festung" erzählt die Geschichte der Familie Starosta, die aus Ostpreußen geflohen, nun in einer Notunterkunft - einer ehemaligen Kaserne - lebt. Ein genauer Ort, in dem sich diese "Festung" befindet, wird nicht genannt. Sie steht beispielhaft für zahlreiche Auffanglager. Obwohl völlig mittellos versucht insbesondere der Vater Stolz und Selbstbewusstsein zu zeigen. Doch von staatlicher Hilfe abhängig und den Vorschriften der Ämter ausgesetzt, scheitern seine Versuche, sich aus dem Armenmilieu zu befreien und am Wirtschaftswunder teilzuhaben. Sein Schicksal überträgt sich auch auf die Kinder, die - unter dem Stigma des sozial ausgegrenzten lebend - nie in der Gesellschaft ankommen.Henry Jäger zeigt in "Die Festung" die Wirklichkeit der Ausgegrenzten, denen es, trotz statistisch belegter Blütezeit nicht gelingt - und nie gelingen wird - am Aufschwung zu profitieren. Die eindringlich dargestellten Personen zeigen vielmehr, dass ihr Leben ein ewiger Kampf sein wird, den sie von vorneherein verloren haben.Heute, 50 Jahre nach seinem Erscheinen, hat der Roman nichts an seiner Berechtigung und Intention verloren. In unserer aktuellen Gesellschaftsstruktur leben immer größere Teile in sozial isolierten Vierteln und gettoisierten Wohnkomplexen. Statistiken belegen täglich aufs Neue, dass der Aufstieg aus einem niedrigen und schwierigen sozialen Milieu nahezu unmöglich ist.

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Information

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Sie hörten die Wagen schon von weitem. Zwei Wagen, die dicht hintereinander in den Hof huschten, wo sie scharf bremsten und das Heulen ihrer Sirenen wie ein klägliches Seufzen erstarb. Die Wagen standen nebeneinander, zwillinghaft, spieen zu gleicher Zeit je vier Polizisten aus den aufschnellenden Türen.
»Sie kommen!« rief Hugo. Er war vom Stuhl aufgesprungen.
»Hugo!« flehte Eliese, aber er war schon nicht mehr erreichbar für ihre Stimme.
»Das Bett!« rief er. »An die Tür! Den Tisch, den Schrank!«
Er arbeitete mit diesem seltsam fanatischen Gesicht, das gegen jeden Widerspruch verschlossen war. Sie halfen ihm: Albert, Bruno und die Großmutter. Eliese stand mit widerwilligem Staunen.
Mi-Mo war aus dem Bett gesprungen, das Hugo und Albert an die Tür herangeschoben hatten. »Ich bin doch noch im Nachthemd!« rief sie. »Wenn die hereinkommen … Ich bin doch noch im Nachthemd!«
Sie pochten draußen gegen die Tür. »Herr Starosta! Nehmen Sie Vernunft an! Das ist Widerstand gegen die Staatsgewalt!«
Hugo, Albert, die Großmutter und Bruno bauten ungerührt an dem Berg aus Möbeln, den sie vor die Tür geschichtet hatten.
Eliese schlug die Hände vors Gesicht: »Das gibt ein Unglück!«
Sie jammerte auch um die Möbel und erinnerte an das kostbare Porzellan, das in dem Schrank lag.
»Wo sind denn meine Kleider?« rief Mi-Mo.
»Nehmen Sie Vernunft an, Herr Starosta, Sie werden sich verantworten müssen!«
Sie versuchten es gütlich, sprachen von Albert, den er herausgeben müsse. Er baute weiter an dem Turm seines Widerstandes.
Er hörte das Summen von vielen Stimmen, dachte, daß sie draußen standen mit hungrigen Augen und Ohren – die Zuschauer, die Unbeteiligten.
»Herr Starosta, wenn Sie tätlich werden, müssen wir von der Waffe Gebrauch machen!«
»Mörder!« schrie Hugo. »Mörder!«
Seine Stimme überschlug sich, und von draußen antwortete das Gelächter der Menge. Es waren nur noch dreißig bis vierzig Leute in der Festung, aber sicher standen alle, die heute nicht arbeiteten, auf der Galerie. Ihr Lachen irritierte ihn, weckte die ersten Zweifel, die jedoch sofort von seiner Wut erstickt wurden.
»Hugo!« rief draußen eine Stimme. »Du kannst doch nichts gegen sie tun! Es sind acht Polizisten. Bist du denn ganz und gar verrückt geworden!«
Das ist Kainrath, Kainrath, Kainrath – wie ein Echo klang dieser Satz durch seine Gedanken. Er stand mit dem Wascheknüttel neben der Tür, die ganz plötzlich aufbrach, aber von den Betten, dem Schrank, dem Tisch und den Stühlen daran gehindert wurde, nach innen zu fallen. Sie stemmten sich gegen den Druck.
»Nicht nachgeben!« rief Hugo.
Sie keuchten, schlossen mit äußerster Anstrengung den Spalt der Tür, die plötzlich wieder im Rahmen zu sitzen schien. Hugo wuchtete sein Gewicht gegen das Bett. Die Großmutter war neben ihm, hatte den Kopf zwischen die Arme gebeugt und drückte mit stummer Verbissenheit. Mi-Mo half nun auch; ihre Kräfte wurden von der Tatsache gesteigert, daß sie noch im Nachthemd war – der Gedanke, von den andern so gesehen zu werden, war ihr schrecklich, denn es war kein besonders schönes Nachtgewand.
Sie wurden hin und her geschüttelt, schoben, drückten, glitten mit den Füßen über den Boden und mußten Zentimeter um Zentimeter nachgeben. Hugo sah den Spalt.
»Drückt!« rief er. »Drückt!«
Er stach mit seinem Prügel wie mit einer Lanze durch den Spalt und traf einen Polizisten in die Rippen. Aber dann spürte er, wie der Knüttel ergriffen und hinausgezogen wurde: Das Stück, das er umklammert hielt, wurde kürzer und kürzer. Albert sprang hinzu, und sie konnten für einen Augenblick das sichtbare Stück wieder verlängern, bis es ihnen mit einem mächtigen Ruck aus den Händen und durch den Spalt hinausgerissen wurde.
»Mein Stock!« rief Hugo. Draußen antwortete das Gelächter der Zuschauer.
Während dieses Tauziehens durch die Türspalte hatte der Druck gegen die Tür nachgelassen. Die Alte war an den Herd gelaufen und hatte die Kohlenschaufel geholt. Sie kam und schlug damit wild gegen den Spalt, als könne sie damit noch die Hände treffen, die den Stock hinausgezogen hatten.
»Nehmen Sie jetzt Vernunft an! Herr Starosta!«
»Nur über meine Leiche!« schrie Hugo.
Er sah den Spalt wieder klaffen, sah, daß er bereits den Kopf hätte durchstecken können. Während er sich mit dem Rücken gegen das Bett stemmte, blickte er umher, suchte eine neue Waffe. Ratlosigkeit stand jetzt in seinen Augen. Dann sah er die Kohlenschaufel. Ein wenig später schleuderte er die Glut, die er mit der Schaufel aus dem Herd genommen hatte, durch den Spalt hinaus. Er sah, wie die Uniformierten auseinanderliefen. Die Tür schloß sich wieder. Er lauschte auf Schmerzensschreie, hörte aber nur das Gelächter der Leute.
Die Tür war frei. Er ließ mißtrauisch von dem Bett ab. Sie blickten sich an. Draußen rief eine Stimme: »Hugo, jetzt hast du sie in die Flucht geschlagen! Hugo, der Feuerspeier!«
Es vergingen einige Minuten. Die Alte kauerte vor dem Herd und entfachte neues Feuer aus dem Rest der Glut. Hugo lauschte nach draußen.
»Jetzt hecken sie etwas aus –«
Er war seines Erfolges nicht mehr ganz sicher, blickte besorgt auf Bruno.
»Wäre ich nur von hier weggezogen!« klagte Mi-Mo. »Wo sind denn meine Kleider?«
Als Hugo die Sirene im Hof hörte und den lauten Reden der Gaffer entnahm, daß es nicht ein Wagen der Polizei, sondern ein Löschzug der Feuerwehr war, dachte er zunächst an einen Brand. Dann tauchte ein Gedanke in ihm auf, den er nicht auszudenken wagte, der aber von Albert ausgesprochen wurde: »Die wollen mit Wasser hier hereinspritzen –«
Sie blickten sich an wie Verschüttete, die auf Klopfzeichen hoffen. Draußen redeten sie von Anschlüssen. Es wurde etwas über den Boden geschleift. Sie standen hinter der Tür und wußten, daß es die Schlange eines Wasserschlauches war, die da über den Boden bis zu ihrer Tür hinkroch.
»Die wollen uns naßspritzen!« schrie Mi-Mo auf. Sie rückte von Hugo ab, hielt den Mund dicht an die Tür und rief: »Ich ergebe mich!«
Hugo riß sie am Arm zurück. »Schrei nicht so! Hör nur, wie die lachen –«
»Herr Starosta, zum letzten Male! Nehmen Sie Vernunft an! Geben Sie den Jungen heraus!«
»Nur über meine Leiche!«
Sie wurden in einer knappen Minute aus ihrem Zimmer hinausgespritzt.
Obwohl sie um jeden Zentimeter kämpften, wurde die Tür aufgeschoben, weit genug, daß ein Mensch durch den Spalt gehen konnte. Dann rauschte der Strahl ins Zimmer, spielte über die Wände und warf seine platschenden Wassermassen auf sie herunter. Sie waren eingehüllt in Wasser, wurden von den aufschäumenden Wirbeln bedeckt. Sie konnten der Flut nicht entgehen, diesem tänzelnden Strahl, der von eigenwilligem, feindlichem Leben erfüllt zu sein schien.
Die Tür wurde vollends aufgeschoben, und nun wurden sie einer nach dem andern aus dem Zimmer gespült.
Zuerst traf es Mi-Mo, die laut schreiend an der Tür erschien und ständig wiederholte, sie sei doch nur im Nachthemd. Der dünne Stoff klebte an ihrem Körper, so daß sie so gut wie nackt war. Als sie die vielen lachenden Gesichter erblickte, wollte sie wieder ins Zimmer flüchten, doch die Wucht des Strahls drängte sie ab, traf sie kurz in den Rücken und tiefer, zwischen die Beine, so daß sie sich in widerwilligen kleinen Sprüngen in Bewegung setzen mußte. Für den Bruchteil einer Sekunde sah es aus, als reite sie auf dem Strahl die Galerie hinunter.
Die Großmutter erschien mit triefenden Röcken und der zum Schlage erhobenen Kohlenschaufel in der Tür. Sie wurde von der weißen Gischt gepackt, herumgedreht und umgeworfen. Am Boden schien sie wie ein Bündel Kleider, das von der Tür weggeschwemmt wurde.
Bruno und Eliese hielten sich an der Hand. Sie waren klatschnaß, konnten aber dem Strahl entgehen. Albert kam heraus, fiel gleich um und wurde vor die Füße seiner Großmutter gerollt, die sich gerade wieder aufgerappelt hatte.
Dann erschien Hugo in der Tür. Die Wut stand wie ein Irrlicht in seinen Augen. Es hatte den Anschein, als wollte er mit dem Strahl kämpfen. Er schlug einen Boxhieb ins kalte Nichts, wurde gepackt, herumgerollt, lag mit dem Gesicht nach unten. Der Strahl fuhr über seinen Rücken, in den Bund seiner Hose und blähte sie auf zu einem gewaltigen Gesäß, aus dem genau an der richtigen Stelle hinten eine Fontäne hinausfuhr.
Als das Rauschen plötzlich verstummte und nur noch das brüllende, glucksende Gelächter der Zuschauer hörbar war, packten sie Hugo: vier, fünf, sechs Polizisten. Sie drehten ihm die Arme nach hinten, ein wenig mehr, als notwendig war, und hielten ihn fest.
»Ihr Hunde!« schrie er. »Ihr Hunde!«
Sein Mund geiferte. Hugo zappelte in ihren Händen, warf die Männer hin und her. Sie hantierten an ihm herum, mußten nachgreifen, neue, härtere Griffe ansetzen.
Bruno stand neben seiner Mutter. Das Entsetzen leuchtete aus seinem Gesicht. Er stand und sah die ringenden, keuchenden Männer, die über seinem Vater waren, als wollten sie ihn unter sich begraben –
Als Hugos Gesicht, zu einer wilden Grimasse verzerrt, die wieder Lachstürme entfesselte, am Boden zwischen den Beinen eines Polizisten erschien, trat Kainrath heran. Er beugte sich zu ihm herab und rief: »Laß den Blödsinn, Hugo! Du kannst ihnen nicht mehr auskommen!«
Hugo sah ihn an, lag ruhig, so daß die Polizisten ihren Griff lockerten. Er schien zu überlegen.
»Hört jetzt auf«, sagte Kainrath. »Er ist jetzt vernünftig!«
Sie ließen ihn aufstehen, und er tastete an sich herum, sah, daß seine Hosenträger zerrissen waren.
»Ich muß mich setzen«, keuchte er. Er ging vor ihnen her ins Zimmer, stellte einen Stuhl auf, von dem das Wasser in Bächen ablief, setzte sich und holte erschöpft Atem. Plötzlich rief er vorwurfsvoll: »Ihr habt meine Hosenträger kaputtgemacht!«
Mi-Mo erschien; sie hatte einen geliehenen Mantel umhängen. Ihre Zähne klapperten gegeneinander. Albert und Hugo durften sich trockene Kleider anziehen. Eliese weinte. Bruno stand neben der Tür. Die Großmutter blieb draußen. Sie schaute herein, betrat aber das Zimmer nicht, solange die Polizisten darin waren. Hugo sagte kein Wort, als er zwischen den Uniformen zu den Wagen hinuntergehen mußte.
Albert mußte mit. Er dachte an die Feuerwehr. Das war eine besondere Fügung, die Sache mit der Feuerwehr, die nur er verstand. Das war die Rechnung für die alte Sünde, die er jetzt begleichen mußte.
Hugo kam am nächsten Morgen allein zurück. Er sprach nicht viel, schaute umher, sah, daß Eliese und die andern wieder Ordnung geschaffen und das Wasser hinausgefegt hatten, dessen Reste noch in Pfützen auf der Galerie standen.
»Wo ist Albert? Wieder in dem Heim? Und wo bist du in der Nacht gewesen?« fragte Eliese.
»Natürlich ist er wieder im Heim. Wo ich gewesen bin, das geht euch nichts an!« erwiderte er kurz und stieg zu seinem Bett hinauf. Er schlief bis zum Mittag, dann stand er auf, saß vor sich...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. ERSTES KAPITEL
  6. ZWEITES KAPITEL
  7. DRITTES KAPITEL
  8. VIERTES KAPITEL
  9. FÜNFTES KAPITEL
  10. SECHSTES KAPITEL
  11. SIEBENTES KAPITEL
  12. ACHTES KAPITEL
  13. NEUNTES KAPITEL
  14. ZEHNTES KAPITEL
  15. ELFTES KAPITEL
  16. ZWÖLFTES KAPITEL
  17. DREIZEHNTES KAPITEL
  18. VIERZEHNTES KAPITEL
  19. FÜNFZEHNTES KAPITEL
  20. SECHZEHNTES KAPITEL
  21. SIEBZEHNTES KAPITEL
  22. ACHTZEHNTES KAPITEL
  23. NEUNZEHNTES KAPITEL
  24. ZWANZIGSTES KAPITEL
  25. EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
  26. ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
  27. DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
  28. VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
  29. DIE WIEDERENTDECKUNG DES GROSSEN AUTORS HENRY JAEGER