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Hölle und Fegefeuer
Theologisch-praktische Quartalschrift 2/2019
- 112 pages
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Hölle und Fegefeuer
Theologisch-praktische Quartalschrift 2/2019
About this book
Heft 2/2019 widmet sich dem Thema Hölle und Fegefeuer, das heute bei den meisten Menschen unweigerlich Bilder der Angst und des Schreckens hervorruft. Das war jedoch nicht immer so. Im Gegenteil – ursprünglich verband man die Ideen von Hölle und Fegefeuer durchaus mit dem Aspekt von Trost und Hoffnung.
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Information
Christoph Niemand
Höllenpredigt im Evangelium
Wen Jesus mit ewiger Strafe bedroht
♦ Es ist eine nicht zu ignorierenden Tatsache, dass das Neue Testament nicht nur „Frohbotschaften“ enthält. Jesus drohte jenen, die seine Einladung in die Königsherrschaft Gottes nicht annehmen wollten, das göttliche Strafgericht an (Lk 10,13 ff.), Paulus gibt zu bedenken, dass wir alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen werden (Röm 14,10) und in der Johannes-Apokalypse steht dem „Neuen Jerusalem“ der „Feuersee“ gegenüber, in den die geworfen werden, die das Gericht „nach den Taten“ nicht bestehen (20,14 f.). Der Verfasser, Neutestamentler an der KU Linz, befragt einige der Höllensprüche Jesu aus den Evangelien danach, an wen sie sich eigentlich richten. (Redaktion)
Klaus Bieberstein hat in seinem Beitrag die kulturellen Vorstellungsmuster dargestellt, die im Alten Testament zum Tragen kommen, wenn vom Sterben und von den Toten die Rede ist. Ich knüpfe direkt daran an und führe dann weiter ins Neue Testament.
1 Transmortales Heil … und Unheil!
Die Totengeister (rәfāʾîm) der verstorbenen Menschen (ver)schwinden in der Unterwelt (šәʾôl). Während aber in den umgebenden altorientalischen Kulturen ein „kleiner Grenzverkehr“ zwischen Menschen- und Totenwelt durch Ahnenkult und Nekromantie möglich blieb, wurde im Zuge der von den Propheten und der „deuteronomistischen Bewegung“ propagierte JHWH-allein-Verehrung der Bereich des Todes für das vorexilische Israel zum „theologischen Vakuum“ (H. W. Wolff): Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist keine Totengottheit, sondern ein Gott von Lebenden (vgl. Mk 12,27). Deshalb sind die Verstorbenen seiner Hand entzogen (Ps 88,6) und alttestamentliche BeterInnen bitten um Bewahrung vor dem Tod u. a. mit dem „Argument“, dass Gott nur von Lebenden, nicht aber von Toten Lobpreis erwarten könne (Ps 6,5 f.; 30,9 f.; 88,11–13; 115,17 f.; Jes 38,11.18 f.; Sir 17,27 f.; vgl. auch Ps 118,17; 119,175).
Demgegenüber bricht auf der Basis der (nach)exilisch sich ausbreitenden Glaubenserkenntnis von JHWHs konkurrenz- und grenzenloser Souveränität (vgl. Ps 139,8 ff.; Jes 43,10 –13; 44,6 – 8) eine neue Hoffnung durch: An jenen Gerechten, die als seine Zeugen ehrlos lebten und starben, könne und werde Gott seine Bundestreue zum Tragen bringen. Der Gottesknecht des Jesajabuches wird nach Tod und Grab das Licht schauen und sich an Erkenntnis sättigen (Jes 53,11). Und die weisheitlich geprägten BeterInnen von Ps 73 dürfen erwarten, dass Gott sie an ihrer rechten Hand hält und „danach in Herrlichkeit aufnimmt“ (V. 23 – 24). Und auch im schonungslos dunklen Gedicht von Ps 49 lesen wir in V. 16 den kontrastierenden Bekenntnisruf, dass Gott „meinen Lebenshauch (nefeš) aus der Hand der Unterwelt auslösen“ wird, denn „er nimmt mich auf“.
Die zuletzt genannten Texte denken Gottes tod-überschreitende Treue gegenüber seinen Frommen so, dass er sie als einzelne aus der Unterwelt befreit und zu sich in seine himmlische Welt holt. In anderen Texten begegnet diese Hoffnung in verallgemeinerter Gestalt und mit einer eigenen Terminologie1: Nachdem Jes 25,8 das prägnante Bild in den Raum stellte, dass Gott „an jenem Tag“ den unersättlichen Menschenfresser Tod verschlungen haben wird, heißt es wenig später hymnisch:
Jes 26,19:
Deine Toten werden leben,
meine Leichen stehen auf.
Wacht und jubelt, ihr Bewohner des Staubes!
Denn ein Tau von Lichtern ist dein Tau
und die Erde wirft (her)aus die
Schattengeister.2
Deine Toten werden leben,
meine Leichen stehen auf.
Wacht und jubelt, ihr Bewohner des Staubes!
Denn ein Tau von Lichtern ist dein Tau
und die Erde wirft (her)aus die
Schattengeister.2
Im Danielbuch, das aus der Aufstandszeit 167–164 v. Chr. stammt, ist zu lesen:
Dan 12,2 – 3:
Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen,
die einen zum ewigen Leben,
die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu.
Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste
und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, wie die Sterne für immer und ewig“.
Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen,
die einen zum ewigen Leben,
die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu.
Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste
und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, wie die Sterne für immer und ewig“.
Bei Dan 12 wird nicht recht deutlich, wie diese Auferweckung näherhin gedacht ist. Insgesamt aber kristallisieren sich in der apokalyptischen Tradition zwei Grundmuster heraus: Auferweckung kann vorgestellt sein als selektives Geschehen, das als solches auch schon der Vollzug des göttlichen Gerichts ist. Gott rehabilitiert die verfolgten Gerechten, indem er ihnen neues Leben in seinem himmlischen Bereich gibt, während die frevlerischen Verfolger bleiben, „wo“ sie sind: im Tod. Demgegenüber steht die Vorstellung einer universalen Auferweckung „allen Fleisches“. Diese ist der erste Akt des endzeitlichen Geschehens und ermöglicht ein universales Gericht nach dem Kriterium der Taten eines jeden Menschen. Dieses Gericht hat einen „doppelten Ausgang“: Heil oder Unheil, Lohn oder Strafe, ewiges Leben oder (zweiter) Tod, Himmel oder Hölle. Ein Dazwischen gibt es nicht.
2 Gehenna als eschatologischer Strafort
Wie es dazu kam, dass das Hinnom-Tal bei Jerusalem namensgebend für die Gehenna – jenen eschatologischen Strafort, den die Apokalyptik als Vorstellungsbild ausdachte und ausmalte – wurde, hat Klaus Bieberstein gut nachvollziehbar aufgezeigt.3 Ich will hier nur hinzuzufügen, dass ein solcher „Raum“ oder „Zustand“ mit einer gewissen Notwendigkeit von jenen angenommen werden musste, die den Glaubensgedanken von einer universalen Auferweckung zu denken begannen. Wenn hingegen nur die Gerechten auferstehen, dann „braucht“ es keine Hölle, denn die Strafe der Frevler ist ihr Bleiben im Tod.
Dass die universale Auferweckungs- und Gerichtsvorstellung sich stärker ausbreitete als die selektive und dass deshalb nicht nur die Seite des Heils, sondern auch jene des Unheils „ausgemalt“ wurde, hängt mit der Grundbefindlichkeit zusammen, die sich in apokalyptischer Religiosität ausdrückt: Angesichts des Leidensdrucks der erlebten Verhältnisse liegt dieser kein moralischer Fortschrittsoptimismus zugrunde, der denken würde, dass alle Menschen Heil wollen und Heil finden. Das Krisenphänomen Apokalyptik entstand vielmehr angesichts von notorischer Unterdrückungs- und Gewalterfahrung. Apokalyptiker denken Unterdrückung und Gewalt an ein Ende. Und sie tun dies in phantastischen Sprachbildern. Dabei lässt dieser Blick aufs Ende die jetzt Gefährdeten aufatmen, indem sie gleichzeitig ihre eigene Rehabilitierung und das Urteil über die mächtigen Gefährder antizipieren. Die R...
Table of contents
- 01e Inhaltsverzeichnis (ThPQ 2_2019)
- 02e Editorial (ThPQ 2_2019)
- 03e Ebertz Michael (ThPQ 2_2019)
- 04e Striet Magnus (ThPQ 2_2019)
- 05e Markus Mühling (ThPQ 2_2019)
- 06e Bieberstein Klaus (ThPQ 2_2019)
- 07e Niemand Christoph (ThPQ 2_2019)
- 08e Merkt Andreas (ThPQ 2_2019)
- 09e Weber Ines (ThPQ 2_2019)
- 10e Heimerl Theresia (ThPQ 2_2019)
- 11e Rahner Johanna (ThPQ 2_2019)
- 12e Demel Sabine (ThPQ 2_2019)
- 13e Akt theol Buch (ThPQ 2_2019)
- 14e Rezensionen (ThPQ 2_2019)
- 15e ESch (ThPQ 2_2019)
- 16e Redaktion (ThPQ 2_2019)
- 17e Impressum (ThPQ 2_2019)