Martin Luther King
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Traum und Tat. Ein Lebensbild

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Martin Luther King

Traum und Tat. Ein Lebensbild

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Martin Luther King (1929-1968) ist das Symbol für den Kampf gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Richard Deats, der King persönlich kannte, zeichnet seinen Lebensweg nach und zeigt, woraus dieser "Prophet der Gewaltlosigkeit" seine Vision und seine Tatkraft schöpfte. Deats Lebensbild lässt das Vermächtnis Kings neu lebendig werden: die Verankerung gesellschaftlichen Handelns in Idealen und in der Vision einer humaneren Welt. Mit einem Vorwort von Coretta Scott King, der Witwe von Martin Luther King. Der Autor: Richard Deats, Südstaatler, wurde im College nachhaltig von Martin Luther King geprägt. Der engagierte Bürgerrechtler ist Herausgeber der Zeitschrift Fellowship, Mitglied des Internationalen Versöhnungsbunds und Autor mehrerer Werke zu den Themen Frieden und Versöhnung.

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Berufung und Vorbereitung
auf das Predigeramt

Martin Luther King wurde am 15. Januar 1929 in 501 Auburn Avenue in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia als zweites Kind der Eheleute Martin Luther King sen. und Alberta Christine Williams geboren. Er hatte eine um anderthalb Jahre ältere Schwester namens Christine und einen um ebenfalls anderthalb Jahre jüngeren Bruder, Alfred Daniel. Der junge King entstammte einer tief religiösen, in der Baptistengemeinde verwurzelten Familie. Seine Eltern waren in der „Schwarzen Kirche“ der Südstaaten zu Hause. Überzeugende Predigten und kraftvolle Gospel-Gesänge nährten den Glauben der Gemeinde, die sich in Gebetsgruppen, bei gemeinsamen Essen und zu sozialen Aktivitäten zusammenfand. Der Vater, Martin Luther King sen., liebevoll „Daddy“ genannt, war ein bekannter Pfarrer und Gemeindeleiter, der sich mutig für das Wohl seiner schwarzen Gemeinde einsetzte und furchtlos jeder Art von Rassendiskriminierung entgegentrat. Die Mutter, Alberta Christine Williams, war die Tochter des bekannten Pfarrers und Predigers Adam D. Williams, der von 1894 bis zu seinem Tod im Jahre 1931 Pfarrer der renommierten Baptistengemeinde Ebenezer war. Nach seinem Tod wurde King sen. zum Nachfolger seines Schwiegervaters berufen.
Der junge Martin verbrachte seine Kindheit im recht behüteten Milieu der schwarzen Mittelschicht von Atlanta. Seine Eltern und Großeltern waren dem feinfühligen Jungen beispielhafte Vorbilder. Großen Einfluss übte die Großmutter, Jennie Celeste Williams, auf ihn aus. Doch auch in dieser relativ privilegierten Familienatmosphäre, in der die Liebe zu Gott und zum Nächsten eine wichtige Rolle spielte, machte er die bittere Erfahrung der Rassendiskriminierung, die das Schicksal aller Schwarzen in den Südstaaten prägte. Das Erbe der Sklaverei war allgegenwärtig, in den Gesetzen wie im alltäglichen Leben. Martin hatte einen weißen Freund. Als sie eingeschult wurden, kamen sie auf verschiedene Schulen, und der Vater des weißen Jungen untersagte seinem Sohn, weiter mit Martin zu spielen – das Ende der Freundschaft war besiegelt. Dieser Vorfall veranlasste Martins Eltern, mit ihm zum ersten Mal ausführlich über die Rassenprobleme und die Leiden der schwarzen Bevölkerung zu sprechen. Martin selbst erlebte manche Demütigung. Als Jugendlicher litt er sehr unter der Separation – in Schulen, Lichtspielhäusern, Wartezimmern usw.; die Schwarzen mussten sogar getrennte Toiletten benutzen.
Es hätte nahe gelegen, diejenigen zu hassen, die für den Fortbestand der Diskriminierung verantwortlich waren. Doch die Eltern hielten Martin an, „niemals so tief zu sinken, irgendjemanden zu hassen“. Denselben Rat hatte „Daddy“ King auch seiner Gemeinde oft gegeben. Er und die Mutter erinnerten Martin immer wieder an die Christenpflicht, den Unterdrückern mit Liebe zu begegnen.
Dies bedeutete jedoch nicht, dass sie sich mit der Unterdrückung abgefunden hätten. Der junge Martin erlebte nicht selten, wie sich sein Vater unter großem persönlichen Risiko gegen die Rassendiskriminierung aussprach und sich weigerte, den berüchtigten „Jim Crow“-Gesetzen Folge zu leisten, die die Beziehungen zwischen den Rassen in den Südstaaten regelten [der 1865 gegründete Ku-Klux-Klan bezeichnete als „Jim Crow“ den „dummen Nigger, den schwarzen Untermenschen“, der dazu geboren sei, „der weißen Herrenrasse zu dienen“. Die rassistische „Jim-Crow-Ideologie“ prägt bis heute das Denken größerer Kreise in den Vereinigten Staaten; Anm. des Übersetzers]. Vater King lehnte es beispielsweise ab, in den nach Schwarzen und Weißen getrennten Stadtbussen zu fahren, und er führte den Kampf zur Beseitigung separater Aufzüge im Gericht an. Auch Martins Großvater, A. D. Williams, war ein mutiger Verfechter der Gerechtigkeit und wurde ein Vorbild für den empfindsamen Jungen. Prägend war nicht zuletzt die resolute Mutter. Als Martin zum ersten Mal mit der schmerzlichen Wirklichkeit des Rassismus konfrontiert war, sagte sie ihm mit großer Entschiedenheit: „Du darfst dich nie geringer als andere fühlen! Du musst immer wissen, dass du ein Mensch wie andere bist.“ Es dauerte Jahre, bis Martin seine Antipathie den Weißen gegenüber überwinden konnte.
Die Schule bereitete dem Pfarrerssohn keine Mühe. Überdurchschnittlich begabt, tat er sich durch seinen kritischen, suchenden Verstand hervor. Bereits im Alter von zwölf Jahren rang er mit Zweifeln an einer allzu wörtlichen Auslegung der Bibel. Zu viele Fragen blieben ohne Antwort, zu viele Probleme ungelöst.
Bereits mit fünfzehn Jahren erhielt er 1944 die Zulassung zum Morehouse College in Atlanta. Zunächst wollte er nicht Pfarrer, sondern Rechtsanwalt werden. Diese Pläne waren ein stummer Protest gegen fundamentalistische Tendenzen und die Gefühlsbetontheit der schwarzen Gemeinden des Südens, aber auch gegen das mangelnde Engagement zur Beseitigung gesellschaftlicher Missstände. Doch der Rektor des Morehouse College, Benjamin Mays, und sein Religionslehrer George Kelsey überzeugten den jungen Martin, dass auch der Dienst an der Gemeinde kritisches Denken und Sensibilität für gesellschaftliche Fragen beinhalte und fordere. Rektor Mays, der 1936 Indien besucht hatte, kam in seinen Vorlesungen häufig auf Gandhi und Indiens Freiheitskampf zu sprechen. Während seiner Studien im Morehouse College las King Henry D. Thoreaus Werk „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegenüber dem Staat“. Der revolutionäre Gedanke, einem ungerechten System sei die Mitarbeit zu verweigern, fiel bei dem jungen Studenten auf fruchtbaren Boden.
Am Ende einer längeren Zeit des Suchens entschloss sich Martin Luther King, sein Leben in den Dienst Gottes und der Menschen zu stellen. Noch vor Beendigung seiner Studien wurde er 1947 ordiniert und wirkte dann als beigeordneter Pfarrer in der von seinem Vater geleiteten Ebenezer Baptistengemeinde.
Ein Jahr später zog er nach Chester, Pennsylvania, und nahm im dortigen Crozer-Seminar, einer Baptisten-Hochschule, das eigentliche Studium der Theologie auf. Mit nur 19 Jahren war er jünger als seine Kommilitonen und einer von elf Schwarzen unter mehr als hundert Studenten.
Vor allem die Schriften von Walter Rauschenbusch, dem führenden Theologen des sogenannten „sozialen Evangeliums“, haben ihn in dieser Zeit stark beeinflusst. Rauschenbuschs Ideen halfen King, sich ein theologisches Koordinatensystem zu eigen zu machen, in dem das Evangelium nicht bloß als Botschaft an den Einzelnen, sondern an die gesamte Gesellschaft verstanden wurde – nicht nur für das religiöse Leben im engen Sinn, sondern für das Leben in allen Aspekten.
Das Gedankengut des amerikanischen evangelischen Theologen Reinhold Niebuhr (1892–1971) überzeugte King von der „Hartnäckigkeit des Bösen“ und davon, dass ein liberaler Optimismus ungeeignet ist, gesellschaftliche Missstände zu beseitigen. Georg W. F. Hegels Dialektik prägte Kings Verständnis gesellschaftlicher Wandlungen: Er wurde sich bewusst, dass die Geschichte ein Prozess ist, in dem jede Situation eine Reaktion hervorruft, aus der sich wiederum eine neue Situation ergibt.
Am Crozer-Seminar lernte er durch die Vorlesungen von A. J. Muste von der Fellowship of Reconciliation (FOR, Internationaler Versöhnungsbund) erstmals den Grundgedanken des Pazifismus kennen. Freilich war er damals ganz und gar nicht davon überzeugt, dass sich solche Ideen verwirklichen ließen. Es war eine Predigt, die ihm solche Vorstellungen näher brachte und seine weitere Entwicklung nachhaltig beeinflusste.
In Philadelphia hörte Martin Luther King eines Sonntags die Predigt des Vorsitzenden der Howard University, Dr. Mordecai Johnson, über Mahatma Gandhi. Johnsons Ausführungen waren so tiefgründig und begeisternd, dass sich der junge King „wie vom Blitz getroffen“ fühlte. Gleich nach dem Vortrag kaufte er sich ein halbes Dutzend Bücher über Gandhis Leben und Wirken. Hier fand er, was er seit langem gesucht hatte: einen Weg für Christen, nicht bloß gegen persönliches Fehlverhalten (wie Lüge und Diebstahl) anzugehen, sondern auch soziale Missstände (wie Rassismus und Krieg) zu bekämpfen. Die Sünde und das Böse in ihrer gesellschaftlichen Dimension ernst zu nehmen heißt ja keineswegs, Jesu Lehre über die zentrale Stellung der Liebe im persönlichen Glaubensleben aufzugeben. Lange hatte King mit den Rassenvorurteilen und der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit gerungen. Er hielt weder den Kapitalismus noch den Kommunismus für geeignet, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Bei Gandhi glaubte er eine Methode zu finden, wie eine Ethik, die auf Jesu Liebesgebot gründet, Missstände beseitigen und die Gesellschaft positiv verändern kann. Das war keine passive Widerstandslosigkeit, sondern gewaltloser Widerstand als wirksames Mittel, um einen gesellschaftlichen Wandel in großem Stil herbeizuführen. Die Entdeckung Gandhis wurde für King zu einem Schlüsselerlebnis.
Im Crozer-Seminar war King nicht nur ein hervorragender Schüler; er wurde von seinen Mitstudenten auch zum Klassensprecher gewählt und zum „vorbildlichsten Studenten“ ernannt. Gleichzeitig erhielt er ein Stipendium für weitere Studien.
Tief beeindruckt von der Theologie Edgar Sheffield Brightmans setzte King sein Studium an der Universität Boston fort, mit dem Ziel zu promovieren. In seinem Buch „Das Gottesproblem“ hatte Brightman vom Gott der Christen als einem persönlich nahen, in die Geschichte und Geschicke der Menschen eingreifenden Gott gesprochen. Gott stand nicht fern, abseits und uninteressiert dem Menschen gegenüber, sondern unterstützte – persönlich betroffen und mitleidend – dessen schweren Kampf gegen alles, was einem erfüllten und glücklichen Leben entgegenstand. Seine Dissertation schrieb King auf dem Gebiet der systematischen Theologie unter der umsichtigen Leitung der Professoren Brightman und L. Harold de Wolf. Seine Doktorarbeit trug den Titel: „Ein Vergleich der Gottesbegriffe bei Paul Tillich und Henry Nelson Weiman“. In der Auseinandersetzung mit Tillichs und Weimans Gottesbegriff fand King zu einem entschiedenen Bekenntnis zu einem persönlichen Gott. Bei ihm, so King, „finden sich Gefühl und Wille sowie Antworten auf die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens. Dieser Gott hört und erhört unser Gebet“.
Das Studium an der Theologischen Fakultät der Universität Boston, dem ältesten Seminar der Methodisten in den Vereinigten Staaten, brachte ihn in Kontakt mit zahlreichen Vertretern des Pazifismus, der Gewaltlosigkeit und des „sozialen Evangeliums“, wie beispielsweise Dekan Walter Muelder, Allan Knight Chalmers, S. Paul Schilling und Howard Thurman, Dekan der Universitätskirche, afroamerikanischer Prediger, Mystiker und Schriftsteller. Thurman, der ein Kommilitone von Martins Vater im Morehouse College gewesen und ein enger Freund der Familie geblieben war, kam in Martins letztem Studienjahr an die Boston University und wurde zu einem lebenslangen Freund und Mentor.
Martin Luther King hatte häufig Gelegenheit zu predigen; er war für seine Überzeugungskraft und Redegewandtheit bekannt. Wann immer es die Umstände erlaubten, kehrte er nach Atlanta zurück, wo er enge Beziehungen sowohl zu seiner Familie wie zur dortigen Gemeinde unterhielt. Er hatte Freundschaft mit zahlreichen schwarzen Studenten des Campus geschlossen und war Mitglied eines sogenannten „Philosophischen Clubs“ geworden, in dem Schwarze und Weiße, Männer und Frauen einmal im Monat Vorträge hielten und theologische Themen erörterten, vor allem mit Bezug auf die afroamerikanische Gemeinschaft.
Während seines Studiums in Boston lernte er Coretta Scott aus Alabama kennen, die am New England Conservatory Gesang studierte. Beide waren bald davon überzeugt, im anderen den richtigen Lebenspartner gefunden zu haben, und sie entschlossen sich zu heirateten. Die Trauung fand am 18. Juni 1953 im Vorgarten ihres Elternhauses in Alabama statt, wo Daddy King dem Paar den kirchlichen Segen spendete. Da es ihnen unmöglich war, ein Hotelzimmer in der Gegend zu finden, wo die Rassendiskriminierung hohe Wellen schlug, verbrachten sie ihre Hochzeitsnacht bei Freunden.
Nachdem Martin Luther King 1954 seine Ausbildung abgeschlossen hatte, trat er nach einer Probepredigt am 1. September 1954 als erst 25-Jähriger die Pfarrstelle in der Dexter Avenue Baptist Church in Montgomery, Alabama, an. Er hatte sich entschlossen, mit seiner Frau in den Süden zurückzukehren, obwohl ihm eine akademische Laufbahn angeboten wurde und ihm mehrere bedeutende Pfarrstellen in verschiedenen Landesteilen offen standen. Nach dem Umzug nach Montgomery beendete King seine Doktorarbeit und promovierte am 5. Juni 1955 zum Dr. der Philosophie. Durch die Studienzeit im Norden des Landes, den Kontakt mit vorwiegend europäisch- amerikanischen Kommilitonen und die Beschäftigung mit bedeutenden Theologen fand King eine neue Weite des Denken und Glaubens, doch er blieb seinen Wurzeln treu: der Tradition der black church, der „schwarzen Kirche“.

Ein Sohn der „schwarzen Kirche“

Der Glaube Martin Luther Kings nährte sich aus der schwarzen Baptistentradition des Südens. Der Theologe und Gelehrte, der Prophet des „sozialen Evangeliums“ und der Gewaltlosigkeit hat nie seine Verwurzelung in der black church verleugnet. Der Urgroßvater und der Großvater mütterlicherseits sowie sein Vater waren allesamt schwarze Baptistenprediger. Sie stammten aus einer religiösen Tradition, in der sich die Erfahrung der Sklaverei ihrer afrikanischen Vorfahren bleibend niedergeschlagen hatte. Gegen ihren Willen waren Millionen Schwarzer nach Amerika verfrachtet worden, wo sie ein erniedrigendes Sklavenschicksal erwartete. Als Bürger zweiter Klasse behandelt, fanden sie Trost und Kraft in ihrem Glauben. Es entstand eine Frömmigkeit ganz eigener Prägung. Die afroamerikanischen Baptistengemeinden zeichneten sich durch eine besondere Leidenschaft aus. Die Prediger verkündeten den Glauben in Ansprachen, die das Gefühl ansprachen und lebhaften Widerhall in der Gemeinde fanden: Spontane Antworten, Beifall und Tränen, manchmal auch ein befreiendes Gelächter waren die Reaktionen. Längere Bibelabschnitte wurden auswendig zitiert; Geschichten aus der Heiligen Schrift wurden phantasievoll nacherzählt. Chöre begleiteten die Versammlung mit dem bewegenden Gesang von Hymnen und Spirituals. Die Musik gab Trost:
„Nobody knows the trouble I’ve seen;
nobody knows but Jesus.“
(Niemand kennt die Not, die ich erlebt habe,
niemand als Jesus allein).
In vielen Gesängen werden die prophetische Tradition und der Ruf nach Befreiung aus der Sklaverei lebendig:
„Go down, Moses, go down to Egyptland,
go tell ol’ Pharao: Let my people go.“
(Zieh hinab, Mose, zieh hinab nach Ägypten
und sag dem Pharao: Lass mein Volk ziehen!)
Alte Gospels wurden umgedichtet, um neue Strophen ergänzt und als Freiheitslieder bei Märschen und Demonstrationen gesungen.
Die meisten Gemeindemitglieder unterstützten Martin Luther King und diejenigen, die mit ihm den status quo in den Südstaaten bekämpften, der immer noch von Rassendiskriminierung geprägt war. Doch nicht allen war diese prophetische Stimme genehm. Propheten sind immer und überall auf Widerstand gestoßen, und das nicht nur in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch in ihrer religiösen Gemeinschaft. Schon die biblischen Propheten wurden abgelehnt, verfolgt, gesteinigt oder vertrieben. Jesus selbst sagte seinen Jüngern: „Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet“ (Mt 5,11).
Als King und andere ihre Stimme erhoben und auf Gerechtigkeit drangen, fürchteten viele einen Umsturz der bestehenden Ordnung. Gegenreaktionen blieben nicht aus. Wer sich vorwagte, lief Gefahr, Arbeit und Freunde zu verlieren; rassistische Gewalttaten und Vergeltungsmaßnahmen drohten. Es war ein Aufbruch in ein neues, unerforschtes Land der Freiheit. Viele waren eine Verkündigung gewohnt, die das Evangelium als etwas rein „Geistliches“ verstand, als Vorbereitung auf das Jenseits, als Vertröstung, nicht aber als Ansporn, die Ungerechtigkeiten in dieser Welt zu überwinden.
King und seine Mitstreiter versuchten, ihre Gemeinschaft, die fünf Millionen Gläubige umfassende National Baptist Convention (NBC), zum „Marsch nach den Klängen der Freiheitstrommeln“ zu bewegen. Doch die etablierte Führerschicht – unter der Leitung von Pfarrer Joseph H. Jackson – lehnte ihren Aufruf entschieden ab. Schließlich kam es zum Bruch innerhalb der Baptisten. Die Leute um Jackson wehrten sich heftig gegen die „politische Bedrohung“ ihres Führungsanspruchs und gingen am Ende sogar so weit, Martin Luther King aus der Gemeinschaft auszuschließen. Daraufhin gründete eine Reihe fortschrittlich gesinnter Pastoren, unter ihnen Dr. King und der Rektor des Morehouse College, Dr. Benjamin Mays, die Fortschrittliche Baptistenkirche. Die Animosität der a...

Table of contents

  1. Vorspann
  2. Geleitwort
  3. Inhalt
  4. Einleitung
  5. Berufung und Vorbereitung auf das Predigeramt
  6. Nach dem Busboykott von Montgomery
  7. Die Kampagne von Birmingham
  8. Auf nationaler Ebene
  9. In Europa
  10. Die eine Menschheitsfamilie
  11. Endstation Memphis
  12. Lebensdaten