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Seitenwechsel

About this book

Zwei Brüder zwischen den Fronten der Geheimdienste, von der Stasi erpresst, gefangen in Ostberlin.Berlin im Sommer 1961: Die Brüder Bernhard und Julius teilen sich eine Wohnung im Osten der Stadt. Während Julius mit seinem amerikanischen Freund Jack durch die Westberliner Jazzkeller tingelt, beobachtet Bernhard in einem brandenburgischen Wald sowjetische Soldaten bei einer mysteriösen Verladeaktion. Am nächsten Morgen findet er seinen Vater erhängt auf. War es wirklich Selbstmord, wie die Stasi behauptet?Bernhard und Julius beginnen, heimlich Nachforschungen anzustellen und geraten dabei zwischen die Fronten der Geheimdienste. Von der Stasi erpresst, beschließen sie, sich in den Westen abzusetzen. Doch in der Nacht ihrer Flucht versperren Stacheldraht und Wachposten ihnen den Weg: Von einem Tag auf den anderen ist Ostberlin zu einem Gefängnis geworden, in dem die Brüder keine ruhige Minute mehr haben.

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Information

Publisher
Coppenrath
Year
2014
eBook ISBN
9783649620174

Kapitel 1

»Nimm deinen Hintern aus meinem Gesicht.«
Bernhards Bewusstsein wühlte sich aus der Watte des Halbschlafs hervor. Er lag in eine dicke Wolldecke eingerollt auf dem Bretterboden des Hochsitzes, der bei der kleinsten Bewegung schwankte, als könnte er jeden Moment umstürzen. Es war stockdunkel. Bernhards rechter Arm war eingeschlafen, und er drehte sich ein Stück zur Seite, um ihn zu befreien. Als er sich dabei ausstreckte, stießen seine Füße an etwas Weiches.
»Au! Das war mein Bauch, du Grobian!«
Georg wälzte sich hinter ihm herum. Die Stelzen des Hochsitzes ächzten dabei leicht. Bernhard wurde unsanft zur Seite geschoben, als sich Georg raschelnd aufrichtete.
»Bist du wach?«, fragte Bernhard.
»Jetzt ja.«
Bernhard stemmte sich hoch, bis er über den Rand des Hochsitzes blicken konnte. Über ihnen schwoll das Rauschen der Baumwipfel im Wind an und wieder ab und zwischen den Blättern blinzelten ein paar Sterne durch. Tief unten auf dem Waldboden war alles still. Von irgendwoher kam ein hohes, gepresstes Gurren.
Georg schob sich neben ihn. »Ist das ein Specht?«
»Ein Ziegenmelker.«
»Was soll das denn sein?«
»Eine Art Schwalbe.«
»Bescheuerter Name. Und der melkt jetzt seine kleine Ziegenherde oder was?«
»Er markiert sein Revier.«
»Eins sag ich dir, wenn der bis zum Sonnenaufgang Rabatz macht, dann dreh ich ihm persönlich den Hals um.«
Sie lauschten nebeneinander in die Dunkelheit hinein. Der Hochsitz stand am Waldrand in einer Gruppe von schlanken Buchen mit Blick auf einen riesigen Kartoffelacker. Mitten über das Feld lief, wie mit dem Lineal gezogen und in der Dunkelheit gerade so zu erahnen, ein Bahndamm. Ansonsten war der Acker eine dunkelgraue Masse ohne jede Kontur.
Georg schnupperte. »Es stinkt.«
»Ich war’s nicht.«
»Sehr witzig. Das ist der blöde Rehkadaver da unten, der ist schon halb vergammelt. An den geht er nie im Leben ran.«
Bernhard blickte in das fahle Oval von Georgs Gesicht. »Verlass dich drauf. Das Reh hat er vorgestern gerissen. Der kommt wieder.«
»Echt ekelhaft.«
»Hab ich dich gezwungen mitzukommen?«
»Nee. Aber wenn ich vorher gewusst hätte, wie unbequem es auf diesem doofen Hochsitz ist …«
»Nun hört euch das an«, unterbrach Bernhard seinen Freund näselnd. »Die Gräfin hatte eine unbequeme Nacht. Soll ich nach der Zofe läuten, damit sie die Seidenkissen holt?«
»Blödmann.«
»Und ein Fläschchen mit Rosenwasser gegen den strengen Geruch?«
»Arsch.«
»Sei mal leise«, flüsterte Bernhard. »Da war was.«
Im Unterholz hatte etwas zu rascheln begonnen. Der Luchs, dachte Bernhard. Er stand auf, beugte sich über die Brüstung und starrte angestrengt nach unten, dorthin, wo die Kamera installiert war. Wochenlang hatte er an Stativen herumgeschweißt, das Blitzgerät justiert und am Auslösemechanismus getüftelt. Jetzt befand sich dort unten eine raffinierte Fotofalle für den Luchs, den noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte.
Eigentlich durfte es ihn gar nicht geben. Luchse waren hier seit hundertfünfzig Jahren ausgestorben. Aber im April hatte Bernhard neben einer Pfütze im aufgeweichten Waldboden eine frische Fährte entdeckt und ein paar Tage später noch eine. Danach ein paar Wochen lang nichts. Und gestern dann das gerissene Reh, daneben wieder die viel zu großen Katzenspuren. Es gab ihn, den Luchs, irgendwo in diesem Wald strich er umher, eingewandert aus den Karpaten oder aus dem Böhmerwald oder weiß Gott woher. Er war da, und das war eine Sensation, auch wenn es außer Bernhard niemanden interessierte. Am allerwenigsten Georg, die alte Mimose.
Wieder raschelte es. Ein aufgeregtes Flattern erhob sich. Unsichtbares Flügelschlagen taumelte durch die Luft und erstarb. Nur so ein dämlicher Vogel. Wahrscheinlich würde es bald hell werden. Bernhard ließ sich auf die Knie zurücksinken.
Georg schimpfte flüsternd weiter: »Wenn er heute Nacht nicht auftaucht, dann kannst du morgen wieder allein hier hocken.«
»Dann bleib doch zu Hause«, wisperte Bernhard leicht gereizt. »Prinzessin auf der Erbse!«
Hinter dem Bahndamm war ein bläulicher Schimmer zu erahnen, den der schwarze Himmel aufzusaugen begann wie Löschpapier. Noch war es dunkel, aber als Bernhard den Kopf wieder zu Georg wandte, blitzte das Weiß in den Augen seines Freundes auf.
Plötzlich fasste ihn Georg an der Schulter. Im gleichen Augenblick nahm Bernhard es auch wahr: ein Motorengeräusch. Da kam ein Auto näher, ganz langsam. Bald hörte man unter den Reifen Äste knacken und Zweige knistern. Zu sehen war immer noch nichts.
»Das gibt’s doch nicht«, murmelte Georg. »Was soll das denn?«
Bernhards Herz pochte in seinem Hals. Georgs Hand auf seiner Schulter schloss sich wie eine Zange. Wer zum Henker fuhr in dieser gottverlassenen Gegend mitten in der Nacht mit einem Auto im Wald herum?
Das Geräusch war jetzt ganz nah. Zwischen den Bäumen tauchten zwei kleine glimmende Striche auf, die ein schwaches Licht auf den Waldboden warfen. Jemand hatte die Scheinwerfer des Wagens bis auf schmale Schlitze abgedunkelt. Wer auch immer am Steuer saß, gab fast kein Gas; das Knacken und Knistern im Gehölz war beinahe lauter als der Motor. Einen Steinwurf vom Hochsitz entfernt rollte der Wagen aus und der Motor erstarb ganz. Wenig später erloschen auch die Lichtschlitze. Es war wieder totenstill.
»Vielleicht der Förster«, flüsterte Georg.
»Blödsinn«, zischte Bernhard. »Mit abgeklebten Scheinwerfern oder was?«
»Ein Liebespaar?«
»Dann kannst du ja gleich noch was lernen.«
»Pah! Auf dem Gebiet …«
»Sch!«
Eine Wagentür wurde leise geöffnet, dann noch eine. Schritte raschelten auf dem Waldboden, dann vernahm Bernhard ein scharrendes, scheuerndes Geräusch. Jemand zerrte an irgendetwas herum. Wieder Schritte. Für einen kurzen Moment flammte ein gedämpftes Licht auf, und ein klobiges Etwas war zu erkennen, das aus Laub zu bestehen schien.
»Was war das?« Bernhard hauchte mehr, als dass er flüsterte.
»Ich glaube, die haben ein Tarnnetz über das Auto gezogen.«
»Das wird mir langsam unheimlich.«
»Mir auch. Und wir kommen hier nicht weg. Nachher knallen die uns noch ab.«
Einige Minuten vergingen, in denen die beiden kaum zu atmen wagten. Während Bernhards Gedanken rasten, schliefen ihm die Füße ein. Langsam ließ er sich auf eine der Decken sinken und streckte die Beine aus. Die Stelzen knarrten.
Georg starrte weiter über den Rand der Brüstung, sein Kopf war ein undeutlicher Schattenriss. Plötzlich schlug eine aufgeregte Hand gegen Bernhards Knie. Bernhard richtete sich auf und spähte in Richtung Feld.
Auf dem Bahndamm, vielleicht dreihundert Meter von ihnen entfernt, bewegte sich ein rotes Licht hin und her. Es sah aus, als schwenkte jemand eine Signallaterne. Und dann näherte sich ein Rauschen und Rattern, das all die bemühte Heimlichtuerei scheinbar zunichtemachen wollte: Eine Lok stampfte heran.
Bernhard hatte in der Nacht ein oder zwei Mal einen Zug vorbeifahren hören; das Pfeifen der Lokomotive hatte er im Halbschlaf wahrgenommen. Diese Lok aber pfiff nicht. Stattdessen kreischte eine Bremse auf und das Rattern verlangsamte sich. Rechts neben dem Waldrand erschienen drei weiße Lichter, dann die Umrisse der Lok und einer Kette von Güterwaggons. Heller Dampf quoll hervor, wallte über das Feld und löste sich in nichts auf. Schließlich kam die Lokomotive knapp vor der roten Laterne auf dem Bahndamm zum Stehen und zischelte vor sich hin. Im Schein der Lichter wurde kurz eine Gestalt sichtbar, dann sprang sie von den Gleisen und verschwand im Dunkeln neben der Lok.
Bernhard und Georg hielten den Atem an.
Und dann kam richtig Leben in den Kartoffelacker.
Von links näherte sich eine Kolonne. Die Konturen der Fahrzeuge hoben sich gegen den Himmel ab, der inzwischen einen dunkelblauen Schimmer bekommen hatte. Bernhard starrte mit offenem Mund auf die Autos: zwei Militärjeeps und zwei massige Fahrzeuge, die einen Heidenlärm machten.
Das Ende der Schlange bildeten drei weitere dieser Kolosse mit lang gestreckten Anhängern, dann noch einmal zwei Geländewagen.
»Das sind Raupenschlepper«, wisperte Georg. Bernhard zitterte. Er krallte seine Hände in die hölzerne Brüstung des Hochsitzes.
Die Geländewagen scherten aus und kamen so zum Stehen, dass ihre Scheinwerfer einen der Waggons beleuchteten, auf dem ein riesiges, kastenartiges Ding lag. Befehle wurden gebellt und zwei Dutzend Männer sprangen aus den Fahrzeugen. Plötzlich wimmelte das ganze Feld von Gestalten, die auf den Waggon kletterten und sich an dem Kasten zu schaffen machten. Gleichzeitig fuhren die beiden vorderen Schlepper dröhnend an und erschienen in den Lichtkegeln. Auf ihre Fahrgestelle waren Kräne montiert.
Alles vollzog sich mit der Präzision eines eingespielten Orchesters: Schwenkarme wurden ausgefahren, Ketten senkten sich herab und wurden klackernd irgendwo eingehakt. Der erste Anhänger wurde neben den Waggon rangiert. Die Motoren röhrten auf, die Ausleger hoben sich, die Ketten knirschten und dann wurde das Ding im fahlen Scheinwerferlicht von der Ladefläche des Waggons emporgehoben, schwebte ein Stück durch die Luft und senkte sich langsam auf den Anhänger. Ein paar Kommandos, dann rollte das Gefährt davon und das zweite fuhr vor.
Das Zischen der Lok schwoll an und ging in ein langsames Stampfen über, als der Zug um genau eine Waggonlänge vorrückte. Bremsen quietschten. Wieder taten die Kräne ihre Arbeit und auch das Verladen des zweiten Kastens dauerte nur wenige Minuten.
Das Schauspiel wiederholte sich noch ein drittes Mal. Als sich auch das letzte Gespann entfernt hatte, sprangen die Männer in die Fahrzeuge, und die ganze Kolonne rollte langsam in die Richtung, aus der sie gekommen war. Die Raupenschlepper fuhren die Ausleger ein und folgten.
Die Lokomotive begann zu fauchen und ruckte an. Das Stampfen ste...

Table of contents

  1. Titel
  2. Impressum
  3. Kapitel 1
  4. Kapitel 2
  5. Kapitel 3
  6. Kapitel 4
  7. Kapitel 5
  8. Kapitel 6
  9. Kapitel 7
  10. Kapitel 8
  11. Kapitel 9
  12. Kapitel 10
  13. Kapitel 11
  14. Kapitel 12
  15. Kapitel 13
  16. Kapitel 14
  17. Kapitel 15
  18. Kapitel 16
  19. Kapitel 17
  20. Kapitel 18
  21. Kapitel 19
  22. Kapitel 20
  23. Kapitel 21
  24. Kapitel 22
  25. Kapitel 23
  26. Kapitel 24
  27. Kapitel 25
  28. Kapitel 26
  29. Kapitel 27
  30. Kapitel 28
  31. Kapitel 29
  32. Kapitel 30
  33. Kapitel 31
  34. Kapitel 32
  35. Kapitel 33
  36. Kapitel 34
  37. Kapitel 35
  38. Kapitel 36
  39. Kapitel 37
  40. Kapitel 38
  41. Nachwort
  42. Glossar
  43. Schnell weiterlesen!
  44. Weitere Leseempfehlungen