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1.
Einstieg
In vielen internationalen Unternehmen und
Organisationen spielen virtuelle Teams eine immer wichtigere Rolle: Über Länder und
Kontinente, Sprachen, Zeitzonen und Kulturen hinweg arbeiten Menschen gemeinsam an einem
Thema, einer Aufgabe oder einem Projekt, treffen sich dabei aber selten oder nie persönlich.
Stattdessen tauschen sie sich regelmäßig über eMail, Skype, Google Hangouts oder in
Telefonkonferenzen aus.
Während virtuelle Teams in Hinblick auf die
Verfügbarkeit von Expertenwissen, Flexibilität und Kosten viele Vorteile bringen, stehen
Führungskräfte, die ein virtuelles Team aufbauen und erfolgreich leiten sollen, vor
besonderen Herausforderungen.
Meine eigene Erfahrung mit virtuellen
Teams
Die Arbeit in virtuellen Teams in all ihren Facetten kenne ich aus
eigener Erfahrung, denn sie zählte lange zu meinem beruflichen Alltag. Rund fünf Jahre lang
habe ich im IT- und Medienbereich in virtuellen Teams gearbeitet und einige davon mit
aufgebaut: Bei Franklin Electronic Publishers leitete ich die Content Group mit Mitarbeitern
aus New Jersey und Deutschland und war zugleich Teil eines größeren Product Development
Teams, zu dem auch Kollegen aus Hongkong zählten. Für den kanadischen eBook-Anbieter Kobo
habe ich das Content Management in Europa aufgebaut und in dieser Zeit eng mit Kollegen aus
der Unternehmenszentrale in Toronto, aber auch aus verschiedenen europäischen Ländern und
den USA zusammengearbeitet. Zudem war ich beratend in weiteren Projekten involviert, in
denen u.a. chinesische Entwickler eine wichtige Rolle spielten.
„Can you hear me? Sorry, my Skype connection is bad today.” Wie viele Stunden
Zeitunterschied sind es nochmal nach Shenzhen? Warum ist der Kollege aus den USA heute nicht
recht bei der Sache? Ist die neue Mitarbeiterin aus Frankreich einfach schüchtern oder warum
beteiligt sie sich nicht an der Diskussion? Was genau versteht unser Lieferant unter „target
date“? Wieso hören wir „no problem“, bekommen aber keine Antwort auf unser
Fehlerprotokoll?
... diese und ähnliche Fragen
gehörten zu meinem Alltag, und einer wachsenden Anzahl von Menschen geht es wohl ebenso: In
einer Umfrage der WirtschaftsWoche unter rund 160 börsennotierten
Unternehmen in Deutschland gaben bereits 2012 insgesamt 36 Prozent der Befragten an, dass
die virtuelle Zusammenarbeit für sie eine „bedeutende Rolle“ spiele, eine „wachsende Rolle“
für diese Form der Zusammenarbeit sahen 64 Prozent.1
Und auch
wenn es nicht immer einfach war: Ich habe spannende Projekte begleitet, wunderbare Menschen
getroffen, viel erreicht und noch mehr gelernt, sowohl fachlich als auch in Bezug darauf,
worauf es ankommt, damit in einem virtuellen Team alle an einem Strang ziehen und gemeinsam
erfolgreich sind.
Denn: Die Zusammenarbeit in virtuellen Teams läuft oft
nicht so glatt, harmonisch und effektiv, wie sie könnte und sollte. Positiv gesehen bedeutet
dies, dass die meisten virtuellen Teams ein hohes Entwicklungspotenzial haben, und
derjenige, der sie leitet, hier viel bewegen kann. Mein Wissen und meine Erfahrungen gebe
ich heute als Business Coach an Führungskräfte weiter: Ich unterstütze sie dabei, virtuelle
Teams aufzubauen und erfolgreich zu leiten.
Mit diesem Business Survival Guide möchte ich Ihnen einen Wegbegleiter in die
Hand geben, in dem ich Ratschläge und Wissen aus der Praxis gebündelt habe mit dem Ziel,
dass Sie einiges davon im Alltag bei der Arbeit mit virtuellen Teams unterstützen kann – bei der Einführung ebenso wie bei dem erfolgreichen Ausbau.
Definition „virtuelles Team“
Unter einem virtuellen Team
verstehe ich ein Team, dessen Mitglieder sich an unterschiedlichen Orten befinden und
aufgrund der räumlichen Trennung in der Regel nur online oder telefonisch kommunizieren. Sie
arbeiten oft über Länder-, Sprach- und kulturelle Grenzen hinweg zusammen.
Die Bezeichnung virtuelles Team stellt eine
wörtliche Übersetzung des englischen virtual team dar und hat sich
inzwischen auch im deutschen Sprachraum etabliert. Sie kann jedoch irritieren, wenn das Wort
virtuell ambivalent gedeutet wird in dem Sinne, dass es sich um
ein unwirkliches und somit kein echtes Team handelt. Diese Konnotation des „Unechten“ fehlt
im Englischen. Synonym wird teilweise auch von einem dezentralen,
standortübergreifenden oder verteilten Team gesprochen.
Virtuelles Team ist heute jedoch die geläufigste deutsche
Bezeichnung.
Was heißt „erfolgreich“ in Bezug auf ein virtuelles
Team?
Wenn es darum geht, ein virtuelles Team erfolgreich aufzubauen und zu leiten, dann meine ich damit, das Potenzial, das ein
solches Team mit sich bringt, möglichst voll auszuschöpfen. Dies geschieht, indem man die
individuellen Fähigkeiten und Stärken der Teammitglieder erkennt und nutzt und gleichzeitig
mögliche Störungen auf ein Mindestmaß reduziert. In diesem Business
Survival Guide werden Sie ein Idealbild kennenlernen, aber dies heißt nicht, dass
es in der Praxis nicht immer wieder auch Probleme geben wird. Gestatten Sie einen Vergleich
bezogen auf die Gesundheit: Es geht darum, präventiv zu handeln, und wenn doch etwas
passiert, angemessen (mit der richtigen „Behandlung“) reagieren zu können. Damit hält man
den Schaden möglichst gering und stärkt gleichzeitig die Abwehrkräfte. Sprich: Das Team soll
künftig widerstandsfähiger gegen dieses Problem sein.
Aufbau,
Entwicklung und erfolgreiche Leitung von Teams stellen für Führungskräfte stets eine
Herausforderung dar. Dies gilt in besonderem Maße für virtuelle Teams. Der Führungsprozess
ist in räumlich verteilten Teams komplexer und anspruchsvoller, kann daher aber auch einen
besonderen Reiz haben: Im Vergleich zu stationären Teams, die primär an einem gemeinsamen
Ort tätig sind, bietet die Arbeit in virtuellen Teams sowohl Vor- als auch Nachteile. Für
Führungskräfte ist es wichtig, sich diese zu vergegenwärtigen, um angemessen damit umgehen
und das Potenzial dieser Arbeitsform maximal ausschöpfen zu können.
Was können Sie von diesem Business Survival
Guide erwarten?
Mein Ziel ist, dass
Sie nach der Lektüre dies mitnehmen können:
▪ Sie
wissen, was Sie tun, wenn Sie in einem virtuellen Team arbeiten bzw. es leiten – und warum
es evtl. manchmal hakt.
▪ Sie sind sensibilisiert für
mögliche Fallstricke. Ihr Blick ist geschärft und Sie wissen, worauf Sie achten
sollten.
▪ Sie können ein existierendes virtuelles Team noch besser und souveräner leiten, dadurch wird es
effektiver und die Teammitglieder zufriedener und motivierter.
▪ Beim Aufbau eines neuen virtuellen Teams werden
Sie von Anfang an auf bestimmte Dinge achten.
▪ Insgesamt können Sie das Potenzial Ihres virtuellen Teams und die Vielfalt
der Teammitglieder noch besser schätzen und nutzen.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen, und ich bin zuversichtlich, dass Sie manche
Situationen wiedererkennen und würde mich freuen, wenn Sie einige Aha-Effekte erleben.
Ich freue mich über Feedback dazu ebenso wie über
Fragen, die mich über den Rückkanal erreichen!
Nina
Kreutzfeldt
Hamburg, im Februar 2014
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2. Vor- und Nachteile räumlich verteilter Teams
Ein wesentliches Ziel dieses Business Survival Guide ist es, Sie in die Lage zu versetzen, sich den Herausforderungen, die mit Aufbau und Leitung virtueller Teams verbunden sind, zu stellen und diese Teams zu einem möglichst überzeugenden Erfolg zu führen.
Eine Voraussetzung hierfür ist, dass Ihnen sowohl die Stärken als auch die potenziellen Schwächen dieser Arbeitsform im Detail bewusst sind. Daher widme ich diesem Thema ein eigenes Kapitel. Führt man sich die Plus- und Minuspunkte virtueller Teams gleichermaßen vor Augen, so kann man die Vorteile nutzen, um solche Teams erfolgreich zu machen und gleichzeitig den möglichen Nachteilen aktiv und präventiv begegnen.
Vorteile virtueller Teams
Warum nimmt eigentlich die Zahl virtueller Teams international derart zu? Sie bieten offensichtlich Unternehmen und Organisationen eine Reihe wichtiger Vorteile:
▪ Flexibilität: Bei Bedarf können Unternehmen und Organisationen virtuelle Teams kurzfristig bilden. Ebenso schnell lassen sie sich umstrukturieren oder auch wieder auflösen. In der Regel ist die Mitgliedschaft in einem virtuellen Team keine Vollzeitaufgabe. Das bedeutet, dass die gleichen Mitarbeiter ggf. auch parallel verschiedenen Teams zugeordnet werden können. Ja nach eigenen Ressourcen und fachlichen Anforderungen lassen sich die eigenen Leute mit externen Beratern, Dienstleistern etc. in Teams zusammenbringen. Abhängig von der jeweiligen Aufgabe können dezentrale Teams schließlich sehr unterschiedlich groß sein, auch die Intensität und Dauer der Zusammenarbeit kann flexibel gesteuert werden.
▪ Zugriff auf Wissen und Ressourcen: Gibt es keine geografischen Beschränkungen, so hat ein Unternehmen bzw. eine Organisation potenziell Zugriff auf wesentlich mehr und qualitativ bessere personelle Ressourcen. Dies gilt in besonderem Maße, wenn Fachleute von außerhalb des Unternehmens hinzugezogen werden sollen. Ist ein Experte für ein bestimmtes Thema nur in einem anderen Land verfügbar, so kann er dennoch Teil eines solchen Teams werden.
▪ Globale Präsenz: Für Firmen, die in verschiedenen Ländern oder gar auf mehreren Kontinenten aktiv sind oder werden wollen, bieten virtuelle...