Iberische Diktaturen
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Iberische Diktaturen

Portugal unter Salazar, Spanien unter Franco

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Iberische Diktaturen

Portugal unter Salazar, Spanien unter Franco

About this book

Francisco Franco in Spanien und AntĂłnio de Oliveira Salazar in Portugal waren fast 40 Jahre lang an der Macht. Das schwierige Erbe der Diktaturen prĂ€gt die Geschichte der beiden iberischen Staaten bis heute - sei es durch zahlreiche Prozesse der Aufarbeitung, sei es durch revisionistische Beschönigung ihrer Herrschaft. Der vorliegende Band stĂŒtzt sich auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Er beschreibt die Etablierung und Erhaltung von Machtstrukturen in Systemen, die auf Dauer ausgerichtet waren, jedoch gerade deshalb ein gewisses Maß an FlexibilitĂ€t aufwiesen. Der Inszenierung von Geschichtsbildern und IdentitĂ€ten, der Konstruktion von Feindbildern und vielfĂ€ltigen UnterdrĂŒckungsmechanismen wird ebenso Raum gegeben wie dem kulturellen Leben unter Franco und Salazar.Der Band erzĂ€hlt von Anpassung, Widerstand und Flucht ins Exil.

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Information

Year
2012
Print ISBN
9783706551120
eBook ISBN
9783706557016

Die Diktatur in Portugal

Da es dem menschlichen Geist an Ausgeglichenheit mangelt,
ist auch die Ordnung nicht gegeben;
jemand muss sie zum Nutzen aller herstellen.
(AntĂłnio de Oliveira Salazar)1

Ökonomische Krisen und politische Utopien

Portugal zĂ€hlt zu den Ă€ltesten Staaten Europas. Es erfuhr seit dem Mittelalter nur geringfĂŒgige territoriale VerĂ€nderungen und war der erste Staat, der mit der europĂ€ischen Expansion in den Atlantikraum und nach Afrika begann. Ab dem 15. Jahrhundert nahmen die portugiesischen Seefahrer fĂŒr die Krone Kolonien in Afrika, Asien und Polynesien in Besitz. Zum Kolonialreich gehörten die Azoren, die Kapverdischen Inseln, die ebenfalls vor der WestkĂŒste Afrikas gelegene Inselgruppe SĂŁo TomĂ©, PrĂ­ncipe und Fernando PĂł, Angola, Guinea und Mozambique, in (Latein)-Amerika Brasilien, in Asien (Ost)Timor, die indischen Enklaven Goa, Diu, und DamĂŁo, und in China schließlich die kleine Kolonie Macao.2
Aufgrund strikter Immigrationsregelungen, der Zwangschristianisierung und Verfolgung der jĂŒdischen Bevölkerung3 und der EinfĂŒhrung der Inquisition im Jahre 1536 erreichte das metropolitane Portugal im Laufe von Jahrhunderten in ethnischer und religiöser Hinsicht relative HomogenitĂ€t. Oppositionelle und Nicht-Katholiken wĂ€hlten ab dem Konzil von Trient zunehmend die außereuropĂ€ischen Kolonien als Zufluchtsorte. Wenn Portugals politische Eliten auch keine Forderungen und WiderstĂ€nde von Minderheiten auszuverhandeln hatten, so sorgten die soziale GegensĂ€tze im Agrarland bis zu den 1920er Jahren fĂŒr eine Reihe von Krisen, die das Kolonialreich mehrmals an den Rand des Ruins brachten. Der Zucker- und Goldreichtum der grĂ¶ĂŸten Kolonie Brasilien brachte dem Hof und einer schmalen Oberschicht materielle Vorteile ein, die sich im Erwerb auslĂ€ndischer KonsumgĂŒter statt im Ausbau von Infrastruktur und Industrien manifestierten. Nachdem sich Brasilien 1822 vom Mutterland getrennt hatte, erhielt das afrikanisch-asiatische Kolonialreich als „neues Brasilien“ grĂ¶ĂŸere ideologische Bedeutung fĂŒr das Mutterland.
Die französischen Okkupationsversuche und die englische Einflussnahme auf die portugiesische Politik, die Bedeutung der Freimaurer und der Exileliten förderten in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhundert liberale Ideen. Sie vermochten sich infolge der temporĂ€ren Abwesenheit des Königshauses, das vor den napoleonischen Truppen nach Brasilien geflohen war4, zu entfalten. Der Liberalismus kulminierte in einer Revolte von Gewerbetreibenden in Nordportugal, die ebenfalls vom Brasilienhandel profitieren wollten. Der remigrierte König erließ 1826 eine Verfassung (Carta Constitucional), die abgesehen von einigen Abweichungen bis 1910 in Kraft war. Der liberale Konstitutionalismus setzte deutliche gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Akzente: So wurden die Grundlagen fĂŒr eine moderne öffentliche Verwaltung und ein reformiertes Justizsystem gelegt. Der Zehent wurde abgeschafft, die KrongĂŒter wurden in StaatsgĂŒter umgewandelt, UniversitĂ€ts- und OrdenslĂ€ndereien verstaatlicht und etwa 300 MĂ€nnerorden aufgelöst.5 Gegen die versuchte Registrierung und UmzĂ€unung von Bauernland regte sich heftiger Widerstand in der Landbevölkerung, der in der Region Minho von Frauen angefĂŒhrt wurde.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts prĂ€gten wiederum bĂŒrgerliche Eliten die Politik und verhinderten die Entwicklung eines parlamentarischen Systems. Die beiden nach 1851 gegrĂŒndeten „Parteien“ der Regeneradores und HistĂłricos, waren viel mehr durch Persönlichkeiten als durch Ideologien bestimmt. Sie hielten fast 50 Jahre lang das System der Rotation in der RegierungsausĂŒbung aufrecht, in dem eine Partei nach GutdĂŒnken theoretisch unbegrenzt die Macht hatte. Kam sie ihren Verpflichtungen nicht mehr nach, bot der Monarch der anderen Partei die Regierungsgewalt an. Wahlen fanden erst nach der Regierungsumbildung statt. Die wahlberechtigte Bevölkerung – das waren um 1850 ein Prozent, um 1900 drei Prozent – legitimierten das System a posteriori.6
Das Wahlrecht war vom Einkommen abhĂ€ngig und an die LesefĂ€higkeit gebunden, aber noch im Jahre 1910 betrug die Analphabetenrate 70 Prozent. Ab der zweiten HĂ€lfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein schmales und zum Teil nobilitiertes, politisch immer einflussreicheres BĂŒrgertum7, das den Aufbau eines ambitionierten Eisenbahn- und Kommunikationsnetzwerks mit Hilfe britischer Anleihen in Gang setzte, damit jedoch die Staatsverschuldung in die Höhe trieb und die AbhĂ€ngigkeit von den Briten verstĂ€rkte. Obwohl die Bevölkerung rapide anstieg, lebten bis zur Jahrhundertwende nur 16 Prozent in urbanen Zentren. Die Industriearbeiterschaft ĂŒberstieg die Zahl von 100.000 kaum; sie konzentrierte sich lediglich auf Lissabon und den Raum um Porto. Beinahe 60 Prozent der Bevölkerung waren in der Landwirtschaft tĂ€tig.8 Da Portugal fast ausschließlich Agrarprodukte und Fische exportierte und vor allem Fertigwaren importierte, litt es unter einer permanent negativen Handelsbilanz.9 Das prosperierende Brasilien zog ĂŒberschĂŒssige ArbeitskrĂ€fte – meist junge MĂ€nner – an, was wiederum demographische und familienpolitische Auswirkungen zeitigte.
Die modernisierungspolitischen SchwĂ€chen und seine außenpolitisch geringe Bedeutung versuchte Portugal nach der Wirtschaftskrise von 1870 durch neue koloniale Visionen wettzumachen. Zwar wurde der Handel mit afrikanischen Produkten wie Kaffee und Kakao, Elfenbein und Wachskerzen angekurbelt, dem portugiesischen Anspruch auf den Kongo erteilten die europĂ€ischen GroßmĂ€chte am Berliner Kongress von 1885 allerdings eine klare Absage. FĂŒnf Jahre spĂ€ter sorgten die kolonialen Interessen fĂŒr eine nationale Krise, da Portugals Plan, Angola und Mozambique zu einem großen Kolonialreich zusammenzufĂŒhren, mit den Strategien der portugiesischen Schutzmacht Großbritannien kollidierte, Kairo und Kapstadt mit einer Eisenbahnlinie zu verbinden.10
Die gescheiterte Kolonialpolitik manifestierte sich in einer politischen IdentitĂ€tskrise und einer republikanisch-antimonarchistischen Bewegung, die der 1880 gegrĂŒndeten Republikanischen Partei weitere Mitglieder brachte. In ihrem Programm von 1891 schrieb sie ihre Vorstellungen von einer föderalen Republik mit direktem, allgemeinem Wahlrecht fest. Von Mitte der 1890er Jahre bis 1920 versuchte Portugal vergeblich, seine Kolonien in Afrika durch sogenannte „BefriedungsfeldzĂŒge“ militĂ€risch zu kontrollieren. Die unter dem Druck des Völkerbundes begonnene zivilisationsmissionarische Modernisierung scheiterte an geringen finanziellen Mitteln und an der Inflation. FĂŒhrende Politiker kompensierten die Imperialismuskrise rhetorisch mit der Unantastbarkeit des „heiligen“ Kolonialreiches.11
1891 rebellierten die aus Intellektuellen, Journalisten, KĂŒnstlern, Gewerbetreibenden und einigen MilitĂ€rs zusammengesetzten republikanischen Oppositionellen in Porto erstmals gegen die Monarchie und das pseudoparlamentarische System des rotativismo. Zudem verlangten sie die Umsetzung klassischer republikanischer Ideale wie des allgemeinen Wahlrechts, die Trennung von Staat und Kirche, Bildungsreformen und zivilgesellschaftliche Grundrechte wie Pressefreiheit, Gleichheit, Vereinigungs- und Streikrecht. WĂ€hrend die einen ins Exil flohen, agierten die anderen im Rahmen der radikal nationalistischen Geheimgesellschaft der CarbonĂĄria im Untergrund. Die WiderstĂ€nde gegen eine oligarchische und korrupte Elite und das verschwenderische Königshaus kulminierten in tödlichen Attentaten auf König Carlos I. und seinen Sohn und Thronfolger LuĂ­s Felipe im Jahr 1908. Obwohl König Manuel II. den Republikanern grĂ¶ĂŸere Freiheiten einrĂ€umte, machten politische GrabenkĂ€mpfe und stetige Regierungswechsel das Land unregierbar. Eine Gruppe antimonarchistischer MilitĂ€rs stĂŒrzte von Lissabon aus am 4. Oktober 1910 die konstitutionelle Monarchie. Am 5. Oktober – bis heute der portugiesische Nationalfeiertag – wurde die Republik ausgerufen, der König rettete sich ins britische Exil. Die Monarchie hatte sich als unfĂ€hig erwiesen, den politischen Interessen des sich formierenden urbanen KleinbĂŒrgertums Rechnung zu tragen.12
Diese markante ZĂ€sur in Staats- und Regierungsform manifestierte sich in der neuen Verfassung von 1911 politisch und damit auch symbolisch: durch die Trennung von Staat und Kirche, ein parlamentarisches Mehrparteiensystem – allerdings ohne allgemeines Wahlrecht – eine neue WĂ€hrung, Hymne und Flagge. Vom Streikrecht machten die anarcho-syndikalistische Industriearbeiterschaft und die Landarbeiter hĂ€ufig Gebrauch. Eine fatale Folge des radikalen republikanischen Antiklerikalismus, durch den unter der FederfĂŒhrung von Finanzminister Afonso Costa nun Orden verboten und kirchliche GĂŒter eingezogen wurden, waren – Ă€hnlich wie in Spanien zwanzig Jahre spĂ€ter – die Ermordung von Priestern und die Zerstörung von Klöstern. Weihnachten wurde sogar in den „Tag der Familie“ umbenannt. Die Schließung von Schulen und SpitĂ€lern einer weitverzweigten jesuitisc...

Table of contents

  1. Cover
  2. Schmutztitel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Iberische Diktaturen