Praxisbuch Empirische Sozialforschung
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Praxisbuch Empirische Sozialforschung

in den Erziehungs- und Bildungswissenschaften

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Praxisbuch Empirische Sozialforschung

in den Erziehungs- und Bildungswissenschaften

About this book

Studierende und PraktikerInnen finden im "Praxisbuch Empirische Sozialforschung" wichtiges forschungsmethodisches Handwerkszeug und Hintergrundwissen, das sie befĂ€higen soll, Anforderungen in Bezug auf Konzeption, DurchfĂŒhrung und Auswertung von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten erfolgreich zu bewĂ€ltigen. Fragen der Planung und Konzeptualisierung, Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens und der wissenschaftlichen Textproduktion, das Recherchieren und Zitieren von Quellen unter Einsatz neuer Medien sowie angewandte Aspekte standardisierter und nicht-standardisierter Interview- und Befragungsmethoden werden dabei thematisiert.FĂŒr die ĂŒberarbeitete Neuauflage wurden die Texte aktualisiert und durch BeitrĂ€ge, die neue Entwicklungen aufgreifen, ergĂ€nzt: Dabei handelt es sich um den Einsatz von Literaturverwaltungssoftware zur UnterstĂŒtzung bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten sowie um die Komparatistik als methodologisches Konzept der vergleichenden Erziehungs- und Bildungswissenschaften.

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1 Schreib- und Arbeitsstrategien – Wider die Angst vor dem „ersten Blatt“

1.1 Am Anfang steht eine Idee – Planung und Themensuche als Prozess

Birgit Aschemann

Jede Abschlussarbeit beginnt zunĂ€chst mit dem Keim einer ersten Idee. In diesem Kapitel wird es darum gehen, wie Sie diese Idee erfassen, grĂŒndlich ĂŒberdenken und daraus ein Thema fĂŒr Ihre Masterarbeit entwickeln können, sodass eine durchfĂŒhrbare Arbeitsplanung entsteht.

Was bedeutet Ihre Abschlussarbeit – fĂŒr Sie persönlich?

Nach dem geltenden UniversitĂ€tsgesetz sind Diplom- und Magisterarbeiten definiert als „die wissenschaftlichen Arbeiten in den Diplom- und Magisterstudien, die dem Nachweis der BefĂ€higung dienen, wissenschaftliche Themen selbststĂ€ndig sowie inhaltlich und methodisch vertretbar zu bearbeiten.“ (vgl. BGBl I 2002/120 § 51 Abs 2 Z 8).
Die Masterarbeit ist damit eine notwendige PrĂŒfungsarbeit im Sinne eines (vor)letzten Leistungsnachweises vor Studienabschluss. Ihre persönliche Bedeutung geht darĂŒber jedoch meist hinaus. So kann die Masterarbeit als erste grĂ¶ĂŸere eigenstĂ€ndige Arbeit, als eigener Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung oder als Grundlage fĂŒr das Doktoratsstudium gesehen werden und bietet die Möglichkeit zur fachlichen Spezialisierung oder zur speziellen Berufsvorbereitung (vgl. Berning/Schindler 1993, S. 17–21).
Es ist sinnvoll, sich von Anfang an zu fragen, welche Bedeutung Ihre Abschlussarbeit fĂŒr Sie vor allem haben soll (und wo unter UmstĂ€nden Abstriche gemacht werden können). Ihre persönliche Motiv-Zusammensetzung sollte schon die Wahl Ihres Masterarbeitsthemas beeinflussen. Auch wenn Sie bei der Themenwahl nicht auf eine direkte berufliche Umsetzung abzielen, bietet die Abschlussarbeit eine Reihe von Entwicklungschancen. So werden sich zum Beispiel anlĂ€sslich der Masterarbeit Ihre FĂ€higkeiten im Schreiben und im Projektmanagement verbessern.

Management im Projekt Masterarbeit

Vom Management Ihres Masterarbeits-Projekts können Ihr Wohlbefinden und die Bearbeitungsdauer ganz wesentlich abhÀngen. Da der Arbeitsprozess und damit das Projektmanagement schon mit der Themensuche einsetzen, stelle ich einige Anmerkungen zum Management voran. Ich wÀhle dabei Aspekte aus, die im Masterarbeitsprozess oft vernachlÀssigt werden.
Rahmenbedingungen
Zum einen brauchen Sie gute und bewusst gestaltete Rahmenbedingungen, um Ihre Kraft auf die inhaltliche Arbeit richten zu können – dazu gehören ein Arbeitsplatz und Arbeitsmittel (PC etc.) von entsprechender QualitĂ€t.
Parallele Anforderungen oder finanzielle Sorgen können eine konzentrierte und konsequente Arbeit verhindern. Aus der Schreibberatung ist bekannt, dass DiplomandInnen oft das inhaltliche oder methodische Ziel der Abschlussarbeit zu hoch stecken, in der Masterarbeitsphase zu viel nebenbei planen und außerdem manchmal mit Hilfe der Abschlussarbeit zu viel erreichen wollen (vgl. Ruhmann 1997, S. 14 ff). Sie sollten die Masterarbeit daher nach Möglichkeit in eine Phase legen, in der Sie nicht zu sehr durch andere Verpflichtungen gebunden sind. Informieren Sie sich auch ĂŒber Möglichkeiten der finanziellen UnterstĂŒtzung, zum Beispiel in der Studienbeihilfenbehörde (Studienabschluss-Stipendium), auf der Internetseite der UniversitĂ€t (Forschungsförderung) und im zustĂ€ndigen Dekanat (Förderungsstipendien).
Als sehr nĂŒtzlich hat es sich erwiesen, Arbeitszeit und Freizeit in der Masterarbeitsphase klar zu trennen und den Schreibtisch in einer Ă€hnlichen Weise zu verlassen, als wĂŒrden Sie von der Erwerbsarbeit nach Hause gehen. Wenn Sie dann außerhalb der Arbeitszeit EinfĂ€lle zur Masterarbeit haben, können Sie Ihr Forschungstagebuch benutzen, um Ideen festzuhalten und spĂ€ter wieder aufzugreifen.
Teilen Sie Ihre Arbeit in sinnvolle Rationen auf und achten Sie im Arbeitsprozess auf Pausen. Vermeiden Sie dabei sehr lange Arbeitsunterbrechungen mitten in einem der großen Arbeitsmodule. Insgesamt sollten Sie fĂŒr Ihre Abschlussarbeit möglichst große zusammenhĂ€ngende Arbeitsphasen vorsehen, in denen Sie zwar bewusste Pausen einlegen, aber nicht ganz aus der Arbeit herausgerissen werden.
Planung wissenschaftlicher Arbeiten
Die Planung wissenschaftlicher Arbeiten ist unverzichtbar, da viele Teilschritte des wissenschaftlichen Arbeitens kein natĂŒrliches Ende haben und eine bewusste Begrenzung erfordern. Daher ist es gut, entlang einer definierten Planung zu arbeiten und das, was Sie im gegebenen Rahmen erreichen können, zu akzeptieren (vgl. Kruse 2002, S. 186). Das Erstellen eines Zeitplans ist dabei ein wichtiger erster Schritt.
Im Prinzip entsteht und funktioniert ein Zeitplan in folgenden Etappen:
‱ Arbeitsschritte (Module) definieren,
‱ den Modulen ZeitrĂ€ume zuweisen,
‱ den Ablauf und die ZeitrĂ€ume grafisch darstellen und
‱ im Arbeitsprozess laufende Soll-Ist-Vergleiche vornehmen.
Ein sehr guter Vorschlag zur Zeitplanung fĂŒr die Abschlussarbeit wurde ausfĂŒhrlich von Wottawa (1997, S. 42–52) beschrieben. Diese Anleitung eignet sich vor allem fĂŒr jene unter Ihnen, die gern Puzzles legen und generell Freude an Planung und Design haben.
Falls Sie sich durch eine so detaillierte Planung zu eingeengt fĂŒhlen, haben Sie folgende Möglichkeit:
1.) Setzen Sie Zeitlimits fĂŒr die wichtigsten Etappen im Masterarbeitsprozess. Dazu gehören zum Beispiel Konzepterstellung inklusive Inhaltsverzeichnis, Literatursuche, Literatur-Verarbeitung, Vorbereitung der empirischen Erhebung, DurchfĂŒhrung der empirischen Erhebung, Auswertungsarbeiten und Interpretation, Erstellen der Rohfassungen fĂŒr die einzelnen Kapitel, Überarbeitung, Layout und Korrekturen.
2.) Planen Sie jeweils Ihre Arbeitszeit fĂŒr die kommende Woche – und halten Sie diese ein. FĂŒllen Sie Ihr Wochenpensum mit den Arbeiten, die sich aus den festgesetzten Zeitlimits ergeben.
3.) Vergleichen Sie Ihren Arbeitsfortschritt mindestens einmal wöchentlich mit Ihrer Planung, um den Überblick zu behalten und Änderungen rechtzeitig vorzunehmen. So wird sich auch Ihre ArbeitszeiteinschĂ€tzung laufend verbessern. Mit der Zeit lernt man dabei, so engmaschig zu planen, dass die Herausforderung spĂŒrbar ist, aber auch so großzĂŒgig, dass die Freude an der Arbeit erhalten bleibt.
Die Planung wissenschaftlicher Arbeiten setzt eigentlich Erfahrung mit den einzelnen Arbeitsschritten und den eigenen Gewohnheiten voraus. Als DiplomandIn haben Sie vielleicht das Problem, etwas zu planen, das Sie in dieser Form noch gar nicht kennen (vgl. Kruse 2002, S. 186f.). Wenn Sie ĂŒber keine Praxiserfahrung mit Forschungsprojekten verfĂŒgen, ist es gĂŒnstig, BetreuerInnen oder erfahrene KollegInnen um eine RĂŒckmeldung zu Ihrem Zeitplan und zu Ihrer ZeitschĂ€tzung fĂŒr einzelne Arbeitsprozesse zu bitten. HĂ€ufig wird zu wenig Zeit fĂŒr unbekannte Arbeitsschritte vorgesehen, und organisatorische TĂ€tigkeiten (wie Literaturbeschaffung, Wartung von ArbeitsgerĂ€ten oder Organisation von GesprĂ€chsterminen) können in der Planung leicht untergehen. Planen Sie auch fĂŒr die Themenfindung selbst eine limitierte Zeitspanne ein!

Austausch, UnterstĂŒtzung und Motivation

Ein Punkt, den Sie sehr frĂŒh zu entscheiden haben, ist die Frage, ob Sie Ihre Abschlussarbeit als Einzelarbeit oder gemeinsam mit einem Kollegen oder einer Kollegin planen und durchfĂŒhren möchten. Das UniversitĂ€tsgesetz erklĂ€rt die gemeinsame Bearbeitung eines Themas durch mehrere Studierende fĂŒr zulĂ€ssig, verlangt aber, dass die Leistungen der einzelnen Studierenden gesondert beurteilbar sind (vgl. BGBl I Nr. 120/2002 § 81, Abs. 3). Die Chancen der gemeinsamen Themenbearbeitung sind vielfĂ€ltig und bestehen in Motivation und Austausch, gegenseitiger Beratung und Verbindlichkeit – die Risiken dagegen in AbhĂ€ngigkeit, ungleicher Aufwandsverteilung und differenten Zielvorstellungen. Wie jede Gruppenarbeit verlangt die gemeinsame Masterarbeit nach Arbeitsteilung und verbindlichen Regeln und Kommunikationsformen. Das sind wohl auch die HauptgrĂŒnde, warum die meisten Abschlussarbeiten als Einzelarbeiten verfasst werden.
WĂ€hrend der gesamten Masterarbeitsphase kann der kollegiale Austausch sehr nĂŒtzlich und wichtig sein. Das Schreiben einer Abschlussarbeit wird sonst erfahrungsgemĂ€ĂŸ zu einer recht einsamen Angelegenheit. Dabei sind Sie zwar mit Ihrem Thema und bald auch mit Ihrem Fachwissen allein, das Schreiben mit seinen GrundzĂŒgen und AblĂ€ufen teilen Sie jedoch mit vielen KollegInnen! Überlegen Sie, in welchem Forum Sie welche Art der UnterstĂŒtzung bekommen können, und organisieren Sie sich zweierlei: zum einen inhaltliches Feedback und Austausch (zusĂ€tzlich zur wissenschaftlichen Betreuung), zum anderen Kontakte zur gegenseitigen Motivation und UnterstĂŒtzung Ihres Durchhaltevermögens. Nutzen Sie Masterseminare und Referate, um RĂŒckmeldungen zu bekommen, und erkundigen Sie sich rechtzeitig ĂŒber zusĂ€tzliche UnterstĂŒtzungs-Angebote. An einigen Instituten haben sich DiplomandInnen-Gruppen gebildet; außerdem bieten psychologische Studierendenberatungen manchmal spezielle Studienabschluss-Gruppen an, in denen potenzielle Schwierigkeiten rund um die Abschlussarbeit thematisiert werden.
Der Beginn einer Masterarbeit ist ein guter Zeitpunkt, um ĂŒber bewusste EinflĂŒsse auf Ihre Motivation nachzudenken. Auch bei der Arbeit an einem geeigneten Thema, das Sie wirklich interessiert, sind Motivationsschwankungen im langen Prozess der Masterarbeit zu erwarten. Hier hilft eine Analyse Ihrer Kraftquellen dabei, Ihr Arbeitsinteresse aufrecht zu erhalten (vgl. Leopold-Wildburger/SchĂŒtze 2010, S. 13ff.). Machen Sie sich bewusst, was Ihnen Freude macht, und belohnen Sie sich fĂŒr kleine und grĂ¶ĂŸere Erfolge! Motivierend kann zum Beispiel die Zusammenarbeit mit bestimmten Personen wirken, oder auch die BeschĂ€ftigung mit bestimmten Themen oder bestimmten Arbeitsmitteln – also Aspekte im Arbeitsprozess selbst. SpĂ€ter können Freunde, PartnerInnen, Eltern, KollegInnen und BetreuerInnen motivieren und das Durchhaltevermögen stĂ€rken.
Wichtiger sind jedoch die Tricks, die Ihnen selbst und unabhĂ€ngig zur VerfĂŒgung stehen. Dazu kann zum Beispiel das Ausmalen eines Zielbildes gehören (ebd.): Wie wird es sich anfĂŒhlen, wie wird es aussehen, wenn Sie mit der Arbeit fertig und mit dem Ergebnis zufrieden sind? Wenn Sie wissen, dass ein bestimmtes SchreibgerĂ€t oder auch ein bestimmter Kaffeehausplatz Ihrer KreativitĂ€t oder Arbeitsfreude förderlich sind, dann nĂŒtzen Sie dieses Wissen. Sie können auch spielerisch in die Rolle des Forschers oder der Forscherin schlĂŒpfen und diese ĂŒbertreiben. Eine ausgezeichnete Motivationsquelle ist die Begeisterung fĂŒr das wissenschaftliche Arbeiten an sich. Mit einiger Freude am selbststĂ€ndigen Erforschen und kritischen Denken haben Sie dafĂŒr die besten Voraussetzungen.

Wie lÀuft die Suche nach einem passenden Masterarbeitsthema ab?

Viele Schwierigkeiten im Entstehungsprozess von Abschlussarbeiten lassen sich durch eine gĂŒnstige Themenwahl vermeiden. Die Phase der Entscheidung fĂŒr ein Thema ist also eine, die besondere Aufmerksamkeit verdient, wenn Sie es im Arbeitsprozess gut haben und Ihre Masterarbeit auch „als Spiel, als Wette, als Schatzsuche“ erleben wollen (vgl. Eco 1991, S. 266). Da der Weg von einem ersten Interesse bis hin zu einem durchfĂŒhrbaren Konzept einige Denkarbeit erfordert, sollten Sie sich möglichst frĂŒh mit einem potenziellen Masterarbeitsthema beschĂ€ftigen. GĂŒnstig ist es, schon eine Seminararbeit im Themenkreis der spĂ€teren Masterarbeit zu schreiben oder den gesamten zweiten Studienabschnitt auf das Masterarbeitsthema auszurichten.
Es gibt eine Menge spannender und umsetzbarer Masterarbeitsthemen, die Sie in der Regel im Bereich Ihrer StudienfÀcher selbst vorschlagen oder aus den VorschlÀgen von BetreuerInnen auswÀhlen können.
Es ist auch möglich, sich von einem Wunsch-Betreuer oder einer Wunsch-Betreuerin ein Thema empfehlen zu lassen, das dann in der Regel nahe am Forschungsschwerpunkt der betreuenden Person liegen wird. Die Vorteile dieses Vorgehens sind zahlreich: Ihre Betreuungsperson ist mit dem Thema sehr vertraut und kann Ihnen spezifisch passende Literatur (und Methoden) empfehlen. Er/sie verbindet mit der Themenstellung ein eigenes Forschungsanliegen und wird daher motiviert sein, Sie gut zu unterstĂŒtzen (was angesichts der FĂŒlle konkurrierender Aufgaben in seinem/ihren Arbeitsalltag nicht selbstverstĂ€ndlich ist). Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass bei solchen Themen ein vorab vereinbarter Fertigstellungstermin eingehalten werden muss un...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort zur zweiten Auflage
  6. 1 Schreib- und Arbeitsstrategien – Wider die Angst vor dem „ersten Blatt“
  7. 2 Planung und DurchfĂŒhrung – Gebrauchsanweisung fĂŒr den „richtigen“ Methodeneinsatz
  8. 3 Erfahrungen aus der Feldarbeit: Methodisches Wissen abseits des Lehrbuchs
  9. 4 Auswertung quantitativer Daten
  10. 5 Vom Text zur Interpretation
  11. AutorInnenverzeichnis