Nationalsozialisten vor dem Volksgericht Wien
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Nationalsozialisten vor dem Volksgericht Wien

Österreichs Ringen um Gerechtigkeit 1945-1955 in der zeitgenössischen öffentlichen Wahrnehmung

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Nationalsozialisten vor dem Volksgericht Wien

Österreichs Ringen um Gerechtigkeit 1945-1955 in der zeitgenössischen öffentlichen Wahrnehmung

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ÖSTERREICHISCHE GERICHTE FÄLLTEN VON 1945 BIS 1955 ÜBER 13.000 SCHULDSPRÜCHE GEGEN NS-STRAFTÄTER. Hellmut Butterweck holt den ganzen Komplex dieser Justiz ins Bewusstsein zurĂŒck. Mit ihren zu harten und ihren skandalös milden Urteilen. Mit dem vollen Kontrast zwischen zehn Jahren fĂŒr einen kleinen Ortsgruppen- und fĂŒr einen Kreisleiter, die Juden geholfen hatten, und einem Jahr fĂŒr einen Lagerleiter, unter dessen Schreckensherrschaft Roma ihren eigenen Kot vom Lagerhof auflecken mussten. Gerechtigkeit war eben nicht nur eine Frage des Datums, sondern auch des Richters, der die Verhandlung leitete. In diesem Buch gewinnt die emotional aufgeladene AtmosphĂ€re der frĂŒhen Nachkriegszeit, aber auch die EnttĂ€uschung der NS-Gegner ĂŒber den schnellen Übergang zur falschen "Befriedung" dramatische Lebendigkeit. DIE AUSEINANDERSETZUNG DER ÖSTERREICHISCHEN JUSTIZ MIT NS-STRAFTATENHellmut Butterweck stellt alle Prozesse des Volksgerichtes Wien von 1945 bis 1955 gegen NS-StraftĂ€ter, ĂŒber welche ein Bericht in einer zeitgenössischen Wiener Tageszeitung nachgewiesen werden kann, in chronologischer Ordnung dar. Das Material wird anhand von Zitaten aus den Gerichtssaalberichten dargestellt. Dabei entsteht nicht nur ein ĂŒberaus lebendiges Bild einer hoch emotionalen, aber fast völlig vergessenen Auseinandersetzung der österreichischen Justiz mit den NS-Straftaten, sondern es wird auch ein ĂŒberraschend neuer Blick auf den Alltag in der Nazizeit eröffnet."Ohne Übertreibung kann schon jetzt festgehalten werden, dass keine zeitgeschichtliche Arbeit zum Thema Nachkriegszeit ĂŒber dieses monumentale Quellenwerk von Hellmut Butterweck hinweggehen kann."Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb, Institut fĂŒr Zeitgeschichte, UniversitĂ€t Wien

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Information

Year
2016
eBook ISBN
9783706558334

Die FĂ€lle des Jahres 1946

Das arbeitsintensivste Jahr des Volksgerichts Wien begann mit der Aufstockung seiner sechs Vorsitzenden und 18 Untersuchungsrichter um weitere vier Vorsitzende und zehn Untersuchungsrichter, mit ĂŒber 5.000 offenen Voruntersuchungen und 193 erhobenen Anklagen. Obwohl die Tageszeitungen wegen der Papierknappheit an Wochentagen nur mit einem Umfang von vier Seiten erschienen, berichteten sie im Laufe des Jahres ĂŒber 278 Verhandlungen mit 339 Angeklagten. TĂ€glich wurden neue VerdĂ€chtige festgenommen, im MĂ€rz waren 30.949 Nationalsozialisten in Haft, ein Drittel in alliiertem Gewahrsam, ohne die „nicht bekannten nieder- und oberösterreichischen Zahlen“, womit die Personen in russischer Haft umschrieben wurden.
Am 9. Mai, dem ersten Jahrestag der Befreiung, gelangen Bundeskanzler Leopold Figl im Nationalrat wieder einige der fĂŒr ihn typischen AussprĂŒche: „Wie auch die Ereignisse in Österreich in den letzten zwei Jahrzehnten vor der Vergewaltigung durch Hitler sich gestaltet haben mochten, eines steht unverbrĂŒchlich fest: alle Österreicher, in welchem Parteilager sie standen, waren in diesen zwei Jahrzehnten nichts anderes als Österreicher. 
 Wer hat wen befreit? Das österreichische Volk hat sich selbst befreit! Was hĂ€tte jede militĂ€rische Befreiung genĂŒtzt, wenn nicht das Volk selbst mit heißem Herzen und unerschĂŒtterlichem Vertrauen immer wieder seine Freiheit ersehnt, gewollt und erkĂ€mpft hĂ€tte!“ (WZ 10.5.) Nur einen Tag spĂ€ter sah er sich allerdings veranlasst, den Studenten eindeutig zu erklĂ€ren, „daß es gerade auf den Hochschulen nur österreichische Menschen geben darf, sowohl unter der Lehrerschaft als auch unter der Hörerschaft. Ich verwarne alle zustĂ€ndigen Institutionen und Behörden zum letztenmal, hier rĂŒcksichtslos durchzugreifen, sonst werde ich mich, wenn es sein muß, nicht scheuen, einzelne Hochschulen schließen zu lassen.“
Die Klagenfurter Außenstelle des Grazer Volksgerichts begann ihre TĂ€tigkeit am 20. MĂ€rz mit einem Verfahren wegen der Tötung hunderter Anstaltspfleglinge in der Klagenfurter Heil- und Pflegeanstalt sowie im Siechenhaus, das am 4. April mit vier Todesurteilen endete.30 Dem Volksgericht Innsbruck unterlief gleich am ersten Arbeitstag am 10. Mai ein grober Fehler, der zur ersten Aufhebung eines Volksgerichtsurteils durch den Obersten Gerichtshof fĂŒhrte. Das Volksgericht Linz erwarb sich frĂŒhzeitig den Ruf besonderer Milde. In den ersten Monaten seiner TĂ€tigkeit zog im Durchschnitt Denunziation als einziger Anklagepunkt in Wien eine Strafe von 2,48 Jahren, in Linz von 1,3 Jahren nach sich. QuĂ€lerei und Misshandlung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und MenschenwĂŒrde nach KVG, allein oder zusammen, wurden in Wien im Schnitt dreimal so streng bestraft wie in Linz: mit 2,48 Jahren in Wien, aber nur 0,8 Jahren in Linz. Bei SchuldsprĂŒchen nach VG in Verbindung mit „besonders schimpflichen Handlungen“ wurden in Wien im Schnitt 2,9 und in Linz 1,66 Jahre verhĂ€ngt, bei SchuldsprĂŒchen nach VG und KVG in Linz 1,45 und in Wien 3,69 Jahre.31
Die Erinnerung an die Verbrechen war noch frisch und die AtmosphĂ€re in den GerichtssĂ€len oft emotional aufgeladen. In der Verhandlung gegen einen der vielen Menschenschinder beim Bau des sogenannten SĂŒdostwalles (46W64) saß im Zuschauerraum ein Staatsanwalt des Volksgerichts, der den Sklavendienst unter dem Angeklagten ĂŒberlebt hatte (Theodor Mayer-Maly), bei einem Lokalaugenschein in Mauthausen (46W172) wusste Staatsanwalt Herbert Fanta ĂŒber die Lage der Baracken und Höfe nicht weniger gut Bescheid als der Angeklagte, weil er selbst dort HĂ€ftling gewesen war und Klemens Pausinger, der im Sommer innerhalb von fĂŒnf Wochen das Verfahren gegen die Mörder von ĂŒber 200 HĂ€ftlingen in der Strafanstalt Stein (46W166) vorbereitete, war vom NS-Volksgerichtshof zum Tod verurteilt worden und hatte nur durch das Kriegsende ĂŒberlebt.
Die Zeitungen veröffentlichten lange Suchlisten. An manchen Tagen suchten Menschen ihre im Krieg vermissten EhemĂ€nner, VĂ€ter, BrĂŒder, an anderen Tagen wurde nach von der Gestapo verhafteten oder von zurĂŒckgekehrten Emigranten nach ihren in Österreich zurĂŒckgebliebenen, von den Nazis verschleppten Verwandten gesucht. Die einen waren zuletzt in diesem oder jenem Frontabschnitt oder Gefangenenlager, die anderen in diesem oder jenem Ghetto oder KZ gesehen worden. Die Suche nach vermissten Soldaten war kostenlos, fĂŒr die Einschaltungen, in denen nach Naziopfern gesucht wurde, musste bezahlt werden. Dies hatte freilich seine Logik. Schließlich war auch der Nachlass gefallener Soldaten von der Erbschaftssteuer freigestellt, die Nachkommen der Ermordeten mussten, wenn es eine Erbschaft gab, Erbschaftssteuer bezahlen.32
Die Wiener Zeitung meldete am 31. Dezember, im Jahr 1946 seien insgesamt 1.500 FÀlle mit Urteil erledigt worden, 8.600 politische Verfahren noch anhÀngig, rund 2.600 Beschuldigte befÀnden sich noch im Grauen Haus und in den verschiedenen Nebenstellen in Untersuchungshaft.
46W1 / 3.1. â–Ș Angeklagt: Josef Groß, BĂ€ckergehilfe â–Ș Wegen: VG â–Ș Vorsitz: Markus â–Ș Urteil: 3 Jahre
„Zur Zeit der Naziherrschaft, die unformierte, mit Dekorationen geschmĂŒckte Brust hoffnungsgeschwellt, war man ‚selbstverstĂ€ndlich immer illegal‘ gewesen; heute, um alle Hoffnungen gekommen, im schlichten Zivil und noch dazu angeklagt, war man ‚selbstverstĂ€ndlich niemals illegal‘ 
 Die Auszeichnungen erhielt ich nicht fĂŒr besondere Verdienste, sondern habe sie mir infolge meiner langen Parteizugehörigkeit sozusagen ersessen“ (Vbl 4.1.), erklĂ€rt der „Alte KĂ€mpfer“, Pg. seit 1921, SA-ObersturmfĂŒhrer und TrĂ€ger des Goldenen Parteiabzeichens, dem Gericht.
46W2 / 3.1. â–Ș Angeklagt: Karl Heiß, Elektromonteur â–Ș Wegen: Registrierungsbetrug â–Ș Urteil: 6 Monate Kerker
Der Parteigenosse „aus Waidhofen an der Ybbs war im August 1938 in Wien der NSDAP beigetreten. SpĂ€ter ist er nach Waidhofen ĂŒbersiedelt. Dort hat er geglaubt, sich um die Registrierung drĂŒcken zu können.“ (Vst 4.1.)
46W3 / 4./8.1. â–Ș Angeklagt: Adolf Weilhammer, Kutscher; Josef Forster, BetriebsfĂŒhrer und Direktor; Johann Kaiser, eh. Leiter der „Betriebsabwehrstelle“; August Ludwig, eh. Betriebsobmann â–Ș Wegen: Verbrechen der mehrfachen Denunziation, August Weilhammer auch Mißhandlung von Kriegsgefangenen beim SĂŒdostwallbau in Parndorf â–Ș Vorsitz: Smutek; Staatsanw.: Pastrovich; Vert.: MĂŒnzker (fĂŒr Weilhammer, e. o.), Herrdegen (fĂŒr Forster), Hans GĂŒrtler (fĂŒr Kaiser), MardetschlĂ€ger (fĂŒr Ludwig) â–Ș Urteil: Adolf Weilhammer: 3 Jahre; Josef Forster: 2 Jahre; Johann Kaiser: 1 Jahr; August Ludwig: Freispruch
Alle Angeklagten waren bei der Simmeringer Kabelfabrik tĂ€tig und „als fanatische Nazi bekannt“. (AZ 9.1.) Adolf Weilhammer brachte es als Aufseher beim SĂŒdostwallbau zum Spitznamen „Der Henker von Parndorf“ (Vbl 5.1.), August Ludwig wird vorgeworfen, einen tschechischen Arbeiter der Gestapo ausgeliefert zu haben. „Der BetriebsfĂŒhrer und Direktor, der Pg. Josef Forster, der die Kabelfabrik 1938 arisiert hat, war wegen Denunziation angezeigt“ (Vst 9.1.), weil er eine Arbeiterin, die beschuldigt wurde, ein VerhĂ€ltnis mit einem französischen Fremdarbeiter zu haben, von der Gestapo verhaften ließ. „Die Arbeiterin 
 soll in der Haft gestorben sein. 
 Jeder versuchte, die Schuld dem anderen zuzuschieben, jeder wollte nur im Auftrag des anderen gehandelt haben.“ (Vbl 5.1.)
46W4 / 5.1. â–Ș Angeklagt: Julius Schuster, Weichensteller â–Ș Wegen: VG. â–Ș Urteil: 3 Jahre
„Seit 1922 bei der Österreichischen Bundesbahn, versah Julius Schuster neun Jahre spĂ€ter den Dienst als Weichensteller am Bahnhof HĂŒtteldorf. Das waren fĂŒr ihn ‚dĂŒrre‘ Jahre. Eine Zeitlang wĂŒrde das noch so weitergehen, aber dann, dann mußte es grĂŒndlich anders werden 
 Wozu hatte er die Aufstellung der Wiener SA.-Musik besorgt und sie 1927 zum Parteitag nach NĂŒrnberg gefĂŒhrt? Wozu hatte er sich im selben Jahr bei der NSDAP. angemeldet 
 Wozu war er in Wöllersdorf gesessen und seines Dienstpostens enthoben worden? 
 Dann kam der ‚Umbruch‘, fĂŒr Schuster der Anbruch seiner ‚fetten‘ Jahre 
 Der Gauobmann der DAF. bestellte Schuster hauptamtlich zum Leiter der Fachabteilung ‚Energie-Verkehrs-Verwaltung‘. Damit hatte er die Position eines Gauhauptstellenleiters erreicht. 1943 schließlich wurde er Personalreferent bei den Gauwerken Niederdonau. Dazu kamen der Titel ‚Alter KĂ€mpfer‘, die Ostmark-Medaille, das Goldene Ehrenzeichen und – ja nicht zu vergessen – 1000 Mark monatlich Gehalt. Ein Fehler aber war Schuster doch unterlaufen, der ihm als Fachmann im Weichenstellen nicht hĂ€tte unterlaufen dĂŒrfen. Er war mit seinen ZukunftstrĂ€umen statt auf das freie Hauptgeleise auf ein Stockgeleise geraten.“ (Vbl 6.1.)
46W5 / 7.1. â–Ș Angeklagt: Anton Eimer, Elektroingenieur â–Ș Wegen: IllegalitĂ€t, Registrierungsbetrug â–Ș Vorsitz: Markus â–Ș Urteil: 15 Monate
Er gab „als Eintrittsdatum in die NSDAP. den 13. MĂ€rz 1938 an und erklĂ€rte, als SS.-UntersturmfĂŒhrer den Sturm Hollabrunn geleitet zu haben. Laut Stammblatt der Gauwerke (nun wieder ‚Newag‘) war er aber bereits 1936 der Partei beigetreten und hatte seit 1938 den Rang eines SturmfĂŒhrers bekleidet.“ (Vbl 8.1.)
46W6 / 11.1. â–Ș Angeklagt: Franz MĂŒller, 44, eh. KriminalsekretĂ€r â–Ș Wegen: §§11 (10) VG., KVG â–Ș Vorsitz: Hochmann; Staatsanw.: Zehetgruber; Vert.: Schneider (e.o.) â–Ș Urteil: 10 Jahre
Der österreichische Kriminalbeamte war „seit 1931 Mitglied der NSDAP., betĂ€tigte sich als Sprengelleiter der illegalen Polizeibeamten, hielt Verbindung zu einer SA.-Gruppe und trug sich mit der Absicht, bei einem geplanten Naziputsch an der Besetzung der Polizeidirektion teilzunehmen. WĂ€hrend der Haft des seinerzeitigen PolizeiprĂ€sidenten Doktor SteinhĂ€usl33 diente er diesem als Mittelsmann und spĂ€ter als Spitzel 
 Nach der Annexion Österreichs wurde MĂŒller zur Gestapo ĂŒberstellt. Hier oblag ihm die Aufgabe: PrĂŒfung der politischen ZuverlĂ€ssigkeit. SpĂ€ter erhielt er das Referat: Arbeitsunlust von AuslĂ€ndern. Sein Name wurde von den auslĂ€ndischen Arbeitern nur mit Schrecken genannt. Als das Dritte Reich zu wanken begann, trieb MĂŒller im Dienste der Feldgendarmerie ‚kampfunlustige Soldaten‘ an die Front.“ (AZ 12.1.) „OLGR. Dr. Hochmann, der erst vor wenigen Tagen zum Vorsitzenden eines neuerrichteten Volksgerichtssenats ernannt wurde, scheint allen Ernstes mit der in der letzten Zeit geĂŒbten Praxis einer milden Beurteilung der Naziverbrecher brechen zu wollen.“ (ÖZ 12.1.)
46W7 / 15.1. â–Ș Angeklagt: Anton Weingartner, 47, eh. BĂŒrgermeister von Langenlois â–Ș Wegen: §§ 10, 11 VG., §§ 3, 4 KVG. â–Ș Vorsitz: Markus; Staatsanw.: Mayer-Maly; Vert.: KohlschĂŒtter â–Ș Urteil: 8 Jahre nach §11 VG.
„Die braune Obrigkeit von Langenlois fĂŒhrte ein wahres Schreckensregiment. Als der Landwirt Edmund Brandl aus Zöbing einen ‚Befehl‘ des OrtsbauernfĂŒhrers unbeachtet ließ, wurde er wenige Stunden spĂ€ter von dem berĂŒchtigten SA.-StandartenfĂŒhrer Pilz (46W166) im Auto nach Langenlois gebracht, dort in eine Zelle gesteckt und eine Viertelstunde lang mit GummiknĂŒtteln und Ohrfeigen traktiert 
 Karl Hluchy, der wegen einer Luftschutzangelegenheit in Ungnade gefallen war, wurde in den Arrest gefĂŒhrt und von Pilz mit dem GummiknĂŒttel mißhandelt. Weingartner stand dabei in der offenen ZellentĂŒr und ergötzte sich an den Qualen des Opfers. Der Angeklagte Weingartner, mit dessen Wissen, vielfach sogar auf dessen Anordnung, diese Grausamkeiten verĂŒbt wurden, versuchte seine Schuld an den Mißhandlungen zu leugnen.“ (AZ 16.1.)
46W8 / 17.1. â–Ș Angeklagt: Albert Thaler, 48, Schlosser in der StaatsbahnwerkstĂ€tte St. Pölten â–Ș Wegen: §7 KVG. (Denunziation) â–Ș Vorsitz: Markus; Staatsanw.: Zehetgruber; Vert.: Sas-Zaloziecky (e.o.) â–Ș Urteil: 2 Jahre
„Nach der Aufforderung Dr. Goebbels im Rundfunk, daß notgelandete alliierte Piloten am besten gleich von der Bevölkerung zu erschlagen wĂ€ren, sprachen darĂŒber die Arbeiter Thaler, Lugmair und Pfabigan. Obwohl Thaler als fanatischer Nazi und Naderer bekannt war, ließ sich Lugmair dazu hinreißen, die Aufforderung Goebbels einer scharfen Kritik zu unterziehen. Auch Pfabigan schloß sich dieser Meinung an. Thaler denunzierte beide beim Nazibetriebsobmann, es kam zu einer Anzeige und schließlich zu einer Anklage gegen Lugmair und Pfabigan vor dem Sondergericht Wien. WĂ€hrend Pfabigan durch seine Einberufung zum Wehrdienst einer Bestrafung entging, wurde Lugmair zu achtzehn Monaten GefĂ€ngnis verurteilt.“ (AZ 18.1.)
46W9 / 18.1. â–Ș Angeklagt: Rudolf Schröckinger, 46, Dentist â–Ș Wegen: §§11 (10) VG. â–Ș Vorsitz: Hochmann; Staatsanw.: Allinger; Vert.: Mathis â–Ș Urteil: 2 Jahre
„1938 begab er sich nach Deutschland und wurde sofort in die Österreichische Legion aufgenommen. Nach der Annexion Österreichs kam Schröckinger mit der Legion nach Wien und erreichte hier den Rang eines ObersturmbannfĂŒhrers 
 will sich aber wĂ€hrend der Verbotszeit nicht politisch betĂ€tigt haben.“ (AZ 19.1.)
46W10 / 21.1./3.10. â–Ș Angeklagt: Karl Mayer, 32, BĂ€ckergehilfe â–Ș Wegen: §10 (11) VG. â–Ș Vorsitz: Markus/Hollmann; Staatsanw.: Pastrovich/Fanta; Vert.: GĂŒrtler â–Ș Urteil: Drei Jahre am 21.1., Eineinhalb Jahre am 3.10.4634
„Nachdem er 1934 wegen Sprengstoffdiebstahls zu sechs Jahren schweren Kerkers verurteilt worden war und von dieser Strafe zwei Jahre verbĂŒĂŸt hatte, konnte er nach der Annexion Österreichs fĂŒr seine ‚Leistungen‘ die Rechnung vorweisen: Mayer wurde BlutordenstrĂ€ger und BĂŒrgermeister von Hundsheim. Da ihm kurz darauf eine SchwarzschlĂ€chterei nachgewiesen wurde, mußte er aber seines Postens als BĂŒrgermeister enthoben werden.“ (AZ 22.1.)

Ein Unmensch vom Grund

46W11 / 22.1. â–Ș Angeklagt: Maria Heider, Hausmeisterin â–Ș Wegen: §§11 (10) VG. â–Ș Vorsitz: Egger; Staatsanw.: Allinger; Vert.: Weigert â–Ș Urteil: 18 Monate (Schuldig nach §§4, 7 KVG., Spruch nach §4 KVG.)
Eines der frĂŒhen unbegreiflich milden Urteile wegen Denunziation: Maria Heider fĂŒhrte im Haus Bergsteiggasse 54 „ein wahres Schreckensregiment. Neben wĂŒsten Beschimpfungen der Familie Pollak ohrfeigte sie die Tochter, riß sie an den Haaren, den jĂŒngsten Sohn schlug sie mit dem Ausreibfetzen ins Gesicht. Selbst als der alte Mann die Wohnung verließ, um sie seiner Familie zu sichern, setzte die Heider das Kesseltreiben gegen die ĂŒbrigen Familienmitglieder, die Mischlinge sind, fort. Als ein Freund der Verfolgten zu vermitteln suchte, drohte ihm der Ortsgruppenleiter mit der Abschiebung nach Dachau. Der alte Pollak ist verschollen.“ (WZ 23.1.)
46W12 / 23.1. â–Ș Angeklagt: Leopold Winterer, 48, Lagerhausarbeiter (Marschall: Angekl.20) â–Ș Wegen: Verbrechen des dreifachen Mordes und nach §1 KVG. â–Ș Vorsitz: Hochmann; Staatsanw.: Mayer-Maly; Vert.: Tuschak (e.o.) â–Ș Urteil: Tod durch den Strang (Vollstreckt: 10.5.46)
Winterer war „vom 10. November 1944 bis 17. MĂ€rz 1945 Ortskommandant von Wanndorf bei Ödenburg, wo ein Lager fĂŒr Tausende 
 ungarische Juden zur Zwangsarbeit am SĂŒdostwall bestand. Auf Befehl des SA-FĂŒhrers Otto Mader, der noch flĂŒchtig ist, hat Winterer drei Lageri...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Einleitung
  7. Die gesetzlichen Grundlagen
  8. Die Systematik der Dokumentation
  9. Die FĂ€lle des Jahres 1945
  10. Die FĂ€lle des Jahres 1946
  11. Die FĂ€lle des Jahres 1947
  12. Die FĂ€lle des Jahres 1948
  13. Die FĂ€lle des Jahres 1949
  14. Die FĂ€lle des Jahres 1950
  15. Die FĂ€lle des Jahres 1951
  16. Die FĂ€lle des Jahres 1952
  17. Die FĂ€lle des Jahres 1953
  18. Die FĂ€lle des Jahres 1954
  19. Die FĂ€lle des Jahres 1955
  20. Anmerkungen
  21. Die Vorsitzenden und ihre FĂ€lle
  22. Die StaatsanwÀlte und ihre FÀlle
  23. Die Verteidiger und ihre FĂ€lle
  24. KĂŒrzel der zitierten Zeitungen, sonstige AbkĂŒrzungen
  25. WeiterfĂŒhrende Literatur