Die Gemeinsamkeiten von Reformpädagogik und Schulentwicklung
Schulentwicklung ist ein personenzentriertes Konzept, das durch kooperative Aushandlungsprozesse und kooperatives Entdecken von Chancen und Möglichkeiten in relativer Autonomie (innerhalb der Systemgrenzen) entdeckendes Lernen für Erwachsene ermöglicht, die lernen, durch Selbstevaluation ein realistisches Bild ihrer Leistungen zu gewinnen und sich aktiv am Problemlöseprozess Schulentwicklung zu beteiligen.
Schulentwicklung als Organisationskonzept der Lernenden Schule spiegelt damit die wesentlichen Prinzipien der Reformpädagogik wider und überträgt sie in den Lernprozess der Beteiligten.
Reformpädagogik | Schulentwicklung |
erlaubt Bildung nach „innerem Bauplan“ – selbstorganisiertes Lernen; | erlaubt Entwicklung von „innen“ – selbstorganisiertes Lernen; |
versteht den Menschen als mündiges und lernfähiges Wesen – jede(r) übernimmt Verantwortung; | versteht den Menschen als mündiges und lernfähiges Wesen – jede(r) übernimmt Verantwortung; |
schafft gezielte Lernsituationen im Alltag; | schafft gezielte Lernsituationen im Alltag; |
ist handlungs-und erfahrungsorientiert; | ist handlungs- und erfahrungsorientiert; |
gesteht Gestaltungsfreiheit zu; | gesteht Gestaltungsfreiheit zu; |
berücksichtigt die Stärken der Kinder; | berücksichtigt die Stärken der Beteiligten; |
steht für offenen, planmäßigen Unterricht; | ist offenes, planmäßiges Vorgehen; |
basiert auf humaner, demokratischer Einstellung; | basiert auf humaner, demokratischer Einstellung; |
berücksichtigt kindliche Entwicklungsbedürfnisse; | berücksichtigt Bedürfnisse der Menschen und der Organisation; |
hat Selbstentwicklung und Selbststeuerung zum Ziel; | hat Selbstentwicklung und Selbststeuerung zum Ziel; |
berücksichtigt ganzheitliche Bildung; | berücksichtigt Analyse-, Entscheidungs-, psycho-soziale und inhaltliche Lernprozesse; |
sucht Kongruenz von Inhalt und Methode; | sucht Einheit von Verfahren und Inhalt herzustellen; |
fördert Kooperation; | basiert auf Teamwork; |
fördert entdeckendes Lernen; | ist ein Entdeckungsprozess; |
fördert kritische Selbstbeurteilung; | braucht Selbstevaluation; |
lässt Projektarbeit zu. | ist Projektarbeit. |
Kooperative Prozesse in der Reformpädagogik und in der Schulentwicklung
In der Jenaplan-Pädagogik, in der Daltonplan-Pädagogik und in der Freinet-Pädagogik ist die Kooperation
• Grundlage für das Verständnis von Lernen,
• Organisationsform für bedeutsame Lernprozesse und
• wesentlichstes Erziehungsziel.
Kooperation bei Peter Petersen
Peter Petersen meint zur Bedeutung von Kooperation:
Dadurch reichen wir in der Schule ...
„ ... heran an die wahre Erziehung, wie sie zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Natur als reines Geistwirken absichtslos geschieht.“ (Petersen (1927), 1951,S. 11)
„Die Idee der Erziehungsgemeinschaft wird oberste, alles Geschehen innerhalb der Schulgemeinde letzthin normierende Idee.“ (Petersen (1927), 1951, S. 10)
Die Begründung dieser Aussage beruht auf Peter Petersens Auffassung über den Menschen, nämlich dass der Mensch des anderen bedarf, um Mensch zu werden.
In der Diskussion der Erziehungsidee ist es wichtig zu wissen, dass die Jenplanschule den Kindern half, „Denken und Wollen anderer Weltanschauungsgruppen“ zu achten und zu verstehen „und dass man die Kunst der Kooperation mit Andersdenkenden“ ernsthaft lernte. Erziehung vollzieht sich nach der Erziehungsidee Peter Petersens in und durch die Gemeinschaft. Das Individuum bringt sich mit all seinen Fähigkeiten und Kenntnissen absichtslos in die echte Gemeinschaft ein und erfährt so seine Sinnerfüllung: Das Individuum wird zur Persönlichkeit durch Leben in der Gemeinschaft. So gesehen ist die Frage nach der optimalen Unterrichtsmethodik zweitrangig gegenüber der alles entscheidenden Frage, wie der Unterricht „den beiden Ideen der Ehrfurcht vor dem Leben und der Erziehung, d.h. der Freimachung des Menschentums in jedem Kinde“ (Petersen, Peter. In: Röhrs 1986, S. 209), ohne Einschränkung dienen kann.
Besonders durch die altersheterogenen Stammgruppen und den Wechsel der Gruppierungen bietet Peter Petersen in seinem Jenaplan eine adäquate didaktische Grundlage für die Kooperation der Kinder. So wird jedes Kind wahrscheinlich einmal in der Rolle des „Lehrlings“, des „Gehilfen“ und des „Meisters“ lernen und arbeiten.
Kooperation bei Helen Parkhurst
Gegenüber dem Dalton-Plan ist oft der Einwand erhoben worden, dass vor allem die Arbeit an den Assignments (schriftliche Lernaufgaben) in den Facharbeitsräumen eine sozial verdünnte Situation erwirke. Dieses Argument hat auch Peter Petersen dazu veranlasst, seinen Jenaplan einen „Widerpart des Dalton-Plans“ (vgl. Petersen 1934, S. 81) zu nennen. Helen Parkhurst bezieht gegen diese Kritik klar Stellung.
Als erstes Prinzip des Dalton-Planes nennt sie die Freiheit, doch schon als zweites Prinzip betont sie die Interaktion: „Der zweite Grundsatz des Dalton-Plans ist die Kooperation oder, wie ich ihn zu nennen bevorzuge, die Interaktion im Gruppenleben.“ (Parkhurst 1926, S. 19) Sie umschreibt dieses Prinzip mit verschiedenen Wendungen, wie „social experience“, „sense of responsibility“, „socialisation“ und betont an anderer Stelle in ihrem Hauptwerk „Education on the Dalton Plan“: „Diese Sozialisation in der Schule, wie ich sie nenne, ist für den Erfolg des Experiments ebenso wichtig wie die Freisetzung der Kinder.“ (Parkhurst 1926, S. 46)
Das Funktionieren dieses Prinzips erfährt auch immer wieder eine Bestätigung durch die Pädagoginnen und Pädagogen, die den Dalton-Plan „schulerneuernd“ und „schulentwickelnd“ in die Praxis umsetzen: C. W. Kimmins und Belle Rennie, die neben A.J. Lynch die Dalton-Plan-Bewegung in England initiiert haben, schreiben: „Die Schule wird – sobald sie nach dem Dalton-Plan organisiert ist – eine soziale Gemeinschaft, die nicht nur auf das Leben vorbereitet, sondern selbst Leben ist.“ (Kimmins & Rennie o.J., S. 100) In diesem Werk wird der Dalton-Plan als ein Schulmodell verstanden, dessen entscheidende pädagogische Kriterien die Individualisierung der Schularbeit und soziale Fundierung des Schullebens sind. Auch die Praxis der Dal-ton-Plan-Schulen in den Niederlanden zeigt die Betonung der Sozialisationsfaktoren in einer modernen Anwendung des Planes Helen Parkhursts.
Wie aus dem zweiten Prinzip der Daltonplan-Pädagogik hervorgeht, dient das pädagogische Konzept Helen Parkhursts nicht nur der Individualisierung und Differenzierung des Unterrichtes, sondern in gleicher Weise auch der Gemeinschaftserziehung durch die „community“. In den Laboratorien können einander Schüler/innen aus verschiedenen Jahrgängen und verschiedenen „Klassen“ begegnen. Entscheidend für die Entfaltung sozialer Erfahrungen und Kompetenzen ist nach Helen Parkhursts Meinung der Umstand, dass die sozialen Beziehungen wesentlich durch das Interesse an der Sache bzw. der Arbeit strukturiert werden und der einzelne Schüler im „Fachraum“ in verschiedenen Rollen agiert, meist notwendigerweise in einem „Handeln zu zweien“ (vgl. Popp 1995, S. 105).
Das zweite Grundprinzip „Kooperation“ bezieht sich nicht nur auf die Sozialformen der Arbeiten der Schüler/innen, sondern vielmehr auf die Beseitigung kooperationshemmender Strukturen im Schulleben. Nach Parkbursts Auffassung entfaltet sich die soziale Dimension schulischen Arbeitens von selbst, wenn man nur die Konkurrenzsituation des Frontalunterrichts aufhebt und den Lernenden die Möglichkeit einräumt, nach Bedarf und Belieben zu kooperieren, auch über die Grenzen der „Klassen“ -Gemeinschaft hinweg (vgl. Popp 1995, S. 105).
Der Daltonplan zielt auch darauf hin, eine Schule als Einheit zu sozialisieren, aus ihr eine kooperative Gemeinschaft zu machen. Diese Einheit zu schaffen ist vor allem auch Aufgabe der Lehrer/innen einer Schule. Diese sollen vor allem über die entsprechenden Methoden, die Hilfsmittel, die Art von Pensen, Tagesfarben, Verhaltensregeln und vieles mehr intensive Diskussionen führen und die Schule für ihre Kinder nach den Dalton-Prinzipien schaffen.
Kooperation bei Célestin Freinet
Ein wesentliches Prinzip der Freinet-Pädagogik ist die Kooperation der Kinder untereinander und miteinander. Dieses Prinzip steht im Gegensatz zum konkurrenzierenden Verhalten der Kinder in der herkömmlichen Schule. Vor allem die Schuldruckerei, die Korrespondenz und die Einrichtung des Klassenrates, die gemeinsame Unterrichtsplanung und ebenso die Bewertung der eigenen Arbeiten sind Mittel und Techniken, an denen die Kinder die Kooperation erlernen und erleben. Weitere Formen der Kooperation sind bei Célestin Freinet:
• Gemeinschaftsarbeiten,
• Auswertung der Unterrichtsgänge,
• Auswahl der freien Texte,
• Korrespondenz,
• Gruppenarbeit,
• Druckerei,
• Experimentieren ...
Viele Aufgaben werden in einer Freinet-Klasse von den Kindern in einer selbsttätigen Art und Weise und ebenso selbstverantwortlich übernommen. Vor allem die Möglichkeit der Mitgestaltung des Schullebens führt zur Übernahme der Verantwortung. Doch Verantwortung können die Kinder nur übernehmen, wenn ihnen diese durch all die zusammenhängenden Prinzipien auch wirklich übergeben wird.
• Verantwortlichkeit („Ämter“),
• Arbeitspläne,
• Disziplin,
• Klassenversammlung ... (vgl. Teigeier 1994, S. 39).
Wir können hier nahtlos an die Schulentwicklung anschließen. Auch Lehrer/innenteams müssen Verantwortung übernehmen, sie müssen ihre gemeinsame Arbeit planen, sie müssen diszipliniert vorgehen und sie müssen ihre Arbeitsprozesse zum Großteil selbst moderieren und organisieren.
Schulentwicklung ist Arbeit im Team
Ein Aspekt der Organisationskultur, der oft für die Entwicklungsfähigkeit einer Organisation verantwortlich ist, ist die Fähigkeit zur Teambildung, zur Kooperation. Schulen, die Qualität und Innovation anstreben, werden der Teamentwicklung, dem Erwerb von Kooperationsfähigkeit hohe Priorität geben. Ein „Team“ ist mehr als eine „Gruppe“. Teams haben fol...