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Psychosoziale Betreuung von traumatisierten FlĂŒchtlingen

  1. 172 pages
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Psychosoziale Betreuung von traumatisierten FlĂŒchtlingen

About this book

"Ich will helfen!" Das denken sich viele angesichts der Situation zahlloser geflĂŒchteter Menschen, die in anderen LĂ€ndern Schutz suchen mĂŒssen. Und sie stellen sich die Frage: Wie gehe ich richtig mit traumatisierten Menschen um? Wie baue ich ein VertrauensverhĂ€ltnis auf? Und wie kann die Begegnung funktionieren?Das vorliegende Buch widmet sich genau jenen Fragen, ist Ratgeber und Leitfaden fĂŒr freiwillige und ehrenamtliche HelferInnen und bietet Grundlage fĂŒr einen funktionierenden Umgang mit geflohenen Menschen. Auf einfache und verstĂ€ndliche Weise vermittelt die Autorin Barbara Preitler Grundwissen zur Traumatisierung und Flucht aus psychologischer Sicht und zeigt Möglichkeiten zum VerstĂ€ndnis und fĂŒr Handlungsmöglichkeiten in der zwischenmenschlichen Begegnung auf. Ziel ist es, Mut zu machen, die Begegnung zu wagen, und Beziehungen zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit verschiedenen Lebensgeschichten zu ermöglichen.

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Information

Publisher
StudienVerlag
Year
2016
eBook ISBN
9783706558549
Edition
1

1. Flucht – psychische Verletzungen, psychische StĂ€rke

Heilsame Beziehungen

Menschen, die durch andere Menschen schwer verletzt worden sind, brauchen vor allem eines: heilsame Beziehungen. Und diese können ĂŒberall dort stattfinden, wo Menschen einander begegnen.
Im Rahmen der Posttraumatischen Belastungsstörung kennen wir die Vermeidung von „AktivitĂ€ten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten“ (ICD 10). Zur ErklĂ€rung dieses PhĂ€nomens ist es leichter, kurz zu anderen Auslösern von traumatischen Erlebnissen zu wechseln, wie Naturkatastrophen. Nach dem großen Tsunami von 2004 wussten alle, dass Menschen, die diese schreckliche Flut erlebt haben, Angst vor dem Meer oder großen GewĂ€ssern haben werden. Es brauchte gar keine ExpertInnen, die erklĂ€ren mussten, was psychologisch vorgeht – es ist ureigenes menschliches Wissen, dass wir vermeiden, was uns verletzt hat. Und im Fall des Tsunamis war es eben das Meer. Und wir verstehen auch, dass die Überlebenden nicht nur Angst vor dem indischen Ozean in Thailand, Indonesien oder Sri Lanka haben, sondern sich diese Vermeidung auch auf den Atlantik, das Mittelmeer und vielleicht sogar auf den Bodensee oder Wörthersee erweitern kann.
Was ist aber, wenn es nicht die Verschiebung von Erdplatten und das Meer ist, das die schwere psychische Verletzung verursacht, sondern andere Menschen? Es ist schon erstaunlich, dass wir hier viel mehr Schwierigkeiten haben, Vermeidung zu verstehen. TatsÀchlich ist die Angst vor anderen Menschen, die in irgendeiner Form an die TÀterInnen erinnern, ein hÀufiges PhÀnomen nach Traumatisierungen. Dies können z.B. Menschen in Uniform sein oder alle Menschen, die eine bestimmte Sprache sprechen oder auch Menschen einer ethnische Gruppe oder eines Geschlechts. Im schlimmsten Fall wird ganz generalisiert und die Angst umfasst alle Menschen.
Gehen wir nochmals zurĂŒck zur Naturkatastrophe, dem Tsunami. Wer die Katastrophe als mitteleuropĂ€ische/r Tourist/in ĂŒberlebt hat, kann die Vermeidung aufrechterhalten. Ein erfĂŒlltes Leben ist durchaus möglich, ohne jemals wieder ans Meer fahren zu mĂŒssen. Der Alltag findet im Binnenland statt und Urlaube können in den Bergen, am Land oder in StĂ€dten verbracht werden. Aber fĂŒr Fischerfamilien, die ihr Haus in unmittelbarer NĂ€he zum Strand hatten, sieht es anders aus: Die Vermeidung des Meeres wĂŒrde sie ihrer Erwerbsmöglichkeiten, ihrer Wohnung und ihrer Heimat berauben. Es braucht also Strategien, um wieder am Meer leben zu können.
Ähnlich ist es, wenn Menschen die Ursache der schweren Traumatisierungen waren: Es braucht Strategien, um wieder unter Menschen leben zu können, um nicht in die soziale Isolation gehen zu mĂŒssen.
Das Bild einer Balkenwaage kann hier hilfreich sein: Eine schwere Traumatisierung fĂ€llt wie ein ganz schweres Gewicht in die eine Waagschale, alltĂ€gliche Erfahrungen auf der anderen Seite hingegen sind Leichtgewichte. Es braucht also sehr viele ganz normale, alltĂ€gliche Erfahrungen, um wieder in Balance zu kommen. Gute Begegnungen wiegen schon etwas schwerer. Und so können heilsame Beziehungen zu anderen Menschen, wo immer sie stattfinden, wichtige Bausteine fĂŒr ein gutes Leben nach traumatischen Ereignissen werden.
Psychotherapie stellt per Definition eine Begegnung zweier Menschen dar, die diese heilsame Beziehung in den Mittelpunkt stellt. Aber heilsame Beziehungen bzw. Begegnungen können ĂŒberall dort stattfinden, wo Menschen aufeinandertreffen.
Manchmal sind es nur kurze Begegnungen, die als Kraftquelle in schwierigen Zeiten helfen können. So hat es mich berĂŒhrt, dass mehrere meiner KlientInnen berichtet haben, dass sie in Zeiten, als es den Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres an der grĂŒnen Grenze zwischen Österreich und Ungarn gab, von den österreichischen Grundwehrdienern so gut in Empfang genommen worden sind. Auch viele Jahre spĂ€ter wurde dieser freundliche Empfang durch die jungen Soldaten von vielen als besonderer Moment beschrieben und erlebt. FĂŒr wenige Stunden haben sie sich willkommen und als Menschen mit BedĂŒrfnissen ernst genommen gefĂŒhlt. Diese schöne Erfahrung konnte als Kraftquelle genutzt werden, als es danach wieder schwierig und belastend geworden ist.
Neu angekommene FlĂŒchtlinge berichten, wie schlimm es war, nur mehr Teil einer großen Masse gewesen zu sein und das GefĂŒhl gehabt zu haben, als individueller Mensch nichts mehr zu zĂ€hlen. Wie gut war es dann, wenn eine Helferin einmal freundlich war, nach den Namen gefragt hat und wie es derzeit geht, oder wenn ein Helfer sich ernsthaft um die schmerzenden FĂŒĂŸe gekĂŒmmert hat und nicht vermittelt hat, dass dies jetzt nur den geregelten Ablauf stört!
Diese kurzen Begegnungen sind wie Oasen, die das psychische Überleben gesichert haben und auch noch Jahre spĂ€ter in guter Erinnerung sein können.

Posttraumatische Belastung

Die Diagnose der „Posttraumatischen Belastungsstörung“ (PTBS) stellt die psychiatrische/psychologische Hauptdiagnose fĂŒr traumatisierte FlĂŒchtlinge dar. Erstmals wurde sie im Diagnosemanual der American Psychiatric Association (APA) im Jahr 1980 (DSM III-R) beschrieben und zuletzt im Jahr 2013 in der Revision des Manuals, dem DSM V modifiziert. (APA, 2013)
Symptome in den vier Hauptsymptomgruppen:
1. quĂ€lende Erinnerungen an das traumatische Geschehen (tagsĂŒber und nachts),
2. Vermeidung dieser schmerzhaften Erinnerung und von allem, was diese auslösen könnte,
3. Übererregung,
4. negative GefĂŒhle wie tiefe Traurigkeit, Verzweiflung, GefĂŒhle der inneren Leere, keine Zukunftsperspektive
kennen wir von fast allen unserer KlientInnen.
Mit der Diagnose haben wir eine gemeinsame Sprache gefunden, die nicht nur innerhalb des medizinischen/psychologischen Betreuungsteams Verwendung findet, sondern auch einen Konsens mit Behörden und betreuenden NGOs darstellt und, vielleicht sogar am wichtigsten, mit den KlientInnen selbst.
Viele können die psychische Symptomatik nicht zuordnen und haben Angst, dass sie ein weiterer Schicksalsschlag getroffen hat und sie jetzt psychisch krank geworden sind. Die ErklĂ€rung der Diagnose ist daher sehr entlastend: Es gibt einen Namen fĂŒr das, was jetzt erlebt wird, es ist nichts, was zusĂ€tzlich passiert, sondern die Reaktion auf in der Vergangenheit Geschehenes. Es ist eine Verletzung, keine Erkrankung! Die Gewalt, der die betroffene Person ausgesetzt war, war so groß, dass es zu Verwundungen gekommen ist, auch wenn die dazu gehörenden Symptome und Schmerzen erst mit Verzögerung spĂŒrbar geworden sind.
Psychoedukation, im Sinne einer ErklĂ€rung was eine Posttraumatische Belastung ist und wie sie sich auswirkt, stellt daher eine wichtige Entlastung fĂŒr die Betroffenen dar.

Kritische Anmerkungen zur PTBS

Aber es gibt auch viele kritische Anmerkungen zu dieser Diagnose zu machen. Es beginnt bereits beim Namen. Der vierte Buchstabe, das „S“ in der PTBS, steht fĂŒr Störung. Wir sagen mit der Diagnose also der betroffenen Person, dass sie eine Störung hat. Meiner Meinung nach ist dies eine Entwertung der Opfer und auch eine Opfer/TĂ€terInnen-Verschiebung. Ja, es gab eine Störung. Die liegt aber bei Menschenrechtsverletzungen immer bei den TĂ€terInnen und nicht bei den Menschen, die aufgrund der ausgeĂŒbten Gewalt verletzt worden sind! Traumatische Reaktionen sind normale Reaktionen auf abnormale, gestörte Gewalt.
Auch das „P“ fĂŒr „post“ muss in der Arbeit mit AsylwerberInnen hinterfragt werden: Post – danach – suggeriert, dass die traumatische Situation vorbei und abgeschlossen ist. Aber gerade AsylwerberInnen wissen nicht, ob sie nicht wieder in die Krisenregion zurĂŒckmĂŒssen, sie wieder erneut gleichen oder Ă€hnlichen Situationen ausgesetzt werden. Ihre Lebenssituation ist von massivem akutem Stress gekennzeichnet. Es gibt nicht genug Energie, um sich mit den traumatischen Erfahrungen, die zur Flucht gefĂŒhrt haben, auseinanderzusetzen. Aber auch dann, wenn nach wie vor Angehörige in der Krisenregion leben, kommt es immer wieder zur Aktualisierung der Traumata. Es bleibt oft ein frommer Wunsch, dass fĂŒr unsere KlientInnen die traumatischen Situationen bereits vorbei sind und sie sich nun an die psychische BewĂ€ltigung der Vergangenheit machen könnten. Jede Form der therapeutischen und der psychosozialen Aufarbeitung der traumatischen Vergangenheit wird durch akute Stresssituationen immer wieder erschwert.

Latenzzeit – Zeit der inneren Ruhe

Unmittelbar nach traumatischen Ereignissen kommt es zur akuten Belastungsreaktion. Diese wÀre grundsÀtzlich diagnostizierbar, wird aber fast nie gebraucht. Es ist viel zu klar und menschlich verstÀndlich, dass Menschen auf belastende Reaktionen unmittelbar mit Zittern, Erstarren, Weinen etc. reagieren.
Nach der akuten Belastung kommt es bei vielen Menschen zu einer Zeit, in der sie psychisch relativ stabil mit der Situation umgehen können, gerade dann, wenn viel zu tun ist, die ganze Aufmerksamkeit dem Alltag gewidmet werden muss. Diese Zeit ohne Symptome der posttraumatischen Belastung wird als Latenzzeit beschrieben. Dies gilt natĂŒrlich auch fĂŒr Menschen auf der Flucht. Jeder Tag erfordert Anpassung an eine neue Situation, fĂŒr Gedanken an die Vergangenheit gibt es keinen Raum und keine Energie. Aber nach einiger Zeit – und dies kann auch einen sehr langen Zeitraum umfassen – werden die alten traumatischen Erfahrungen wieder zentral: in den Erinnerungen und den Versuchen, diese zu vermeiden. NervositĂ€t, Traurigkeit, Konzentrations- und Merkstörungen treten auf und beeintrĂ€chtigen den Alltag. Die Latenzzeit ist vorbei, es kommt zu Posttraumatischen Belastungen und Leiden.
Die Latenzzeit kann individuell sehr verschieden sein. SpĂ€testens seit die HolocaustĂŒberlebenden alt geworden sind, wissen wir, dass diese sogar mehrere Jahrzehnte umfassen kann. Viele, die die Shoa als Jugendliche oder junge Erwachsene ĂŒberlebt haben und danach „mit beiden Beinen“ im Leben gestanden sind, entwickelten mit dem Einsetzen des Alters eine PTBS. Oft war es ein Lebensereignis wie das Erreichen des Pensionsalters, der Auszug des letzten Kindes, das sie auf die unbewĂ€ltigten traumatischen Erlebnisse zurĂŒckgeworfen hat.
„Wir haben so viel gearbeitet und am Abend war ich immer so mĂŒde, dass ich schon geschlafen habe, bevor mein Kopf den Polster berĂŒhrt hat“, beschreibt eine Klientin die aktiven Jahrzehnte, nachdem sie das Arbeitslager ĂŒberlebt hatte. Aber im Alter kamen viele körperliche Erkrankungen, die sie dazu zwangen, weniger aktiv zu sein. Mit der körperlichen Ruhe tauchten die Bilder der extrem schwierigen Kindheit und Jugend auf. Sie fĂŒhlte sich den alten Erinnerungen an massive Menschenrechtsverletzungen, der Ermordung des Vaters, der Verzweiflung der Mutter, dem GefĂŒhl des Hungers, der Angst 
 ausgeliefert. Die Symptomatik der schmerzhaften Erinnerungen, der Vermeidung, der Übererregtheit waren alle auch so viele Jahre spĂ€ter vorhanden.
Der therapeutische Prozess war allerdings ein ganz anderer als der mit Menschen, deren traumatische Erlebnisse Wochen oder Monate zurĂŒckliegen. Immer wieder ging es um die gesamte Lebensgeschichte und um die Anerkennung, es trotz dieser schweren traumatischen Erfahrungen geschafft zu haben, viel Gutes im Leben danach geleistet zu haben. Genaues Zuhören und Interesse an der gesamten Biografie sind hier zentrale Momente.

Schmerzhafte Erinnerungen – zuhören hilft

Die Erinnerung an schwere traumatische Erfahrungen kann sehr aufdringlich sein und trotz intensiver Versuche, sie zu unterdrĂŒcken, massiv in den Alltag Einfluss nehmen. Das kann in Form von schmerzhaften Erinnerungen passieren. Betroffene beschreiben diese als „Wie ein Schleier der sich ĂŒber das ganze Leben legt“ oder das Bild von damals ist „wie in die Netzhaut eingebrannt“.
Die Ambivalenz zwischen der Vermeidung von traumatischen Inhalten und zugleich dem Wunsch zu erzĂ€hlen kostet viel Kraft. Wichtig ist es, Raum und Zeit zu geben. Wenn der Wunsch zu erzĂ€hlen groß wird, ist es gut, wenn jemand da ist, der zuhört. Sehr oft wird dafĂŒr eine vertraute Person „gewĂ€hlt“. Bei FlĂŒchtlingen kann das eine Bezugsperson, bei der er/sie sich sicher genug fĂŒhlt, sein.
Die ersten AnsĂ€tze und Versuche sind mitunter noch von diesen widersprĂŒchlichen Tendenzen geprĂ€gt. Kurz bevor ein Treffen zu Ende geht, wird eine schlimme Erfahrung angesprochen. Es ist ein kleiner Testlauf: Wie reagiert die Person, der ich mich anvertrauen will? RĂŒckzug wĂ€re sofort möglich. Es ist gut, hier eine Einladung auszusprechen. Auch wenn es im Moment vielleicht nicht geht, so kann das GesprĂ€ch bald einmal stattfinden.
Zuzuhören heißt sich einzulassen. Das heißt, dass es durchaus erschĂŒttern kann, was hier zur Sprache kommt. Manche schwer belasteten Menschen haben sehr große Bedenken wegen dieser Zumutbarkeit: Ist das, was sie erlebt haben, nicht allein in der WiedererzĂ€hlung eine zu große Belastung fĂŒr den Zuhörenden?
Es erscheint mir sehr wichtig, hier gut aushalten zu können: Der/die Zuhörende soll signalisieren, dass er/sie stark genug ist und ertragen kann, zu hören, was Not tut. Da es um großes Unrecht, Leid und Tod geht, sind viele Emotionen im Spiel. Es kann also durchaus passieren, dass der/dem Zuhörenden auch die TrĂ€nen kommen. Es sollte dann verbalisiert werden, dass das TrĂ€nen des MitgefĂŒhls sind und nicht TrĂ€nen der SchwĂ€che. Ich weine mit dir, weil es mir leidtut, was du alles ertragen musstest. Aber ich kann es aushalten, dir zuzuhören und dich so zu begleiten!
Um beide GesprĂ€chspartnerInnen zu schĂŒtzen, soll eine möglichst gute GesprĂ€chssituation hergestellt werden: ein ruhiger ungestörter Ort, an dem sich beide wohlfĂŒhlen, ausgeschaltete Handys und ein zeitlicher Rahmen, damit die Inhalte nicht zu ĂŒberwĂ€ltigend werden können. Wird die vereinbarte Zeit (nie lĂ€nger als eine Stunde bis höchstens 1 œ Stunden) zu kurz, kann ja ein nochmaliges GesprĂ€ch vereinbart werden.
Zu Ende des GesprĂ€chs sollten immer ein paar Minuten Zeit genommen werden, um wieder ganz im Hier und Jetzt anzukommen: Das Fenster wird geöffnet, gemeinsam werden ein paar AtemzĂŒge genommen, vielleicht noch gemeinsam Tee oder Kaffee getrunken. Das GesprĂ€ch sollte jetzt nochmals ganz auf den Alltag fokussieren: Was wirst du/werden Sie heute noch machen? Wohin gehen Sie jetzt? Was wird gekocht und gegessen? Es mutet meist sehr banal an, ĂŒber so AlltĂ€gliches zu reden, wenn gerade schlimme Kriegs- und Fluchtdrame...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Vorwort von Klaus Ottomeyer
  5. Einleitung
  6. 1. Flucht – psychische Verletzungen, psychische StĂ€rke
  7. 2. Zehn Folgen von Traumatisierungen und wie wir diesen in der psychosozialen Arbeit begegnen können
  8. 3. Der/die Dritte im Bunde – Die Kommunikation mit DolmetscherInnen
  9. 4. Leitfaden fĂŒr Outdoor-AktivitĂ€ten mit FlĂŒchtlingen
  10. 5. Verletzte Kinder – Starke Kinder
  11. 6. Schlussbemerkungen
  12. Literatur
  13. Anhang
  14. Zur Autorin
  15. Impressum