Nationalsozialismus im Bezirk Ried im Innkreis
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Nationalsozialismus im Bezirk Ried im Innkreis

Widerstand und Verfolgung 1938-1945

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Nationalsozialismus im Bezirk Ried im Innkreis

Widerstand und Verfolgung 1938-1945

About this book

Der Bezirk Ried im Innkreis in Oberösterreich blickt auf eine bewegte Vergangenheit wĂ€hrend der Zeit des Nationalsozialismus zurĂŒck. Zahlreiche Opfer und TĂ€ter hatten Verbindungen in den Bezirk; wie grausam die Bilanz des Nationalsozialismus in der Region aber wirklich war, ist erschreckend. Erstmals liegt nun eine fundierte Darstellung der Ereignisse im Bezirk Ried im Innkreis wĂ€hrend der NS-Zeit vor. Rund 200 Interviews mit Zeitzeugen ergĂ€nzen das Bild und ermöglichen auch sehr persönliche Einblicke in das Geschehen. Die Publikation liefert Einzeldarstellungen zu TĂ€tern wie zu Opfern von Inhaftierungen, Konzentrationslagern und Ermordungen und zeigt die Grausamkeit auf, mit der der Nationalsozialismus im Bezirk gewĂŒtet hat. Das Leid und die Verfolgung sollen vor Augen gefĂŒhrt werden, aber auch der Widerstand, der sich zwischen 1938 und 1945 formierte. Gottfried Gansinger erzĂ€hlt mit diesem Buch die Geschichten der Opfer und arbeitet ein dunkles Kapitel der Region auf.

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Information

Von der Eugenik zur Euthanasie

Die Grundlage der Eugenik war die Lehre vom Sozialdarwinismus, der international verbreitet war: Das schwÀchere Lebewesen wird vom stÀrkeren verschlungen.
Nach der MachtĂŒbernahme der Nationalsozialisten in Deutschland wurden Gesetze zur „VerhĂŒtung erbkranken Nachwuchses“ (1933) und zum „Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ („Blutschutzgesetz“, 1935) zum „Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ (1935) samt vielen Verordnungen die Wegmarkierungen zur Euthanasie. Die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ war die Folge.
Es wurden ein „Ehetauglichkeitszeugnis“ und die Zwangssterilisation eingefĂŒhrt, die durch Erbgesundheitsgerichte (EGG) administriert wurden. Zur praktischen Umsetzung wurde das gesamte Gesundheitssystem verpflichtet.
Gesundheitspolitisches Ziel der Nationalsozialisten war die Bildung eines „rassenreinen“, erbgesunden und leistungsfĂ€higen deutschen „Volkskörpers“. Die Umsetzung dieses Ziels sollte einerseits durch die „Ausmerzung“ – und somit den Ausschluss des „Minderwertigen“ von der Fortpflanzung – andererseits durch unterstĂŒtzende Maßnahmen zur Förderung der Produktion „erbgesunder“ und „hochwertiger Volksgenossen“ erreicht werden. DiesbezĂŒgliche Vorgaben des NS-Staates wurden von den GesundheitsĂ€mtern umgesetzt.1
„Nicht nur der anthropologische Rassismus gegen ‚Fremdvölkische‘, auch die eugenische Verfolgung von ‚erbkranken Volksgenossen‘ war eine [radikale, Anm.] Variante des Rassismus. Die nationalsozialistische Eugenik war integraler Bestandteil der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Alle von ihr Betroffenen waren Opfer von Rassismus.“2

Eugenik:
Schenkt dem FĂŒhrer Kinder – aber 


FĂŒr „deutsche, rassenreine“ Frauen war die Abtreibung streng verboten. Der Zugang zu VerhĂŒtungsmitteln wurde erschwert. Auf gewerbsmĂ€ĂŸige Abtreibung stand die Todesstrafe.
Sukzessive wurde das Abtreibungsverbot bei AuslĂ€nderinnen aufgehoben. Himmler war anfĂ€nglich gegen diese Lockerung. Er befĂŒrchtete damit einhergehend auch eine Lockerung des Abtreibungsverbotes bei deutschen Frauen und sah [andererseits] im „fremdvölkischen“ Nachwuchs zukĂŒnftige Billig-ArbeitskrĂ€fte.3
Der ReichsĂ€rztefĂŒhrer Dr. Gerhard Wagner ließ auf dem Reichsparteitag im September 1934 die Abtreibung aus eugenischen GrĂŒnden mit Hitlers „FĂŒhrerermĂ€chtigung“ straffrei stellen. „Hitler“, so sagte Wagner, „sei der oberste Gerichtsherr.“ Im Januar 1935 entschied das Hitler-Kabinett, die Abtreibung von vermutlich behinderten Kindern durch eine Novelle (26.7.1935) zum Sterilisationsgesetz durchzusetzen. Sie machte unter bestimmten Voraussetzungen die Abtreibung auch gegen den Willen der Schwangeren bis zum 6. Monat gesetzeskonform. Die Fruchttötung durfte nun nicht nur auf Grund medizinischer Indikation durchgefĂŒhrt werden. In der Praxis wurden die Begrenzungen im Sinne der Parteilinie aufgeweicht bzw. weit ĂŒberschritten.
Laut Gesetz konnte die betroffene Person selbst, deren gesetzliche Vertreter, AmtsĂ€rzte oder Anstaltsleiter AntrĂ€ge auf Sterilisation stellen. Da sowohl die Anzeigen als auch die folgende ErmittlungstĂ€tigkeit ohne das Wissen des Betroffenen betrieben wurden, blĂŒhte die WillkĂŒr, und es war der Denunziation TĂŒr und Tor geöffnet.
Formal waren zwar nur Ärzte und Personen aus Pflegeberufen zur Anzeige verpflichtet, es kamen jedoch vielfach auch Hinweise aus der Bevölkerung. Insbesondere die lokalen ParteifunktionĂ€re taten sich hier hervor. Ermittlungen und Recherchen koordinierte der Amtsarzt zentral. Um ihm dazu den nötigen Handlungsspielraum einzurĂ€umen, wurde sogar die Ă€rztliche Schweigepflicht aufgehoben.4

Eheverbot

Das nationalsozialistische „Erbgesundheitsgesetz“ galt in der „Ostmark“ ab dem 1. JĂ€nner 1940.5 Eheverbot bestand, wenn bei einem der Partner eine mit Ansteckungsgefahr verbundene Krankheit, geistige Störungen oder eine Erbkrankheit im Sinne des Gesetzes vorlag oder eine EntmĂŒndigung. Es verbot die Ehen von Gesunden mit Erbkranken6 und sollte verhindern, dass „erbkranke“ Nachkommen geboren werden. Das heiratswillige Paar musste mittels eines Ehetauglichkeitszeugnisses, das vom Gesundheitsamt auszustellen war, nachweisen, dass kein derartiges Ehehindernis vorliegt.7
ZusĂ€tzlich bestand ein Eheverbot nach dem mit 24. Mai 1938 eingefĂŒhrten „Blutschutzgesetz“, wenn aus der Ehe „eine die Reinhaltung des Deutschen Blutes gefĂ€hrdende Nachkommenschaft zu erwarten“ war: Beispielsweise bei Eheschließung mit Juden, „Negerbastarden“ oder „Zigeunern“.8
Auch bei Entbindungen starben unerwĂŒnschte Kinder. Die Waldzellerin Katharina Frickh erinnert sich in ihrem Buch an die Dirn Maruschka in Schildorn: „Die ukrainische Zwangsarbeiterin beim Binder z’ Ottenberg wurde zur Entbindung nach Ried ins Krankenhaus9 gebracht, kam jedoch ohne Kind wieder zurĂŒck. ‚Nix gesehen, Kind tot!‘, berichtete sie.“10
Stellte das Gesundheitsamt das „Ehetauglichkeitszeugnis“ nicht aus, kam es nicht selten zu schicksalhaften Folgen: Die Tragödie des Alois Bauer wird im Anschluss geschildert.
Der Eferdinger BĂŒrgermeister verlangte vom Amtsarzt eine Verweigerung der Ehetauglichkeit fĂŒr ein Paar, weil der BrĂ€utigam an KinderlĂ€hmung leide.
Eheverbot war nach einem Erlass von 1943 auszusprechen, wenn die Braut infolge fortgeschrittenen Alters nicht mehr oder nicht mehr ausreichend fruchtbar, der Verlobte dagegen zeugungsfÀhig war.
Die Untersuchungen durch die GesundheitsĂ€mter auf Ehetauglichkeit eröffneten dem NS-Selektionssystem erstmals „breiten Zugang zur freilebenden Bevölkerung“. Im Gegensatz zu den Anstaltsinsaßen galten gerade die „freilebenden leichten FĂ€lle“ infolge ihrer höheren Fortpflanzungsgefahr als unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig gefĂ€hrlicher.11

Die Erbgesundheitsgerichte (EGG)

Über Sterilisationen mussten die Erbgesundheitsgerichte entscheiden. Sie bestanden aus einem Richter – dem formalen Vorsitzenden – und zwei Ärzten, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit entschieden – oft ohne Zeugenbefragung und in Abwesenheit der Betroffenen. Letztere konnten beim Erbgesundheitsobergericht Berufung einlegen. Die eigentlichen EntscheidungstrĂ€ger waren in einer „bislang ungekannten MachtfĂŒlle“ die Ärzte. Die AntrĂ€ge auf Zwangssterilisation waren auch gegen die gesellschaftlichen Unterschichten (Landarbeiter, Knechte, Obdachlose, Bettler, Hausierer 
) gerichtet.
Um eine „freiwillige“ Einwilligung der Betroffenen zur Operation zu erreichen, erklĂ€rte man z. B., dass eine Bruchoperation notwendig sei oder drohte mit dem Konzentrationslager.12
Oft war der Unfruchtbarmachung eine Abtreibung voraus gegangen.
Zeitzeugen berichten ĂŒber einen Todesfall nach einer Abtreibung. Eine Frau aus Friedburg starb nach einer Abtreibung zuhause. Die Operation soll im Krankenhaus Ried erfolgt sein. Belege dafĂŒr ließen sich bislang aber ...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Geleitworte
  6. Vorwort
  7. Die Anfangsphase
  8. Kirche und Nationalsozialismus
  9. Rassismus und Antisemitismus
  10. Todesopfer der Shoah und des Rassismus
  11. Von der Eugenik zur Euthanasie
  12. Hochverrat und Alltagsvergehen
  13. Sogenannte „Asoziale“ – „Kriminelle“
  14. Wehrmacht und Nationalsozialismus
  15. Der Luftkrieg
  16. Endphasenverbrechen
  17. Bilanz des Schreckens
  18. Todes- und KZ-Opfer, die mit dem Bezirk Ried i. I. in Verbindung stehen und die seit dem Erscheinen des Buches im Jahr 2016 zusÀtzlich erforscht werden konnten
  19. KZ-Dachau – Liste der HĂ€ftlinge 1938–1945 mit Beziehungen zum Bezirk Ried i. I.
  20. Die Ausstellung zum Buch / Lern- und Gedenkort Charlotte-Taitl-Haus
  21. Verzeichnis der AbkĂŒrzungen
  22. Literatur- und Quellenverzeichnis/Archive
  23. Bildnachweis
  24. Zum Autor