Sachtexte
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Prozesse und Produkte

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About this book

Sachtexte stellen als Thema des Deutschunterrichts in mehrfacher Hinsicht didaktische Herausforderungen dar. Sie sind Lerngegenstand und Medium des Lernens. Das Heft fokussiert auf die Sekundarstufen I und II und verbindet zwei Perspektiven: die Prozess- und die Produktdimension. ZusĂ€tzlich und quer zu den genannten Prozess- und Produktaspekten sind fĂ€cherĂŒbergreifende und intermediale Aspekte zu berĂŒcksichtigen, unter denen Sachtexte didaktisch genutzt werden können. Sachtexte spielen naturgemĂ€ĂŸ in den SachfĂ€chern, aber zunehmend auch im Deutschunterricht eine wichtige Rolle und erfordern die BerĂŒcksichtigung der vielfĂ€ltigen Facetten und Dimensionen des Themas, die in den einzelnen BeitrĂ€gen umrissen werden sollen. Dieses ide-Heft schlĂ€gt einen Bogen von theoretischen und fachdidaktischen Konzepten zu Möglichkeiten der Umsetzung in der Unterrichtspraxis mit dem Ziel einer Vertiefung und Erweiterung des VerstĂ€ndnisses von Sachtexten als komplexe und vielfĂ€ltige Lerngelegenheiten. AUS DEM INHALTKlaus Maiwald: Von Menschen und Meisen. Umgang mit Sachtexten am Beispiel eines Zeitungsartikels Karla MĂŒller: Aus WAS IST WAS-BĂŒchern vorlesen. Eine Herausforderung fĂŒr Leseverstehen, Sprechgestaltung und Hörverstehen von Sachtexten Annemarie Saxalber: Sprache und Kommunikation in den SachfĂ€chern. Ein interdisziplinĂ€res Thema in der LehrerInnenausbildung Christian Aspalter: Sachtexte im Internet. Eine vielschichtige Chance/Herausforderung fĂŒr den (Deutsch-)Unterricht Gerda Kysela-Schiemer: Sachcomics. Bildung, Wissen und Information durch BilderMadeleine Strauss: Der Sachtext im fĂ€cherĂŒbergreifenden Unterricht. Eine verkannte TextsorteJosef Haslinger: Der Essay als Medium von Lernprozessen Ulrike Krieg-Holz: Zur Beschreibung von Sachtexten. Eine AnnĂ€herung aus textlinguistischer Sicht Melanie Hendler: Sachtexte zusammenfassen. Theoretische Überlegungen zu einem schulischen Förderprogramm Elfriede Witschel: Lesen und Schreiben: vom Sachtext zum offenen Brief

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Klaus Maiwald

Von Menschen und Meisen

Umgang mit Sachtexten am Beispiel eines Zeitungsartikels
Ausgehend von einer PrĂŒfungsaufgabe in der LehrerInnenausbildung zu einem Zeitungstext wird gezeigt, dass (deutsch-)unterrichtliche Arbeit mit Sachtexten zuvorderst auf Textverstehen zielen sollte und ein differenziertes LeseverstĂ€ndnis der Lehrperson voraussetzt. Am Textbeispiel werden eine Sachanalyse und Überlegungen zum Textverstehen entwickelt. Allgemeine Überlegungen zur UnterstĂŒtzung des Textverstehens und zur Textwahl mĂŒnden in didaktischmethodische AktivitĂ€ten, die Textverstehen als mentale Modellbildung anzielen und grĂ¶ĂŸere thematische und integrative LernzusammenhĂ€nge konturieren. Im vielfĂ€ltigen Textspektrum und im Schreiben zu/von Sachtexten zeigen sich Erweiterungen des (lese-)didaktischen Aufgabenfeldes. Zum Abschluss werden die fachspezifischen Aufgaben des Deutschunterrichts im Umgang mit Sachtexten bilanziert.

Ausgangspunkt und Anliegen

Vor mir liegen Examensarbeiten zum Thema Sach- und Gebrauchstexte lesen, verstehen und beurteilen [als] Aufgabenbereich des Deutschunterrichts. Das Textbeispiel ist ein Artikel aus einer bayerisch-schwĂ€bischen Regionalzeitung (vom 5. 12. 2014, S. 1; siehe Abb. 1). Die Aufgabenstellung verlangt, a) unter Bezug auf den Text zu definieren, was Sach- und Gebrauchstexte sind, b) ein didaktisch-methodisches Konzept fĂŒr den Umgang mit dem Text im Deutschunterricht zu entwerfen und c) kurz die Eignung des Textes fĂŒr den Deutschunterricht zu bewerten.
SchwĂ€chere Bearbeitungen leiden zumeist an einer mangelhaften sachanalytischen Texterfassung und in der Folge an einer unzureichenden (deutsch-)didaktischen Fokussierung auf das Lesen, Verstehen und Beurteilen des Textes. So können die BearbeiterInnen zwar einschlĂ€gige Funktionen von Sachtexten benennen, schreiben diesem Beispiel aber fĂ€lschlich eine Appellfunktion zu. Sie empfehlen Lesestrategien wie das Unterstreichen oder das EinfĂŒgen von ZwischenĂŒberschriften, ohne selbst nennenswerte oder irgendwelche Spuren im Text hinterlassen zu haben. Sie schlagen textferne bis abwegige AktivitĂ€ten vor – vom Umschreiben des Textes aus Meisensicht ĂŒber das Malen von Meisenbildern bis hin zum fĂ€cherĂŒbergreifenden Bau eines Futterkastens.
Abb. 1:
Zeitungstext Traditionsliebende Meisen – aufbereitet und original (Schuster 2014)
illustration
Gegen derlei sachanalytische und didaktische Textferne stelle ich die wenig originelle, offenbar aber nicht selbstverstÀndliche Annahme, dass (deutsch-)unterrichtliche Arbeit mit Sachtexten primÀr auf Textverstehen als mentale Modellbildung zu zielen hat und dass dies wiederum ein differenziertes LeseverstÀndnis der Lehrperson voraussetzt.

1. Unterrichtsvorbereitende Schritte

1.1 Sachanalyse

Die folgende Analyse orientiert sich an textlinguistischen Kriterien wie Textthema, thematische Entfaltung, Textfunktionen, sprachliche Gestaltung (Lexik, Syntax) und Layout. Die strukturellen Befunde werden jeweils auf den situativen Kontext und die kommunikative Funktion des Zeitungsartikels bezogen.
Das Thema als Kern des Textinhaltes (vgl. Brinker/Cölfen/Papert 2014, S. 53) ist eine von Wissenschaftlern der UniversitĂ€t Oxford in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie ĂŒber Kohlmeisen. Die Forscher fanden heraus, dass die Tiere erlernte Verhaltensweisen an Artgenossen weitergeben. Damit sei der Nachweis erbracht, dass »neben Primaten auch Wildtiere kulturell geprĂ€gt seien« (Z. 10 f.) bzw. »komplexes Kulturverhalten« zeigen (Z. 23 f.).
AuffĂ€llig ist, dass die thematische Struktur des Textes nicht der sachlogischen Struktur entspricht. Zum einen beginnt der Text mit zwei fĂŒr den eigentlichen Inhalt irrelevanten Teilthemen: einer Anspielung auf die Redewendung »eine Meise haben« sowie einem Hinweis auf die PrĂ€senz der Vögel im heimischen Garten »besonders jetzt im Winter« (Z. 1 ff.). Zum anderen entspricht die Anordnung des Textes nicht der Abfolge des Berichteten: In Absatz 2 wird bereits das wesentliche Ergebnis der Studie bzw. ihre Publikation in Nature berichtet; in Absatz 3 setzt dagegen eine durch das Plusquamperfekt markierte RĂŒckblende auf die vorangehende DurchfĂŒhrung an: »FĂŒr ihre Forschung hatten die Biologen [...] Bereits nach wenigen Wochen hatten sich [...].« (Z. 13 ff., 19 f.) Auch erscheint der Kernbefund der Studie an vier verschiedenen Stellen des Textes:
‱ UnterĂŒberschrift: »Die Wildvögel [Meisen] geben Verhaltensweisen an Artgenossen weiter«
‱ »sind die Wildvögel nĂ€mlich weit intelligenter als bislang vermutet« (Z. 4 f.)
‱ »dass [...] auch Wildtiere kulturell geprĂ€gt seien [...]« (Z. 10 f.)
‱ »dass komplexes Kulturverhalten unter wesentlich mehr Tiergruppen verbreitet ist als angenommen« (Z. 23 f.)
Funktional erklĂ€rbar wĂ€ren diese Struktureigenschaften mit dem Bestreben eines Zeitungstextes, fĂŒr eilige oder wenig ausdauernde LeserInnen das Wesentliche zu Beginn abzuhandeln bzw. fĂŒr ein (Laien-)Publikum verstĂ€ndniserleichternde Redundanzen zu schaffen. Gleichzeitig ermöglicht das fĂŒr journalistische Texte charakteristische Baukasten-Prinzip einfache und rasche TextkĂŒrzungen. (Im Extremfall könnte man nicht nur den dritten und vierten, sondern auch den einleitenden Absatz weglassen.)
Die Entfaltung des Themas ist insofern deskriptiv, als der Forschungsvorgang beschrieben und dabei durch Temporalangaben prÀzisiert wird: »Nach viertÀgigem Training [...] nach wenigen Wochen [...] Auch ein Jahr spÀter« (Z. 15, 19, 21). In der Bewertung als intelligentes Kulturverhalten steckt wiederum eine argumentative Themenentfaltung, bei der aus Daten mit Hilfe einer Schlussregel eine Folgerung gezogen wird:
Abb. 2:
Argumentative Themenentfaltung
illustration
Neben der deskriptiven und der argumentativen tritt in Sachtexten die explikative Themenentfaltung auf, bei der ZusammenhĂ€nge erklĂ€rt werden (z. B.: Warum stranden Wale? vgl. Maiwald 2013b, S. 717 ff.). Der vorliegende Text enthĂ€lt keine explikativen Anteile, spielt aber die fĂŒr Sachtexte eher unĂŒbliche narrative Themenentfaltung an. ErzĂ€hlen ist die VergegenwĂ€rtigung eines vergangenen Geschehens, bei dem ein Ausgangszustand durch eine interessante Komplikation gestört wird. Der Text deutet so etwas an: »Wer die Vögel des Öfteren zu Besuch hat, kann womöglich schon bald Erstaunliches beobachten« (Z. 2 f.), er fĂŒhrt damit jedoch doppelt in die Irre: Erstens folgt keine ErzĂ€hlung, zweitens kann im heimischen Garten das von den Forschern Herausgefundene sicher nicht beobachtet werden.1
Nach einem grundlegenden Definitionskriterium und in Abgrenzung zu literarischen/poetischen Texten referieren Sachtexte auf GegenstĂ€nde bzw. Themen aus der sozialen Wirklichkeit: die Aufbauanleitung fĂŒr ein Regal, die Internetseite der Bahn AG, Das Kapital von Karl Marx oder Die Traumdeutung von Sigmund Freud.2 Entsprechend dieser Referenz auf die Wirklichkeit weisen Sachtexte einschlĂ€gige Textfunktionen auf, nach denen sie auch klassifizierbar sind. Sie informieren (z. B. Wegbeschreibung, Zeitungsmeldung), sie instruieren (Gebrauchsanweisung), sie appellieren (Aufrufe, Bettelbriefe), sie verpflichten zu etwas (VertrĂ€ge), sie bewirken (Zeugnis, Testament, Vollmacht) (vgl. Baurmann 2009, S. 44 ff. bzw. die »textuellen Grundfunktionen« nach Brinker/Cölfen/Papert 2014, S. 101 ff.). Eher untypisch fĂŒr Sachtexte sind unterhaltende, emotionale, expressive, Ă€sthetische Funktionen, wie sie Romanen, TagebĂŒchern oder Gedichten zukommen.
Der vorliegende Text ist eindeutig informierender Natur, nirgendwo gibt er eine Anweisung oder spricht er einen Appell aus. Die einleitende Anspielung auf die Redewendung eine Meise haben und der Hinweis auf baldige erstaunliche Beobachtungen im Garten setzen jedoch durchaus Unterhaltungs- bzw. Spannungsakzente. Diese sind fĂŒr das Thema und die Informationsfunktion irrelevant, machen den Text fĂŒr die (Laien-)Leserschaft einer Tageszeitung aber ansprechender.
Mit einer Haupt- und einer UnterĂŒberschrift, der Angabe eines Ortes und der Autorin sowie mit dem Spalten-Layout weist der Text typische formale Merkmale eines Zeitungstextes auf. Etwas verblĂŒffend ist die Platzierung auf der Titelseite, normalerweise findet sich derlei in Rubriken wie Vermischtes oder Aus aller Welt.
Typisch fĂŒr einen (populĂ€r-)wissenschaftlichen Text weist »Traditionsliebende Meisen« ein domĂ€nenspezifisches Fachvokabular auf, etwa »Artgenossen«, »Primaten«, »Kohlmeisenpopulationen der Art Parus major«, »komplexes Kulturverhalten« (Z. 8, 10, 13 f., 23 f.). Wenig passend hierzu und wohl ebenso als Leseanreiz erscheint in der HauptĂŒberschrift das Attribut »traditionsliebend«. Wenn Tiere konditioniertes Verhalten zum Öffnen einer Futterbox weitergeben, so ist das noch keine Tradition und keine Liebe. »Traditionsliebend« ist jedoch anschaulicher und – auf Meisen bezogen – provokanter als etwa »kulturell geprĂ€gt«. Wiederum typisch fĂŒr (populĂ€r-)wissenschaftliches Schreiben werden referierte Aussagen durch den Konjunktiv I als solche markiert (Z. 10, 23) bzw. modalisiert: »Wie [...] Forscher jetzt herausgefunden haben wollen« (Z. 3 f.).
Texte lassen sich prototypisch definieren als »begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohĂ€rent ist und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert« (Brinker/Cölfen/Papert 2014, S. 17). KohĂ€renz als konzeptioneller Zusammenhang eines Textes entsteht einmal durch »Einheitlichkeit des Textgegenstandes« (ebd., S. 45) und durch stringente Entfaltung eines Textthemas. Sie entsteht aber auch grammatisch durch Wiederaufnahme bestimmter Elemente (Rekurrenz) und durch VerknĂŒpfung (Konnexion) (vgl. Adamzik 2004, S. 140). Der vorliegende Text ist stark von expliziten Wiederaufnahmen geprĂ€gt, die das VerstĂ€ndnis erleichtern können. So werden die im Titel genannten traditionsliebenden Meisen mehrfach aufgenommen, als »die Vögel«, »die Wildvögel«, »Kohlmeisen«, »fĂŒnf englische Kohlmeisenpopulationen«, »knapp 100 Gruppenmitglieder« (Z. 2, 4, 7, 13, 20, 21). Explizite Wiederaufnahme liegt auch in der referenzidentischen Reihe »britische Forscher«, »Wissenschaftler von der UniversitĂ€t Oxford«, »die Forscher«, »die Biologen«, »die Forscher« (2 x) (Z. 3, 7, 11, 13, 23) vor.
Fazit: Der in der RealitÀt existierende Gegenstand weist »...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Editorial
  5. Prozesse
  6. Produkte
  7. Bibliographie Elisabeth Leiss: Sachtexte im Deutschunterricht. Bibliographische Hinweise
  8. Magazin
  9. Impressum