An Honeckers Seite
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An Honeckers Seite

Der Leibwächter des Ersten Mannes

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An Honeckers Seite

Der Leibwächter des Ersten Mannes

About this book

Ob Jagdausflug, Bad in der Menge, Militärparade oder Staatsbesuch: Brückner fehlt auf keinem Protokollbild. Er war für Honeckers Sicherheit zuständig, 13 Jahre lang. Zwanzig Jahre nach dem Tod seines ehemaligen Chefs - "Peter 34" bei den Personenschützern genannt - erinnert sich Brückner an die Zeit an Honeckers Seite. Und er erzählt Erstaunliches und Unbekanntes. Denn obwohl man meint, dass eigentlich längst alles über Erich Honecker berichtet worden sei, überrascht Brückner mit viel Neuem, das weder in der Zeitung, in Büchern noch in Akten der BStU stand: über verhinderte Anschläge, peinliche Zwischenfälle und private Sorgen des Staatsratsvorsitzenden.

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Information

Year
2014
eBook ISBN
9783360510228
Die Attentate
Flaschen flogen. Das Gegröle und Gebrülle überstimmte den Chor mit den Balalaikas auf der Freilichtbühne. Erich Honecker schaute irritiert und duckte sich, um nicht von einer leeren Wodkaflasche am Kopf getroffen zu werden. Die Stimmung war dahin. Soeben hatte er während einer erhebenden Feier das Feuer von Magnitka entzündet und in Erinnerungen geschwelgt. Diese waren der Grund, weshalb er Ende Juni 1989 überhaupt nach Magnitogorsk wollte. In der Stadt, die vor sechzig Jahren gegründet worden war, hatte er als 19-Jähriger mit anderen deutschen Jungkommunisten 1931 am Bau des ersten Hochofens mitgewirkt. Darum hatten ihn einige sowjetische Veteranen eingeladen. Dass es sein überhaupt letzter Staatsbesuch sein würde, ahnte niemand. Er wohl am allerwenigsten.
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Honeckers Gästehaus in Magnitogorsk – Zustand bei der Vorbesichtung durch die Kontrollgruppe (Archiv Brückner)
Wir wurden gegen 22.30 Uhr ins Freilichttheater geführt, wo bis dahin ein Rockkonzert geboten wurde, für sowjetische Verhältnisse eine sehr ungewöhnliche Veranstaltung. Die Musik hatte die Zuschauer so befeuert wie der Alkohol, obgleich doch zuvor angeordnet worden war, keinen Wodka auszugeben. Honecker und wir waren zur Loge geführt und das Rockkonzert unterbrochen worden, um das Vorprogramm – eben jene Volkskunstdarbietung – eigens für ihn zu wiederholen. Das fand natürlich nicht den Zuspruch der Rockfans, die nun lautstark ihren Unmut über diese Programmänderung bekundeten, indem sie die geleerten Flaschen Richtung Bühne schleuderten. Die Pullen segelten zwar, wenn auch knapp, über uns hinweg, aber wer garantierte denn, dass sie nicht auch trafen? »Wir müssen weg, Genosse Honecker«, sagte ich, »fort von hier.«
Zum ersten Mal sah ich mich gezwungen, die Evakuierung anzuordnen. Noch nie zuvor in den dreizehn Jahren, in denen ich für Honeckers Sicherheit zuständig war, hatte ich zum Rückzug blasen müssen. Es war, mit Verlaub, die brenzligste Situation, in der er sich jemals befunden hatte. Generalleutnant Günter Wolf, Leiter der Hauptabteilung Personenschutz, kurz HA PS und somit mein Chef, stimmte zu.
Auch Erich Honecker nickte. »Wenn Sie meinen, Genosse Brückner.«
Es gefiel ihm nicht, den Betrunkenen zu weichen. Aber er war sich auch der Gefahr bewusst, in der er sich objektiv befand. Dabei hatten es die jungen Leute, die so alt waren wie er selber damals war, keineswegs auf ihn als Person abgesehen. Sie störte ganz einfach die Unterbrechung des Konzerts wegen eines alten Mannes aus Berlin. Und das bekundeten sie lautstark und handgreiflich.
Honecker stimmte vermutlich auch deshalb rasch zu, weil ihm das Ganze ohnehin missfiel: Es war ihm zu laut, es war dunkel, der Rummel ging ihm auf die Nerven.
Nachdem ich Order zum Rückzug gegeben hatte, brach auf sowjetischer Seite fast Panik aus. Unsere Kollegen lotsten die Fahrzeuge herbei, die – es war stockfinstere Nacht – mit aufgeblendeten Scheinwerfern uns entgegenkamen, so dass wir nichts sahen. Honecker verhielt sich wie immer: ruhig und gefasst. Kein Wort des Unmuts oder gar des Zorns kam über seine Lippen. Er schluckte wie gewohnt den Ärger hinunter. Und dabei hatte er in den letzten Tagen einigen verspürt. Gorbatschow, das hatten wir mitbekommen, empfing Honecker nur widerwillig bei der Zwischenlandung in Moskau zum Gespräch, weil es sich nicht vermeiden ließ.
Der KPdSU-Generalsekretär war soeben von einem Besuch in der Bundesrepublik zurückgekehrt. »Gorbatschow schwärmte in Illusionen, glänzte vor Eitelkeit und Schönfärberei«, berichtete unser Botschafter Gerd König, der der Begegnung der beiden Generalsekretäre beigewohnt hatte. Es hatte ein Essen im Jekaterinensaal des Kreml gegeben, bei dem Gorbatschow – von Honecker immer mit »Mischael« angeredet – noch einmal versicherte, »unsere Haltung zur Deutschen Demokratischen Republik und zu ihrer Führung unter Genossen Erich Honecker bleibt unverändert«. Jeder wusste, dass das geheuchelt war. Wie groß aber die Lüge tatsächlich war, sollten wir spätestens in einem halben Jahr erfahren.
Noch am selben Tag waren wir nach Magnitogorsk weitergeflogen, jener Stadt im Süden des Ural, durch die die Grenze zwischen Europa und Asien hindurchgeht. Auf einer Festveranstaltung im Kulturpalast der Metallurgen übergab Honecker die Schenkungsurkunde für eine Orgel, was großen Beifall auslöste. Monate später durfte unser Botschafter im Auftrag der letzten DDR-Regierung mitteilen, dass die Schenkung zurückgenommen werde …
Wir besuchten anderntags ein Pionierlager, Honecker fühlte sich unter den Kindern sichtlich wohl, obwohl er nach meinem Eindruck abgespannter und müder wirkte als sonst bei Auslandsreisen.
Und nun dieser unwürdige Abgang! Die meisten der Anwesenden sahen diesen nicht als Flucht. Honecker war in eine laufende Veranstaltung gekommen, warum sollte er sie nicht auch vorzeitig verlassen? Für die unmittelbar Beteiligten aber war der erzwungene Abgang nahezu eine Katastrophe. Vergleichbares hatten wir auf anderen Auslandsreisen noch nie erlebt, wiewohl es auch dort Momente gab, die sich als heikel erwiesen. Etwa beim Staatsbesuch in Syrien 1982.
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Bad in der Menge beim Staatsbesuch in Syrien, 1982. Brückner (am linken Bildrand oben) schaut besorgt (Archiv Brückner)
Bei der Fahrt durch ein menschenleeres Wüstengebiet – ich saß im sechsten Fahrzeug in der Kolonne – stoppte plötzlich der Konvoi, dann fielen Schüsse. Ich sprang aus dem Auto und lief nach vorn. Doch ehe ich Honeckers Wagen erreicht hatte, setzte sich dieser bereits wieder in Bewegung. Ich rannte zurück. Beim Weiterfahren erblickte ich eine große Blutlache auf der Straße, die mich verunsicherte. Hatte jemand auf Honecker geschossen, war er oder eine andere Person getroffen worden?
Beim ersten offiziellen Stopp klärte sich alles auf: Bauern hatten auf der Straße gestanden, Freudenschüsse abgegeben und blitzschnell einen Hammel abgestochen, um syrische Gastlichkeit zu bezeugen. Das war nicht geplant und darum auch nicht im Ablaufplan vorgesehen, der Zwischenfall stiftete folglich reichlich Verwirrung. Dabei handelte es sich um ein generelles Problem bei Reisen in arabische Staaten, aber bei Assad und Gaddafi schien diese Neigung, Gäste zu überraschen, besonders ausgeprägt. Natürlich gab es vor jeder Staatsvisite ein Vorauskommando, dem Vertreter der Protokollabteilung, des Sicherungskommandos, auch Köche und Kellner angehörten. Letztere sollten prüfen, ob die vorhandenen Möglichkeiten überhaupt unserem Standard genügten. Solche Vorkontrollen waren insbesondere auf Reisen durch Afrika nötig. Dorthin mussten wir in der Regel alles mitnehmen, selbst Toilettenpapier und Kerzen. In Angola beispielsweise wurde unser Essen in einer Garage auf Spirituskochern zubereitet. Für uns als Begleitkommando mochte das ja noch angehen, aber doch nicht für das Staatsoberhaupt!
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Besuch in einer von der DDR errichteten Kabelfabrik in Angola, 1979. Rechts Staatspräsident Neto (Archiv Brückner)
Als gefährlich erwies sich auch der Umstand, dass das Fahrzeug, in dem Honecker saß, stets von Einheimischen gesteuert wurde. Nur die Amerikaner und die Russen flogen ihre eigenen Autos und Fahrer bei Staatsbesuchen ein, wir nicht. Das geschah aus Kostengründen wie auch aus Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten. Wenn man jemandem daheim besucht, packt man auch nicht seine Butterstullen aus. Das gehört sich nicht und beleidigt den Gastgeber.
Nur zweimal brachten wir die eigenen Pkw mit. Das war beim Abschluss der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Helsinki 1975 und bei der Trauerfeier für Olof Palme 1986. Aufgrund der vielen Teilnehmer aus dem Ausland waren weder die Finnen noch die Schweden in der Lage, einen entsprechend großen Fuhrpark zu mobilisieren, und mit der Fähre ließ sich das auch vergleichsweise leicht organisieren.
Beim Besuch in Äthiopien 1984 zeigte sich, dass die dortigen Fahrer weder ihr Fahrzeug beherrschten noch darin geübt waren, in Kolonne zu fahren. Es ist nämlich ein Irrtum zu meinen, dass dies simpel sei. Wir trainierten das in der DDR wieder und wieder im Dutzend. Stoppt bei ungeübtem Kolonne-Fahren nämlich das Führungsfahrzeug, gibt es hinten einen Auffahrunfall. Das lässt sich mathematisch vorhersagen. Also muss man präzise auf Abstand fahren und andere Dinge beachten. Ohne regelmäßiges Training geht das jedoch nicht. Und die äthiopischen Fahrer waren sichtlich ungeübt. Darum schlug ich meinem Chef, General Günter Wolf, vor, sie durch unsere Leute zu ersetzen. Der lehnte das allerdings ab.
Dann aber geschah Folgendes: Wir fuhren zu einem Meeting, und dort war in einem Vorraum festlich eingedeckt worden. Honecker und seine Begleitung verspürten weder Hunger noch Durst, oder vielleicht war es auch Zurückhaltung, in einem so armen Land, in dem viele Menschen hungerten, besser nicht fürstlich zu tafeln. Sie marschierten also gleich in den Saal und ignorierten das Kalte Buffet.
Nicht so die einheimischen Fahrer, die Motorrad-Eskorte und die Sicherheitskräfte. Die ließen ihre Waffen draußen stehen und liegen und fielen, ausgehungert wie sie waren, über das Buffet her. Aber nicht nur über das Essen. Sie sprachen auch dem Alkohol kräftig zu, der dort in Flaschen gratis herumstand. Der Hauptwagenfahrer, also Honeckers Kutscher, leerte vor meinen Augen drei Flaschen Bier und ein Wasserglas mit Whisky. Ich war konsterniert. Nach anderthalb Stunden war die Veranstaltung zu Ende. Die Fahrer setzten sich betrunken hinters Lenkrad – und fuhren mit den Staatsgästen weiter.
Ist ja nichts passiert, hieß es abwiegelnd, als wir am Abend den Tag sicherheitstechnisch auswerteten. In der DDR hätte sich jeder Kraftfahrer nach einer solchen Entgleisung einen neuen Job suchen müssen, sobald er seine Strafe verbüßt hätte. Die hätten für so einen extra einen Steinbruch aufgemacht, sagte ich damals, nur um ihn dafür hart büßen zu lassen, den ersten Mann auf diese Weise gefährdet zu haben. Unter afrikanischer Sonne war man grenzenlos nachsichtig. Und vielleicht war das auch gut so. Es ist ja wirklich nichts passiert …
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In Äthiopien 1984: Honeckers Fahrer betrunken, die Motorrad-Eskorte war auch nicht nüchtern (Archiv Brückner)
Für uns gab es bei Anschlägen zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Entweder erfolgten sie plötzlich und überfallartig, oder der Angriff geschah aus einer sich dynamisch entwickelnden Situation. Einen solchen Fall erlebten wir bei Honeckers Besuch im Königreich der Niederlande im Juni 1987. Als wir aus dem Hotel in Scheveningen kamen, hatte sich dort eine größere Gruppe von Demonstranten versammelt, die lautstark die Freilassung von in der DDR inhaftierten Personen forderten. Dazu hielten sie auch entsprechende Plakate und Transparente in die Höhe. Ich wandte mich sofort an den Sicherheitschef der Holländer, der mich aber beruhigte. Das sei eine angemeldete, legale Demonstration, sagte er gelassen. Daher auch die Absperrung. Die Demonstranten würden die Gitter ganz gewiss nicht übersteigen, schließlich wüssten sie, was sich gehörte und was nicht.
Für uns, die wir darauf trainiert waren, galt ein solcher Auflauf bereits als unterste S...

Table of contents

  1. Impressum
  2. Titel
  3. Vorbemerkung
  4. Die Attentate
  5. Honecker und die »Zitrone«
  6. Kanalarbeiter
  7. Kohl war Kohl und nicht Kanzler
  8. Honecker und Schmidt
  9. Im dünnen Jäckchen in Sibirien
  10. Der »kleine« und der »große Erich«
  11. Honecker und seine Freunde
  12. Der russische »Freund«
  13. Cicero
  14. Honecker und die Autos
  15. Die Struktur
  16. Honecker und die Frauen
  17. Honecker und die Familie
  18. Honecker und die Arbeit
  19. Kinderliebe
  20. Lampenfieber
  21. Im Wald und auf der Heide …
  22. Honecker und die Medizin
  23. Mein letzter Arbeitstag