GEO EPOCHE eBook Nr. 1: Die großen Katastrophen
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GEO EPOCHE eBook Nr. 1: Die großen Katastrophen

Acht historische Reportagen über Ereignisse, die die Welt erschüttert haben

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GEO EPOCHE eBook Nr. 1: Die großen Katastrophen

Acht historische Reportagen über Ereignisse, die die Welt erschüttert haben

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About this book

Der Untergang Pompejis 79 n. Chr., das Wüten der Pest im mittelalterlichen Köln, der Angriff auf das New Yorker World Trade Center, der Tsunami im Jahr 2004 - seit frühester Zeit wird die Menschheit mit Katastrophen konfrontiert, die unberechenbar und oft kaum begreiflich über sie kommen, die die bekannte Ordnung jäh zerstören. Das Geschichtsmagazin GEO EPOCHE präsentiert in diesem eBook exklusiv ausgewählte historische Reportagen aus den Heften der GEO-Familie, die einige der dramatischsten Ereignisse der Weltgeschichte rekonstruieren. Die Autoren erzählen in diesem reinen Lesebuch - das ohne Bilder auskommt - minutiös die Geschehnisse, beleuchten ihre Vorgeschichte und ihre Folgen, porträtieren dabei Akteure - Helden, Opfer, Täter. Faktisch fundiert und zugleich packend geschrieben, erzeugen die Artikel ein plastisches Erlebnis von Geschichte.Manche der so geschilderten Katastrophen sind das Werk einer unerbittlichen Natur. Andere sind zum Teil oder gänzlich menschengemacht, Folge von Überheblichkeit, Verbrechen oder politischem Wahn. Gemeinsam haben diese Desaster das verstörend Zerstörerische. Und doch: Neben unermesslichem Leid bergen sie mitunter sogar Positives. Der Ausbruch des des Vulkans Krakatau im Jahr 1883 etwa lässt das Bewusstsein einer schicksalhaft zusammenhängenden Weltgemeinschaft entstehen; nach dem Untergang der Titanic 1912 und dem Tsunami 2004 werden neue Sicherheits- und Warnsysteme entwickelt.So ist die Geschichte der großen Katastrophen auch eine Geschichte des Lernens und Bewältigens. Und sie erzählt viel über die Zeiten, in denen jene - im echten Wortsinn - außergewöhnlichen Ereignisse passiert sind.Inhalt: 1. Die Zerstörung Pompejis, 79. n. Chr. 2. Die Pest in Köln, 1349 3. Der Ausbruch des Krakatau, 18834. Der Untergang der "Titanic", 1912 5. Hungersnot in China, 19586. Abschuss eines Jumbojets, 1987 7. Angriff auf das World Trade Center, 2001 8. Tsunami in Ostasien, 2004

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Information

Publisher
Gruner + Jahr
Year
2014
eBook ISBN
9783652001618
Topic
History
Index
History

Der Untergang Pompejis, 79. n. Chr.

Das Erbe aus der Asche

Seit Tagen zittert die Erde. Fresken sind zerborsten, Gräben eingefallen. Kein Grund zur Aufregung – am Fuße des Vesuvs sind die Menschen Erdstöße gewohnt. So schlimm wie das Beben vor 17 Jahren wird es schon nicht werden. Denken sie. Es ist der 24. August im Jahre 79. Tags darauf ist Pompeji unter dampfender Asche verschwunden – als Muster einer Römerstadt für alle Zeiten

Von Wolf Schneider

Bücher lügen, und Steine lügen manchmal auch. Graffiti und Asche können ihnen deshalb überlegen sein.
Dass Memoiren die Wahrheit eher schönen als beschreiben, ist bekannt. Urkunden spiegeln die Staatsinteressen, Romane meist nur das Lebensgefühl einer lesefreudigen Oberschicht; und die Autoren der vier Evangelien haben Jesus nie gesehen. Graffiti aber sind unverfälschte Überlieferung und Volkes Stimme. Wo der Zahn der Zeit sie nicht zernagt und kein Hausmeister sie abgewaschen hat, erzählen sie uns, wie die Menschen lebten und dachten.
Und das in Pompeji noch nach fast 2000 Jahren! Da lesen wir Spottverse, Wahlaufrufe und Verwünschungen, Selbstanpreisungen, Liebeserklärungen, Sexual-Protzereien, Glückwünsche und eine Art Kleinanzeigen, in denen für Waren oder für Liebesdienste geworben wurde. Und vermutlich noch während die Stadt unterging im Hagel glühender Bimssteine aus dem Schlot des Vesuvs, hat einer die Wörter „Sodoma Gomora“ auf eine Hauswand gekritzelt – nach 1. Mose 19,24: „Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra und kehrte die Städte um.“
Auch Steine erzählen meistens nicht genug. Bauwerke sind mutwillig demoliert worden wie der Tempel in Jerusalem, Ruinen von Grabräubern ausgeplündert oder als Steinbruch genutzt wie in Rom das Kolosseum, Kathedralen wohlmeinend überformt wie der Kölner Dom, in dem sich eine Absicht von 1248 erst 1880 mehr oder weniger verwirklicht hat.
Am lieblichen Golf von Neapel aber, neun Kilometer vom Krater des Vesuvs entfernt, haben Steine und Asche eine fast intakte antike Handelsstadt begraben und damit konserviert: die Dächer zwar eingeschlagen von den Gesteinsmassen, die Mauern indessen weithin unversehrt und mit ihnen die Gemälde, Mosaiken, Reliefs und Inschriften, die sie bedeckten; auch Backöfen mit Broten darin, Teller mit Bohnen und Zwiebeln, Wachstafeln mit der Buchführung eines Geldverleihers.
Am verblüffendsten und anrührendsten ist, dass wir die Menschen, die zu fliehen versuchten oder sterbend in den Winkeln ihrer Häuser kauerten, noch heute betrachten können mit ihren verzweifelten Gesten: Denn Asche hat sie eingebacken. Sie erstarrte und bewahrte die Form der eingeschlossenen Leichen, als sie verwesten. Mit Gips ausgegossen, zeigen uns die Hohlräume nun bis ins Detail, wie da einst gerannt, gekämpft und gestorben worden ist: Frauen mit Kindern auf dem Arm; neun Menschen, die sich aneinander klammern; ein Mann auf der Flucht mit einem Sack auf der Schulter; zwei Knaben Hand in Hand, niedergeworfen von der Asche oder vom Orkan, der nach den Eruptionen vom Vesuv herüberfauchte.
Kurz: Das Unheil von 79 n. Chr. hat uns ein Freilichtmuseum der Antike hinterlassen, das uns der sonst kaum erfüllbaren Forderung Leopold von Rankes nahe bringt: zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen“. Und dies nicht bei einem mongolischen Zeltlager oder einem Dorf in Germaniens Wäldern, sondern bei einer reichen Stadt im Herzen des Römischen Reichs, das von Gibraltar bis Jerusalem und vom Nil bis nach Britannien reichte – in einer Siedlung also, die an Wohlstand und Komfort fast allem auf Erden, was nicht den Vorzug hatte, eine Stadt des Imperium Romanum zu sein, unendlich überlegen war.
Unter römischer Herrschaft stand die alte italische Stadt mit ihren vielen griechischen Zuwanderern seit 89 v. Chr. Sie lag auf einem sanft geneigten Lava-Plateau 30 bis 40 Meter über dem Meer. Im Jahr der Katastrophe bedeckte das ummauerte Stadtgebiet 0,65 Quadratkilometer (größte Ausdehnung: ein Kilometer). Die Mauer umschloss sechs Tempel, drei Thermen, drei Freilichttheater und zwei palaestrae, Sportplätze; der größere so groß wie zwei Fußballfelder. In der Stadt lebten 10.000 bis 20.000 Menschen; in den bis heute ausgegrabenen zwei Dritteln des Stadtgebiets wurden 2000 Leichen gefunden.
Gewiss, ein paar Lücken hat auch dieses Museum. Viele Überlebende haben, als die Asche nach ein paar Wochen erkaltet war, Löcher zu den Häusern gegraben, um Wertsachen zu bergen, vielleicht auch um zu plündern. Dazu kommen ein paar Deutungsprobleme: Nicht immer scheint klar zu sein, welche Räume welchen Zwecken dienten – denn woran ließe sich erkennen, ob ein Haus mit vielen kleinen Zimmern ein Hotel oder ein Bordell gewesen ist?
Kein Wunder also, dass die Schätzungen über die Anzahl der Lustbetriebe im alten Pompeji von eins bis 40 reichen. Für die Forschung interessant ist diese Zahl durchaus: Zusammen mit den erotischen Wandgemälden, den Zoten an den Häuserwänden und dem ungeheuren Phallus, der aus vielen Statuen und Öllampen ragt, liegt ja hier eine anschauliche Ergänzung der schriftlichen Quellen über das römische Liebesleben vor.
Beherrscht wurde die Sexualmoral von einer ebenso klaren wie brutalen Regel: Männer durften alles, Ehefrauen hatten alles zu erdulden. Jedem Geschlechtskitzel ging der Mann selbstverständlich nach – egal, ob mit klugen Frauen, billigen Huren, gehorsamen Sklavinnen oder schönen Knaben (die waren am teuersten); zum Zweck der Fortpflanzung sogar mit der Ehefrau.
Entscheidend für den Rang und das Lebensgefühl des Mannes war allein: Er hatte sexuell aktiv – und er hatte immer der aktive Teil zu sein, an seine Lust zu denken und nie an die der Frau oder des Knaben; auch nicht beim Gruppensex, wie er ebenfalls in pompejanischen Fresken festgehalten ist.
Und vor allem hatte der Mann zu prahlen mit seiner sexuellen Aktivität, nichts daran sollte geheim bleiben: Dutzende von Graffiti besagen, dass der Festus oder der Venustus hier die oder den beschlafen habe (futui – so vulgär wie möglich).
Einen Schreiber wandelt dabei das schlechte Gewissen an: „Hier hab’ ich’s mit meiner Frau von hinten getrieben – aber es war schändlich, das hier hinzuschreiben.“ Manche Graffiti streifen das Poetische: „Ich liebe einen jungen Mann – sporne das Maultier an, bringe mich nach Pompeji, wo meine süße Liebe ist!“ Oder: „Liebende wünschen sich ein Leben im Honig wie die Bienen.“ Andere mochten es ironisch: „Ein Mädchen mit weißer Haut hat mich gelehrt, die Dunkelhäutigen zu hassen. Wenn es mir gelingt, werde ich sie hassen – wenn nicht, werde ich sie lieben.“ Und ein Witzbold hat in den Putz gekritzelt: „O Mauer, dass du nicht zusammengebrochen bist unter der Last der Inschriften!“
Die Ehe war eine bloße Zweckgemeinschaft, um Nachkommen zu zeugen und den Familienbesitz zusammenzuhalten. Wenn es gut ging, entstand eine gewisse Zuneigung zwischen den Ehegatten. Wollte der Mann seine Frau loswerden, so durfte er sie verstoßen und die Kinder behalten – dies die rechtsgültige Scheidung. Dass die Leidenschaft eines Mannes je seiner Frau gegolten hätte, ist von keinem römischen Dichter überliefert und auch von keinem pompejanischen Gekrakel.
Die Lust, die Liebe des Mannes richtete sich, wenn nicht auf schöne Knaben, so entweder auf ungebundene Frauen – Witwen, Geschiedene, wagemutige Einzelgängerinnen und die Damen aus der Halbwelt des Theaters – oder auf Ehefrauen, sofern sie nur einem anderen gehörten. Seine Sklavinnen waren ihm ohnehin zu Diensten.

Eine Stadt der Reichen?

Die kühnste Frau, die die Asche des Vesuvs uns bewahrt hat, lag, behängt mit Juwelen, in den Armen eines Gladiators in dessen Zelle. Die Gladiatoren – meist Sklaven, zum Zweikampf auf Tod und Leben ausgebildet und der Volksbelustigung im Zirkus dienend – rühmten sich auf den Graffiti in ihrer Kaserne ihrer Heldentaten und ihrer Liebesabenteuer; die Inschriften an den Wänden priesen sie für ihre Tapferkeit und wiederum für ihre Leistungen in der Liebe.
Wer es, wie in Pompeji ein Publius Ostorius, auf 51 Siege gebracht hatte, der war populär wie nur je in Spanien ein Stierkämpfer, und als Publius Ostorius zum ersten Mal zu Boden ging, da machte das Publikum von seiner Macht Gebrauch, ihn zu begnadigen – sonst gab ja der Sieger dem Unterlegenen den Todesstoß.
In jenen Augusttagen des Jahres 79 kamen in der Gladiatorenkaserne direkt neben dem Theater 63 Menschen um – zwei gefesselt, vermutlich wegen eines Verstoßes gegen die eiserne Disziplin, und auch die anderen starken Männer nicht imstande, dem Giftgas zu entfliehen.
Der Auswurf des Vesuvs beendete das Leben einer Stadt, die, entgegen einer verbreiteten Legende, nicht bloß eine Kolonie der Reichen war, sondern einfach ein wohlhabendes Handelszentrum wie viele andere im Römischen Imperium. Ausgezeichnet lediglich durch seine idyllische Lage zwischen dem Meer und den Gärten und Feldern Kampaniens unter den üppig bewachsenen Hängen des Vesuvs, an denen die Sommerresidenzen reicher Pompejaner in die Höhe wuchsen. Der Vulkan war schließlich nie explodiert in historischer Zeit.
Allerdings, da hatte es 17 Jahre zuvor – 62 n. Chr. – das schlimme Erdbeben gegeben, das halb Pompeji zum Einsturz brachte. Unverdrossen, wie 1755 die Bewohner des zerstörten Lissabon und 1995 die von Kobe, machten sich die Pompejaner an den Wiederaufbau. Manches Fenster mauerten sie dabei zu, manche Wand verstärkten sie mit einem Pfeiler, um das Haus stabiler zu machen – gegen Erdbeben. Vor der glühenden Asche und der Schwefelsäure aber, die der Vulkan dann ausspie, schützten nicht einmal die Kellergewölbe in den Palästen der Reichen.
Unbestritten ist, dass der Wiederaufbau anno 79 n. Chr. noch nicht beendet war. Verschiedener Meinung sind die Archäologen in einem anderen Punkt: Waren unter dem Eindruck des Erdbebens viele Einwohner, zumal die Reichen, von Pompeji weggezogen, so dass sich die Stadt schon vor der finalen Katastrophe im Niedergang befunden hätte? Bis 1999 herrschte diese Meinung vor.
Dann aber wurde, einen halben Kilometer außerhalb von Pompeji, bei der Verbreiterung der Autobahn von Neapel nach Salerno ein großes, schönes Haus ausgegraben, allem Anschein nach ein Luxushotel für durchreisende Geschäftsleute und Müßiggänger, 1000 Quadratmeter groß und gerade erst vollendet, als die Lava kam – also ein Indiz dafür, dass Pompeji noch oder wieder in voller Blüte stand.

Luxus über Luxus

In den fünf gleich großen Speisezimmern des Hotels grüßen griechische Götter und Musen von den Wänden, an jedem Speisediwan befand sind ein Wasserhahn zum Reinigen der Hände, in einem Handkoffer aus Weidengeflecht fanden sich 125 Täfelchen mit den Schiffslisten eines Außenhandelskaufmanns, und in den Bädern lagen fünf Skelette – schmucklos, vielleicht Sklaven oder Handwerker, die dem Hotel den letzten Schliff geben sollten.
Die frühere Vermutung, die Reichen hätten den Ausbruch des Vesuvs gar nicht erlebt, könnte nur insofern stimmen, als viele im August, wie jedes Jahr, vor der stehenden Hitze in der engen Stadt aufs Land geflohen waren, wo die meisten ja eine Villa besaßen. Auch dort freilich kamen viele grässlich um, wie jener Diomedes, von dem noch die Rede sein wird.
Die reichen Pompejaner, die Grundbesitzer und die Großkaufleute, die Steuerpächter und die Geldverleiher – sie lebten in Dimensionen, wie sie sich heute allenfalls Multimillionäre leisten, und mit einem Aufwand an Dekoration, den an den Wänden heute kein Milliardär mehr treibt. Indessen auch mit mindestens drei Schwächen, von uns aus gesehen.
Die Pompejaner müssen, zum Ersten, viel gefroren haben. Fünf Grad über null sind am Golf von Neapel im Februar nicht selten, und zum Heizen gab es nur Becken oder Kessel aus Bronze oder Eisen, mit glühender Holzkohle aus der Küche gefüllt. Die berühmte römische Fußbodenheizung mit Heißluft war allein in den luxuriösen Badehäusern, den Thermen, die Regel; nur etwa 20 der reichsten Bürger besaßen sie auch in eigenen Baderäumen, während die meisten sich in einer Kammer wuschen, in die zuvor ein Sklave ein Kohlebecken getragen hatte.

Riesige Stadtpaläste

Die Pompejaner mussten sich, zum Zweiten, mit einer Hygiene arrangieren, wie wir sie nur in Not und Armut kennen: Die Latrine war eine Kammer direkt neben der Küche, darin eine Bank aus Holz oder Stein mit einem oder zwei Löchern, durch die die Exkremente in einen Abwasserkanal plumpsten. Immerhin, die Entsorgung war organisiert, auf einem Standard, der sich in Deutschland erst im 19. Jahrhundert allgemein durchsetzte.
Die Pompejaner mussten, zum Dritten, mit wenig Licht auskommen. Ihre Häuser waren ja nach orientalischem Muster um einen Lichthof herum errichtet, das atrium, und nach außen völlig oder beinahe fensterlos. Zum Atrium öffneten sich alle Wohn- und Schlafräume. Es war meist nur 80 bis 100 Quadratmeter groß, außen herum noch dazu überdacht, sodass man bloß über der halben Fläche den Himmel sah.
Und das hieß: Im Sommer viel Schatten und im Winter Düsternis. Immerhin kannte Pompeji schon den schönen Luxus gläserner Fenster – eine Errungenschaft, die in Deutschland sogar die Wohlhabenden erst mehr als 1000 Jahre später erreichte; zuvor gab es nur Luken, die entweder einen festen Einsatz aus Tierhaut oder geölter Leinwand hatten oder mit einem hölzernen Schieber geöffnet werden konnten. Am Abend dann Öllampen für Arm und Reich – Funzeln für unser Gefühl, aber darunter hat offensichtlich niemand gelitten.
Mehr Licht als aus dem engen Atrium drang aus dem Peristyl, das die Reichen zusätzlich anlegten: einem rechteckigen Binnengarten, bis zu 1000 Quadratmeter groß, auf drei oder vier Seiten von einem Säulengang begrenzt, an dem die Repräsentationsräume lagen – ein Miniaturpark mit Blumenschalen, Wasserbecken, Efeu, Lorbeer, Oleander, auch mit Platanen und Zypressen, manchmal mit einem kleinen Tempelchen, einer künstlichen Grotte, einem Weinspalier. Im Peristyl der Muße zu pflegen in der wärmeren Jahreshälfte, zu lesen, zu schlafen, zu plaudern, zu schlemmen: Das war der Inbegriff antiker Wohnkultur, und in der engen Hauptstadt Rom gab es so große grüne Innenhöfe selten.
Den Säulengarten eingerechnet, bedeckten die Stadtpaläste bis zu 3000 Quadratmeter. Unter ihren 50, 60 Räumen zu ebener Erde befanden sich auch Vorratskammern, ein Stall für die Lastesel, ein Schuppen für die Handwagen oder Eselskarren, auf denen Obst und Gemüse, Öl und Wein von den Landgütern herangeschafft wurden und manchmal die Kammern für die Sklaven.

Brot aus Großbäckereien

Die blinden Außenmauern hätten tote Gassen ergeben, wäre da nicht die Sitte entstanden, sie mit einem Vorbau für Ladengeschäfte und Werkstätten zu versehen, ohne Verbindung zum Herrenhaus. Meist lag eine Kammer dahinter und eine andere darüber. Für die Straße blieben so maximal zehn Meter, hier und da nur vier Meter übrig, noch dazu von zwei hohen Gehsteigen auf eine Karrenbreite eing...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1. Die Zerstörung Pompejis, 79. n. Chr.: Das Erbe aus der Asche
  6. 2. Die Pest in Köln, 1349: Der rasende Tod
  7. 3. Der Ausbruch des Krakatau, 1883: Der Tag, an dem die Welt im Meer versank
  8. 4. Der Untergang der „Titanic“, 1912: Die erste und letzte Reise
  9. 5. Hungersnot in China, 1958: Der Wahn des Tyrannen
  10. 6. Abschuss eines Jumbojets, 1987: KAL-Flug 007
  11. 7. Angriff auf das World Trade Center, 2001: An einem Dienstag im September
  12. 8. Tsunami in Ostasien, 2004: Der Weg der Welle
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