Apokalypse
Wie alles enden wird
Wir haben das GlĂŒck, ein prachtvolles Weltall zu erleben. Noch entstehen stĂ€ndig Myriaden neuer Sterne, doch eines Tages wird tiefe Dunkelheit herrschen
von Klaus Bachmann
Es tut sich was in den Kulissen des Universums. Das VerhĂ€ltnis der KrĂ€fte, die Sterne und Planeten, Galaxien und Schwarze Löcher ĂŒber die kosmische BĂŒhne bewegen, Ă€ndert sich einschneidend. Mehr und mehr bestimmt ein neuer Regisseur das Geschehen.
âWir stecken mitten in einem dramatischen Wandelâ, sagt Paul Steinhardt, Professor an der Princeton University und einer der profiliertesten Kosmologen der Gegenwart. Als Theoretiker hat er verfolgt, welche Einsichten Astronomen beim Blick ins All in der letzten Dekade gewonnen haben. Und er kommt zum Schluss: Die Entdeckungen âzwingen uns, ĂŒber die Zukunft unseres Universums neu nachzudenkenâ.
Dabei ist Zwang vielleicht das falsche Wort. Denn âwo alles enden wirdâ, welches Schicksal derart mĂ€chtigen Strukturen wie den Galaxien mit ihren Milliarden von Sternen blĂŒht, das hat die Köpfe der Menschen schon immer beschĂ€ftigt. Auch wenn sie dieses Ende nie erleben werden â weder sie noch andere intelligente Wesen irgendwo im Universum. Vielleicht liegt es daran, dass Homo sapiens sich seiner Rolle im kosmischen Schauspiel vergewissern muss, dass er klĂ€ren möchte, ob die Epoche, die ihn hervorgebracht hat, nur einen Lidschlag in der Historie des Universums wĂ€hrt oder einen markanten Abschnitt definiert.
Wo also stehen wir in der Ordnung der Dinge?
WĂ€hrend des gröĂten Teils der Menschheitsgeschichte war die Eschatologie, die Lehre von den letzten Dingen, das Feld von Religion und Philosophie. Inzwischen mischen auch Physiker und Kosmologen mit. Ermutigt dadurch, dass sie so viel ĂŒber die Vergangenheit des Kosmos und seine Gegenwart gelernt haben, wagen sie es, dessen Geschichte in die Zukunft fortzuschreiben. Modernen Propheten gleich, aber mit physikalischem Unterbau.
Eine Entdeckung vor allem hat die Fantasie der Forscher beflĂŒgelt und lĂ€sst Paul Steinhardt nun vom Wandel sprechen: die 2011 mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnete Erkenntnis, dass sich das Universum mit wachsendem Tempo ausdehnt. Schneller und schneller blĂ€ht der Kosmos sich auf, mehr und mehr neuer Raum entsteht. Es ist, als ob eine gewaltige Kraft die Himmelsstrukturen mit wachsendem Tempo auseinandertreiben wĂŒrde. Und weil die Forscher noch ratlos sind, was dahintersteckt, nennen sie die mysteriöse Macht einfach Dunkle Energie.
Dass das Universum sich ausdehnt, beobachtete allerdings schon in den 1920er Jahren der amerikanische Astronom Edwin Hubble. Seither sahen Kosmologen in der Expansion den Schwung, den das All aus dem Urknall, dem Beginn von Raum und Zeit, mitgenommen hat. Sie gingen aber lange davon aus, dass die Anziehungskraft der Materie dem entgegenwirke und die Ausweitung langfristig abbremse. Das konnte â je nachdem wie viel Materie das Universum fĂŒllt â zwei Folgen haben: Entweder wĂŒrde das All langsam bis in alle Ewigkeit weiter wachsen, weil zu wenig bremsende Materie vorhanden ist. Oder das All enthĂ€lt so viel Materie, dass irgendwann die Gravitation die Oberhand gewĂ€nne und das Weltall wieder schrumpfte.
Inzwischen wissen wir, dass anfangs tatsĂ€chlich alles so ablief, wie sich die Kosmologen das zunĂ€chst vorgestellt hatten. Dass aber vor etwa fĂŒnf Milliarden Jahren Dynamik in den Prozess des Wachstums kam und der Kosmos seither immer rascher expandiert.
Und die Wissenschaftler heute haben das GlĂŒck, in einem besonderen Augenblick zu leben, der als Augenblick allerdings nur in kosmischen Dimensionen zu verstehen ist: âIm frĂŒhen Universumâ, sagt Steinhardt, âkonnte man die anziehende Wirkung der Materie sehen, aber kaum den abstoĂenden Effekt der Dunklen Energie. SpĂ€ter, in ein paar Milliarden Jahren, werden nur noch die Folgen der Dunklen Energie zu beobachten sein, nicht mehr jene der Materie. In der kosmischen Geschichte gibt es nur eine kurze Periode, in der wir beides erkennen können.â
Unsere.
Seit die Himmelsforscher die beschleunigte Expansion des Universums entdeckt haben, wird die Zukunft des Universums jedenfalls anders als bisher eingeschÀtzt. Worauf lÀuft sie hinaus?
Das hÀngt von der Natur der Dunklen Energie ab, sagen die K...