Mittendrin. Die Berliner Volkspolizei 1989/90
eBook - ePub

Mittendrin. Die Berliner Volkspolizei 1989/90

  1. 304 pages
  2. English
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub

Mittendrin. Die Berliner Volkspolizei 1989/90

About this book

Im Herbst 1989 drängten viele gesellschaftliche Probleme in der DDR auf Lösung. Sie hätten politisch gelöst werden müssen. Doch die Staatsführung bevorzugte repressive Maßnahmen. Ein Instrument war die Berliner Volkspolizei, die am 7. Oktober 1989 weisungsgemäß auf der Straße handelte. Erstmals haben sich damals führende Offiziere intensiv mit jener Zeit beschäftigt. Sie haben Dokumente, Befehle, Zeugenberichte untersucht und analysiert. Sie stellen die Abläufe der folgenden Monate dar bis hin zur Vereinigung der Volkspolizei der DDR-Hauptstadt mit der Westberliner Polizei. Ihr Sachbuch schließt eine Lücke der Geschichtsforschung.

Frequently asked questions

Yes, you can cancel anytime from the Subscription tab in your account settings on the Perlego website. Your subscription will stay active until the end of your current billing period. Learn how to cancel your subscription.
At the moment all of our mobile-responsive ePub books are available to download via the app. Most of our PDFs are also available to download and we're working on making the final remaining ones downloadable now. Learn more here.
Perlego offers two plans: Essential and Complete
  • Essential is ideal for learners and professionals who enjoy exploring a wide range of subjects. Access the Essential Library with 800,000+ trusted titles and best-sellers across business, personal growth, and the humanities. Includes unlimited reading time and Standard Read Aloud voice.
  • Complete: Perfect for advanced learners and researchers needing full, unrestricted access. Unlock 1.4M+ books across hundreds of subjects, including academic and specialized titles. The Complete Plan also includes advanced features like Premium Read Aloud and Research Assistant.
Both plans are available with monthly, semester, or annual billing cycles.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes! You can use the Perlego app on both iOS or Android devices to read anytime, anywhere — even offline. Perfect for commutes or when you’re on the go.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Yes, you can access Mittendrin. Die Berliner Volkspolizei 1989/90 by Karl-Heinz Kriz, Hans-Jürgen Gräfe in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in History & 20th Century History. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.

Information

III. Kapitel
Das Jahr 1989 und seine Herausforderungen
In der Volkspolizei Berlin wurde das Jahr 1989, wie jedes Jahr, mit guten Wünschen in Angriff genommen. Die VP-Angehörigen und Zivilbeschäftigten gingen davon aus, wie es der ehemalige Stellvertreter des Ministers des Innern der DDR, Generalleutnant Schmalfuß, in seinem Buch »Innenansichten« treffend ausdrückte: »Nichts deutete zu Beginn des Jahres 1989 darauf hin, dass die DDR in den letzten Zügen lag […] Es schien so, als ob alles seinen sozialistischen Gang gehe.«1
Diese Aussage spiegelte die Überzeugung wieder, dass mit den Veränderungen in der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Staaten, so auch in der DDR, die bestehenden Probleme gelöst werden könnten. So wurde mit Zuversicht begonnen, den 40. Jahrestag des Bestehens der DDR vorzubereiten. Der Präsident der VP Berlin, die Leiter und Kommandeure konnten sich dabei auf nicht geringe Erfahrungen der Stäbe und Einsatzkräfte bei der Gewährleistung einer hohen öffentlichen Ordnung und Sicherheit stützen.
Die Aufgabenstellungen für die Sicherung der geplanten Großveranstaltungen des Jahres waren zu erarbeiten. Mit der Anfang Dezember 1988 getroffenen Aussage des ZK der SED, dass »die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik – der Weg zur Stärkung des Sozialismus und zur Sicherung des Friedens konsequent fortzuführen« ist2, war die politische Grundrichtung gegeben. Die volkswirtschaftliche Entwicklung wäre durch Dynamik, Stabilität, wachsende Effektivität und Qualität gekennzeichnet. Die Schwierigkeiten würden im Vorwärtsschreiten überwunden.
Es gab jedoch zunehmend nachdenkliche Diskussionen und Skepsis in großen Teilen der Bevölkerung, wie auch in den Dienstgruppen der Berliner Volkspolizei, über die Realität dieser offiziellen politischen Einschätzungen.
1. Die Wirklichkeit war eine andere
Die Bemerkung, dass alles seinen sozialistischen Gang gehen würde, hatte mit der Lebenswirklichkeit nichts zu tun. Alles, was sich an Krisen-Symptomen in den 1980er Jahren entwickelt hatte, verschärfte sich akut 1989. Dies auch vor dem Hintergrund der Verschlechterung der Beziehungen zur UdSSR und den Vorgängen in den sozialistischen Nachbarländern. Die Bekräftigung des »Sozialismus in den Farben der DDR« wurde konterkariert, indem unter anderem Perestroika und Glasnost als »Tapetenwechsel« bezeichnet wurden und die Streichung des sowjetischen Digest Sputnik von der Vertriebsliste erfolgte. Die Aufführung einer Reihe sowjetischer Filme wurde verboten. Die Deutschlandpolitik der Sowjetunion befand sich im Wechsel. Es kann von einem Wendepunkt der Beziehungen zwischen Moskau, Berlin und Bonn gesprochen werden.
Hinzuzufügen ist beispielhaft, was international die Lage in der DDR beeinflusste:
• Am 15. Januar 1989 unterzeichnete die DDR das Abschlussdokument beim Wiener KSZE-Folgetreffen. Damit war sie verpflichtet, das Recht jedes Bürgers auf Ausreise und auf Rückkehr in sein Land uneingeschränkt zu achten, dieses Recht gesetzlich zu garantieren und die Einhaltung beobachten zu lassen.
• Im Februar 1989 wurde ein »Runder Tisch« in der Volksrepublik Polen organisiert. Bei den Wahlen zum Sejm im Juli 1989 errang die Solidarnosc den Sieg. Die PVAP verlor ihre führende Rolle. Der Übergang zur Marktwirtschaft wurde eingeleitet.
• Mit den Beschlüssen der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) vom Februar 1989 zur Aufgabe ihres Machtmonopols und der Einführung eines Mehrparteien-Systems wollte sich Ungarn auch durch die Grenzöffnung aus einer verzweifelten wirtschaftlichen Lage befreien. Durch Michail Gorbatschow wurden diese Vorgänge mit dem Hinweis auf das Ende der Breshnew-Doktrin ausdrücklich befürwortet. Am 2. Mai 1989 erfolgte durch Ungarn eine nicht abgestimmte Grenzöffnung gegenüber Österreich.
• Auf dem KSZE-Folgetreffen, dem Londoner Informationsforum im April 1989 und der Pariser Menschenrechtskonferenz musste sich die DDR vielen kritischen Fragen zur Ausreisepraxis, und zum Grenzsicherungssystem stellen. Sie geriet in eine gewisse außenpolitische Isolierung. Beim MdI gab es sofort über 33 Antragstellungen, um landesweit KSZE-Arbeitskreise zu bilden.3
• Im April 1989 wurde auf der ökumenischen Vollversammlung in Dresden die Erklärung »Mehr Gerechtigkeit in der DDR – unsere Aufgabe, unsere Verantwortung« verabschiedet. Gefordert wurden: Freier Meinungsaustausch, größere Rechtssicherheit, Wahlrechtsreform, neue Reiseregelung, Versammlungs- und Organisationsfreiheit. Dieses Dokument gilt als »Magna Charta der DDR-Revolution«.4
• Die politischen Vorgänge am 3./4. Juni 1989 in Peking 1989 wurden sehr unterschiedlich wahrgenommen. Offiziell von der Volkskammer begrüßt, rief die Opposition zu Protesten auf.
Die durch Medien und vor allem durch den Reiseverkehr vermittelten BRD-Alltagsbilder hatten zunehmend die Meinungsbildung dominiert. Die BRD erschien wie eine Erlösergesellschaft. Ein Heilsversprechen, das neue Wertvorstellungen vermarktete. Auch vor diesem Hintergrund wurde die Behauptung von Erich Honecker von einem höheren Lebensstandard der DDR-Bürger gegenüber der BRD entschieden abgelehnt und führte zu einem weiteren Vertrauensverlust.
Eine spürbare Reaktion signalisierten viele Berliner Familien in den ersten Monaten 1989, indem sie bei der Gewinnung von Familienquartieren für das Nationale Jugendfestival in Berlin Vorbehalte und Ablehnungen äußerten. Diese Jubel- und Paradeveranstaltungen würden nur für die Partei- und Staatsführung und das Ausland gemacht.
1.1 Wahlen wurden zur Initialzündung
Die Kommunalwahlen am 7. Mai 1989, erster Höhepunkt zum 40. Jahrestag der DDR, wurden durch die aufgedeckten Wahlfälschungen ein Wendepunkt im Aufbegehren von vielen DDR-Bürgern gegen die Partei- und Staatsführung. Offen kritisierten die sich bildenden oppositionellen Kräfte die Gesetzesverletzungen.
Die »Koordinierungsgruppe Wahlen des Weißenseer Friedenskreises« stellte in mehreren Wahllokalen Manipulationen fest. Von den 26.513 Gegenstimmen, die 2,35 Prozent entsprachen, wurden nur 1,15 Prozent angegeben.
Oppositionsgruppen zeigten bei der Generalstaatsanwaltschaft die Wahlfälschung an. Sie reichten Eingaben wegen Wahlfälschung durch die zentrale Wahlkommission an den Staatsrat der DDR ein. Die Folgen waren weitreichend. Sie beeinflussten gravierend die politische Atmosphäre im ganzen Land. Auf allen Ebenen der SED und des Staates war ihre Autorität zunehmend schwer beschädigt worden. Auch das Misstrauen in die Ehrlichkeit leitender Funktionäre, namentlich von Egon Krenz, dem Leiter der Zentralen Wahlkommission, nahm zu. Bei einer Umfrage, ob diese Wahlen realer Ausdruck von sozialistischer Demokratie wären, stimmten nur elf Prozent zu.5
Die Wahlfälschung rief demonstrativen Widerstand und Protest auf der Straße hervor. Nachfolgende Entwicklungen in Berlin sind damit verbunden. Im Umfeld der evangelischen Kirche, der Umwelt- und Menschenrechtsgruppen formierte sich eine breiter werdende Demokratiebewegung. Das Handeln der Friedensgruppen war von einem radikalen Pazifismus bestimmt.
Es folgten öffentlichkeitswirksame Protestaktionen an jedem 7. des Monats in Berlin und weiteren Großstädten. Weder Gespräche mit Vertretern der evangelischen Kirche noch repressive Maßnahmen zur Auflösung der Demonstrationen konnten diese verhindern. In damals üblicher Konsequenz mussten die Schutz- und Sicherheitsorgane handeln, da keine politischen Lösungen gegeben waren. Am 7. Juli 1989 wurde z. B. eine unangemeldete Ansammlung von Bürgern auf dem Alexanderplatz gemäß der Veranstaltungsordnung aufgelöst. 50 Personen wurden zugeführt und mit einer Ordnungsstrafe belegt, weil sie den Aufforderungen der Volkspolizei zum Verlassen des Platzes nicht nachkamen. Die Sicherheitskräfte, vor allem die Volkspolizei, gerieten dadurch in Misskredit.
1.2 Die innenpolitische Lage verschärfte sich
Von 1988 ausgehend, entwickelte sich in der DDR zunehmend eine Ausreise- und Fluchtwelle. Bereits im ersten Halbjahr 1989 verdoppelte sich die Zahl der Antragsteller. Die dabei eingereichten 125.429 Anträge entsprachen der Dimension des gesamten Jahres 1987.6 Berlin hatte zu Beginn des Jahres 1989 mit über 15.000 Antragstellern (d. h. je 10.000 Bürger ca. 90 An...

Table of contents

  1. Das Buch
  2. Die Autoren
  3. Impressum
  4. Titel
  5. Vorwort
  6. Einleitung
  7. I. Kapitel
  8. II. Kapitel
  9. III. Kapitel
  10. IV. Kapitel
  11. V. Kapitel
  12. VI. Kapitel
  13. Nach-Worte
  14. Danksagung
  15. Anlagen