Nach dem Verfassungsschutz
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Nach dem Verfassungsschutz

PlĂ€doyer fĂŒr eine neue Sicherheitsarchitektur der Berliner Republik

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Nach dem Verfassungsschutz

PlĂ€doyer fĂŒr eine neue Sicherheitsarchitektur der Berliner Republik

About this book

Seit dem NSU-Skandal steckt der Verfassungsschutz in einer tiefen Vertrauens- und Sinnkrise. Zahlreiche UntersuchungsausschĂŒsse brachten Erschreckendes zu Tage. Doch lĂ€ngst sind nicht alle Fragen zur Verstrickung des Dienstes ins Neonazi-Milieu beantwortet. Claus Leggewie und Horst Meier analysieren den "Verfassungsschutz" als Fehlkonstruktion der westdeutschen DemokratiegrĂŒndung – und entwerfen eine Alternative zu einem nutzlosen bizarren Geheimdienst, der regelmĂ€ĂŸig Skandale hervorbringt, die BĂŒrgerrechte gefĂ€hrdet und als "FrĂŒhwarnsystem" klĂ€glich versagt. Der Millionen verschlingt und den niemand braucht – schon gar nicht eine selbstbewusste Demokratie."Anstelle eines ideologisch motivierten Verfassungs-schutzes mĂŒsse morgen ein gefahrenorientierterRepublikschutz treten, fassen die Autoren ihre liberaleReformperspektive zusammen. Mit diesem Ansatz wirddie Streitschrift von Claus Leggewie und Horst Meier inder Diskussion eine wichtige Rolle spielen."Hendrik Wassermann, Recht & Politik, 1/ 2019

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ANHANG

APPELL GEGEN NEONAZIS: WAS JETZT ZU TUN IST

Vor-Ort-Initiativen gegen rechte Gewalt und Projekte zur Hilfe von Opfern fordern eine Umkehr in der Politik staatlicher Behörden gegen Rechtsradikalismus.
(Dokumentiert in der tageszeitung online vom 20. November 2011).
Mobile Beratungsteams und Opferberatungsprojekte beraten und begleiten Opfer rechter Gewalt, Kommunen und Zivilgesellschaft. Auch wenn wir seit Jahren vor der Gewalt von Neonazis und rassistischen GelegenheitstĂ€tern warnen, sind wir geschockt von dem Ausmaß an Ignoranz und Verharmlosung staatlicher Stellen angesichts der rassistischen Mordserie. Wir verlangen jetzt eine ZĂ€sur im Umgang mit der extremen Rechten.

1. Eingreifen und einmischen statt wegsehen

Jeden Tag ereignen sich in Deutschland mindestens zwei bis drei rechte und rassistische Gewalttaten. Die TĂ€terInnen sprechen vor allem denjenigen das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Leben ab, die als Minderheiten ohnehin schon gesellschaftlich diskriminiert werden. Das zu Ă€ndern und eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, können wir nicht an den Staat delegieren: Jede und jeder kann bei rassistischen SprĂŒchen am Arbeitsplatz, antisemitischer Hetze auf dem Sportplatz oder „Schwulenwitzen“ Kontra geben und eingreifen, wenn andere bedroht und geschlagen werden. Und jede und jeder kann jetzt praktische SolidaritĂ€t zeigen: z. B. Spenden fĂŒr Einrichtungen sammeln, die Zielscheibe von neonazistischen BrandanschlĂ€gen geworden sind oder den Menschen in diesen Einrichtungen persönlich in GesprĂ€chen oder praktisch beistehen.

2. Mehr Demokratie statt mehr Verfassungsschutz

Polizei, Justiz und Geheimdienste spiegeln gesellschaftliche VerhĂ€ltnisse wider. In einem Land, in dem regelmĂ€ĂŸig ein Drittel erklĂ€ren, Deutschland sei „im gefĂ€hrlichen Maße ĂŒberfremdet“, ist es keine Ausnahme, dass Sonderkommissionen „Aladin“ oder „Bosporus“ genannt und Opfer rassistischer Gewalt unter Generalverdacht gestellt werden. Schon die Bezeichnung „Döner-Morde“ ist rassistisch und entwĂŒrdigend. Nationale Terrorabwehrzentren und neue Gesamtdateien von Polizei und Geheimdiensten werden daran nichts Ă€ndern. Ein erster Schritt wĂ€re eine klare Abkehr von den Feindbildern der „Linksextremisten“, „Muslime“ und „Fremden“. Der Rassismus der Mitte muss als Problem erkannt werden.

3. Zivilgesellschaftliche Expertisen anerkennen und nutzen

Der derzeitige Schock der politisch Verantwortlichen ĂŒber den Terror des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ lĂ€sst sich nur damit erklĂ€ren, dass sie die öffentlich zugĂ€nglichen Informationen und Analysen der zivilgesellschaftlich Aktiven gegen Rechts und Rassismus – Antifagruppen, BĂŒndnisse und Beratungsprojekte – offenbar komplett ignoriert und stattdessen nur auf die Geheimdienste gehört haben. Wer die falschen BeraterInnen in der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten setzt, kann nur verlieren − und spielt mit dem Feuer. KĂŒnftig muss der Erfahrungsschatz der zivilgesellschaftlichen ExpertInnen angemessenes Gehör finden.

4. Staatliche Alimentierung der Neonazis beenden, V-Leute abschaffen

V-Leute sind vom Staat bezahlte Neonazis, die Steuergelder dazu verwenden, um Neonazistrukturen auszubauen und zu stabilisieren sowie staatliche Stellen allenfalls mit fragwĂŒrdigen Informationen zu versorgen. In der Geschichte der deutschen Neonazibewegung waren immer wieder V-MĂ€nner und -Frauen in tödliche Attentate (Wehrsportgruppe Hoffmann) und BrandanschlĂ€ge (Solingen) involviert, haben die Produktion und den Vertrieb neonazistischer Hassmusik organisiert (Brandenburg und Sachsen), NPD-LandesverbĂ€nde am Laufen gehalten (Nordrhein-Westfalen), mit Steuergeldern militante Neonazistrukturen wie den ThĂŒringer Heimatschutz und Blood & Honour aufgebaut und ein NPD-Verbot im Jahr 2003 verhindert.

5. LĂŒckenlose AufklĂ€rung und Konsequenzen auf allen Ebenen

Alle Daten und Informationen, die notwendig gewesen wĂ€ren, um mit polizeilichen und rechtsstaatlichen Mitteln schon 1998 – vor Beginn der rassistischen Mordserie – gegen den Kern des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) vorzugehen, lagen den Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten gleichermaßen vor. Doch diese Informationen wurden mit einer Mischung aus Verharmlosung, Entpolitisierung und Inkompetenz von Polizei, Justiz und Geheimdiensten ignoriert, wie sie bei rechter Gewalt immer wieder zu beobachten war und ist. Wer jetzt AufklĂ€rung verspricht, muss ĂŒberall dort, wo Versagen offenkundig geworden ist, auch personelle Konsequenzen ziehen, egal ob in Innenministerien, Geheimdiensten oder Strafverfolgungsbehörden.
Die Angehörigen der Ermordeten, die Verletzten der NagelbombenanschlĂ€ge und die Communities, die durch die Attentate der NSU unmittelbar betroffen sind, aber auch die Gesellschaft als Ganzes haben ein Recht darauf, dass eine lĂŒcken- und schonungslose AufklĂ€rung in aller Öffentlichkei...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Die Autoren
  4. Impressum
  5. INHALT
  6. Vorwort zur zweiten Auflage
  7. Vorwort
  8. I. „Nationalsozialistischer Untergrund“
  9. II. In der V-Leute-Falle
  10. III. Die Erfindung des Verfassungsschutzes
  11. IV. Was macht eigentlich der Verfassungsschutz?
  12. V. Die LebenslĂŒge vom „FrĂŒhwarnsystem“
  13. VI. Wie lange noch?
  14. VII. Skizze einer neuen Sicherheitsarchitektur
  15. VIII. Nach dem Verfassungsschutz: Eine unabhÀngige Stiftung zur Verteidigung der Demokratie
  16. IX. Republikschutz statt Verfassungsschutz
  17. Anhang