KanakCultures
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KanakCultures

Kultur und KreativitÀt junger MigrantInnen

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  1. 204 pages
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KanakCultures

Kultur und KreativitÀt junger MigrantInnen

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About this book

So genannte "Jugendliche mit Migrationshintergrund" werden hĂ€ufig mit gesellschaftlichen und individuellen Problemen in Verbindung gebracht: Armut, schlechte Bildung, KriminalitĂ€t, Perspektivlosigkeit. Migrantische Jugendliche - allesamt Sorgenkinder, Kostenfaktoren, Problemproduzenten? Weit gefehlt! Junge Leute aus Einwandererfamilien sind kreativ und kulturell produktiv. Sie profitieren von ihrem Migrationshintergrund. Er ist nicht nur Belastung und Konfliktstoff, sondern ermöglicht Lebensweisen und kulturelle Produktionen, die Nicht-Migranten grĂ¶ĂŸtenteils abgehen. Er vermittelt spezifische Ressourcen und bildet umfangreiche Potenziale. Dass dies der Fall ist, nehmen Öffentlichkeit, Politik und PĂ€dagogik bisher kaum wahr. Diese Ignoranz lĂ€uft Gefahr, migrantische Jugendliche in eine Art von kulturellem Ghetto abzudrĂ€ngen, trĂ€gt damit zu Prozessen der Selbstethnisierung bei und unterlĂ€uft so die inzwischen allerorts bekundete Integrationspolitik.Die Zugehörigkeit zu zwei oder sogar mehr Kulturen bedeutet zum einen eine lebenslange Aufgabe, die es zu bewĂ€ltigen gilt, aber auch eine riesige Chance, diese VielfĂ€ltigkeit fĂŒr sich zu nutzen. Und dies tun viele Jugendliche engagiert und ideenreich, ob durch Musik, Tanz, Sport, politisches Engagement, bildende Kunst oder Lyrik. In diesem Buch, erarbeitet von Studierenden der Hochschule Esslingen im Bereich Soziale Arbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Kurt Möller, kommen sie zu Wort.

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LINIE 1: NORD-BAHNHOF – WESTEND

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STATION: NORD-BAHNHOF

„Wenn wir was bewegen wĂŒrden bei den Kids, das wĂ€r’ cool.“

Mahir, 28, im Verkauf tĂ€tig, und Hakan, 30, selbststĂ€ndiger TeileprĂŒfer, beide in Deutschland geboren und aufgewachsen und Rapper in der Crew Kanaken mit Haltung (KmH).
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v.l.n.r. Hakan, Metto, Mahir von der Crew Kanaken mit Haltung
Mahir, Hakan, ihr beide rappt. Wie lang macht ihr das schon?
Hakan: Also ich hab’ ’94 angefangen, Texte zu schreiben. Aber so als KmH, als Kanaken mit Haltung, gibt es uns seit Ende 2003. Da haben wir uns gefunden. Wir kannten uns schon davor, 10 bis 15 Jahre lang, aber wir wussten nie voneinander, dass wir Musik machen. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Mahir zu Hause Beats macht. Er wusste nicht, dass ich zu Hause schon jahrelang schreibe.
Mahir: Vorher, da kannten wir uns von der Straße, weißt du. Wenn du so ’n Kanake im Viertel bist, dann bist ja nur auf der Straße. Da interessiert nur Fußball, Straße und so Sachen halt, weißt du. Erst als wir Ă€lter waren und mehr zu Hause ’rumgesessen sind, haben wir gemerkt: Der andere macht ja auch Musik. So hat’s dann angefangen.
Wie seid ihr zum HipHop gekommen?
Hakan: Eigentlich bin ich mit HipHop aufgewachsen. Mein Ă€lterer Bruder hat ’ne Sammlung gehabt. Als er dann keine Lust mehr darauf hatte, hab’ ich die dann ĂŒbernommen. Und ich nenn’ mich selber ja als KĂŒnstler nicht Hakan, sondern „Hakanak“. Also ’n Wortspielchen. Wir versuchen halt, mit HipHop den Kids ’n bisschen die Augen zu öffnen.
Mahir: Bei mir kommt’s so aus der Breakdance-Bewegung. Als zum ersten Mal Beatstreet im Fernsehen gesendet wurde, war das bei mir der Grund, anzufangen zu tanzen und zu sprĂŒhen. Die EinflĂŒsse kommen aus Fernsehen und Videos wie Wild Style, Breakdance, Boys in the Hood und HipHop und so amerikanische Schwarzen-Kultur.
Hakan: Damals, als ich das von meinem Bruder ĂŒbernommen hab’, war ich noch ’n ganz kleiner Stöpsel. Als ich mir die Sachen angehört hab’, hab’ ich nichts verstanden. Ich hab’ nur die Beats gehört und gedacht: „Yeah, ich bin jetzt auch Gangster.“ Aber mit der Zeit hab’ ich dann mehr auf die Texte geachtet und mich gefragt: Was wollen die eigentlich vermitteln? Die haben halt diese Musik nicht als Musik genommen, sondern als Werkzeug, um irgendwie den Leuten irgendwas vermitteln zu können, weil sie normalerweise keine Chance hatten, denen was zu sagen. Weil, es ist ein langer Weg in die Politik. Ob du irgendwann mal was bewegen kannst? Die meisten rechnen halt nicht mit Chancen. Deswegen benutzen sie dann HipHop-Musik als ’ne Zeitung von der Straße halt. Die haben halt versucht, durch ihre Musik ’rauszukommen aus ihren Ghettos. Nur find’ ich das in Deutschland jetzt eher traurig. Denn die meisten, die hier Rapmusik machen, wollen in so ’n Ghettodings ’reinkommen. WĂ€hrend die in Amerika damals versucht haben, genau da ’rauszukommen, wollen die hier ’rein.
Wenn du schreibst, bist du da in ’ner bestimmten Stimmung?
Hakan: Ja also, bevor ich rausgeh’ und mich abreagier’ bei irgendjemandem, nehm’ ich mir ’n Blatt und schreib’ was drauf und nehm’ das auf. Denn vielleicht bin ich ja nicht der Einzige auf der Welt, der das fĂŒhlt. Da gibt’s vielleicht Leute, die das dann mitfĂŒhlen, die dann denken: Okay, das, was der sagt, könnte glatt auch von mir kommen. Und nicht so: Hey, ich komm’ da hin und mach’ das kaputt, ich bin der Meister 
 Es ist besser, wenn du erst mal den Beat anhörst und spĂŒrst, was fĂŒr eine GefĂŒhlslage dieser Beat hat. Manchmal hörst du zum Beispiel ’n Beat, der so klingt, als wenn ein neuer Tag anfĂ€ngt. Und dann gibt’s halt so Beats, die treiben und voll hart sind. Dann nĂŒtzt es auch nichts, wenn du ĂŒber Regenbogen und Eichhörnchen singst. Weißte?
Mahir: Mittlerweile ist es jetzt so bei mir als Musiker, dass ich mich da selber einbring’ auch. Du bringst dich selber in den Modus. Und das ist nicht nur ein Verdauen von eigenen GefĂŒhlen, sondern du tust ja auch was schaffen wollen. Und damit können andere vielleicht ihre Sachen verdauen.
Ich habe das GefĂŒhl, dass Musik einen ziemlich hohen Stellenwert fĂŒr euch einnimmt 

Hakan: Ich mach’ die Musik gerne. Ich mach’ auch grad ein Soloalbum und ich hab’ da auch echt viel Spaß daran. Nur bleib’ ich auch auf dem Teppich und sag’ mir: Hey, wenn ich damit nichts erreichen sollte, muss ich mir immer noch ’ne andere Option offen halten. Deswegen geh ich auch arbeiten, fĂŒr den Fall, dass ich mit Musik nichts erreichen sollte.
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Mahir: Ich stimm’ da zu. Nur: Wenn ich unser Leben anguck’, also außer unseren Familien und so, hat das schon den höchsten Stellenwert. Mittlerweile haben wir keine andere FreizeitbeschĂ€ftigung mehr. Durch Musik lernst du auch viele Menschen kennen und baust Netzwerke auf. Das Rappen hat unser Leben eingenommen.
Habt ihr viele Freunde und Bekannte ĂŒber die Musik kennen gelernt?
Hakan: Ja, viele gerade durch die Musik. Und da gibt’s dieses MySpace-Forum und das ist ja auch weltweit. Da gehen Leute ’rein und hören sich deine Musik an, ohne dass du das mitbekommst. Zum Beispiel ich sitz’ jetzt hier und irgendwo in Hamburg klickt einer meine Seite an und hört ein Lied von mir.
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Dass man sich Kanaken mit Haltung nennt, ist ja nicht alltÀglich 

Hakan: In Amerika tun viele Schwarze rappen und in ihren Liedern hörst du immer dieses Wort (flĂŒstert): Nigger. Warum nennen die sich selber Nigger? Warum nennen wir uns selber Kanaken?
Kanake ist ja kein schlechtes Wort: Kanake meint ĂŒbersetzt Mensch. Nur in den Augen der Masse sind Kanaken Leute, die alles kaputt machen, Leute, die MĂŒll auf den Boden werfen und dazu geneigt sind, SchlĂ€gereien anzuzetteln. Deswegen auch Kanaken „mit Haltung“. Da gab’s doch diese Geschichte in MĂŒnchen, wo zwei Jungs ’nen Opa in der U-Bahn zusammengeschlagen haben. Weißt du, das sind fĂŒr mich normale Kanaken. Aber nicht mit Haltung, nur Kanaken.
Mahir: Und dann gab’s aber die gleiche Geschichte in MĂŒnchen, da hat ein TĂŒrke von Skins auf die Schnauze bekommen. Und dann ist ein Grieche gekommen und hat ihm geholfen. Das wĂ€r’ dann mit Haltung. NatĂŒrlich ist es nicht immer einfach, dem gerecht zu werden, aber es ist halt besser, als aggressiv und nur Kanake und gewaltbereit zu sein.
Hakan: Eigentlich hat dieser Name Kanaken mit Haltung ein Vorbild. In Amerika. Anfang der 90er, gab’s da ’ne Gruppe, die hieß N.W.A., (flĂŒstert) Niggaz (spricht wieder normal) with attitude. Wir haben das einfach nur ĂŒbertragen. Anstatt (flĂŒstert) Niggaz (spricht wieder normal) haben wir (flĂŒstert erneut) Kanaken genommen.
Und wenn jetzt zum Beispiel ’n Deutscher daherkommt und zu euch sagt: „Hey, Kanake!“ Was denkt ihr dann?
Hakan: Dann denk’ ich mir: Okay, der ist nicht auf dem Level, mit mir normal reden zu können. Wir tun dem gar nix. Wir lachen den aus und gehen einfach, weil es sich dann nicht lohnt, sich mit dem zu streiten. Alleine schon die Anrede „Hey, du Kanake“ reicht uns dann.
Mahir: Es alles nur ’ne Definitionssache innerhalb der Gesellschaft. Wenn jemand von außen kommt und dich so definiert, dann ist das schon ’n Problem. Und deswegen wehren wir uns, aber mehr innerlich.
Durch die Musik, die ihr macht, habt ihr euch dadurch irgendwie verÀndert?
Hakan: Ich sag mal, wir sind im Kopf erwachsener geworden. Weil die Musik, die wir jetzt machen, machen wir nicht einfach so und hauen sie dann raus. Wir haben da schon ein Konzept. Wenn jetzt zum Beispiel jemand ein Lied hört, dann soll ihn das ein bisschen zum Nachdenken bringen. Also unser Ziel ist eigentlich, den kleinen Kids, der Generation, die nach uns kommt, ’n bisschen die Augen zu öffnen, weil wir sehen: Die gehen in den Abgrund so langsam. Die Leute sollen original bleiben und nicht als Kopie leben. Wenn wir was bewegen wĂŒrden bei den Kids, das wĂ€r cool.
Mahir: Das Leben ist hart, deswegen ist unsere Musik auch hart. Aber das ist halt einfach ehrlich. Manchmal machen Hakan oder ich, obwohl wir beide zur Schule gegangen sind, im Eifer des Gefechts und der GefĂŒhle Schreibfehler oder sprechen falsches Deutsch. Das ist dann nicht Absicht, weil du bist nur voll im Flow und in der Musik.
Hakan: Zum Beispiel schreib’ ich gerad’ an einem Text ĂŒber ’ne MarktlĂŒcke auf der ganzen Welt: ĂŒber die Natur. Die Natur hat keine AnwĂ€lte. Zum Beispiel hat Jacques Chirac vor zehn Jahren in Afrika an irgend so ’ner Insel ’ne Atombombe ausprobiert. Die Leute, die da unten leben, die leben vom Fischen. ’Ne Atombombe macht da alles kaputt, ihre Lebensart macht sie kaputt. Mit was fĂŒr ’nem Recht? DarĂŒber schreibe ich gerade. Ich mein’, mit was fĂŒr ’nem Recht gehst du da hin und zerstörst die Lebensart der Leute? Und gibt’s ’nen Fick auf die, willst nur deine Bombe testen und dann ab wieder nach Frankreich dein Baguette essen. Dich kĂŒmmern die Leute da unten gar nicht.
Was war bis heute euer schönst...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Bahn Kanak City
  6. VORWORT „Boah, schon wieder die Kanaken!“ – „Menschen sind wir doch alle, oder?“
  7. KURT MÖLLER Hybrid-Kulturen Hybrid-Kulturen – Wie „Jugendliche mit Migrationshintergrund“ postmigrantisch werden
  8. LINIE 1 NORD-BAHNHOF – WESTEND
  9. LINIE 2 MOSCHEE – ROCKFABRIK
  10. LINIE 3 WALL OF FAME – BARRIO LATINO
  11. LINIE 4 KULTURHAFEN – EIFFELTURM
  12. LINIE 5 MELTING POINT – WÜSTE WELLE