Böhse Onkelz
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Böhse Onkelz

Gehasst, geliebt, vergöttert. Die Geschichte einer deutschen Band

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Böhse Onkelz

Gehasst, geliebt, vergöttert. Die Geschichte einer deutschen Band

About this book

Mit dieser Band hast du nicht viele Freunde texteten die Böhsen Onkelz einmal. Heute – drei Jahrzehnte später – sind sie die erfolgreichste deutsche Rockband. Gehasst, geliebt, vergöttert. Wie haben sich die Band und auch ihre Fans in der Zeit verändert? Wofür stehen die Böhsen Onkelz heute, die schon mehrfach von Kritikern aufgefordert wurden, ihren Namen aufgrund ihrer Vergangenheit zu ändern? Klaus Farin hat die Band 1993 zum ersten Mal bei einer Tour begleitet – und seitdem nicht wieder aus den Augen verloren. Hier ist ihre Geschichte.

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Information

Böhse Onkelz. Die Geschichte einer deutschen Band

Werke, die man schreibt und die man tut,
kann man erst lange nach ihrer Vollendung korrigieren.
Jean Paul: Bemerkungen über
uns närrische Menschen, 1797
Fast drei Jahrzehnte (die Pause nicht mitgerechnet) in derselben Bandbesetzung – das haben weder Pink Floyd noch Deep Purple oder AC/DC geschafft, nicht einmal die Rolling Stones. Die Böhsen Onkelz sind in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Phänomen. Keine andere Band hat so viele Wandlungen vollzogen und überlebt, keine andere Band so heftige Kontroversen entfacht. Keine andere Band hat es bisher geschafft, selbst als schwerreiche Rockstars mit Milli­onen Fans immer noch das Image eines von der Welt ungeliebten outcasts aufrechtzuerhalten.
Der Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens ist nicht in erster Linie die Musik, sondern es sind vor allem die Songtexte von Stephan Weidner, die Biographie von Kevin Russell und der unaufhaltsame Shitstorm der Onkelz-Hasser, die diesen Mythos begründeten.
Kevin Richard Russell, geb. am 12. Januar 1964 in Hamburg-Rahlstedt. Zwei ältere Geschwister: ein Bruder, eine Schwester. Britischer Staatsbürger. Der Vater, ein Brite, arbeitet als Pilot bei der Lufthansa, die Mutter ist Hausfrau. Eigentlich keine schlechten Voraussetzungen für eine heile Mittelschicht-Welt, doch die Realität hinter den Gardinen sieht wie so oft anders aus. Der Vater ist ständig in der Welt unterwegs, die Mutter hat zu trinken begonnen, die harten Sachen. Kevin und sein Bruder Kai müssen sie regelmäßig bei einer Nachbarin oder sonst wo einsammeln und nach Hause bringen. Ist der Vater ausnahmsweise einmal zu Hause bei der Familie, gibt es Krach, Geschrei und für Kevin schon als Kind nicht selten Prügel, „mit Gürteln, mit Holzlöffeln oder mit der Faust, wie es sich gerade ergab“, berichtet der Onkelz-Biograph Edmund Hartsch.
In der Schule ist Kevin keine Leuchte: Er geht zwar zeitweise auf die Realschule, packt es aber nicht und erwirbt schließlich über ein Berufsgrundschuljahr in einer Elektrofachschule wenigstens den Hauptschulabschluss.
Im Frühjahr 1977 verlässt die Familie Russell die Großstadt Hamburg und lässt sich im beschaulichen Hösbach in Bayern nieder. Vielleicht ein letzter Versuch, die Familienverhältnisse durch einen radikalen Orts- und Bekanntenkreiswechsel in ruhige Gewässer zu überführen. Es sollte nicht gelingen. Ein Jahr später bekommen die Russells neue Nachbarn. Gleich nebenan zieht eine Familie Weidner ein.
Stephan Weidner, geb. am 29. Mai 1963 in Alsfeld im mittelhessischen Vogelsbergkreis, aufgewachsen ein paar Dörfer weiter in Nieder-Ohmen, das mitsamt seinen knapp 2.000 Einwohner_innen kurz vor Stephans achtem Geburtstag in die Nachbargemeinde Mücke eingegliedert wird. Erlernter Beruf: Keiner. Geschwister: Zwei ältere Brüder, Günther (Jahrgang 1956) und Klaus-Dieter, noch aus der ersten Ehe der Mutter Gisela; zwei jüngere Schwestern, Carmen (Jahrgang 1964) und Monika (1965). Der Vater Karl-Heinz, genannt Tex (Jahrgang 1940), hatte schon vor Stephans Geburt eine kriminelle Laufbahn hinter sich, saß sogar gut zwei Jahre wegen mehrfachen Autodiebstahls und Einbrüchen im Knast. Zur Zeit der Geburt Stephans jobbt er zwar als Straßenbauer, bleibt jedoch nach einer kurzen Phase der Abstinenz dem „Milieu“ verhaftet. 1966 lässt er die Familie sitzen und steigt als Zuhälter in ein Frankfurter Bordell ein. Da er jegliche Unterhaltszahlungen für seine Kinder verweigert, muss die Mutter von nun an ganztags arbeiten, zunächst bei Hertie, dann bei einer Versicherung.
Die Familie lebt dennoch in ärmlichen Verhältnissen. Im Winter fehlt das Geld zum Beheizen der Wohnung, die Wasserleitungen frieren zu und die Kinder werden bei Verwandten untergebracht. 1965 wird die Jugendfürsorge auf die schlimmen Zustände bei den Weidners aufmerksam und ordnet die Unterbringung der beiden ältesten Söhne bei Pflegeeltern bzw. in einem Heim für „schwer erziehbare“ Kinder an.
1967 teilt das Sozialamt der Familie Weidner eine Wohnung am Frankfurter Berg zu, im 8. Stock eines soeben erst gebauten Hochhauses in der Julius-Brecht-Straße, im Zentrum der über die Stadtgrenzen Frankfurts hinaus bald als „sozialer Brennpunkt“ berüchtigten Siedlung Berkersheimer Weg, dessen Bewohner_innen mehrheitlich von Kindergeld, Arbeitslosenhilfe und anderen Almosen des Sozialamtes leben. Onkelz-Biograph Edmund Hartsch über die Hochhaussiedlung, die von den Nachbarjungen aus Eckenheim meist nur „das Asi-Ghetto“ genannt wird: „Der Frankfurter Berg war so scheiße, man musste nur dort wohnen und man wurde automatisch krank. Wirklich interessant wurde es nur, wenn die Bullen kamen oder ein Selbstmörder vom Dach sprang und auf dem Parkplatz hinter den Mülltonnen aufschlug. Das geschah relativ häufig.“
Auf den Fotos jener Jahre wirkt Stephan ein wenig zu dick, ungelenk, aber auch rotzig-frech. Er leidet an schwerem Asthma, wird deshalb und wegen seiner Behäbigkeit von den anderen Jungen seiner Umgebung häufig gemobbt oder auch mal verprügelt. In der Schule gilt er als jähzornig, aggressiv, ein Störenfried mit miserablen Leistungen. Versuche, an einem Gymnasium und einer Realschule höhere Abschlüsse zu erzielen, scheitern ansatzlos, und selbst auf der Hauptschule schafft er es gleich zweimal hintereinander, in der 7. und 8. Klasse, sitzen zu bleiben. Die Hochachtung gilt beidseitig: Stephan hasst die Schule und die Lehrer_innen aus vollem Herzen.
1976 nimmt der Vater Stephan überraschend in seine Obhut. Selbst ein alter Rock’n’Roller, zeit seines Lebens ein gesellschaftlicher Außenseiter und Prügelknabe, bestärkt er in seinem Erziehungsstil Stephans Neigungen zu Gewalt­exzessen und permanenter „Rebellion“ gegen Vorschriften und Normierungen jeglicher Art. Mit elf Jahren beginnt Stephan trotz seines Asthmas zu rauchen, mit 14 kifft er zum ersten Mal mit seinen Freunden, meist schon etwas Ältere, mit denen er fast täglich im Park der nahe gelegenen Taunusanlage herumhängt und sich aus der Realität wegdröhnt … Ende 1977 nimmt er dort zum ersten Mal LSD, ein achtstündiger Horrortrip, dessen abschreckende Wirkung jedoch nicht lange anhält.
1978 wird Stephan wieder einmal nicht versetzt und schließlich an eine Schule überwiesen, die sämtliche Problemfälle des Bezirks sammelt. „Trotz Rücksprache der Klassenlehrerin mit Ihnen wird Stephans Verhalten in der Klasse immer untragbarer“, teilt die Schulleitung dem Vater per Einschreiben mit. „Er beschießt seine Mitschülerinnen mit Gummischleuder und Büroklammern und schlägt seine Klassenkameraden grundlos. Aufgrund seiner sich beinahe täglich steigernden obszönen Ausdrucksweise ist er zu einer sittlichen Gefahr für die Klasse geworden. Diese unglaublich gossenhaften Beleidigungen und seine körperlichen Angriffe auf Mitschüler haben bereits dazu geführt, dass diese sich fürchten, die Schule weiterhin zu besuchen.“ Stephan fühlt sich ungerecht behandelt, stürmt in die Schule, verprügelt den Physiklehrer, den er für die Nicht-Versetzung verantwortlich hält, zertrümmert das gesamte Inventar des Physikraums und versetzt dem aufgrund des Lärms herbeieilenden stellvertretenden Rektor gleich auch noch eine Ohrfeige.
Die Polizei bringt Stephan schließlich nach Hause, ein Jugendrichter verurteilt ihn später zu 145 Arbeitsstunden. Die Polizei klingelt in jenen Tagen häufig bei Weidners an, zumeist wegen der Taten des Sohnes: Fahrraddiebstahl, Körperverletzungen u. ä. lauten die Vorwürfe. Der Vater empfiehlt seinem Sohn nur wenig hilfreich, sich beim nächsten Mal gefälligst nicht erwischen zu lassen.
Nach dem letzten Vorfall will keine hessische Schule mehr Stephan als Schüler aufnehmen. So zieht der Vater mit ihm und seiner zweiten Frau Helga in ein Reihenhaus nach Hösbach bei Aschaffenburg. Das liegt zwar nur eine gute Stunde von Frankfurt entfernt, gehört aber schon zu Bayern.
Stephan sichert sich auch dort schnell seinen Ruf als der härteste Schläger der Schule, indem er die bisherigen Leaders of the Pack verprügelt. Doch er zeigt sich auch in jeder anderen Weise krass. Seine Schulsachen trägt er in einem Aktenkoffer bei sich, und statt in Jeans und T-Shirts wie die me...

Table of contents

  1. Cover
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Vorwort: „Nichts ist für die Ewigkeit.“
  4. Böhse Onkelz. Die Geschichte einer deutschen Band
  5. Quellen
  6. Danke!