Unsere Antwort. Die AfD und Wir.
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Unsere Antwort. Die AfD und Wir.

Schriftsteller*innen und der Rechtspopulismus

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Unsere Antwort. Die AfD und Wir.

Schriftsteller*innen und der Rechtspopulismus

About this book

Auch Schriftsteller*innen diskutieren seit einiger Zeit verstĂ€rkt ĂŒber den Umgang mit AfDMitgliedern und -Sympathisanten und anderen Rechtspopulisten in der Gesellschaft – und auch in ihren eigenen Reihen. Zum Beispiel in diesem Buch Rudolph Bauer, ZoĂ« Beck, Carlos Collado Seidel, Lena Falkenhagen, Klaus Farin, Nina George, Werner Schlegel, Leonhard F. Seidl, Sophie Sumburane, Michael Wildenhain.

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Information

Wir sollten wesentlich tiefer graben

Wurzeln und Böden reaktionÀrer Ideologie und Politik

Rudolph Bauer

I. Definition, Geschichte und RechtsverstÀndnis von Unvereinbarkeit

Unvereinbarkeitsbeschluss (Begriffe und Passagen, die im Wortlaut aus dem Text von Michael Wildenhain ĂŒbernommen wurden bzw. darauf verweisen, werden nachfolgend kursiv zitiert) ist ein schwerfĂ€lliges Siebensilben-Wort, vergleichbar dem WortungetĂŒm Vorratsdatenspeicherung. Es betrifft „Regelungen von Parteien, Vereinen und VerbĂ€nden, nach denen die gleichzeitige Mitgliedschaft in dieser Organisation mit der Mitgliedschaft in einer anderen, namentlich benannten Organisation unvereinbar ist und ein Aufnahmehindernis oder einen Ausschlussgrund darstellt.“ (Wikipedia) Unvereinbarkeit schließt aus, dass der mit dem Bann der Unvereinbarkeit belegten Organisation Haushaltsmittel, RĂ€ume oder Sachleistungen zur VerfĂŒgung gestellt werden.
Seinen Gebrauch fand das U-Unwort schon frĂŒh in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Diese hatte erstmals 1925 entschieden, dass eine Mitgliedschaft in der SPD die gleichzeitige Mitgliedschaft im Internationalen Jugendbund und in der Roten Hilfe ausschließe – und umgekehrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete sich in den Westzonen ein entsprechender SPD-Beschluss 1948 (bis zur Aufhebung 2010) gegen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und in der Bundesrepublik 1960 gegen den Demokratischen Kulturbund Deutschlands, 1961 gegen den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und 2005 gegen die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG). Mitglieder dieser Organisationen hatten kein Anrecht auf die gleichzeitige Mitgliedschaft in der SPD. Das war formal rechtens. Ob die BeschlĂŒsse politisch klug waren, steht auf einem anderen Blatt.
Anders verhĂ€lt es sich mit den Gewerkschaften. Es wird argumentiert, dass sie im wirtschaftlichen bzw. sozialen Bereich ĂŒber eine herausragende Macht- und Monopolstellung verfĂŒgen. Deshalb sei die Aufnahme als Mitglied fĂŒr LohnabhĂ€ngige aus beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen GrĂŒnden von erheblicher Bedeutung. In seiner Rechtsprechung unterwirft der Bundesgerichtshof die Gewerkschaften deshalb einem grundsĂ€tzlichen Aufnahmezwang und leitet daraus ein nur begrenztes Ausschlussrecht ab, das ausschließlich im Fall einer gewerkschaftsfeindlichen BetĂ€tigung eine Ausnahme zulĂ€sst.
Mit dieser Feststellung könnte man die von M. W. erhobene Forderung eines Unvereinbarkeitsbeschluss(es) fĂŒr den VS bzw. ver.di mit der AfD formalrechtlich als erledigt abhaken. ver.di ist eine Gewerkschaft, und der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) ist als Fachgruppe Literatur Teil der ver.di-Fachgruppe 8. Eine Unvereinbarkeit kommt daher nur dann in Frage, wenn ein AfD-Mitglied sich innerhalb der Organisation gewerkschaftsfeindlich betĂ€tigt. In einem solchen Fall greifen die gewerkschaftsinternen Ausschlussmechanismen, ohne dass ein Unvereinbarkeitsbeschluss vorliegen muss. Was aber hat man sich vorzustellen unter einer „gewerkschaftsfeindlichen BetĂ€tigung“ innerhalb der Fachgruppe Literatur?

II. Zur Dialektik der Begriffe Nation und Volk

Das von M. H. erhobene PlĂ€doyer fĂŒr einen gewerkschaftlichen Unvereinbarkeitsbeschluss nimmt nicht nur nachweisliche Handlungen zum Anlass. Gefordert wird die Unvereinbarkeit auch fĂŒr den Fall einer Nicht-Handlung, nĂ€mlich einer MeinungsĂ€ußerung. Geahndet werden soll bereits eine reaktionĂ€re Gesinnung, nicht erst die gewerkschaftsfeindliche Tat. BegrĂŒndet wird das wie folgt: Das Programm der AfD geht aus von einem 
 Kons­trukt, das sich in zwei Begriffe fassen lĂ€sst: Nation und Volk. PrĂ€gnanter: Deutschland und Deutsche zuerst.
Zutreffend verweist die Argumentation darauf, dass man bei Nation und Volk von geschichtlich gewordenen PhĂ€nomene(n) sprechen kann. Von einem Nationalisten wĂŒrden beide Begriffe jedoch nicht als ĂŒberholt und vergĂ€nglich angesehen werden, sondern als unhintergehbare geistige EntitĂ€ten einer unmittelbaren Evidenz (welch eine brĂ€sige Formulierung!). Die Begriffe Nation und Volk als vergĂ€nglich zu bezeichnen, mag angehen (obwohl die Sache so einfach nicht ist; Lebewesen sind vergĂ€nglich, aber Begriffe 
?). Begriffe sind so lange nicht ĂŒberholt, so lange sie im Umlauf sind, auch wenn dies in rĂŒckwĂ€rtsgewandt reaktionĂ€rer Absicht und Gesinnung der Fall ist.
Die Begriffe Nation und Volk den Herrschenden und ihrem völkisch-faschistischen Fußvolk kampflos als ideologische VersatzstĂŒcke zu ĂŒberlassen, ist ein politischer Fehler. Nation und Volk sind Termini, deren emanzipatorisch-fortschrittliche Bedeutung nicht ĂŒbersehen werden darf. So lange Demokratie Volksherrschaft bedeutet, so lange ist die Distanzierung von einem Begriff wie Volk auch ein Abgesang auf die Rolle des Volkes in einer demokratischen Gesellschaftsordnung – also tendenziell antidemokratisch.
Warum sollte das Wort Volk – wenn es in seiner Bedeutung nicht auf den rassistischen Mythos von Blut und Boden verkĂŒrzt wird – nicht die gesamte Bevölkerung umfassen, auch die Zugewanderten, Migranten und FlĂŒchtlinge, MĂ€nner und Frauen, Kinder und Alten? Warum beinhaltet Deutsch-Sein den Unsinn, den die Rechten damit verbinden: germanisch zu wabern und preußisch zu salutieren? Kann Deutschland nicht einfach begriffen werden als das Territorium des Geltungsbereichs der Verfassung, des Grundgesetzes von 1949? Warum sprechen wir nicht einfach von der Bundesrepublik?
Dem reaktionĂ€r vereinnahmten Begriff Nation kann dialektisch eine fortschrittliche, zukunftsweisende Bedeutung entgegen gehalten werden – eine, die das kulturell gewachsene und progressive Element betont, welches im Verlauf der Französischen Revolution mit der Entstehung der Nationalstaaten verbunden war. Wenn Ernst Bloch in sozialistisch-utopischer Absicht vom „Umbau der Welt zur Heimat“ spricht, dann kann darunter sehr wohl auch der Umbau zur Nation als heimatlicher Ort verstanden werden – als Ort von existenzieller Sicherheit und Geborgenheit in zukunftsoffener Perspektive. An diesem geschichtsmĂ€chtigem Entwurf kollektiver Verbundenheit hatten Philosophen und Intellektuelle, nicht zuletzt auch bedeutende Schriftsteller, ihren wesentlichen Anteil.
Nation und NationalgefĂŒhl weisen einerseits eine dunkle Seite auf. Diese speist sich aus einer Heroisierung und den Mythen der Vergangenheit. Hieran angedockt, entstand die „rassereine“ völkische Nazi-Gesinnung. Hieraus speist sich auch heute wieder eine in die Geschichte zurĂŒckschweifende, dumpfe DeutschtĂŒmelei: die identitĂ€re Abgrenzung gegenĂŒber den fremden Anderen, die Pegida-Sehnsucht nach dem Vorgestern, das Ausposaunen einer Alternative, die gar keine ist. Andererseits weist die lichte Seite, die auf eine fortschrittliche Entwicklung abzielende Seite von Nation und Nationalbewusstsein den Weg vorwĂ€rts in eine solidarische Zukunft der Freien und Gleichen.

III. Die Rolle politisch-ökonomisch verursachter Krisen und Konflikte

Das Anliegen, sich beim Unvereinbarkeitsbeschluss auf einen einzigen Hauptfeind, auf die nationalistischen und rechtsradikalen Parteien sowie auf die AfD als die bei weitem stĂ€rkste explizit nationalistische Gruppierung zu konzentrieren, greift viel zu kurz. Die AfD, so wird dramatisch beschworen, werde alles daran setzen, Einfluss in sĂ€mtlichen Sektionen der ver.di zu gewinnen. Die verstĂ€ndliche Aufregung ĂŒber sie lenkt jedoch von der viel wichtigeren Frage ab, woran es liegen mag, dass sie hohen Zulauf erhĂ€lt, zahlreich gewĂ€hlt wird und als Bedrohung fĂŒr die Gewerkschaft ausgerufen wird.
Die Beantwortung dieser von M. H. vernachlĂ€ssigten Frage hat eine OberflĂ€chen- und eine Tiefendimension. Sowohl die Angst als auch die Wut, wodurch Teile der Deutschen in die Arme der Rechten flĂŒchten, haben Ursachen. Sie sind einerseits die Folgen einer bedrohlichen Stimmungsmache durch tĂ€gliches Krimi-Gruseln, Terrorismus-Bilder und Islamfeindlichkeit, Untergangs-Szenarien, Militarisierung, Russophobie usw. Mehr noch sind sie andererseits die Konsequenz von gesellschaftlichen Entwicklungen, Krisen und Konflikten, die politisch-ökonomische Wurzeln haben.
Stichworte mĂŒssen hier genĂŒgen, um zunĂ€chst die beunruhigenden OberflĂ€chenphĂ€nomene anzudeuten. Es handelt sich um:
  • politische Krisen und Konflikte: z. B. rechte Regierungsmehrheiten und Sezessionsbestrebungen in der EU; Große Koalitionen; sog. Politikverdrossenheit; Militarismus und KriegseinsĂ€tze entgegen deren mehrheitlicher Ablehnung seitens der Bevölkerung; RĂŒstungsexporte in Krisenregionen; Tabuisierung linker Regierungsmehrheiten; das Versagen der Medien als kritische Instanz; Vorratsdatenspeicherung; Staatstrojaner usw.;
  • ökonomische Krisen und Konfliktlagen: Bankenkrise; Umweltzerstörung und Klimawandel; Globalisierung; Dieselskandal; Investitionsstau in den Bereichen fĂŒr Bildung und Infrastruktur; Maßnahmen und Folgen der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge; steigende Mieten usw.;
  • gesellschaftliche Krisen und Konfliktherde entlang der WidersprĂŒche arm/reich, alt/jung, gesund/krank, Deutsche/AuslĂ€nder, christlich-jĂŒdisch vs. islamisch, feste vs. prekĂ€re BeschĂ€ftigung; Arbeitslosigkeit, Hartz IV und Mindestlöhne; Massenmigration; Antisemitismus als Tendenz und Etikettierung; soziale Folgen der Ökonomisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche usw.
In der Tiefendimension verweisen sĂ€mtliche dieser Krisen und Konfliktfelder direkt oder mittelbar auf das gegenwĂ€rtige Wirtschaftssystem der Ausbeutung, der UnterdrĂŒckung und der AnhĂ€ufung von ĂŒbermĂ€ĂŸigem Reichtum auf Kosten der großen Mehrheit. Das Diktat der Profitmaximierung durch Leistungssteigerung einerseits sowie der RĂŒstungswahnsinn und der Irrsinn kriegerischer Zerstörungen zum Zweck des profitablen Wiederaufbaus andererseits beherrschen auf allen Ebenen die politisch-ökonomischen Prozesse: vom entfremdeten und geschundenen Individuum bis hin zu den tödlichen Auswirkungen im globalen Ausmaß.
Die zunehmen...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Die Mitwirkenden
  7. Wir sollten wesentlich tiefer graben
  8. Einer von „uns“?
  9. Politik in der ersten Person Einzahl oder: Ein Hoch auf die Meinungsfreiheit
  10. Einige Anmerkungen zur bisherigen Debatte
  11. Wir schaffen das!
  12. Statt einer Erwiderung
  13. Es geht um mehr als um die kulturelle Hegemonie
  14. Die AfD und wir.
  15. Wenn die Rechten den Diskurs bestimmen, haben wir ihn bereits verloren
  16. Meinung & Freiheit