1. EINLEITUNG
Ein Sommer Ende der 1990er Jahre, ein kleines Alternative-Rock-Festival irgendwo in Ostdeutschland. Es ist SpĂ€tnachmittag, die Sonne scheint, es riecht nach Selbstgegrilltem und allgemeine BierglĂŒckseligkeit liegt in der Luft. Ich liege mit geschlossenen Augen vor meinem Zelt und lausche amĂŒsiert der mehr oder weniger abstrusen Konversation meiner Freunde, ohne mich an dieser zu beteiligen. Direkt vor mir tĂŒrmt sich ein riesiger Bierdosenberg auf, das Ergebnis gemeinschaftlicher Anstrengungen der letzten Tage und unser ganzer Stolz (fĂŒr die Nachgeborenen: Das Dosenpfand gab es damals noch nicht, man bezahlte noch mit der D-Mark und unsere Handys hatten die GröĂe und das Gewicht eines Ziegelsteins). Von der FestivalbĂŒhne dringt gedĂ€mpft Musik herĂŒber und vermischt sich mit den jodelnden GesĂ€ngen von Helge Schneider (âEs gibt Reis, Babyâ), mit welchen unsere Nachbarn den halben Zeltplatz zu beschallen pflegen. Ich genieĂe die entspannte AtmosphĂ€re und bin kurz davor wegzunicken, als sich langsam ein Wandel in der Stimmung in mir festzusetzen beginnt. Es ist ein schleichender Umschwung, mehr gefĂŒhlt als gewusst, den ich mir zunĂ€chst nicht erklĂ€ren kann, denn augenscheinlich hat sich nichts verĂ€ndert: Die Sonne strahlt weiterhin ungetrĂŒbt von einem wolkenlosen Himmel, unser Dosenberg steht noch und die Menschen in meiner nĂ€heren Umgebung benehmen sich nicht anders als zuvor. Irritiert beobachte ich meine Umwelt.
Es dauert eine Weile, bis mir aufgeht, dass der eigenartige Stimmungswandel etwas mit der Musik zu tun haben könnte, die undeutlich von der BĂŒhne herĂŒberwabert. Neugierig geworden, raffe ich mich auf und spaziere in Richtung TribĂŒne. Der Sound macht einen unglaublich dichten, gepressten Eindruck. HĂ€mmernde Schlagzeug-Beats in unfassbarer Geschwindigkeit, regelmĂ€Ăig und monoton wie ein Uhrwerk, vermengen sich mit dem Klang stark verzerrter Gitarren, die in meinen GehörgĂ€ngen sĂ€gen und lange, imposante Melodiebögen malen. DarĂŒber entfaltet sich ein infernalisches Geschrei â ein Keifen und Kreischen, ein Ăchzen und Stöhnen, ein KrĂ€chzen und KrĂ€hen â intensiv, kalt, hasserfĂŒllt und wie nicht von dieser Welt. Ich bin entzĂŒckt und lausche bei herrlichem Sonnenschein gebannt meinem ersten Black-Metal-Konzert.
Seit diesem Erlebnis sind viele Jahre vergangen und meine Faszination fĂŒr extreme Spielarten des Metal ist ungebrochen, hat sich im Verlauf der Zeit aber verĂ€ndert (fĂŒr Details vgl. Kap. 3.2.2): Von einer begeisterten Zuhörerin wurde ich zur SzenegĂ€ngerin, stieg spĂ€ter zur Veranstalterin und damit in die regionale Szene-âEliteâ auf, gab diese Funktion nach einer gewissen Zeit wieder auf und inspiziere seit einigen Jahren als wissenschaftliche Beobachterin die Szenen von ihren RĂ€ndern aus (vgl. metal.de o.J.).
Das Erfahrungswissen, das aus dieser MultiperspektivitĂ€t resultiert, habe ich mir fĂŒr meine Dissertation zunutze gemacht, welche im Jahr 2012 unter dem Titel Schwarzmetall und Todesblei. Musikalische Praxis und juvenile Vergemeinschaftung in den Black- und Death Metal Szenen Deutschlands. Eine triangulative Studie am Institut fĂŒr Musik der Carl von Ossietzky UniversitĂ€t Oldenburg begutachtet wurde. Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine leicht ĂŒberarbeitete Version meiner Doktorarbeit. So habe ich kritische Anmerkungen und VerbesserungsvorschlĂ€ge meiner BetreuerInnen in den Promotionsgutachten sowie Hinweise der Disputationskommission dankbar zum Anlass genommen, die Studie â wo nötig â inhaltlich zu modifizieren.
WORUM GEHT ES?
Schwarzmetall und Todesblei â wer sich mit Black- und/oder Death-Metal-Musik und den AnhĂ€ngerInnen in den entsprechenden kulturellen Kontexten befasst, wird im Diskurs der Szenen im deutschsprachigen Raum gelegentlich auf die â meist augenzwinkernd-ironisch gebrauchten â Ăbersetzungen der englischen Begriffe stoĂen.
Eine (inzwischen aufgelöste) Brutal-Death-Metal-Band aus der Schweiz firmierte einige Jahre unter dem Namen Todesblei, ihr erstes und einziges Full-Length-Album aus dem Jahr 2003 trĂ€gt den aussagekrĂ€ftigen Titel Splittergranatendauerbombardement. Das österreichische Webzine Stormbringer kĂŒndigte im FrĂŒhjahr 2010 das neue Album der schwedischen Death-Metal-Band Grave mit den Worten an: âNeues Todesblei âBurial Groundâ kommt im Juni.â (Stormbringer o.J.) Die Mainzer Black-Metal-Band Nocte Obducta benannte ihr drittes Album aus dem Jahr 2001 mit Schwarzmetall â Ein primitives Zwischenspiel. Und in Berlin organisiert ein Veranstalter seit dem Jahr 2005 regelmĂ€Ăig Black-Metal-Partys und -Konzerte unter dem Namen Schwarz Metall fĂŒr SchwĂ€rzeste WĂ€lder, wobei der Name Programm ist: Der Reinerlös der Events flieĂt nach Veranstalter-Angaben in Naturschutzprojekte (vgl. Abb. 1).
Hinter den Bezeichnungen âBlack Metalâ und âDeath Metalâ verbergen sich zwei Formen gegenwĂ€rtiger musikalischer Praxis, die bestĂ€ndig im Wandel begriffen sind. Welche klanglichen Texturen, Inhalte oder Verhaltensweisen unter die Begriffe gefasst werden, divergiert je nach Zeit und Ort, wobei es den AnhĂ€ngerInnen in den konkreten lokalen Kontexten obliegt, auszuhandeln, was unter Black- bzw. Death Metal jeweils verstanden werden soll.
Abb. 1: Schwarz Metall fĂŒr schwĂ€rzeste WĂ€lder: Werbe-Flyer (Vorder- und RĂŒckseite) aus dem Jahr 2006 fĂŒr eine Black-Metal-Veranstaltungsreihe in Berlin (© Ralf und Steffen von Schwarz Metall fĂŒr schwĂ€rzeste WĂ€lder, vgl. Schwarz Metall o.J.)
Black Metal und Death Metal sind Teil des Metal-Universums1 und begannen sich in den 1980er Jahren in scharfer gegenseitiger Abgrenzung in und aus diesem herauszubilden. Heute werden Black- und Death Metal teilweise unter der Meta-Kategorie âExtreme Metalâ zusammengefasst (vgl. z.B. Kahn-Harris 2007). Die vorliegende Arbeit richtet den Blick dagegen nicht nur auf Gemeinsamkeiten, sondern auch und vor allem auf âdie feinen Unterschiedeâ (vgl. Bourdieu 1982), die zwischen Black Metal und Death Metal bestehen. Diese feinen Abweichungen sind fĂŒr die entsprechenden kulturellen Felder deshalb relevant, weil die AnhĂ€ngerInnen ĂŒber sie bedeutungsvolle Differenz erschaffen, die eine Absetzung der musikalischen Praxen und Gemeinschaften voneinander und damit ihre Wahrnehmung als eigenstĂ€ndige PhĂ€nomene ĂŒberhaupt erst ermöglicht (vgl. exemplarisch Chaker 2011a: 226ff.). Dem mikrosoziologischen Blickwinkel entsprechend werden Black Metal und Death Metal in dieser Arbeit vergleichend untersucht.
Sowohl Black Metal als auch Death Metal haben inzwischen internationale Verbreitung gefunden und werden global vermarktet. Mit den Begriffen âSchwarzmetallâ und âTodesbleiâ im Titel des Buches ist bereits nĂ€her auf den geographischen Raum verwiesen, auf den die vorliegende Publikation fokussiert: Es werden Umgangsweisen von Black- und Death-Metal-AnhĂ€ngerInnen in Deutschland mit ihren Musiken untersucht, d.h., diese Arbeit stellt Informationen darĂŒber zur VerfĂŒgung, wie zwei globale Musikformen in konkreten lokalen ZusammenhĂ€ngen angeeignet werden und welche Bedeutungen sie dort erlangen.
FORSCHUNGSGEGENSTAND UND ERKENNTNISINTERESSE
Hauptanliegen dieser Studie ist es, einen empirisch fundierten und inhaltlich breit gefĂ€cherten Ăberblick ĂŒber die bisher noch unzureichend erforschten PhĂ€nomene Black Metal und Death Metal zu geben. Dabei werden Black Metal und Death Metal als zwei Formen gegenwĂ€rtiger musikalischer Praxis und als juvenile Gesellungsgebilde untersucht.
Der Begriff der musikalischen Praxis im Sinne Kurt Blaukopfs (vgl. hierzu ausfĂŒhrlich Kap. 2.1) basiert auf der Auffassung, dass Musik nicht eine stabile EntitĂ€t darstellt, sondern ein stĂ€ndiges Werden, einen Prozess, und sich als solche permanent wandelt. Hervorgebracht und in Gang gehalten durch das produktive Handeln von Menschen in alltĂ€glichen Interaktionen, lĂ€sst sie sich als eine bedeutungsbildende Praxis begreifen, die â je nach historischem, sozialem, kulturellem und situativem Kontext â von Menschen unterschiedlich angeeignet und beurteilt wird (vgl. Blaukopf 1982, in Rekurs auf denselben Chaker 2011a: 214, 2013b: 39). Selbst innerhalb einer Kultur oder Gesellschaft gibt es keine dauerhaft feststehenden Bedeutungszuschreibungen an Musik, sondern lediglich verfestigte Bedeutungsmuster, die alltĂ€glich neu verhandelt werden und sich damit stĂ€ndig Ă€ndern (vgl. ebd.).
In der vorliegenden Arbeit interessiert, wie Black- und Death-Metal-AnhĂ€ngerInnen in Deutschland mit ihren Musiken umgehen. Was schĂ€tzen sie an ihrer Musik und wie deuten sie diese diskursiv und körperlich aus? Wie finden sie Zugang zu Black- bzw. Death Metal und den entsprechenden âSzenenâ? Inwieweit bringen sie sich aktiv in die jeweilige musikalische Praxis ein? Und verbinden die AnhĂ€ngerInnen ĂŒber ihre geteilte musikalische Vorliebe hinaus weitere Gemeinsamkeiten, etwa was ihre soziale Herkunft, ihr Alter, ihr Bildungsniveau oder ihre parteipolitische Orientierung angeht?
Sollen Fragen wie diese beantwortet werden, mĂŒssen in der Analyse die kulturellen Kontexte mit in den Blick genommen werden, in denen sich die Musiken Black Metal und Death Metal ereignen und in denen sie Bedeutung erlangen. Als Resultate sozialer und kultureller Praxis lassen sie sich â losgelöst von den sozialen Beziehungen in den entsprechenden kulturellen Feldern und den Bedeutungszuschreibungen durch ihre AnhĂ€ngerInnen â weder angemessen deuten noch erklĂ€ren noch verstehen. Hierauf bezugnehmend, bilden nicht musikalische Produkte/Songs/ âWerkeâ den analytischen Ausgangspunkt dieser Arbeit, sondern die musikalische Praxis, die immer auch eine kulturelle und soziale Praxis ist (vgl. Wicke [1992] o.J., Chaker 2010: 265, 267).
Der theoretischen Perspektive auf Black- und Death Metal als zwei Formen musikalischer Praxis liegt ferner die Beobachtung zugrunde, dass Musik (genauer: das Erklingende) das die Gemeinschaften âkonstituierende Momentâ (Langebach 2003: 22, vgl. auch Chaker 2004: 157ff., 226) bildet. Ohne sie gĂ€be es weder die entsprechenden kulturellen Kontexte noch die zahlreichen Nutzungs- und VerwertungszusammenhĂ€nge, die sich um die Musiken herum etabliert haben. Viele AktivitĂ€ten der AnhĂ€ngerInnen stehen in einem direkten Bezug zur Musik (in einer Band spielen, TontrĂ€ger kaufen und anhören, zu Musik tanzen, Konzerte besuchen, sich in Online-Foren ĂŒber Bands informieren und austauschen etc.) und lassen sich so als musikalische Handlungen im weiteren Sinne auffassen. Der vorliegenden Studie liegt damit ein erweitertes MusikverstĂ€ndnis zugrunde, wie Kurt Blaukopf, ein Wiener Musiksoziologe, es im Rahmen seines Konzepts der musikalischen Praxis entwickelt und vertreten hat (vgl. Kap. 2.1.2).
Black Metal und Death Metal werden in dieser Arbeit ferner als zwei Formen juveniler Vergemeinschaftung beschrieben und analysiert (vgl. Kap. 2.2). Hiermit geraten die kulturellen Kontexte, in welche die Musiken Black- und Death Metal eingebettet sind, nÀher in den Blick.
In Abgrenzung zum Begriff âjugendlichâ, welcher primĂ€r auf ein âJung-Seinâ im biologischen oder juristischen Sinne bezogen ist, wird hier das Adjektiv âjuvenilâ zur Beschreibung der Gemeinschaften rund um Black- und Death Metal verwendet. Es verweist auf ein âsich jung fĂŒhlenâ, d.h. auf eine subjektive Haltung und mentale Disposition jenseits des biologischen Alters (vgl. Hitzler et al. 2005: 234), und kann damit auch auf Menschen Anwendung finden, die dem Teenie- oder Twen-Alter2 lĂ€ngst entwachsen sind.
Black- und Death-Metal-AnhĂ€ngerInnen in Deutschland bezeichnen die Gemeinschaften, die sich um ihre Musiken herum gruppieren, selbst hĂ€ufig als âSzenenâ. In Rekurs auf den Sprachgebrauch der AnhĂ€ngerInnen wird der Begriff der âSzeneâ in der vorliegenden Studie ĂŒbernommen und theoretisch fundiert. Innerhalb der Wissenschaften bestehen, je nach Fachdisziplin, verschiedene theoretische Diskurse und Konzepte zu Formen juveniler Vergemeinschaftung, wobei âJugendkultur(en)â, âSubkulturâ und âSzeneâ zentrale Terminologien darstellen, die es darzulegen gilt und deren ErklĂ€rungswert fĂŒr die Gemeinschaften rund um Black- bzw. Death-Metal-Musik zu prĂŒfen ist. VorlĂ€ufig wird an dieser Stelle, auf das theoretische Szenekonzept des Dortmunder Soziologen Ronald Hitzler rekurrierend, âSzeneâ folgendermaĂen bestimmt: Szenen sind â[t]hematisch fokussierte kulturelle Netzwerke von Personen, die bestimmte materiale und/oder mentale Formen der kollektiven Selbststilisierung teilen und Gemeinsamkeiten an typischen Orten und zu typischen Zeiten interaktiv stabilisieren und weiterentwickelnâ (Hitzler et al. 2005: 20).
Die adĂ€quate Analyse der kulturellen Kontexte, in welche die Musiken Black- und Death Metal eingebunden sind, ist auch deshalb ein kompliziertes Unterfangen, weil diese Kontexte gewissermaĂen doppelt codiert sind (vgl. Chaker 2011a: 215): Einerseits bestehen in ihnen eigene Regeln, kulturell-Ă€sthetische Codes und WissensbestĂ€nde, andererseits sind sie dennoch âder Gesellschaft nichts ĂuĂeres, sondern [âŠ]ein Teil von ihrâ (ebd.), wobei in dem einen Kontext teilweise andere Konventionen und Verhaltensweisen erwartet werden und gĂŒltig sind als in dem anderen. Diese doppelte Verwicklung kann mitunter widersprĂŒchliches Verhalten evozieren, etwa, wenn Black-Metal-AnhĂ€ngerInnen sich ehrenamtlich fĂŒr die Kirche engagieren (vgl. Kap. 10.2, vgl. Chaker 2011a: 214). Hieraus wird deutlich: Black- und Death Metal sind keine PhĂ€nomene, die irgendwo auĂerhalb von Gesellschaft existieren und stattfinden, sondern ihr inhĂ€rente PhĂ€nomene. Die Erforschung von Black- und Death Metal stellt damit keine Reise in ein âParallel-Universumâ dar, die aus der Gesellschaft herausfĂŒhrt, sondern im Gegenteil: Sie fĂŒhrt in ihr Inneres hinein und stellt eine Möglichkeit dar, am empirischen Beispiel zweier Musikformen und Szenen das Leben in gegenwĂ€rtigen (post)modernen Gesellschaften zu studieren.
MOTIVATION
In den meisten bisherigen Untersuchungen ĂŒber Black- und/oder Death Metal sind die beiden PhĂ€nomene primĂ€r als ein âProblemâ behandelt und untersucht worden (meine eigene Magisterarbeit eingeschlossen, vgl. Chaker 2004): Symptomatisch hierfĂŒr sind zum Beispiel Fragen danach, ob Black- bzw. Death-Metal-Musik ihre AnhĂ€ngerInnen aggressiv mache, ihre Gewaltbereitschaft fördere, sie zum Rechtsextremismus und/oder Satanismus verfĂŒhre oder Ă€hnliches. Im Grunde geht es bei solchen Fragestellungen darum, das âGefahrenpotentialâ dieser Musiken auszuloten, und zwar zum einen fĂŒr die AnhĂ€ngerInnenschaft selbst, zum anderen aber auch fĂŒr âdieâ Gesellschaft (vgl. hierzu auch Roccor 2002: 24f.).
Nach der Erarbeitung meiner Magisterarbeit war der Wunsch entstanden, von einer solchen reduktiven Perspektive auf Black- bzw. Death Metal Abstand zu nehmen. Ziel der vorliegenden Studie ist es vielmehr, diese beiden PhĂ€nomene möglichst âbreitâ, d.h. in ihrer KomplexitĂ€t und kulturellen Vielfalt zu untersuchen, wobei primĂ€r die Binnensicht der AnhĂ€ngerInnen auf ihre Musik interessiert. Unter der PrĂ€misse, dass sich ihr Umgang mit Black- bzw. Death Metal nicht von selbst erklĂ€rt, nicht âselbst-verstĂ€ndlichâ ist, sondern dass beide Musiken in den kulturellen Feldern, in die sie eingebettet sind, spezifische Bedeutungen erlangen, die es zu entschlĂŒsseln und darzulegen gilt, offeriert diese Arbeit eine Art Ăbersetzungsleistung, welche Black- und Death Metal vor allem fĂŒr Menschen, die diesen kulturellen Kontexten selbst nicht angehören, ĂŒber diese aber etwas erfahren wollen, besser verstehbar macht (vgl. metal.de o.J.).
Dass diese Ăbersetzungsleistung ĂŒberhaupt notwendig ist, zeigt sich in MissverstĂ€ndnissen, die zwischen Black- und Death-Metal-AnhĂ€ngerInnen und Menschen, die keinen Bezug zu diesen Musiken haben, mitunter bestehen. Meiner Beobachtung nach gehen diese Unstimmigkeiten oft auf Probleme bei der Bedeutungskonstruktion und -auslegung zurĂŒck (vgl. Chaker 2004: 254), d.h., Erscheinungsformen und Symbole des Black-bzw. Death Metal werden von AuĂenstehenden teilweise anders gedeutet als von den AnhĂ€ngerInnen selbst (vgl. Chaker 2004: 162, 183, 248, 254, Chaker 2006b: 239, Chaker 2008c, Chaker 2010: 276, Chaker 2011a: 229). Die Perspektive der AnhĂ€ngerInnenschaft herauszuarbeiten und zu vermitteln ist damit ein zentrales Anliegen dieser Studie.
Dass hieran ein öffentliches Interesse besteht, habe ich in den letzten Jahren auf vielfĂ€ltige Weise erfahren dĂŒrfen. So hatte ich wiederholt Gelegenheit, meine empirischen Ergebnisse auf nationalen und internationalen wissenschaftlichen Kongressen zu prĂ€sentieren. Des Weiteren publizierte ich zahlreiche Artikel zum Thema (vgl. z.B. Chaker 2007a, 2008c, 2011a und b, 2013a), deren zentrale Thesen und Erkenntnisse zum Teil auch Eingang in dieses Buch fanden. Um dies so transparent wie möglich zu gestalten, verweise ich an den entsprechenden Stellen auf die jeweiligen Publikationen. Aber auch jenseits der Wissenschaften wurde meine Forschungsarbeit zur Kenntnis und in Anspruch genommen. Neben Privatpersonen (insbesondere besorgte Eltern) erkundigten sich vor allem Jugend- und SozialarbeiterInnen sowie in der Erziehung TĂ€tige nach den Studienergebnissen zu Black- und Death Metal, die fĂŒr ihre alltĂ€gliche berufliche Praxis offenbar Relevanz besitzen. Daneben ist ein reges massenmediales Interesse an meiner wissenschaftlichen Arbeit zu konstatieren. Es berichteten u.a. der UniSPIEGEL, Deutschlandradio Wissen und der Deutschlandfunk (vgl. Pohlmann 2009, Balkow 2010, Ketterer 2009). Zuletzt war meine Expertise in gröĂerem Umfang gefragt, als in Baden-WĂŒrttemberg ein Referendar und Death-Metal-Musiker aus dem Schuldien...