Der Bowie-Pater
„Damn! Wenn das so fortgeht, so soll mich der Teufel holen, wenn wir nur die Schwanzhaare eines einzigen Komantschengaules zu sehen bekommen!“
Der Mann, welcher diese Worte sprach, war eine breite, herkulische Gestalt, aus der, wenn sie von Holz gewesen wäre, man füglich zwei lebensgroße menschliche Figuren hätte schnitzen können. Seine gewaltigen Beine steckten in einem Paar langer Wasserstiefel, die er bis an den Leib herangezogen hatte, der von einer hirschledernen Weste bedeckt wurde, über welcher eine aus starker Büffelhaut gefertigte Jacke hing. Auf dem Kopf trug er eine hohe Mütze, die von einer ganzen Menge von Klapperschlangenhäuten umwunden war. Sein Gesicht sah ganz so aus wie die Gegend, in der er sich befand: Es war so dicht bewaldet, dass man nur die Nase und die beiden Augen zu unterscheiden vermochte. In der Hand trug er eine doppelläufige Kentuckybüchse und in dem alten Schal, den er sich um die Hüfte geschlungen hatte, steckte neben einer alten Drehpistole ein Jagdmesser, das mehr einem Hirschfänger als einem Messer glich.
Er wühlte in einem Haufen von Holzasche herum, der den Boden bedeckte und den unumstößlichen Beweis führte, dass hier ein ungewöhnlich großes Feuer gebrannt habe.
„Sage einmal, Fred“, fuhr er verdrießlich fort, „wie lange es wohl her ist, dass diese Asche heiß gewesen ist?“
„Das Feuer ist gestern früh verlöscht“, lautete die schnelle, entschiedene Antwort.
Der Mann, welcher sie gab, war bedeutend jünger als der vorige. Er mochte höchstens fünfundzwanzig Jahre zählen und war ganz in einem jener indianischen Anzüge gekleidet, welche die Savannenstutzer zu tragen pflegen und an denen die Verfertigerinnen Jahre lang zu arbeiten haben. Trotz dieses sauberen Anzugs aber hatte er nicht das Aussehen eines Sonntagsjägers. Man erkannte an seinem starken Nacken die Narbe eines tiefen Messerschnitts, und über die eine Wange zog sich die Spur eines Hiebs, welcher jedenfalls von einem Tomahawk herrührte. Seine Waffen bestanden aus einem Henrystutzen, aus dem man, ohne wieder laden zu müssen, fünfundzwanzig Schüsse tun kann, einem Bowiemesser und zwei Revolvern.
„Richtig!“, stimmte der Riese bei. „Man sieht, dass du kein Neuling mehr bist wie vor zwei Jahren, als ich dich in die Schule nahm. Aber was hilft uns das jetzt? Die Kameraden sind tot, die Pferde gestohlen und die Nuggets geraubt, die wir uns da drüben in Kalifornien zusammengesucht haben, um auch einmal im Osten den Gentleman spielen zu können. Nun rennen wir hinter diesen verdammten Komantschen her und können sie zu Fuß doch nicht einholen. Aber wehe den Halunken, wenn ich, Bill Holmers, über sie komme!“
Er erhob die Faust und schüttelte sie drohend nach Süden hin.
„Ich denke, wir werden schon noch zu dem Unsrigen kommen“, meinte der, den er Fred genannt hatte.
„Denkst du? Ah?“
„Ja.“
„Nun?“
„Die Spur, die wir verfolgen, führt nach dem Rio Pecos, der durch die Sierra Rianca führt, und diese ist ja gegenwärtig die Grenze zwischen dem Gebiet der Komantschen und Apatschen.“
„Was hat das mit unsern Pferden und Nuggets zu tun?“
„Sehr viel! Die Komantschen, welche uns bestohlen haben, können von jetzt an zu jeder Zeit einer Truppe Apatschen begegnen und dürfen also nicht mehr ohne Kundschafter vorwärts gehen. Was folgt daraus, Bill?“
„Hm, dass sie gezwungen sein werden, langsamer zu reiten. Deine Ansicht ist nicht übel! Man sieht es, dass du bei mir in die Schule gegangen bist, und darum will ich dir nicht übel nehmen, dass du diesen tröstlichen Gedanken eher gehabt hast als ich. Die Apatschen fürchtest du also nicht?“
„Nein. Sie sind jetzt den Bleichgesichtern freundlich gesinnt. Sie sind überhaupt edler und tapferer als die Komantschen und besonders seit die meisten ihrer Stämme dem großen Rimatta gehorchen, kann sich ein Jäger mit Vertrauen zu ihnen wagen.“
Da raschelte es hinter ihnen. Beide fuhren blitzschnell herum und erhoben ihre Büchsen. Vor ihnen stand ein Indianer, beinahe so gekleidet wie Fred, nur dass sein eigenes Haar die einzige Kopfbedeckung bildete, welche er trug, und in seinem Gürtel ein Tomahawk von sehr kostbarer Arbeit blitzte. Seine großen dunklen Augen blickten sehr zuversichtlich auf die beiden Jäger, und die Rechte leicht zum Gruße erhebend, sprach er mit freundlicher Stimme:
„Die Bleichgesichter mögen ruhig sein; der rote Mann wird sie nicht töten.“
„Oho!“, antwortete Bill Holmers. „Das wollten wir uns auch verbitten!“
Der Indianer lächelte.
„Haben meine weißen Brüder den Schritt des roten Mannes gehört? Seine Büchse konnte sie töten, ehe sie ihn bemerkten.“
„Das ist wahr!“, gestand Holmers.
„Aber der rote Mann hat die Worte seiner weißen Brüder vernommen; sie sind Feinde der Komantschen und Freunde der Kinder der Apatschen; er wird sich zu ihnen setzen und die Pfeife des Friedens mit ihnen rauchen.“
Er setzte sich ohne Umstände da, wo er stand, auf den Boden nieder, nahm das mit Federn geschmückte Kalumet von der Halsschnur, stopfte es aus dem Beutel, welcher an seinem Gürtel hing, und steckte den Tabak mit Hilfe seines Punks[1] in Brand.
Die beiden Jäger nahmen ihm gegenüber Platz.
Er sog den Rauch seiner Pfeife sechsmal ein, stieß ihn nach den vier Himmelrichtungen, dann empor zur Sonne und endlich nieder zur Erde von sich und gab nachher das Kalumet an Holmers.
„Der große Geist ist mit den Apatschen und mit den weißen Männern. Ihre Feinde seien wie die Fliegen, welche vor dem Rauch unserer Feuer fliehen!“
Die Jäger wiederholten die Zeremonie und Holmers antwortete:
„Mein roter Bruder ist ein Häuptling der Apatschen; ich sehe es an seinem Haar. Wird er...