Musik als Träger kultureller Identität
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Musik als Träger kultureller Identität

Nationale Diskurse in der Republik Italien anhand der Gruppe Frei.Wild in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol

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Musik als Träger kultureller Identität

Nationale Diskurse in der Republik Italien anhand der Gruppe Frei.Wild in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol

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Musik als Träger kultureller Identität. Nationale Diskurse in der Republik Italien anhand der Gruppe Frei.Wild in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol. Eine Masterarbeit von Marco Hübner, erschienen in der Wissenschaftlichen Reihe des Hirnkost Verlags. In dieser Reihe erscheinen herausragende wissenschaftliche Arbeiten zu jugendkulturellen Zusammenhängen. Die Arbeiten werden von fachkundigen GutachterInnen gelesen und für die Veröffentlichung professionell lektoriert und gestaltet.

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Information

1. Einleitung

1.1 Untersuchungsgegenstand

La Città di Bolzano, libera e democratica, condanna le divisioni e le discriminazioni de passato e ogni forma di nazionalismo, e si impegna con spirito europeo a promuovere la cultura della pace e della fratellanza.1
Getragen von dem demokratischen Grundsatz der Einheit und Brüderlichkeit steht dieser Auszug der Gedenktafel für eine Vielzahl von Aufarbeitungsprozessen in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol – jene Region, die seit 1919 dem italienischen Staat angehört und durch ihre Sprach- und Kulturvielfalt geprägt ist. Die Republik Italien setzt sich seit vielen Jahren mit regionalen Autonomiebewegungen auseinander. Durch die Unterdrückung in der Zeit des italienischen Faschismus geformt, leben in der Provinz Bozen-Südtirol politische Strömungen mit dem deklarierten Ziel der Selbstbestimmung auf, oftmals mit einem nationalistisch-konservativen Unterton. Der Regionalismus erreicht im 21. Jahrhundert durch die europäische Finanz- und Wirtschaftskrise (nachfolgend als „die Krise“ bezeichnet) einen neuen Stellenwert in Europa, wofür Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien, Flandern oder Schottland jüngste Zeugen sind. Forciert durch die Krise verstärkt sich vielerorts der Wunsch in der Bevölkerung nach Verbindlichkeit und Gemeinschaftszugehörigkeit. Kollektive Werte von Pflicht und Akzeptanz, weg von Pluralisierung und Individualisierung, erleben eine Renaissance.2 In Südtirol blühen die Begeisterung für rechtspopulistische Parteien und, so die Südtiroler Zeithistorikerin Eva Pfanzelter, „vergessen geglaubte[.] Deutschtumslogans“3 seit Jahren wieder auf, und die Distanz von einem Miteinander der Kulturen in der Provinz ist im Begriff, sich erneut festzusetzen.
Diese Suggestion des Denkens kann über unterschiedliche Kanäle erfolgen und die kulturelle Identität von Individuen und Gruppen beeinflussen. Die Musik ist dabei ein entscheidender Faktor und bildet dadurch den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Wenn Zeilen wie „Kurz gesagt, ich dulde keine Kritik, an diesem heiligen Land, das unsre [sic] Heimat ist“4, „Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat / Ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk5 zusammentreffen, wird ein Thema deutlich, das einer Debatte zu entnehmen ist, welche seit Jahren andauert und bis dato keinen Abschluss gefunden hat. Die Rede ist von der Südtiroler Rockband Frei. Wild, die besonders in Deutschland aufgrund ihrer Songtexte und Interviews kritisch wahrgenommen und der eine Nähe zu rechtspopulistischen Ideologien nachgesagt wird. Durch den zunehmenden ökonomischen Erfolg der mehrmals mit Gold und Platin ausgezeichneten Band6 ist Frei. Wild ein zentraler Repräsentant für gegenwärtig existierenden Rock in deutscher Sprache. Die wenigen wissenschaftlichen Arbeiten und fundierten Diskurse behandeln maßgeblich den Gegenstand Frei. Wild als Kontroverse darüber, in welchem Rahmen die Gruppe als Band des rechten politischen Spektrums eingestuft werden kann. Vorwiegend übt die bundesdeutsche Musikszene Kritik an der textuellen Ausrichtung. Der Höhepunkt der Diskussion zeigt sich im Ausschluss der Band von der Nominierungsliste des größten deutschen Musikpreises ECHO im Jahr 2012.7 Die Debatten werden durch die Texte mit patriotischen und Heimat bejahenden Passagen ausgelöst, wobei Band und Kritiker_innen für ihren jeweiligen Standpunkt beharrlich einstehen. Jedoch wird der zentrale Aspekt der Fokussierung auf die Provinz Bozen-Südtirol größtenteils ausgespart. Mit der Rechtfertigung seitens der Musikgruppe, dass Texte über starkes Heimatbewusstsein in Südtirol anders wahrgenommen würden, setzt die Lücke in der wissenschaftlichen Literatur ein. Die 2001 gegründete Band Frei.Wild bekräftigt konsequent, keine politische musikalische Gruppierung zu sein, da ein Gesang über die Heimat nicht als politischer Auftritt zu werten sei.8 Des Weiteren ist es auffällig, dass die Mehrheit der Debatten im bundesdeutschen Raum auf Grundlage seiner Geschichte geführt wird. Trotz der Tatsache, dass Frei. Wild den stärksten kommerziellen Erfolg in Deutschland verzeichnet, geht es den Musikern vordergründig um ihre Herkunft Südtirol. Eine Vielzahl von Betrachtungen spart diese Seite der Analyse meist völlig aus und man nimmt Aussagen der Band an, dass Heimat und Patriotismus in Südtirol anders definiert bzw. gelebt würden. Eine wissenschaftliche Fokussierung auf das Thema Frei.Wild im Spannungsfeld Südtiroler und damit italienischer Alltagswelten erfolgte bislang rudimentär. Eine gerechte, objektive Darstellung und Auswertung der musikalischen Arbeit der Gruppe kann nur dann erfolgen, wenn der eigentliche Kern, die italienisch-südtirolerische Perspektive, eingenommen und evaluiert wird.
Das Ziel der Untersuchung soll eine Auseinandersetzung mit den Songtexten und der musikalischen Umsetzung der Gruppe Frei.Wild sein. Dabei wird der Umgang mit der Heimatregion Südtirol kritisch betrachtet und diskutiert. Die Untersuchung stellt prinzipiell keine Anleitung für richtiges Denken dar. Sie soll Zugänge öffnen, hinter dem Gesungenen Bedeutungen erkennbar machen und ein sachkundiges Reden darüber ermöglichen.

1.2 Forschungslage und Eingrenzung

Das diskutierte Thema bedient sich dreier Forschungsfelder, deren Stand in der wissenschaftlichen Literatur überprüft werden muss: primär die Wirkung von Musik als Träger kultureller Identität, in einem nächsten Schritt die derzeitigen Prozesse nationaler Diskurse in der Republik Italien mit dem Schwerpunkt Südtirol und schlussendlich die Verortung der Gruppe Frei. Wild in der aktuellen Forschungslandschaft.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Analyse populärer Musik ist aus Sicht deutschsprachiger Untersuchungen erst in den letzten Jahrzehnten gewachsen, dennoch bleibt die Literaturlage mangelhaft.9 Nennenswerte Wegbereiter sind die Beiträge zur Popularmusikforschung, welche seit 1986 durch den Arbeitskreis Studium Populärer Musik e. V. (ASPM) herausgegeben werden.10 Seit den 1980er Jahren rückte der Aspekt der kulturellen Identität in den Fokus der Musikforschung. Bedingt durch die Dynamik der Globalisierung wuchs, so der Musikforscher Detlef Altenburg, „die Frage nach der Bedeutung der Musik für das komplexe System Kultur und für das Individuum“.11 Mit einem Blick auf die Erforschung nationaler Diskurse in der Republik Italien ist zunächst zu erwähnen, dass sich die Ergründung der Forschungslage auf die Autonome Provinz Bozen-Südtirol beschränkt, weil das Bezugspaar Italien-Südtirol Hauptgegenstand der hiesigen Untersuchung ist. Die Aufarbeitung der Geschichte der seit knapp 100 Jahren zur italienischen Republik gehörenden Provinz Bozen-Südtirol beschränkt sich stark auf die deutschsprachigen Historiker der Region.12 Aus italienischsprachiger Sicht handelt es sich bei den meisten Fällen lediglich um die Übersetzung der Südtiroler Arbeiten deutscher Sprache. Insbesondere in den letzten 15 Jahren erschienen Zeitzeugenberichte und wissenschaftliche Analysen über die Geschichte Südtirols nach dem Ersten Weltkrieg. Waren es zuvor maßgeblich Darstellungen, welche die Geschichte der Region aus einer Opferperspektive schilderten, ist es aktuell ein reflektierter Umgang mit der Vergangenheit. In der Forschung ist erkennbar, dass sich eine gesamtsüdtiroler Debatte etabliert, die Grenzen des Nebeneinanders verschwimmen lässt und auf alle gesellschaftlichen wie sprachlichen Gruppen eingeht. Neben den angemerkten Historikern sind es die Forschungsakademie EURAC (The European Academy of Bozen/Bolzano), das Zentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen und das Jüdische Museum Meran, die den Weg der gemeinsamen Geschichtserzählung wählen. Dies sind zentrale Institutionen der Wissenschaft für die Region Südtirol. Ihre Forschungsweise ist das Beispiel für die Veränderungen der Gesellschaft in der Provinz seit dem letzten Jahrzehnt. Der Ausspruch Klaus Bergmanns, „so viel Geschichte war noch nie“13, als Anspielung auf die zunehmende Zahl von Publikationen über Geschichte, gilt auch für den Forschungsraum Südtirol, wovon diese Arbeit profitieren kann. Im Spannungsfeld von Musik und Südtiroler kultureller Identität ist für die Gruppe Frei. Wild als drittes Forschungsfeld ein ernüchterndes Bild der aktuellen Forschung zu zeichnen. Trotz des kommerziellen Erfolgs und zahlreicher Thematisierungen in den Medien wurde eine wissenschaftliche Betrachtung selten vorgenommen. Erste Verweise lassen sich bei Hans Heiss finden, der die Band 2006 als „patriotisch getunt“ einschätzte und in den Internetforen auf der Seite der Band politisch rechtsgerichtete Inhalte dokumentierte.14 In jüngerer Zeit erschienen mit dem Aufsatz von Thorsten Hindrichs und der Studie von Klaus Farin15 zwei ausführliche Untersuchungen über die Band Frei.Wild, wobei Hindrichs als Musikwissenschaftler der Gruppe eine „Sarrazinisierung des Popdiskurses“16 attestiert und Farin als Schriftsteller, obgleich Verfasser einer einmaligen Fanstudie, den Musikern einen breiten Raum der Selbstdarstellung gewährt.
Für die nachfolgende Analyse stehen wissenschaftlich veröffentlichte Ressourcen unterschiedlicher Qualität zur Verfügung. Aus diesem Grunde ist es notwendig, eine Eingrenzung des zu untersuchenden Rahmens vorzunehmen. Der prinzipielle Anspruch dieser Arbeit liegt in der kulturwissenschaftlichen Betrachtung und ist weniger musikwissenschaftlicher Natur. Daher wird bewusst die klangliche Ebene der Musikstücke ausgespart und die Textgestaltung der Frei.Wild-Lieder hinsichtlich der Diskurse Volk und Heimat überprüft. Da es sich hierbei um eine Untersuchung im Bereich der Romanistik handelt, wird auf eine bundesrepublikanische Perspektive verzichtet und der politische Raum Südtirol/Italien zum Schwerpunkt gemacht. Nicht zuletzt legitimiert sich dieses Vorgehen dadurch, dass die Gruppe Frei.Wild aus der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol stammt und im Zuge der genannten Diskurse immer wieder auf ihre Herkunft verweist.

1.3 Fragestellung und Hypothesen

In Anbetracht der kontinuierlichen textuellen Verarbeitung der Themen Heimat, Traditionsbewusstsein und der Kritik über die Band selbst ist zu hinterfragen, inwieweit Frei.Wild die Kultur der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols repräsentiert, sodass sich Entwicklungen zuungunsten des kulturellen Miteinanders in der Provinz verzeichnen ließen. Die wiederkehrend beschriebenen „Feinde“17 der Region wurden zum beliebten Motiv in den Texten mit Bezug zur Provinz Bozen-Südtirol. Doch ist diese Provinz konkret von Feinden bedroht? Befinden sich die deutschsprachigen Südtiroler_innen seit der letzten Erweiterung des Autonomiestatus 1992 und einer Ergänzung im Jahr 2000 in einem täglichen Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit? Darauf aufbauend wird die folgende Untersuchung der Frage nachgehen, ob sich in den Texten, Musikvideos und Interviews Widersprüche finden lassen, die das Bild der kulturellen Realität Südtirols verfälschen, oder ob sie das reale Bild wiedergeben. Hierzu können insgesamt folgende drei Hypothesen abgeleitet werden:
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Die Südtiroler Band Frei.Wild und ihre Texte, die zum Teil immer wieder die deutschsprachige Kultur der Südtiroler_innen verteidigen, spiegeln nicht die Realität des kulturellen Miteinanders der Provinz wider.
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Die Texte repräsentieren einerseits das kulturelle Verständnis einiger Südtiroler_innen, verschweigen allerdings die kulturelle Vielfalt.
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Diverse Texte der Gruppe Frei. Wild bergen bei zunehmender Etablierung der Band das Potential, ein gesellschaftliches Nebeneinander zu forcieren.

1.4 Begri...

Table of contents

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Titel
  4. INHALTSVERZEICHNIS
  5. 1. EINLEITUNG
  6. 2. THEORETISCHER RAHMEN
  7. 3. FORSCHUNGSDESIGN UND METHODE
  8. 4. FORSCHUNGSANALYSE
  9. 5. SCHLUSSFOLGERUNGEN
  10. Fußnoten
  11. LITERATURVERZEICHNIS
  12. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
  13. ANHANG