Der grüne Strahl
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Der grüne Strahl

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Der grüne Strahl

About this book

Dies ist die illustrierte Version dieses Klassikers.Der grüne Strahl ist ein reiner Liebesroman. Erzählt wird die Geschichte der jungen Helena Campbell, die von ihren beiden Onkeln Sib Melvill und Sab Melvill erzogen wird. Als sie von diesen verheiratet werden soll, erklärt sie, sie werde nicht heiraten, ehe sie den grünen Strahl gesehen habe: der letzte Funken grünen Lichts beim Sonnenuntergang, der nur sehr selten an klaren Tagen am Meer beobachtet werden kann. Einer alten Legende zufolge kann sich derjenige, der das grüne Licht gesehen hat, in Liebesdingen nicht irren. (aus wikipedia.de)

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Information

Year
2012
eBook ISBN
9783849613389

Der grüne Strahl

Erstes Capitel. Bruder Sam und Bruder Sib.

»Bet! – Beth! – Beß! – Betsey! – Betty!«
So lauteten die Namen, welche unmittelbar hinter einander aus dem prächtigen Salon der Helenenburg ertönten – eine merkwürdige Gewohnheit des Bruders Sam und des Bruders Sib, die Verwalterin ihres Landgutes herbeizurufen.
In diesem Augenblicke verhallten aber jene familiären Abkürzungen des Namens Elisabeth ebenso wirkungslos, als wenn die Trägerin desselben mit ihrem vollen Namen gerufen worden wäre.
Dagegen erschien der Intendant Patridge, die schottische Mütze in der Hand, in der Salonthür.
Patridge richtete seine Worte an zwei freundlich aussehende Männer, welche in der Nische des großen Fensters saßen, das mit drei buntglasigen Scheiben ein Stück über die Hausfaçade vorsprang.
»Die Herren haben nach Frau Beß gerufen, sagte er; Frau Beß befindet sich aber nicht im Hause.
– Wo ist sie denn, Patridge?
– Sie begleitet Miß Campbell, welche im Parke lustwandelt.«
Auf ein von beiden Männern gegebenes Zeichen zog sich Patridge würdevoll zurück.
Jene waren die Brüder Sam und Sib – oder nach eigentlichen Taufnamen Samuel und Sebastian – die Oheime der Miß Campbell. Schotten vom alten Schlage, Schotten aus einem antiken Clan der Hochlande, zählten sie zusammen hundertzwanzig Jahre, bei einem Altersunterschiede von nur fünfzehn Monaten zwischen dem älteren Sam und dem jüngeren Sib.
Um mit wenigen Zügen diese Musterbilder von Ehrenhaftigkeit, Wohlwollen und Aufopferungsfähigkeit zu skizziren, genügt wohl die Bemerkung, daß deren ganzes Leben einzig und allein ihrer Nichte geweiht gewesen war. Sie waren die Brüder der Mutter derselben, welche, schon nach einjähriger Ehe verwitwet, durch eine hitzige Krankheit frühzeitig dahingerafft wurde. Sam und Sib Melvill blieben also als natürliche Beschützer der kleinen Waise zurück. Uebereinstimmend in gleicher Zärtlichkeit, lebten, dachten und träumten sie nur für sie.
Um ihretwillen waren sie, ohne es eben zu bedauern, unverheiratet geblieben, zwei gutmüthige Naturen, welche hienieden keine andere Rolle als die eines Beschützers zu spielen haben. Ist es nicht schon genug gesagt, wenn wir von ihnen verrathen, daß der Aeltere gleichsam Vaterstelle, der Jüngere hingegen mehr Mutterstelle bei dem Kinde vertrat? So kam es zuweilen vor, daß Miß Campbell sie dementsprechend mit einem: »Guten Tag, Papa Sam! – Nun, wie geht's, Mama Sib?« begrüßte.
Wem hätte man sie passender vergleichen können, diese beiden Onkels, als, abgesehen von geschäftlicher Erfahrung und Findigkeit, jenen zwei so guten, so übereinstimmenden und einander zärtlich zugethanen, hochherzigen Kaufleuten, den Gebrüdern Cheeryble aus der City von London, den beiden vollkommensten Geschöpfen, welche je der Phantasie Boz Dickens' entsprungen sind. Es wäre unmöglich gewesen, einen treffenderen Vergleich zu finden, und wenn man den Verfasser beschuldigen könnte, deren Typus dem bedeutendsten Werke Nicolas Nickleby's entlehnt zu haben, so würde Niemand dieses Plagiat zu bedauern haben.
Sam und Sib Melvill, durch ihrer Schwester Verheiratung verwandt mit einem Seitenzweige der alten Familie Campbell, hatten einander niemals verlassen. Die gleiche Erziehung hatte sie auch moralisch gleichmäßig gestaltet. Sie hatten zusammen den gleichen Unterricht in der nämlichen Schule und ein und derselben Classe genossen. Da sie stets über Alles denselben Gedanken zutage förderten und die gleichen Ausdrücke dafür zu gebrauchen pflegten, so konnte Jeder leicht einen angefangenen Satz des Andern vollenden, wobei den Hauptpunkten auch die nämlichen Gesten erhöhten Nachdruck verliehen. Mit einem Worte, diese beiden Wesen bildeten eigentlich nur ein einziges, obgleich ihre persönliche Erscheinung einige Verschiedenheit darbot. Sam war nämlich etwas größer als Sib, Sib etwas corpulenter als Sam; ihr graues Haar hätten sie aber vertauschen können, ohne den Charakter der grundehrlichen Gesichter zu verändern, denen der ganze Adel der Abkömmlinge des Clans von Melvill aufgeprägt war.
Müssen wir besonders hinzufügen, daß sie bezüglich des Schnittes ihrer einfachen, hinter der Mode des Tages stets etwas zurückbleibenden Kleidung, wie der Wahl der Stoffe aus vorzüglichem englischen Tuche ganz denselben Geschmack verriethen? Nur der eine kleine Unterschied – wer hätte den Grund dazu erklären können? – bestand zwischen ihnen, daß Sam die dunkelblaue, Sib dagegen die kastanienbraune Farbe zu bevorzugen schien.
Wer hätte nicht mit diesen ehrenwerthen Gentlemen gern auf vertraulichem Fuße gestanden? Gewohnt, im Leben immer gleichen Schrittes zu gehen, machten sie einst gewiß auch Einer unsern dem Andern Halt, wenn ihnen das Stündlein der ewigen Ruhe schlug. Immerhin konnte man diese beiden letzten Pfeiler der Familie Melvill noch als recht solid bezeichnen. Sie hielten gewiß noch lange Zeit das alte Gebäude ihrer Rasse aufrecht, welche dem 14. Jahrhundert entstammte, der epischen Zeit eines Robert Bruce und eines Wallace, der Heldenepoche, in der Schottland noch mit England um seine Unabhängigkeit rang.
Wenn Sam und Sib auch keine Gelegenheit hatten, für das Wohl des Vaterlandes zu kämpfen, wenn ihr minder bewegtes Leben unter dem Segen friedlicher Ruhe verlief, den ein behäbiges Vermögen ...

Table of contents

  1. Jules Verne – Biografie und Bibliografie
  2. Der grüne Strahl