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Das Gotteslehen
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Ein historischer Roman aus dem 13. Jahrhundert. Ein Graf wird im Klosterverlies bei lebendigem Leib eingemauert. Aber er kann entkommen und nimmt Rache am "Gotteslehen"...
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Information
Das Gotteslehen
Ludwig Ganghofer
Inhalt:
Ludwig Ganghofer – Biografie und Bibliografie
Das Gotteslehen
1
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Das Gotteslehen, Ludwig Ganghofer
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849614737
www.jazzybee-verlag.de
Ludwig Ganghofer – Biografie und Bibliografie
Dichter und Schriftsteller, Sohn des August Ganghofer, geb. 7. Juli 1855 in Kaufbeuren, wandte sich erst der Maschinentechnik zu, betrieb dann in Würzburg, München und Berlin philosophische, naturwissenschaftliche und philologische Studien und widmete sich, nachdem er 1879 in Leipzig promoviert worden war, ausschließlich literarischer Tätigkeit. Er lebt in München. G. errang seine ersten Erfolge als Dramatiker durch die für die Wandertruppe der Münchener Dialektschauspieler gemeinsam mit Hans Neuert geschriebenen Volksstücke: »Der Herrgottschnitzer von Ammergau« (Augsb. 1880; 10. Aufl., Stuttg. 1901), »Der Prozeßhansl« (Stuttg. 1881, 4. Aufl. 1884) und »Der Geigenmacher von Mittenwald« (das. 1884, neue Bearbeitung 1900). Später folgten das gemeinsam mit Marco Brociner geschriebene Trauerspiel: »Die Hochzeit von Valeni« (Stuttg. 1889,.3. Aufl. 1903), die Schauspiele »Die Falle« (das. 1891), »Auf der Höhe« (das. 1892) und das ländliche Drama »Der heilige Rat« (das. 1901). Einen großen Leserkreis erwarb sich G. durch sein frisches Erzählertalent, insbes. mit seinen Hochlandsgeschichten. Wir nennen davon die meist in einer Reihe von Auflagen erschienenen Werke: »Der Jäger von Fall« (Stuttg. 1882), »Almer und Jägerleut« (das. 1885), »Edelweißkönig« (das. 1886, 2 Bde.), »Oberland« (das. 1887), »Der Unfried« (das. 1888), »Die Fackeljungfrau« (das. 1893), »Doppelte Wahrheit« (das. 1893), »Rachele Scarpa« (das. 1898), »Tarantella« (das. 1898), »Das Kaser-Mandl« (Berl. 1900) sowie die Romane: »Der Klosterjäger« (Stuttg. 1893), »Die Martinsklause« (das. 1894), »Schloß Hubertus« (das. 1895), »Die Bacchantin« (das. 1896), »Der laufende Berg« (das. 1897), »Das Gotteslehen« (das. 1899), »Das Schweigen im Walde« (Berl. 1899), »Der Dorfapostel« (Stuttg. 1900), »Das neue Wesen« (das. 1902). Daneben veröffentlichte er noch: »Vom Stamme Asra«, Gedichte (Brem. 1879; 2. vermehrte Aufl. u. d. T.: »Bunte Zeit«, Stuttg. 1883), »Heimkehr«, neue Gedichte (das. 1884), »Es war einmal«, moderne Märchen (das. 1891), »Fliegender Sommer«, kleine Erzählungen (Berl. 1893) u. a. Im Roman »Die Sünden der Väter« (Stuttg. 1886, 7. Aufl. 1902) versuchte sich G. ohne rechtes Glück als Sittenmaler; er hat darin den Dichter Heinrich Leuthold geschildert. G. gab auch eine Übersetzung von A. de Mussets »Rolla« (Wien 1880) und mit Chiavacci die »Gesammelten Werke Johann Nestroys« heraus.
Das Gotteslehen
1
Mit rotem Laub, in der klaren Sonne standen die herbstlichen Ulmen und Buchen rings um das kleine Blockhaus her und sperrten mit dem Netzwerk ihrer tausend Äste und dem Flammengewirr der farbigen Blätter alle Fernsicht. Man sah nur den blauen Himmel in der Höhe, in weiter Runde nur die weißen Spitzen der Berge.
Über jene steilen Zinnen war, ein Vorbote des nahenden Winters, schon der erste Schnee gefallen, während auf den tieferen Gehängen noch die letzten Blumen des Herbstes blühten. Der kalte Nachtreif hatte die zarten Spitzen ihrer Blätter schon versengt, doch in ihren Kelchen war noch Honig. Die Bienen, deren Stöcke unter dem vorspringenden Moosdach des Blockhauses geborgen standen, flogen emsig ab und zu. Dieser stete Immensang, gepaart mit dem Murmeln eines dünn laufenden Brunnens, umschwebte wie leise Musik das niedere Dach und alle Balkenmauern des kleinen, grau verwitterten Hauses, welches einsam stand, menschenferne, versunken im Bergwald.
Das Haus eines Jägers. Neben dem Brunnen waren Wildfelle zum Trocknen über Stangen gespreitet und über der Tür, zu beiden Seiten eines hölzernen Kreuzes, waren gebleichte Luchsköpfe und Bärenhäupter an die Balken genagelt. Vor der steinernen Schwelle lag ein weiß und braun gefleckter Jagdhund in der Sonne; blinzelnd und mit den Ohrlappen zuckend hielt er in Wohlbehagen den Hals auf die vorgestreckten Pfoten geschmiegt; manchmal hob er den Kopf, spähte funkelnden Blickes in den Wald, als hätte er den Tritt eines ziehenden Wildes vernommen, und blickte zu der alten Frau empor, die spinnend auf der Hausbank saß. Die Greisin achtete des Hundes nicht. Sie spann und spann, mit vorgebeugtem Haupt, so daß ihr die grauen Zöpfe über die Brust hingen. Faltig umschloß eine Kutte aus blauem Hanftuch den von Alter gebeugten Leib. Das Gewand ließ die hageren Arme nackt, und während die eine Hand den halb schon abgesponnenen Rocken hielt, zog die andere ohne Rast den Faden und ließ in der Luft die schwere Spindel tanzen.
Da klang über dem Moosdach ein ächzender Vogelschrei und lautes Flattern. Langsam blickte die Greisin auf und sah einen Habicht mit der weißen Taube, die er geschlagen, im Wald verschwinden. »So fliegt der Tod um und frißt uns auf!«
Als wollte das atmende Leben diesem trübseligen Worte widersprechen, tönte in diesem Augenblick, vom spielenden Windhauch halb verweht und doch getragen, der klare Hall einer singenden Mädchenstimme vom höheren Wald herunter, jeder Laut das Zeugnis einer Herzensfreude, die sich äußern muß, weil ihr die Brust zu eng geworden.
Die Greisin hob lauschend das Gesicht. »Daß die noch singen kann?«
Da ließ sich Geräusch im Haus vernehmen, »So, Herr! Und jetzt das Schießzeug noch!« sagte eine Männerstimme. »Die Bolzen sind geschärft und neu gefiedert, sie fliegen über hundert Gang. Nur gut hinhalten! Und denk, daß der Hirsch im Zwielicht allweil näher steht, als wie's den Anschein hat. Wenn du gut achthast auf alles, mag's wohl gelingen, daß du einen weidgerechtem Schuß tust.«
»Den Schuß ins Herz oder keinen!« erwiderte eine jugendliche Stimme von so versunkenem Klang, wie eine Glocke tönt, an die man sacht mit der Hand geschlagen.
Schwere Schritte kamen zur Tür, und Hilpot, der alte Jäger, trat über die Schwelle. Sein furchiges Gesicht versank in dem grauen Bart, der mit struppigem Haar in eins verwuchs und gleich einer gestutzten Mähne den Kopf umstarrte. Vom Fuchsfell, mit dem die stämmigen Beine umschnürt waren, hingen zerrissene Lappen nieder, und das ärmellose Lederwams war schwarz und brüchig. Eine klobige, schwer gebeugte Gestalt, verwittert vom Winter, vom Sturm der Berge, verwildert in der Einsamkeit. Vor dreißig Jahren hatte Hilpot mit Hanna, seinem Weib, dieses im Wald verlorene Haus bezogen. Weil das Waldgeräumte, auf dem es stand, sich von allen Gehängen des Göhl am weitesten hervorschob, nannten es die Leute das »Vorder Eck«. Und seit dreißig Jahren hütete Hilpot die Gemsen und Hirsche, die in reicher Zahl die Felsen und Wälder des hohen Göhl bewohnten, dessen Wildbann einst der Kaiser Rotbart dem ungetreuen Bischof von Salzburg abgenommen und dem kaisertreuen Kloster zu Berchtesgaden verliehen hatte. In diesen dreißig Jahren war Hilpot nur ins Tal hinuntergestiegen, wenn er an hohen Kirchentagen die Messe hören mußte oder wenn es einen Hirsch, der für Hilpots Söhne zu gewichtig war, in die Klosterküche zu liefern galt – oder wenn er von seinen Buben einen auf dem Totenbrett hinuntertragen mußte zur geweihten Erde. Sechsmal in diesen dreißig Jahren hatte Hilpot solche Last getragen. Das hatte mitgeholfen, um seinen Rücken so tief zu krümmen.
Eine Weile stand er auf der Schwelle und spähte nach allen Seiten. Dann trat er ein paar Schritte in das Gehöft hinaus. Hanna blickte zu ihm auf und sagte: »Der Stößer hat uns das letzte Täubl davon. Du, Jäger, du! Hütest für ander Leut das Gewild und kannst deine eigene Taub nit hüten.«
Sie nickte. »Solche Jägersleut sind wir Menschen all miteinand!« Hilpot schien nicht zu hören. Lauschend spähte er über den Waldsaum hin und rief dann gegen die Tür: »Komm nur, Herr! Nur die Mutter, sonst ist keine Menschenseel in der Näh. Der Forst ist völlig still, nur droben in der Waldhut, neben dem Gotteslehen hört man das arme Mädel singen.«
Im Rahmen der Tür erschien eine hohe Gestalt, ein junger Jäger, der eben die Armbrust hinter die Schulter nahm. Er war gekleidet wie der Alte, nur daß das Gewand nicht so verwittert und verbraucht war; dazu die Marderkappe mit der Adlerfeder. Das Wams zog Falten, als wär es nicht für diesen schlanken Körper geschnitten worden. Und die schmalen Hände wie auch die nackten Knie waren weiß, als hätten sie die Sonne nicht oft gesehen. Nur wenig lugte das kurz geschnittene Schwarzhaar unter dem Pelz der Mütze hervor. Auf den bleichen Wangen lag ein bläulich...
Table of contents
- Ludwig Ganghofer
- Ludwig Ganghofer – Biografie und Bibliografie
- Das Gotteslehen