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Die Verlobten
About this book
Die Verlobten heißt ein historischer Roman des italienischen Autors Alessandro Manzoni, dessen erste Fassung 1827 und dessen endgültige Fassung 1840-1842 in Mailand erschienen ist. Er ist das erste Beispiel des modernen italienischen Romans und gilt nach Dantes Göttlicher Komödie als das bedeutendste Werk der klassischen italienischen Literatur. (aus wikipedia.de)
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Information
Die Verlobten
Einleitung
Quel cielo di Lombardia, così bello quand' è bello, così splendido, così in pace. (Dieser lombardische Himmel, so schön, wenn er freundlich ist, so glanz-geschmückt, so friedlich-sanft.)
Manzoni, Die Verlobten, T. I, Kap. 17.
Wem es jemals vergönnt war, die Sonne des also gefeierten lombardischen Himmels zu fühlen, wer je die Wunder der oberitalienischen Seen, das Wunder des Mailänder Domes erlebt hat, wird die Landschaft, in der die mailändische Geschichte von den »Verlobten« spielt, niemals wieder vergessen. Sie bleibt die ewige Sehnsucht des Nordländers, der nach einem reineren Himmel, nach hellerer Klarheit und wärmerer Sonne verlangt; sie war aber in gleicher Weise das Land, das auch der Südländer von jeher mit besonderer Liebe umfing. Aus sehnsüchtiger Erinnerung heraus fragte Plinius d. J. in einem Briefe an Caninius Rufus: »Was macht Como, deine und meine Wonne? Was das reizende Landhaus? Was die Säulenhalle mit dem ewigen Frühling? Was der schattige Platanenhain? Was die grüne, kristallklare Flut? Was das sonnenbestrahlte Bad?«
Dieses Bild könnte auch heute noch ein moderner Italienfahrer im Gedächtnis haben, wenn er an Como und seinen See denkt: das ist ganz das Abbild des einen, südwestlichen Armes des dreizipfligen Sees mit seiner Perlenschnur von weißen Villen, die am Ufer entlang in das dunkle Grün der Gärten eingebettet liegen. Manzonis Werk nimmt seinen Ausgang aber vom Winkel des südöstlichen Armes, in dem die Seidenspinnerstadt Lecco liegt und die Adda aus dem See austritt. Dieser Teil, einsamer und weniger besucht von Fremden, aber darum nicht minder reich an landschaftlichen Schönheiten, trägt ein anderes Gepräge. Wer aus dem Comoarm kommend das Paradies von Bellaggio umfahren hat und in den See von Lecco kommt, ist überrascht von der Grelle dieser Gegensätze: eben noch anmutige Hügel, immergrünende Gärten in lieblicher Landschaft, jetzt eine ragende Bergwelt mit schroffen und kahlen Felswänden, die romantische Gebirgsszenerie einer Dolomitenkette, die nur schlichte Dörfer und Weiler am schmalen Seeufer duldet. Die künstliche Welt der Villen und Parks hat aufgehört, eine herbere, einfachere, aber in der Großartigkeit der Bergeinfassung um so eindrucksvollere beginnt. Dort, wo am Südende bei Lecco und Malgrate die Berge mehr zurücktreten und größeren Raum für die Olivenhaine und Weingärten der Dörfer lassen, lebt die Lieblichkeit des westlichen Armes noch einmal auf, aber sozusagen unvermischt, ohne die künstliche Zugabe prunkvoller Villen und Zierparks, in ihrer ganzen natürlichen Schönheit. Dort, in jener »lieblichen Mannigfaltigkeit«, die von der schroffen, sägenartig gezackten Felswand des Monte Resegone durch grünende Fluren an das helle Ufer des Leccosees, der Adda, des Sees von Pescarenico führt, dort sind die Gestalten Manzonis zu Hause.
Das Leben Manzonis entbehrt größerer äußerer Begebenheiten. 1805 bis 1807 weilte er in Paris und geriet dort ganz ins klassizistische Fahrwasser. Die Jahre 1809/12 sind von entscheidender Bedeutung für Manzonis inneres Leben. Nach seiner Rückkehr aus Paris heiratete er die kalvinistische Schweizerin Henriette Blondel nach protestantischem Ritus; beide aber traten im Mai 1810 wieder zum katholischen Glauben über. In dieselbe Zeit fällt auch die Bekehrung Manzonis zur Romantik. Er schrieb die Inni sacri (Heilige Hymnen, 1812 begonnen, Gesamtausgabe 1823), die zu den herrlichsten Liedschöpfungen zum Preise des Katholizismus gehören, dazu gleichsam die erste lyrische Manifestation der Romantik in Italien sind; er verfaßte die ersten romantischen Dramen (1816/22), die sich über die klassischen Einheiten hinwegsetzen, aber heute, weil in ihnen die Geschichte die Poesie überwuchert, vergessen sind. Sein berühmtestes, noch heute lesenswertes Gedicht ist »Der fünfte Mai« (1821), eine Ode auf den Tod Napoleons, die von Goethe mit Recht gerühmt wird.
Sein Haupt- und Lebenswerk ist jedoch I promessi sposi, »Die Verlobten«, an dem er immer wieder arbeitete und verbesserte. Die erste Ausgabe in drei Bänden 1825/27 ist stark mit Lombardismen durchsetzt; nach einem Aufenthalt in Florenz machte er sich an die Ausmerzung derselben (1840) und schenkte damit seinem Volke ein Beispiel für reine Prosa, die von der Akademie der Crusca für vorbildlich erklärt wurde.
Den Rest seines Lebens verbrachte Manzoni, hochgeehrt von seinen Landsleuten, zum Teil in seinem vornehmen Hause in Mailand, zum Teil auf seinem Landgut Brusuglio in der Brianza. Wir hielten es für notwendig, die Leser umständlicher in die Landschaft des Romans einzuführen. Denn diese Landschaft ist der belebende Atem, der durch das ganze Werk weht. Klarheit, Lieblichkeit und einfache Größe, sie geben seinem Geschehen und seinen Personen das Gepräge. Daher ist das Werk echte Heimatkunst im besten Sinne des Wortes. Selten vielleicht stehen Landschaft und Dichtung in so engem Zusammenhange wie hier. Sie bedingen einander so sehr, daß sogar nachträglich Landschaft und Örtlichkeit nach dem Roman gedeutet wurden. Die eigentliche Handlung nämlich, die Geschichte der Verlobten Renzo und Lucia, deren Vereinigung ein gewalttätiger Machthaber Don Rodrigo zu hindern sucht, ist vom Dichter frei erfunden, aber das lesende Volk, das seine Welt in dem Werke wiederfindet, seine Örtlichkeiten und sein Denken und Fühlen mit solcher Meisterschaft und Naturwahrheit geschildert sieht, glaubt an die wirkliche Existenz der erfundenen Personen. Hier mußte Don Rodrigo in seinem Raubneste gehaust haben, dort standen die Hütten der unglücklichen Liebenden, hier mußten die Bravi dem furchtsamen Don Abbondio aufgelauert haben, dort mußten die flüchtigen Verlobten über die Adda gesetzt sein: So wird noch jetzt dem wissensdurstigen Reisenden berichtet.
Aber Manzonis Werk ist nicht nur Heimatkunst, es ist mehr als das. Echte Dichtung kann vielleicht nur in dem fruchtbaren Boden des – in weitestem Sinne – heimischen Volkstums keimen, aber sie muß darüber hinaus in allgemein menschliche Bezirke wachsen. Viele lieben mit uns diese so trefflich geschilderte Landschaft, übervölkische Bedeutung jedoch als ein Roman der Weltliteratur erhält es erst durch die Wahrheit der Empfindung und die Tiefe des Gefühls, die jeden Empfänglichen ergreifen, und durch die künstlerische Vollkommenheit, mit der sie in Sprache und Charakterschilderung zur Darstellung gebracht werden.
Daß diese Eigenschaften in schönster Harmonie unseren Roman schmücken, wird nicht nur durch seine Volkstümlichkeit in ganz Italien bewiesen, wo er eine Art Weltbibel, geistiger Besitz von fast jedermann ist, sondern vor allem durch die Wertschätzung, deren er sich in ganz Europa erfreut. Er ist sehr oft und in alle Kultursprachen übersetzt worden, er wird von vielen für ein schlechthin vollkommenes Buch gehalten, das den übrigen Romanen der Weltliteratur in nichts nachsteht und viele übertrifft.
Als Kronzeugen für die Weltgeltung des Werkes müssen wir zunächst Goethe anführen. Er erhielt den Roman gleich nach Erscheinen im Jahre 1827 mit einer eigenhändigen Widmung vom Verfasser zugesandt. Seine Begeisterung nach der ersten Lektüre gibt Eckermann in seinen »Gesprächen mit Goethe« unter dem 18. Juli 1827 wieder: »Ich habe Ihnen zu verkündigen, war heute Goethes erstes Wort bei Tisch, daß Manzonis Roman alles überflügelt, was wir in dieser Art kennen. Ich brauche Ihnen nichts weiter zu sagen, als daß das Innere, alles, was aus der Seele des Dichters kommt, durchaus vollkommen ist, und daß das Äußere, alle Zeichnung von Lokalitäten und dergleichen gegen die großen inneren Eigenschaften um nichts zurücksteht. Das will etwas heißen. Der Eindruck beim Lesen ist derart, daß man immer von der Rührung in die Bewunderung fällt und von der Bewunderung in die Rührung, so daß man aus einer von diesen beiden großen Wirkungen gar nicht herauskommt.«
Etwas später, nach Beendigung der Lektüre, schwächt Goethe sein Lob in etwas ab. Er meint, daß die allzu breite und allzu genaue Darstellung der historischen Ereignisse der poetischen Wirkung Schaden tue; darüber berichtet Eckermann unter dem 23. Juli 1827: »Ich sagte neulich, daß unserem Dichter in diesem Roman der Historiker zugute käme, jetzt aber im dritten Bande finde ich, daß der Historiker dem Poeten einen bösen Streich spielt, indem Herr Manzoni mit einemmal den Rock des Poeten auszieht und eine ganze Weile als nackter Historiker dasteht. Und zwar geschieht dieses bei einer Beschreibung vom Krieg, Hungersnot und Pestilenz, welche Dinge schon an sich widerwärtiger Art sind und die nun durch das umständliche Detail einer trockenen chronikenhaften Schilderung unerträglich werden ... Hätte Manzoni einen ratgebenden Freund zur Seite gehabt, er hätte diesen Fehler sehr leicht vermeiden können. Aber er hatte als Historiker zu großen Respekt vor der Realität ... Doch sobald die Personen des Romans wieder auftreten, steht der Poet in voller Glorie wieder da und nötigt uns wieder zu der gewohnten Bewunderung.«
Ohne Zweifel liegt in diesem Tadel, abgesehen natürlich von der Abneigung des Klassikers Goethe gegen die Darstellung des Häßlichen, eine gewisse Berechtigung. Die Verbindung der romanhaften Teile mit der Schilderung der historischen Ereignisse namentlich in unserem zweiten Teile ist oft recht lose. Dieser Fehler in der Komposition ist indessen fast Allgemeingut des romantischen historischen Romans. Über dessen Entstehung und Sinngebung ist bereits in dieser Reihe von Werken der Weltliteratur anläßlich von Victor Hugos »Notre-Dame von Paris« gehandelt worden, und dort wurde auch Manzonis Werk bereits in die historische Entwicklung eingefügt; es sei dafür also auf jene Ausführungen verwiesen. Jedenfalls zeigt Manzonis Roman eine ähnliche Kompositionsart wie der Victor Hugos: Eine frei erfundene romanhafte Handlung wird in einen historischen Hintergrun...
Table of contents
- Alessandro Manzoni – Biografie und Bibliografie
- Die Verlobten
- Band II: Zweiter Teil.