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eBook - ePub
Gewitter im Mai
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Nach langen Jahren auf See kehrt Leopold in sein bayerisches Heimatdorf zurĂŒck, wo er sich in Regina, seine Freundin aus Kindertagen, verliebt. Doch zwischen den beiden steht der Schmied Domini, dem Regina bereits versprochen ist. (aus br-online.de)
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Information
Gewitter im Mai
I.
Wie schön das war, dieses stille Rasten, fern von aller Unruh da drauĂen, nach langen Jahren wieder in der Heimat, an solchem Morgen, in der linden Maiensonne!
Ohne sich zu regen, die gebrĂ€unten HĂ€nde im SchoĂ, an die weiĂglĂ€nzende Mauer gelehnt und wunschlos trĂ€umenden Glanz in den blauen JĂŒnglingsaugen, saĂ er zwischen TĂŒr und Fenster auf der Hausbank und trank mit tiefen, ruhigen AtemzĂŒgen alle Schönheit in sich, die der Mai seiner Heimat um ihn herschĂŒttete.
Ăber dem vorspringenden Hausdach, dessen RĂ€nder sich in der Sonne wie goldflimmernde Linien vom zartblauen Himmel abhoben, zwitscherte ein SchwalbenpĂ€rchen, das vom Nestbau ein wenig ruhte. Lockende Finkenrufe klangen im Garten von den Ulmen her, deren weitgespannte Zweige schimmerig ĂŒbersĂ€t waren mit den jungen BlĂ€ttchen, mit tausend kleinen, blaĂgrĂŒnen Herzen, die sich zitternd sehnten, in die groĂe Sommerfreude ihres kurzen Lebens hineinzuwachsen. Und manchmal hörte man einen sĂŒĂen Amselschlag in der schwarzgrĂŒnen, von zahllosen jungen Trieben licht ĂŒbersprenkelten Fichtenhecke, die wie eine hohe lebende Mauer den Hof und Garten des Forsthauses umzog, als wĂ€r das eine abgeschlossene Welt fĂŒr sich. Alles, was ĂŒber der Hecke drauĂen war, schien ferner zu sein, weil es halb versunken lag: das ganze Dorf umher, die NachbarhĂ€user, von denen man nur die rotbraunen DĂ€cher mit den rauchenden Schornsteinen sah, die Kronen der blĂŒhenden ApfelbĂ€ume, die wie weiĂe SchneehĂŒgel ĂŒber die Hecke hereinlugten, und die breite, zierlich ausgezahnte Wipfelreihe des Waldes, der zwischen Dorf und Bergen das Tal erfĂŒllte. Nur der Kirchturm streckte lang seinen roten Hals und guckte von oben herab ĂŒber die Hecke her, wie ein Neugieriger, der alles sehen will.
Und in weitem Kreis der ergrĂŒnenden Berge, ĂŒber deren höchsten WĂ€ldern und Felsen der Schnee noch lag, ĂŒbergossen vom Duft des Morgens, eine blau erstarrte Riesenwoge neben der anderen â und je weiter sich die Höhen hinausschwangen in die Ferne, um so blauer wurden sie, bis sie ganz mit dem Himmel verschwammen, als wĂ€re das letzte FelsgewĂ€nd in durchsichtige Luft verwandelt.
Rufende Stimmen klangen aus dem Dorf, Gebell der Hunde, Wagengerassel und der rastlose Hammerklang einer Schmiede, doch all diese Laute nur halb verstĂ€ndlich bei dem sanften Rauschen des jungen Laubes und bei dem spielenden GeplĂ€tscher, mit dem der glitzernde See seine kleinen, vom Morgenwind geschĂŒrten Wellen dicht vor der Hecke des Forsthauses an das kiesige Ufer spĂŒlte. Dieses gaukelnde Klingen der Wellen war wie die TrĂ€llerstimme eines SĂ€ngers, der sich bei schönem Wandern eines heiteren Liedes halb erinnert, immer wieder von vorne beginnt und das Ende nicht finden kann.
Und der ganze, weite See schien trunken von Sonne. Das Spiel seiner Wellen war wie ein Zaubertanz von Millionen weiĂen FlĂ€mmchen. Jeden anderen hĂ€tte dieses Glitzern und GleiĂen geblendet. Doch der lĂ€chelnde TrĂ€umer dort an der leuchtenden Mauer sah mit ruhigem Blick ĂŒber all das strahlende Geflimmer hinaus, denn seine Augen waren gewöhnt an den brennenden Glanz des Wassers. Und da lachte er plötzlich auf, als hĂ€tte ihn irgend etwas belustigt â irgend etwas an diesem lieblichen Gezitter und Geglitzer, mit dem sich der See in die blaue Ferne dehnte.
Die Handvoll Wasser da â und das Meer!
Wieder lachte er.
Dieses kindliche GetĂ€ndel der kleinen Wellen â und der Taifun bei Madagaskar, gegen den sein Schiff drei Tage hatte ringen mĂŒssen, bis es mit rasierten Masten unter dem Notsteuer den Hafen gewann! Und sieben Mann waren ĂŒber Bord gegangen â mit ihnen sein bester Kamerad, Fritz Radspeeler, der Sohn eines Rostocker Reeders.
»Min leiwer Jung!«
Dem lachenden TrĂ€umer grub sich eine ernste Furche in die braune Stirn. Und wĂ€hrend er hinausblickte ĂŒber das sonnige Spiel der Wellen, stiegen die Bilder aller Gefahren vor ihm auf, die er ĂŒberstanden hatte da drauĂen in fernen Welten. Der Schiffbruch an der kalifornischen KĂŒste â auf seiner ersten Fahrt als Leichtmatrose. Sieben Tage im Boot! Und nach der Rettung das Gelbe Fieber. Und das Jahr darauf, als er schon die volle Heuer hatte, die Revolte im chinesischen Theater zu Hongkong â die tausend bezopften Zuschauer in schreiender Wut gegen die vier deutschen Jungen, die beim Anblick dieser absonderlichen Kunst ein biĂchen lustig und ĂŒbermĂŒtig wurden. Wollten sie nicht erschlagen werden, so muĂten sie sich mit dem blanken Messer einen Weg bahnen! Und die Tigerjagd in Indien, auf die der Prinz den jungen Försterssohn als BĂŒchsenspanner mitgenommen hatte! Als der angeschossene Tiger, gereizt durch die FeuerbrĂ€nde und den PaukenlĂ€rm der Treiber, dem Elefanten, der den Prinzen trug, auf die Schulter sprang, da hatte es gegolten, in allem Aufruhr einen sicher treffenden SchuĂ zu tun! â Und im Garten der Navigationsschule jener böse Sturz vom Top des Flaggenmastes! Und dieses traurige halbe Jahr auf dem Krankenbett! Und die Freude der Genesung! Dazu noch der Stolz auf die goldene Borte, als ihn Fritz Radspeelers Vater als Dritten Offizier fĂŒr die âșDenderahâč angemustert hatte! Und gleich auf der ersten Fahrt wieder die furchtbarste aller Gefahren â jene grauenvolle Nacht im Kanal, auf brennendem Schiff ...
So stieg ein Bild um das andere vor ihm auf â doch alles mit gemildertem Schatten, alles in die linde Sonne dieses Morgens getaucht, der das vergangene Dunkel so schön und blau machte wie die Berge da drauĂen.
In verklĂ€rendem Glanz und mit heiterem Geflimmer, wie die spielenden Wellen im See, glitt alles an seinen Augen vorĂŒber, was er erlebt hatte in diesen sieben Jahren, seit ein unĂŒberwindlicher Widerwille gegen die Schulbank den FĂŒnfzehnjĂ€hrigen aus der Heimat fortgetrieben und dem Seemannsberufe zugefĂŒhrt hatte. Und jetzt die stolze Freude, so heimzukehren, mit der Offiziersborte, als gemachter Mann, der einen schönen Lebensweg vor sich hat â und eine Stellung, die was trĂ€gt!
Das hatte er sich geschworen: nur so wieder heimzukehren. Und er hatte seinen Schwur gehalten â wenn ihm das Heimweh in der Brust auch gebrannt hatte wie zehrendes Feuer!
Und diese zitternde Erwartung wĂ€hrend der langen Bahnfahrt! Von Rostock bis in die Berge, eine Nacht und einen ganzen Tag! Und dieses GehĂ€mmer in seinem Herzen, dieses GlĂŒhen im Blut, als er am vergangenen Abend bei sinkender DĂ€mmerung die dunkelblauen Gipfel der heimatlichen Berge unterschied! Und jetzt daheim! »Vater! Mutter!« Wie schnell sich das machte, diese Versöhnung nach sieben Jahren, unter Lachen und TrĂ€...
Table of contents
- Ludwig Ganghofer â Biografie und Bibliografie
- Gewitter im Mai